gibt es in der Flut der Schreibratgeber ein Buch oder einen empfehlenswerten Blog, das/der sich speziell mit dem Thema “Wie schreibe ich eine richtig, richtig gute Szene” beschäftigt (Aufbau, Dialog, Beschreibungen etc.)?
Ich merke, dass ich da doch ziemliche Defizite habe und würde mich mit dem Thema gern etwas näher beschäftigen.
Vielen Dank für etwaige Tipps
sagt
Berlinschreiber
Auch Drehbücher beginnen als Bücher, Szenen werden geschrieben. Und Nein, dieses Buch ist in erster Linie für Autoren. Am Ende kann ein Drehbuch dabei herauskommen, muss aber nicht.
Hallo Berlinschreiber,
Mir hatte mal die Besprechung von Jacky Vellguth sehr gut gefallen. Da hat sie einen Artikel von Randy Ingermanson über ‘Die perfekte Szene’ auf deutsch übersetzt. https://www.schriftsteller-werden.de/kreatives-schreiben/die-perfekte-szene-teil-1/
Die insgesamt drei Teile bringen sehr viele gute Informationen zum Szenenbau.
Ich denke, das könnte dir erst mal weiterhelfen ohne weitere Ratgeber beschaffen zu müssen.
Eigentlich beides. Es fehlt an Pep, an Konflikten, an Witz und an Spannung. Ich würde mich da einfach nochmal grundsätzlich etwas schlauer lesen.
Ja, aber Drehbücher sind “nur” Vorlagen für eine visuelle Umsetzung - die Filmszene, die am Ende dabei rauskommt, hat noch andere Elemente als eine Szene in einem Buch. Kein Mensch macht es sich abends auf der Couch gemütlich, um ein Drehbuch zu lesen, sondern man guckt den fertigen Film im Heimkino.
Wer sich ein Buch vornimmt, muss die Worte, Buchstaben und Sätze auf dem Papier toll finden - nicht die Schauspieler, die Kamera und die Musik. Klar, einige Grundparameter sind gleich - es muss Figuren geben, Ziele und Konflikte. Aber das war’s auch schon an Gemeinsamkeiten.
Vielleicht ist es nur etwas Technisches - eine bessere Konstruktion von Szenen, eine stärkere Anreicherung mit sinnlichen Eindrücken, eine Schärfung von Dialogen usw.
Vielleicht ist es aber etwas anderes. Ich hole ganz weit aus, im Bewusstsein, dass ich total daneben liegen könnte: Ich erinnere mich an eine Radiosendung vor etlichen Jahren. Da war ein Interview angekündigt mit einem Mann meines Alters, der etwas ganz Beeindruckendes getan hatte, von dem ich selbst meilenweit entfernt war, mir so etwas auch nur in einem 1/100-Ausmaß zuzutrauen (für ein Jahr alles hinter sich zu lassen und alleine um die Welt reisen, in diese Richtung). Ich fieberte dem Interview entgegen. Und dann: Das Interview war langweilig. Schrecklich langweilig. Eine Summe der langweiligsten Antworten, die man nur geben konnte. Ich war etwas fassungslos. Kann man so etwas erleben und so wenig dazu zu berichten haben? Kann es sein, dass eine solche Erfahrung so spurlos an jemanden vorbeigeht, so wenig mit der Persönlichkeit macht? Offensichtlich ja.
