Morgan sah Francis an. „Euer Vorschlag ist gut. Aber bevor wir uns auf machen, werden wir noch eine Breitseite auf Don Pedro schießen.“
Francis gefiel das gar nicht. „Dazu müssen wir aber näher an das Schiff, wir verlieren unseren Vorteil!“
„Junger Lord, manchmal muss man etwas riskieren.“, er zwinkerte Francis zu, „So ein Zeitpunkt ist nun gekommen. Ich will, dass die Briten merken, wir haben nichts mit Don Pedro zu schaffen. Dann können wir abhauen.“
Er drehte sich um und schrie zu seinem Steuermann: „Skully! Bring uns näher an die verdammte Patache. So nahe, dass eine Breitseite ihre Wirkung nicht verfehlt!“
Während die Geschütze beladen und in Position gebracht wurden nahm die Lale an Fahrt auf.
Der Wind hatte aufgefrischt und etwas ablandig gedreht. Don Pedros kleine Patache-Besatzung hatte alle Hände voll zu tun, sie wollten den Briten um jeden Preis entkommen. Auf die von der anderen Seite heranrauschende Lale achteten sie nicht.
Alle standen an der Reling. Francis hielt Charlotte fest im Arm, während sie stumm zur Patache blickten. Warlock winkte Antoine und Geraldine zu sich, die gerade das Deck betraten und sich umschauten. Als sie neben Warlock traten, gesellte sich auch Morgan dazu, das Fernrohr in der Hand und zufrieden zu Don Pedros Schiff blickend. Gebrüllte Befehle und geräuschvolles Treiben drang aus den Geschützräumen zu ihnen empor.
„Gleich ist es soweit.“, sagte Morgan mehr zu sich selbst. Warlock hatte es trotz der Geräuschkulisse gehört und grinste vor sich hin. Mit einem Mal wurde es ruhiger unter Deck. Davy Jones, Bootsmann und im Gefechtsfall auch Geschützmeister steckte den Kopf aus einer Luke.
„Käpt´n, die Geschütze sind feuerbereit!“
Morgan, die Ruhe selbst, antwortete: „Die ganze Batterie?“
„Die ganze Batterie, Ay!“, bestätigte Jones grinsend.
„Haltet euch besser die Ohren zu.“, warnte Morgan die umstehenden Freunde und dann an Jones gerichtet: „Feuer!“
Keinen Bruchteil einer Sekunde brüllte Davy Jones den Befehl schon runter in die Geschützkammern und im nächsten Augenblick brach ein Inferno aus.
Der Rumpf der Lale erzitterte, als die Kanonen, eine nach der anderen, ihre tödliche Fracht mit lautem Krachen und viel Pulverdampf auf den Weg zu Don Pedros Patache brachten.
Kapitel 26
Nach einer gefühlten Ewigkeit, als die Kanonen verstummt waren und der Rauch sich langsam verzog, sah man erst das volle Ausmaß der Zerstörung. Sie hatten die Patache voll erwischt. Die Segel hingen in Fetzen, Der Haupmast war unter dem Krähennest gesplittert, das herabstürzende Krähennest hatte weitere Segel beschädigt und auch an Deck einiges an Schaden verursacht. Achtern war der Schaden am größten. Als der klingeln in den Ohren abebbte konnte man gebrüllte Befehle und verzweifelte Hilferufe von der Patache vernehmen.
Innerhalb weniger Minuten versank die Patache in den aufgewühlten Gewässern. Von den vier Mann an Bord waren nur noch zwei zu sehen, die verzweifelt im Wasser um ihr Leben paddelten.
Die H.M.S. Beagle kam heran und fischte die beiden heraus. Die Lale hatte direkt nach der Breitseite abgedreht und war bereits auf dem Weg nach Norden.
Zitternd, völlig abgerissen und gefesselt wurden die Schiffbrüchigen zu Timothy Northwny gebracht. Angewidert betrachtete dieser die beiden Gestalten.
„Don Pedro de Herrera? Welcher von euch beiden Halunken ist das?“, fragte er zynisch. Sah er doch gleich, welcher der beiden dem anderen hörig zu sein schien und blickte deshalb bei seiner Frage den Richtigen an.
„Zu eurer Verfügung, Herr.“, erwiderte Don Pedro mit vor Erschöpfung zitternder Stimme. Dieser kleinen Anstrengung folgte ein Hustenanfall, der es in sich hatte. Augenblicklich verloren seine Beine an Kraft und er ging in die Knie.
„Bleibt gefälligst stehen, Mann.“, schnauzte Lieutenant Northwny den Mann an. „In eurer Zelle werdet ihr noch genug Zeit haben zu faulenzen! Bis wir das königliche Gold gefunden haben, solltet ihr euch an eure neue Heimstatt gewöhnt haben. Schafft mir diese Kerle aus den Augen!“, befahl er wütend den umstehenden Marine Soldaten.
