“Warten sie”, rief der Wachmann ihr zu und winkte nach einem Schiffsjungen der sich sogleich unter Deck begab. Einige Minuten später erschien der Bursche wieder und der Wachmann gab Aliena ein Zeichen, an Bord zu kommen.
Der Schiffsjunge geleitete die beiden unter Deck. Aliena ging voraus und betrat mit Geraldine die Kapitänskajüte.
“Meine Damen”, grüßte Northwny lächelnd “Ziehen sie es vor, die Seiten zu wechseln, oder womit sonst habe ich ihren Besuch verdient?”. Um das Ziel seiner Mission nicht zu gefährden, hatte er sich vorgenommen, jegliche Konfrontation zu vermeiden. So stand er lächelnd hinter seinem Arbeitstisch. Geraldine nahm das Bild ihrer Schwester aus der Tasche und legte es vor Northwny auf den Tisch. “Das bin nicht ich, das ist Laura, meine jüngere Schwester”, sagte sie. Northwny betrachtete abwechselnd die Zeichnung, dann Geraldine. “Ach, daher weht der Wind”, “Diese Ähnlichkeit, verblüffend”. er wendete die Karte und las. “Sie wurde verschleppt”, sagte Geraldine wütend. Northwny reichte Geraldine das Bild. “Ich war zur damaligen Zeit recht oft im Hure Slips und kann mit Gewissheit sagen, das sich keiner der Freier an sie heran gewagt hatte”, er beugte sich nach vorn und legte die Hand an den Mund, als ginge es darum ein Geheimnis zu behüten “Es ging damals ein Gerücht um, das sie sich einen sehr einflussreichen Mann aus der Oberschicht an Land gezogen hatte”, dann nahm er wieder seine gewohnte Haltung ein “Mehr kann ich nicht dazu sagen”.
“Northwny, bitte”, sagte Aliena, die an diesem Tag auch nicht gerne auf Handgreiflichkeiten aus war. Er deutete kurz auf Geraldine “Diese Ähnlichkeit, wirklich, verblüffend”, er beugte sich über seinen Tisch, richtete eine Karte aus “Meine Damen. Ich danke für ihren Besuch. Richten sie dem Lord und seiner zukünftigen Braut meine Grüße aus”. Dann tat er so, als widme er sich wieder seiner Arbeit zu. Aliena und Geraldine verabschiedeten sich und gingen zurück zur Lale.
“Dieser rückgratlose schmierige rotgerockte, verlogene, verhurte, versoffene SOhn eines Esels. Dieser falsche Penner, dieser verlauste Suffkopp. Ich könnte…ich könnte ihn…”
Aliena schaute Geraldine erstaunt an.
“ich verstehe dich ja., abwer komm, wir habne noch was vor. Um den Mistkäfer kümmern wir uns ein andermal.Ok?”
Geraldine nickte und hakte sich bei Aliena unter.
Bis zum Liegeplatz der Lale waren es gute zwanzig Minuten zu Laufen. Schon von weitem sahen sie die bunten Wimpel. Je näher sie kamen, desto fröhlicher war die Stimmung auf dem Kai. Es hatte sich herumgesprochen, dass heute etwas Besonderes an Bord stattfinden sollte. Einige Händler ließen es sich nicht nehmen, Stände mit vielfältigem Angebot an Speisen und Getränken aufzubauen, andere boten Kurzwaren feil. Geraldine und Aliena drängten sich lachend durch die vielen Schaulustigen, die sich den Ständen gütlich taten. Es herrschte Volksfeststimmung.
Kaum waren sie an Bord gegangen, kam Jan ihnen mit wichtiger Mine entgegen.
“Ihr seid ja noch gar nicht schön angezogen, es geht doch bald los!”, rief er aufgeregt. Er trug stolz ein neues weißes Hemd mit schwarzen Knöpfen und weiten Ärmeln, die an den Handgelenken in einer großen Rüsche zusammengefasst waren, und eine neue dunkelblaue Leinenhose.
“Komm, Geraldine”, sagte Aliena, “wir helfen uns schnell gegenseitig, dann können wir in ein paar Minuten von hier eine Droschke nehmen! Jan, hol doch schon mal eine heran!”
Wenige Minuten später stiegen sie in einen schnellen Zweispänner ein, der die Strecke zu Francis’ Anwesen rasch hinter sich brachte.