Was ich sagen will: Es gibt Menschen, die sind langweilig. Steinigt mich, aber es dürfte wirklich so sein (warum sie so langweilig sind, und ob sie sich zu weniger langweiligen Menschen entwickeln können, das steht auf einem anderen Blatt). Wenn man einen Haufen ausschließlich und abgrundtief langweiliger Menschen in eine spannende Situation steckt, dann wird auch die Situation - nun, eben langweilig verlaufen. Ein Banküberfall, in dem zehn solcher Menschen mit Waffen bedroht in der Gewalt von Kriminellen sind, könnte durchaus so ausgehen, dass jeder zum Schluss nur sagt: Also ich war 48 Stunden lang in Schockstarre und habe absolut nichts getan. Nein, wirklich, ich bin nur abwartend am Boden rumgesessen. Nein, die ganze Zeit. Habe nicht eine Sekunde daran gedacht, zu flüchten / heimlich eine Nachricht nach draußen zu senden / die Bankräuber psychologisch gegeneinander auszuspielen / meine alten Tae-Kwon-To-Künste auszukramen (Die meisten Banküberfälle gehen so aus; das Buch darüber würde aber keiner lesen wollen).
Ich komme zurück und will sagen: Ich würde nicht an einzelnen Szenen ansetzen (wenn Du das Gefühl hast, das Problem zieht sich durch viele Szenen), sondern an den Hauptfiguren, an deren Persönlichkeiten, Motiven, inneren und äußeren Konflikten. Und den Hauptfiguren entweder Feuer unter dem Hintern machen oder sie mit dem Gartenschlauch eiskalt abspritzen und dann schauen, wie sich dann verhalten, wenn Du sie noch mal in die gleiche Szene und auf einander loslässt.
Du könntest auch Beispiele von in deinen Augen misslungenen Szenen posten, vielleicht hat hier jemand den ultimativen Tipp oder du bist in die Selbstzweifelfalle getappt. Ich bin da übrigens ziemlich mit @Sentinel d’accord, dass da vielleicht zuerst die szenentragenden Personen in Frage zu stellen sind.
Ich bin mir nicht sicher, ob es diese Bücher auf deutsch gibt, aber falls englisch für dich kein Problem ist, dann kannst du mal ein Blick in zwei Bücher von Jordan Rosenfeld werfen. „Make a Scene: Crafting a Powerful Story One Scene at a Time“ und (zusammen mit Martha Alderson) „Writing Deep Scenes: Plotting Your Story Through Action, Emotion, and Theme“.
Auch das kann durchaus sein. Teilweise hat es damit zu tun, dass das Bedürfnis, das „Goal“ der einzelnen Figuren zwar grundsätzlich erkennbar ist, aber ich glaube ich hab mir noch nicht genug Gedanken darüber gemacht, was eine Figur in einer Szene erreichen will, sozusagen als „Nahziel“. [FONT=-apple-system] Und wie ich jetzt festgestellt habe, sind meine Figuren zuweilen einfach noch zu nett zueinander. Die müssen sich mehr in die Wolle kriegen.
Vielen Dank erstmal für die Tipps - ich denke, das hilft mir erstmal ganz gut weiter.
Genau das ist einem Freund von mir mal passiert - nicht bei einem Banküberfall, sondern bei dem schweren Erdbeben in San Francisco 1989. Er saß grade im Flughafen und wartete auf seinen Abflug, als es losging. Hinterher sagte er mir: “Ich bin sofort unter einen Tisch gekrochen, weil von der Decke alles runterkam, und dann habe ich acht Stunden unter diesem Tisch gehockt, selbst als es schon vorbei war. Und erst nach diesen acht Stunden habe ich gemerkt, dass ich die ganze Zeit meine Bordkarte in meiner verkrampften linken Hand festgehalten hatte.”
Also - als Romanfigur definitiv zu langweilig!
Schreiben! hoch 3 von Stephan Waldscheidt, darin wird auch Szenenaufbau behandelt. Ist nach wie voe mein Lieblings-Schreibratgeber.
Hier noch ein amazon.de davorsetzen:
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Techniques of the selling Writer ist meiner Meinung nach das beste Buch, wenn es um das Schreiben von Szenen und Sequenzen geht. Er hat das veranschaulicht geschrieben.
