Morgan versammelte seine Männer und machte sich auf den Weg, zurück zur Lale Andersen und auch Aliena rief ihre Mannschaft zusammen und machte sich gemeinsam mit Warlock auf den Weg zu ihrem Schiff.
Am späten Nachmittag verließen die Lale Andersen und die Aurelia gemeinsam die Küste von El Golfo.
Kurz nachdem die Aurelia abgelegt hatte, begab sich Warlock unter Deck, um nach den Männern zu sehen. “Das sieht nicht gut aus, James”, sagte er zu MacLeod, der üble Brandwunden am rechten Arm hatte. “Ach, ich habe schon schlimmeres überstanden”, versuchte James es abzutun, doch sein schmerzlicher Ausdruck auf seinem Gesicht strafte seine Aussage Lügen.
“Wenn wir wieder an Land sind, lasse ich Dr. Koch holen. Der soll sich das ansehen”, meinte Warlock. “Ich kann seine Wunden versorgen. Als Koch habe ich schon so manche Brandwunde behandelt”, sagte Leon. Warlock nickte und verabschiedete sich von ihnen.
In seiner Kajüte erwartete Warlock eine Überraschung. Aliena hatte ein Bad bereitet und ließ sich gerade in das dampfende Wasser gleiten, als er eintrat. “Komm, mein tapferer Held”, meinte sie schelmisch und deutete einladend auf den hölzernen Zuber. Warlock ließ die Waffen fallen, die er noch immer trug, zog sich das Hemd über den Kopf und schlüpfte aus seiner Hose.
Charlotte fiel abwechselnd Francis, Morgan und Antoine um den Hals. “Ich bin so froh, dass euch nichts geschehen ist”, sagte sie erleichtert.
“Ach was. Mit einer Bande Halunken werden wir noch alle mal fertig”, brummte Morgan.
“Beh oui!”, stimmte ihm Antoine zu.
“Schade nur, dass das Haus was abgekriegt hat”, sagte Geraldine bedauernd. Antoine nickte. “Wirklisch sehr bedauerlisch. Aber die Schäden lassen sich leicht beheben.”
Francis hakte Charlotte unter und sagte: “Komm, gehen wir was essen. Ich bin halb verhungert.”
“Steht er da wirklich immer noch?” Fragte Geraldine Skully fassungslos. Skully nickte.
“Was können wir tun?”
“bisher wollte er nicht reden, mit niemandem.”
Geraldine warf einen langen Blick auf Jan. Er tat ihr Leid, sie wußte wie sich verschmähte Liebe anfühlte, Betrug, Zurückweisung, Verrat. All das hatte sie in ihrem Leben erlebt, in allen Möglichen Nuancen. Aber wäre es hilfreich wenn sie zu ihm ginge? Sie war eine Frau. Sie verstand ja erst seit einiger Zeit was in ihr selbst vorging. Wie sollte sie da einem jungem Mann helfen. Ausser ihn in den Arm zu nehmen? Und das war es nicht was er brauchte, zumindest nicht nur.
“Skully, kannst Du es nicht noch einmal versuchen? Bitte? Ich mache mir Sorgen um ihn.”
“Der wird schon klar kommen, klar tut das weh, das tut es immer, das kenne ich.”
“ein Grund mehr das du mal mit ihm reden solltest. Mehr als Dich abweisen kann er doch nicht.”
“Hrmpf” war alles was Skully von sich gab und sich dann von GEraldien abwandte um unter DEck zu gehen. Sie wollte schon protestieren hinterherstürmen, als er schon wieder an DEck kam, mit einem großen irdenem Krug. Er nickte ihr zu und ging zu Jan an die Reling und schaute auch schweigend aufs Wasser. Jan regte sich nicht und gab mit keinr GEste zu erkennen ob er überhaupt wahrnahm das jemand neben ihm steht. Nach 10 Minuten entkorkte Skully den Krug, legte ihn auf seinen Ellenbogen und trank einen großen Schluck. Er senkte seinen angewinkelten Arm und seufzte erleichtert und zufrieden. Er reichte den Krug rüber zu Jan und hielt ihn ihm hin. Nach einer kurzen Weile nahm Jan den schweren Krug, er mochte seine drei Liter fassen und setzte ihn an. Gierig trank er zwei, drei große Schlucke, keuchte übberascht und setzter den Krug vorsichtig ab und reichte ihn wieder zu Skully. Niemand sagte ein Wort. DIe beiden schwiegen und starrten auf die See. Der Vorgang des trinkens wiederholte sich noch zweimal, genauso wortlos bis Geraldine der Meinung war das Jan jetzt in guten Händen war und zu Bett ging.