Kapitel 55
Der Hufschlag mehrerer Pferde war zu vermehmen. Magdalena sah aus dem Fenster. „Die Kutsche ist da, Mylady.“ Endlich. Charlotte lief in die Halle. Dort liefern ihr Aliena und Geraldine entgegen. Ihre Brautjungfern. „Charlotte, wie wunderschön du aussiehst“, riefen sie. Charlotte lachte und umarmte die beiden. „Kommt, beeilen wir uns. Francis wartet bestimmt schon,“ sagte Geraldine. Draußen öffnete der Kutscher den Wagenverschlag und die Freudinnen stiegen ein.
“Dass wir uns verspätet haben ist meine Schuld”, entschuldigte sich Geraldine.
“Geraldine hat einen Hinweis auf den Aufenthaltsort ihrer Schwester Laura erhalten”, erklärte Aliena. Dann berichteten sie Charlotte von ihrem Besuch bei Northwny.
Thomas Herold wanderte nervös auf der Kaimauer umher. Wo nur Charlotte blieb? Auf dem Schiff saßen bereits alle Gäste auf den schlichten Holzbänken, die normalerweise im Außenbereich des Riddler’s standen. Die Mannschaft der Lale und der Aurelia, Mozy, Emma, ein paar Freunde von Francis und Charlotte und der alte Verwalter von Francis’ Anwesen mit seiner Frau. Die beiden hatten schon Francis’ Vater gedient. Endlich rollte die Kutsche vor. Thomas öffnete den Verschlag und half seiner Tochter auszusteigen. “Charlotte, wie wunderschön du bist”, sagte er heiter. “Danke, Vater.” Sie gab ihm einen Kuss. Er hakte sie unter und schritt feierlich mir ihr zur Lale hinüber. Aliena und Geraldine folgten. Auch sie boten einen atemberaubenden Anblick. Geraldine’s Kleid war ähnlich dem von Charlotte. Aliena trug eine spanische Tracht. Charlotte lächelte beim Anblick der Wimpel, die munter im Wind flatterten.
“Aufgeregt?” fragte ihr Vater.
“Ja, etwas”, antwortete Charlotte. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Natürlich freute sie sich auf das zukünftige Leben mit Francis. Doch sie fragte sich, was die Zukunft wohl bringen mochte. Ihr Vater drückte ermutigend ihren Arm. Francis stand erwartungsvoll an Deck. Er hatte seine Hände vor dem Körper übereinandergelegt und sah seine Braut mit einem strahlenden Lächeln an. Charlotte’s Herz tat einen gewaltigen Satz bei seinem Anblick. Sie lächelte ihn ebenso strahlend an und ihr Herz war übervoll vor Liebe zu diesem wunderbaren Mann.
Thomas legte Charlotte’s Hand in die von Francis. Dann setzte er sich neben Mozy. Das Brautpaar wandte sich Morgan zu, der schon mit der Bibel bereit stand.
“Du bist wunderschön”, flüsterte Francis Charlotte zu.
Morgan sah die beiden lächelnd an. Dann räusperte sich und bat die Trauzeugen nach vorne. Antoine stellte sich neben Francis und Warlock neben seine Schwester. “Als Kapitän dieses Schiffes und Kraft meines Amtes traue ich Lord Francis Fulton und Charlotte Elisabeth Herold”, eröffnete Morgan die Zeremonie.
“Liebes Brautpaar, sehr geehrte Gäste”, fuhr er fort. “Wir sind hier versammelt, um diesen Mann und diese Frau in den heiligen Stand der Ehe zu stellen.” Dann setzte er zu einer Traurede an, die die Anwesenden zu Tränen rührten. Er verglich das Leben und die Ehe mit einer Fahrt über das Meer. Am Anfang weiß man nicht, wohin einen der Wind treibt. Das Schiff nimmt Fahrt auf. Es folgen Höhen und Tiefen, die es zu meistern gilt. Dann fährt man wieder in ruhigerem Fahrwasser und am Ende der Fahrt ist man dankbar für das Glück, sicher angekommen zu sein. Emma schluchzte vor Rührung auf. “Und nun erkläre ich euch zu Mann und Frau”, schloss Morgan die Trauung ab. In seinen Augen schimmerten Tränen. Charlotte und Francis tauschten die Ringe. Dann riss Francis Charlotte in seine Arme und küsste sie leidenschaftlich. Sofort kam Stimmung auf. Rufe und Pfiffe wurden laut. Hüte und Mützen flogen in die Luft. Es wurde geklatscht und gejubelt. Morgan umarmte das Brautpaar und wünschte ihnen alles Glück der Welt.
