Der Steuermann trat auf Morgan zu. “Was gib es, Skully?”, fragte er. “Ich habe diesen Juan wie befohlen in Ketten gelegt und ihn unten im Vorschiff eingeschlossen, Käpt’n.”
„Ich meine, was mit dir los ist, du bist unruhig und siehst besorgt aus“. „Kapitän“, begann Skully, nahm sich die Mütze vom Kopf und raufte sich die Haare „Es gibt Gerüchte über eine schwere Sturmflut an der deutschen Bucht“.
“Wann soll das geschehen sein?”, mit einem Mal strahlte Morgan eine angestrengte Ruhe aus. Die Hälfte seiner Männer stammte aus der Region um die Bucht. Ungehorsam aufgrund von Sorge konnte er in der Mannschaft nicht gebrauchen. Skully druckste vor sich hin. “Nun sprich endlich, Mann.”
„Es muss im Februar passiert sein. Ich hörte ein paar Seeleute im Hafen darüber sprechen. Man nennt sie wohl die Halligflut, um die Elbe herum muss viel Zerstörung geherrscht haben, viele Halligen sollen einfach fortgespült worden sein, mit Mann und Maus.", Skully knetete die Mütze in seiner Rechten.
“Verdammich nochmal.” Er packte seinen Steuermann fest bei der Schulter und schaute ihm in die Augen. “Skully, das ist schlimm, bitte geh los und hole uns den schnellsten Boten und sag den anderen das sie Briefe schreiben können, welche er mitnimmt. Wir können hier noch nicht weg, aber wir sind fast soweit. Ich kann nachvollziehen wie du dich gerade fühlst, aber mehr als beten können wir nicht tun. Bitte hole den Boten und informiere die Mannschaft, wir treffen uns heute Abend an Deck und ich werde zu den Männern reden. Und glaube mir, ich wäre auch verdammt froh wenn wir hier schon fertig wären.”
Skully wirkte sehr erleichtert. „Ay, Käpt’n! Ich sag den Jungs Bescheid und dann mach ich mich auf die Suche nach einen Boten. Die Jungs werden die Lage verstehen und mit dem Brief werden sie sicher erstmal zufrieden sein.“, sichtlich erleichtert machte er sich auf an Land zu gehen. Am Kai schaute er noch mal zurück und rief mit den Händen zum Trichter geformt, „Käpt’n, ihr könnt euch auf die Mannschaft verlassen, wir stehen geschlossen hinter euch!“ Er grinste über das ganze Gesicht und setzte seinen Weg fort. Seine vorherige Angespanntheit war verflogen. Skully, dachte Morgan nur, als er dem Steuermann hinterher sah. Das ist mein Skully, die gute Seele der Lale. Hoffen wir, dass du recht behältst.
Die Sonne stand schon hoch, als sich Geraldine von ihren Begleitern verabschiedete, um sich alleine auf den beschwerlichen Weg zur Bucht zu machen. Sie wirkte besorgt. “Keine Angst, ma chérie, wir bleiben in deiner Nähe”, sagte Antoine und küsste sie zärtlich. “Ich muss mir noch eine Ausrede einfallen lassen, warum Juan, Marcos und Gonzales nicht mitgekommen sind”, sagte sie. “Ich könnte mich verkleiden, als Eselführer vielleicht”, schlug Warlock vor. Geraldine lächelte schief. “Lieber nicht. Ich finde schon einen Ausweg, um mit Don Pedro fertig zu werden.” “Und wenn es dunkel ist, springst du von Bord und schwimmst ans Ufer. Wir verstecken uns dort und warten auf dich”, sagte Warlock. Geraldine rieß die Augen auf und rief: “Bist du verrückt?” Warlock grinste.“Den Mutigen gehört die Welt”, sagte er. Geraldine rollte die Augen und zog das Maultier mit sich fort, das munter mit seinen langen Ohren wackelte.