„Das könnt ihr nicht machen, Herr.“, fing Pedro an zu krächzen, er räusperte sich mehrfach und schrie dann, während er und sein Kumpan weggeschleift wurden, „Ich kann euch helfen das Gold zu finden. Seid nicht dumm, ihr könntet eurem König binnen kürzester Zeit Erfolge bringen. Ich weiß, wer das Gold hat, so hört doch …“
Northwny ließ sich nicht beeindrucken. Er hatte mit dergleichen gerechnet. Doch Don Pedro sollte noch ein wenig schmoren, bevor er ihn sich zum Verhör vorknöpfen würde.
Northwny zog sich in seine Kajüte zurück. Mit der Ergreifung Don Pedro‘s müsste ihm einiges an Anerkennung zugesprochen werden. Das Ende Don Pedro‘s Herrschaft über mehrere Inselgruppen könnte die derzeitige politische Lage auf den Inseln verändern. Es gab bereits Gerüchte über einen Aufstand gegen die absolutistische Herrschaft Ferdinand VII. Mit der Befreiung der Inselgruppen würde sich die Bevölkerung dem Ruf von Rafael del Riego anschliessen könnnen, um die Verfassung von Cádiz wieder in Kraft zu setzen. Für Timthy Northwny‘s Auffassung würde man ihm mindestens den Rang eines Admirals verleihen.
Tim goß sich einen Brandy ein. Es klopfte an der Tür. „Herein.“ Brian Steward trat ein. Brian war ein übereifriger junger Mann, der sich den Rang eines Kapitäns erhoffte. „Was gibt es Mr. Steward?“
„Vielleicht hat ja dieser Fulton das Gold, Sir.“ Tim legte die Fingerspitzen aneinander und dachte nach. „Lasst Kurs auf ihn nehmen. Es schadet sicher nichts, wenn wir uns mal bei ihm umsehen.“
“Yes, Sir.” Brian salutierte und trat ab.
Kapitel 27
Nach dem Gefecht und viele Seemeilen weiter nördlich, bestimmte ruhiges, geschäftiges Treiben den Tagesablauf auf der Lale. Die Besatzung ging ihren seemännischen Aufgaben gewissenhaft nach. Denn jeder wollte so sicher und schnell wie möglich die Heimat erreichen.
Geraldine’s Zustand hatte sich gebessert und zusammen mit Charlotte hielt sie sich des Öfteren an Deck auf, um bei frischer Luft ein paar Schritte zu gehen. Das Verhältnis zu Antoine war oft ein Thema zwischen den beiden Frauen. Und auch Charlotte begann Vertrauen zu fassen und plauderte von ihrer Liebe zu Francis.
Morgan, Francis und Warlock hockten oft zusammen mit Antoine in der Kapitänskajüte und diskutierten angeregt ihr weiteres Vorgehen. Auch die Frage um Warlocks Vertreibung nach Grönland stand noch im Raum.
Ein paar Tage später stand Charlotte an achtern. Der Wind zerzauste ihr langes, dunkles Haar. Francis hielt sie von hinten umfangen. Sie sahen über das Meer und hingen ihren Gedanken nach. “Verdammt”, rief Francis plötzlich aus. “Was ist?”, fragte Charlotte erschrocken. “Warte hier. Ich erkläre es dir später”, sagte Francis und rannte die Treppe hinunter.
Kurz darauf klopfte er an die Kajüte von Dr. Koch. “Ja bitte?”, fragte der Arzt. Er war gerade dabei, Antoine den Verband zu wechseln, als Francis eintrat. “Francis, mon Ami, ist etwas geschehen?”, frage Antoine. “Northwny nimmt Kurs auf uns.” “Merde”, rief Antoine.
“Sie sind sicher hinter dem Gold her. Vermutlich war ich im Riddlers nicht überzeugend genug. Oder sie haben Don Pedro und der hat sie hinter uns her geschickt. Wie schnell können sie ein Krankenlager aufbauen Dr. Koch?”, sagte Francis. “Wozu”, wollte der Arzt wissen.
“Northwny soll sich ruhig hier umsehen. Er wird nichts finden. Und wenn sie, Dr. Koch, ihm sagen, dass einige unserer Leute ein rätselhaftes Fieber haben, wird er die Suche nach dem Gold sicher bald aufgeben”, erklärte Francis und grinste.
“Na dann hisst schon mal mal die Gefahrenflagge. Ich habe da schon eine Idee. Holt mir den Schiffsjungen, alle alten benutzen Kleidungsstücke die ihr finden könnt, alle kleinen Kohleöfen. Desweiteren brauche ich zwei Säcke Schiesspulver.” Sagte er zu Francis. “Ihr mein Freund seid jetzt ein Patient und ich brauche auch noch 8 weitere Freiwillige Patienten hier unten, mitsamt schmutziger Wäsche und Schlafsachen.”