Charlotte warf ihren Brautstrauß in die Menge und traf James MacLeod am Kopf. Alles lachte. “Tut mir leid”, entschuldigte sie sich und schlug die Hände vor den Mund. “Na, hast du schon eine im Auge”, rief Henry, einer der Matrosen, übermütig. James’ Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen. Er bahnte sich einen Weg durch die Menge und blieb vor Henry stehen. “Wie wäre es mit uns beiden?”, fragte James und drückte dem verdutzten Henry die Blumen in die Hand. Allgemeines Gelächter erhob sich und Skully konnte sich kaum einkriegen. Er kicherte immer noch, als er Charlotte und Francis gratulierte.
Nach und nach überbrachten ihnen die anderen ihre Glückwünsche. Nachdem alle ihre guten Wünsche überbracht hatten, liefen Charlotte die Tränen der Rührung unaufhaltsam über die Wangen. Francis küsste die Tränen lächelnd weg und fasste Charlotte an der Hand. “Komm, jetzt wird gefeiert!”
Nicht nur die Frauen waren angerührt von den wunderbaren Bildern, die Morgan heraufbeschworen hatte, auch einige Männer wischten sich verstohlen über die Augen. Besonders Jan schniefte mehrmals laut auf, bis Skully ihm ein riesiges weißes Tuch in die Hand drückte und ihm mitfühlend auf die Schulter klopfte. Leon erkannte eines seiner Küchenhandtücher und musste sich ein Grinsen verkneifen.
Schnell wurden jetzt die Bänke an die Reling gerückt, so dass mittschiffs Platz war zum Tanzen. Einige der Besatzungsmitglieder holten ihre Instrumente, die sie vorsorglich schon auf dem Achterdeck bereitgelegt hatten und spielten munter auf. Zu allererst spielten sie einen Walzer, den Francis und Charlotte stilvoll eröffneten. Dann spielten sie, was ihnen in den Sinn kam: ein paar Shanties, Jigs, Volkweisen aus den verschiedenen Heimatländern der Männer.
Unterdessen hatte die Crew des Riddler’s mit tatkräftiger Unterstützung der Freiwache der Lale jede Menge Speisen und Getränke auf dem Achterdeck aufgebaut. Die Köchin, Dorotea, James und ein paar andere standen bereit, die hungrigen und durstigen Gäste zu versorgen. Nach einiger Zeit legte sich der Ansturm etwas und Dorotea fragte die Köchin, ob sie den Rest des Abends frei haben könnte. Die machte eine scheuchende Handbewegung und Dorotea verschwand schnell, bevor sie es sich anders überlegte.
Einer der Seemänner stimmte ein fröhliches irisches Lied an. Davy Jones, der die ganze Zeit über schon zappelig auf das Ende der Zeremonie gewartet hatte, konnte jetzt nicht mehr an sich halten und fing an dazu zu singen. Alles grölte auf, als er mit lustigen Tanzeinlagen, die etwas zotigen Strophen des Liedes zum Besten gab. Insbesondere deswegen, weil jeder wußte, dass er schon tief ins Glas geschaut hatte und aufgrund dessen seine Darbietung mit ungewollter Komik durchsetzt war.
Während er so dahin tanzte und sang, kam er in die Nähe von Charlotte und ließ es sich nicht nehmen, sie zum Tanzen aufzufordern. Singend schwang er die junge Braut herum und die Menge tobte und sang immer lauter mit. Francis lag sich mit Morgen in den Armen vor Lachen, als Emma im Weg stand und vor Tänzern Reißaus nahm.
Jan stand mit Skully singend am Rand, als Dorotea sich, die Arme vor der Brust verschränkt, fordernd vor ihm aufbaute.
“Wie lange muss ich eigentlich noch warten, bis du mich endlich zum Tanz aufforderst?”, rief sie ihm entgegen, wegen des allgemeinen Lärms, etwas laut und schrill.
Jan, dem dies etwas unangenehm war, bekam einen roten Kopf. Hilfesuchend schaute er zu Skully.
Als Dorotea dies sah, riss sie ihren Kopf schnippisch in die Höhe und lief beleidigt davon.
“Schau nicht mich an, Dummkopf! Mach, das du hinter dem Mädchen her kommst und zieh sie gefälligst auf die Tanzfläche!”, meinte Skully mit ernstem Blick und schob Jan zu den ausgelassen Tanzenden.
Jan stolperte, fing sich umständlich und stand im Nu bei Dorotea.
“Würdest du mit mir tanzen?”, fragte er, wobei sein Kopf jetzt wirklich leuchtete.
Dorotea schaute noch immer beleidigt zur Seite. Allerdings begannen ihre Mundwinkel zu zucken.