Morgan fühlte sich erschöpft. Das Gefecht und Der Kampf gegen das Feuer hatten sehr an seinen Kräften gezehrt. Die Überfahrt würde ungefähr 10 Stunden dauern. Er erinnerte sich an die Ereignisse der vergangenen Wochen. Warlock, dieser Grünfink, der in dieser kurzen Zeit zu einem starken und selbstbewussten Mann herangewachsen war. Morgan hatte seit Tagen solch merkwürdige Gedanken. Er sah sich am Hafen anlegen, auf der Durchreise, zu einem Besuch bei Warlock und Aliena, er sah sich im Riddler´s mit Mozy und Emma, er lächelte bei dem Gedanken mit Francis, Charlotte und den Kindern am Mittagstisch zu sitzen. Eine Träne rann über seine Wangen. Er hatte gefunden, wonach er immer schon gesucht hatte. Seine Freiheit und eine Familie. Er legte sich in seine Koje und war nach wenigen Augenblicken eingeschlafen.
Kapitel 50
Im Morgengrauen legten die Lale Andersen und die Aurelia am Hafen von Santa Cruz de Teneriffe an. Nachdem die Segel eingeholt und die Schiffe vertaut waren begaben sich die Matrosen unter Deck um noch ein paar Stunden Schlaf zu holen.
In der Stadt war es noch ruhig. Neben der Aurelia lag ein kleines Walfangschiff mit grönländischer Flagge. Ein paar Fischerboote legten an, deren Mannschaft ihre Fracht eilig an Land brachten um sie in wenigen Stunden frisch auf den Markt zu bringen.
Das Riddler’s lag um diese frühe Morgenstunde still und dunkel. Nur in einem Fenster im oberen Stockwerk flackerte ein Licht.
Thomas Herold konnte nicht mehr schlafen und wanderte unruhig in seiner kleinen Kammer auf und ab. Immer vier Schritte hin und vier zurück.
Vor einer Woche war er in diesem verschlafenen Nest angekommen und hatte sich im Riddlers bei Mozy und Emma eingemietet.
Die Geschichten, die im Schankraum erzählt wurden, ließen ihm die Haare zu Berge stehen. Kanonen, Erdbeben, Piraten, britische Fregatten und mitten drin sein Vater, sein Sohn und seine Tochter!
Warlock, der noch nicht einmal ein Boot richtig vertauen konnte, inmitten solcher Ereignisse. Thomas konnte sich nicht erklären, aus welchen Gründen sein Sohn mit der fast seeuntüchtige Nanuk plötzlich spurlos verschwand. Er machte sich Vorwürfe.
Morgan Herold, der alte Pirat, hatte seinen Sohn in der See vor Norwegen aufgefischt. Das hätte er dem Jungen nie zugetraut, mit der Nanuk einfach abzuhauen. Diese Nussschale war zwar für einen Mann alleine gerade mal zu handhaben, aber das erforderte schon einiges an Mut.
Thomas unterbrach seine Gedanken und schaute aus dem kleinen Fenster. Unten am Hafen hatten zwei Schiffe angelegt.
Eines der Schiffe erinnerte mit seiner Silhouette an den Segler seines Vaters. Auf die Entfernung konnte das aber auch täuschen. Er wandte sich vom Fenster ab und ging wieder vier Schritte bis zur gegenüberliegenden Seite des Zimmers, blieb stehen, starrte für einen Moment die Wand an und zuckte mit den Schultern. Was sollte er hier Riefen in die Dielen laufen. An Schlaf war nicht zu denken, also konnte er sich auch vor Ort überzeugen, ob es die Lale war oder nicht. Die frische Morgenluft würde die schweren Gedanken aus seinem Kopf vertreiben und mit der Bewegung würde sich seine Unruhe legen.