Also, ich habe vor einigen Jahren einen Kurs übers Drehbuchscheiben gemacht und viel davon fürs “richtige” Schreiben gelernt, denn vieles ist doch sehr ähnlich. Und eine Sache blieb mir vor allem zu den Personen im Gedächnis: Man sollte immer auf Konfrontation gehen. Also, z.B. in einem Dialog sollte man gegensätzliche Standpunkte einnehmen. Alles andere ist eher lanweilig. Von daher muss man viel über seine Figuren wissen, was sie sich wünschen, etc. Daher haben meine Vorschreiber bestimmt recht, dass es eben nicht unbedingt am Szenenaufbau liegt, sondern an den Figuren. Diese verändern mit ihren Charakteren die einzelnen Szenen.
Ich habe mal ein massives Problem mit einer Szene gehabt. Ich hing fest. Bis mir auffiel, dass die Protagonistin einfach nicht konform mit ihrem Charakter agierte. Sie ist eigentlich eine Beobachtende, die um andere herum schleicht und sich zurück hält. In dieser einen Szene aber griff sie in den Dialog ein - und nichts funktionierte mehr. Als ich das erkannt habe, habe ich sie einfach sich zurücknehmen und beobachten lassen und siehe da: die Szene stimmte plötzlich.
Genau wie diese Frau halte ich es seither. Wenn ich merke, dass eine Szene nicht funktioniert oder, wenn ich hänge, dann trete ich einfach drei Schritte zurück und schaue mir 1. die Storyline an und 2. die Figuren. Es hängt immer an diesen beiden Aspekten. Immer. Mal ist die Szene einfach an der falschen Stelle, mal lasse ich die falsche Figur etwas sagen (was eigentlich - laut Charakterbeschreibung - von jemand anderem kommen müsste).
Oder aber das Problem ist noch grundsätzlicher: Vielleicht ist die ganze Szene überflüssig?
Wenn eine Szene nicht funktioniert, kann es auch sein, dass der Fehler nicht an dieser Szene liegt, sondern an einer vorhergehenden. Vielleicht hat ein Charakter vorher Entscheidungen getroffen, die in dieser Szene dazu führen, dass es hakt. Es kann also helfen, in seinem Werk auch mal zurückzugehen und zu schauen, was könnte ich vorher ändern, damit die spätere Szene funktioniert.
Das empfiehlt sich in der Regel aber nur, wenn es wirklich gar nicht weitergeht (oder der erste Entwurf bereits fertig ist). Denn normalerweise ist es sinnvoll, erst einmal weiterzuschreiben und solche Dinge nach Fertigstellung des ersten Entwurfs in der ersten Redaktionsphase zu machen. Wenn man während des Schreibens sonst immer wieder zurückgeht, um Logiklöcher zu stopfen oder um Dinge anzupassen, die sich später ergeben haben, dann kommt man in Teufelsküche und das Buch wird nie fertig.
Diese Anleitung hilft mir tatsächlich sehr, wie ich jetzt feststelle. Es gibt zwei Arten von Szenen, die als „Szene“ und „Sequel“ definiert sind.
„Szene“ besteht aus „Ziel“, „Konflikt“ und „Desaster“ (in dieser Reihenfolge) für die Figur, aus deren Perspektive geschrieben wird. Da kann und soll es also ordentlich krachen.
Das als nächstes folgende „Sequel“ besteht aus „Reaktion“, „Dilemma“ und „Entscheidung“ derselben Figur. Daran schließt sich wieder eine „Szene“ an, danach wieder ein „Sequel“ usw. usf.
BEIDE Formen bestehen aus den zwei Elementen „Motivation“ (objektives Ereignis) und „Reaktion“ der Figur darauf; wobei sich die Reaktion wiederum aufteilt in die Bausteine „Gefühl“, „Reflex“ sowie „Rationale Aktion und Sprache“.
„Motivation“ und „Reaktion“ bilden jeweils immer einen eigenen Absatz, niemals einen gemeinsamen.
Gefällt mir wie Dir sehr gut und bietet m.E. einen interessanten Ansatz zum Bauplan von Szenen.
Danke, @Waba !