“Bitte, ich bin nicht so …”, setzte Jan noch einmal an, als sie sich mit einem strahlenden Blick wieder zu ihm drehte.
“Hör bloß auf zu reden.”, lachte sie und zog ihn auf die Tanzfläche.
Jan wusste nicht wie ihm geschieht, Dorothea hatte ihn einfach mit zwischen die Leute gezogen und nun standen sie da zwischen den tanzenden Menschen welche sich fröhlich im Takt der Musik bewegten und ausgelassen feierten. Er schaute Dorothea fragend an. Sei nahm einen Arm und legte ihn um ihre Hüfte und den anderen legte sie auf ihre Schulter, und hielt sich ebenso bei ihm fest. Dann kuschelte sie sich in seine Arme und fing an sich langsam zu der Musik zu bewegen. Jan konnte gar nicht anders als sich mitzubewegen. Anfangs stolperte er mehr als er tanzte und hielt kurz inne und schaute sie wieder fragend an. Sie lächelte ihn strahlend an und gab ihm eine Kuss auf die Wange und zog ihn noch dichter an sich und stupste ihn mit der Hüfte an. “Lass es einfach geschehen. Lass dich gehen. Es gibt nur uns und die Musik.” flüsterte sie in sein Ohr und legte ihren Kopf an seine Schulter. Jans Verwirrung und wurde von einem warmen schönen Gefühl abgelöst. ER fasste Dorothea fester um die Hüfte und tanzte mit ihr eng umschlungen zwischen den anderen Gästen, welche er nicht mehr wahrnahm. Er war erfüllt von der wärme ihres Körpers, ihrem duftenden Haar und der Musik.
Ich könnte ewig so weiter tanzen, dachte er verträumt.
Dorotea lächelte ebenfalls träumerisch vor sich hin, bis ein laut vernehmbares Knurren sie beide überraschte. Sie lachte leise. Jan grinste verlegen.
“Na, komm, wir machen eine Pause und holen uns erstmal was von dem Spanferkel da drüben”, meinte sie, und Jan nickte enthusiastisch.
“Ja, und etwas zu Trinken wäre auch nicht schlecht, ich habe ganz schön Durst bekommen”, ergänzte er.
Sie drängten sich durch die tanzenden Paare bis zum Achterdeck. Mozy und Emma hatten sich selbst übertroffen, im Riddler’s konnte kein Topf, keine Pfanne, kein Geschirr mehr übrig sein. Der Höhepunkt war das Spanferkel, das allerdings auf dem Kai über einem rotglühenden Feuer gedreht wurde.
Sie nahmen sich Teller und Besteck, Brot und Mojo verde. Dorotea gab Jan auch einen Klecks Mojo rojo zum Probieren. Dann stellten sie sich an, um ein Stück vom Ferkel zu ergattern.
Immer mehr Gratulanten stellten sich ein. Francis und Charlotte hatten während ihres Aufenthalts hier auf der Insel viele Freundschaften geknüpft. Und auch einige Bekannte von Emma und Mozy überbrachten dem Brautpaar ihre guten Wünsche. Francis versprach Getränke für alle und James und Leon hatten alle Hände voll zu tun, Bier und Wein auszuschenken.
Einige Bewohner missbilligten die Verbindung von Lord Fulton mit einer Frau niederer Herkunft. Allen voran der Priester. Er hatte es abgelehnt, Francis zu trauen. Daraufhin hatte Francis geschworen, nie wieder einen Fuß in dessen Kirche zu setzen.
“Jetzt halt endlich dein Maul, Pfaffe”, rief ein Mann aus der Menge, als Parde Pius wieder einmal seinem Unmut Luft machte.
“Dafür soll dich der Teufel holen”, wetterte Pius.
“Das wird er. Ich hab nämlich nicht vor, in den Himmel zu kommen”, entgegnete der Mann und erntete Gelächter.
Es war eine fröhliche Feier. Es wurde viel gesungen, getanzt und gelacht. Alkohol floss reichlich und vom Spanferkel war kaum noch etwas übrig.
Der sonnige Nachmittag ging in einen lauen Sommerabend über. Die Laternen wurden entzündet. Die Musik wurde leiser und die Tänze weniger ausgelassen. Charlotte ließ sich erschöpft neben Emma fallen. Der viele Wein war ihr zu Kopf gestiegen.
Francis setzte sich zu den Männern. Er musste sich viele anzügliche Bemerkungen bezüglich der Hochzeitsnacht anhören, welche er gleichmütig hinnahm.