Er warf sich den leichten Mantel über, ging die Stiege hinab und trat vor das Riddlers. Ja, die Luft tat gut, stellte er fest und machte sich auf den Weg zum Hafen.
Nach einigen Minuten, an der noch frischen Morgenluft, strafften sich seine Glieder und seine Schlaflosigkeit war verflogen. Energischen Schrittes brachte Thomas die Strecke zum Hafen hinter sich und als er die Mole am Wasser entlang lief, fühlte er die Spannung in sich, die sich einstellte, wenn etwas Vermutetes tatsächlich eintritt. Wenige Meter entfernt lag die Lale Andersen fest vertäut im Hafen.
Das Schiff lag still. Thomas stand vor dem Laufgang zum Schiff. Niemand war zu sehen, alles war ruhig. Ein paar Fischer kamen schwatzend die Mole entlang, mühsam einen Karren mit dem morgendlichen Fang hinter sich her ziehend. Begleitet wurden sie von kreischenden Möwen, die sich zankend über einen herabgefallenen Fisch hermachten.
„Seniores, einen Augenblick, bitte.“, Thomas trat an die Männer heran.
„Können Sie mir sagen, ob die Mannschaft dieses Schiffes an Land gegangen ist?“, er zeigte hinter sich auf den Segler.
Einer der Männer schaute zur Lale und dann zu Thomas.
„No, Senior. Die sind hier angekommen, haben das Schiff vertäut und danach wurde es ruhig. Ich schätze, sie sind die ganze Nacht durchgesegelt. Die Leute auf dem Boot liegen sicher unter Deck und schlafen sich aus.“
„Danke, Senior.“
Thomas blickte den Fischern nach, die ihren Weg zum Markt fortsetzten.
„Alle schlafen nicht.“, brummte eine alt bekannte Stimme hinter ihm.
Thomas drehte sich auf dem Absatz herum. An der Reling stand ein stämmiger Mann, der grinsend auf ihn hinab blickte.
„Vater!“
Thomas rannte den Laufgang hinauf. Morgan kam ihm entgegen. Er schloss seinen Sohn in die Arme und drückte ihn fest an sich. Es war schön, ihn nach so langer Zeit wiederzusehen. Sie lösten sich voneinander und sahen sich lächelnd an. “Es tut gut, dich zu sehen, Thomas”, sagte Morgan bewegt.
“Und es tut gut, dich zu sehen, Vater”, sagte Thomas und faste die Hände seines Vaters. “Wie ich sehe bist du wohlauf”, fuhr er fort.
“Ja. Es geht uns allen gut. Warlock auch. Er wird sich sehr freuen, dich zu sehen”, antwortete Morgan. Beim Gedanken an Warlock verdüsterte sich Thomas’ Miene. “Na, das bleibt abzuwarten, wenn ich ihm erstmal die Leviten gelesen habe. Was dachte sich der Bengel dabei, einfach abzuhauen”, schimpfte er.
“Sei nicht zu streng mit ihm. Es war nicht zu seinem Schaden, wie du sehen wirst”, lenkte Morgan ein. Er schlug seinem Sohn auf die Schulter und sagte: “Komm, wir gehen in meine Kajüte.” Auf dem Weg dorthin fragte Thomas: “Stimmt es, was man sich im Riddlers erzählt? Ich habe wilde Geschichten gehört. Von Piraten, Engländern und einem gewaltigen Erdbeben.”
“Ja. Und das ist noch nicht alles. Du wirst staunen, was sich noch alles ereignet hat”, sagte Morgan und lachte.
Charlotte war zwar auch erst mit den anderen im Morgengrauen in die Koje gekrochen, aber schlafen konnte sie nicht. Endlich wieder zu Hause! Endlich würde sie Emma, Mozy und das Riddler’s wiedersehen. Und natürlich auch ihre anderen Freunde. Was sie denen nicht alles zu Erzählen hatte!
Außerdem …