Kapitel 16
Don Pedro traute seinen Augen nicht, als er Geraldine mit hochgeschürzten Röcken und mit einem Maultier um die letzte Biegung des Waldweges auftauchen sah. Wo waren die Männer, die sie herbringen sollten? Er rief ein paar andere Burschen herbei und stellte sich ihr in den Weg. Breitbeinig, die Arme in die Seiten gestemmt, brüllte er sie an wie ein schlechtgelaunter Bär. “Wo kommst du denn her? Wo sind die anderen?”
Sie funkelte ihn wütend an und wischte sich etwas undamenhaft den Schweiß aus dem Gesicht. Sie zerrte an der Leine des Maultiers und drückte sie einem von Don Pedros Schlägern in die Hände. “Störrisches Mistvieh, verdammtes. Wo komme ich wohl her? Die anderen ? Die liessen ihr Leben für das hier.” Sie klopfte auf die Satteltasche.
“Hat jemand was zu trinken?”
„Red‘ keinen Unsinn, du treuloses Miststück. Da stimmt was nicht. Gonzales ist nicht so leicht umzubringen und seine Jungs lässt er schon gar nicht einfach so vor die Hunde gehen. Du erzählst mir jetzt sofort die Wahrheit. Was ist passiert?“, schnauzte Don Pedro mit hochrotem Kopf, zog sie am Arm zu sich und zischte ihr ins Gesicht, „Du wirst mich noch ganz anders kennenlernen, wenn du nicht gleich mit der Sprache rausrückst!“
Geraldine riss sich los und lachte gehässig auf „Deine Kumpane liegen volltrunken neben den Dirnen“. Sie riss die Satteltasche vom Maultier und warf sie Don Pedro vor die Füße.
Ohne den Blick von Geraldine zu nehmen, hob er die Tasche auf. “Was soll das, was ist da drin?”
„Sei nicht so Mißtrauisch, du benimmst dich schlimmer als das sture Maultier“ sie klatschte dem Vieh so heftig auf den Hintern das es wieherte. „Das wäre mal geklärt, der Vater war ein Pferd. Und du, du alter Esel bist nur gierig auf dein Geld und das ganze Gold. Früher wärst Du mir zuerst mal an die Wäsche und hättest dann nach der Tasche gegriffen. Don Pedro, wir beide werden alt und ich stimme Dir zu, wir sollten uns allmählich zur Ruhe setzen“.
Don Pedro plusterte sich auf wie ein Pfau, was bildete sich das Weibsbild ein? Er, alt? Sich zur Ruhe setzen?
“Wie kommst du den darauf! Unverschämtes Luder, dir werde ich es zeigen!”, fuhr er sie an, “jetzt sag endlich, was soll ich mit der Kanonenkugel?”
“Ich sag doch, du wirst alt. Hast noch nicht mal gleich gemerkt, dass die Kugel aus Gold ist! Und es gibt noch viel mehr davon, in der Blauen Grotte. Da haben sie sie versteckt.”
Ungläubig befühlte er die Kugel mit seinen Fingern, wog sie prüfend, sah sie sich gründlich an. Auf den ersten Blick war das eine ganz normale Kanonenkugel kleinen Kalibers für ihn. Doch umso genauer er auf die Oberfläche schaute, desto mehr fielen ihm hier und da ein paar schimmernde Stellen in der dunklen Färbung der Kugel auf. Er zog seinen Dolch und fing an die Stellen zu bearbeiten. Geraldine sah, wie Don Pedros Gesicht immer entspannter wurde, ja sogar ein erkennendes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er nach wenigen Augenblicken eine kleine Fläche von schwarzer Farbe befreit hatte. Gold war darunter zu sehen. Er schaute auf. „Du bist ein Miststück,“ sagte er ruhig und grinste, „aber nicht ganz so treulos, wie ich dachte.“
Mit einem stechenden Blick hielt er die Kanonenkugel vor Geraldines Gesicht.
„Das bewahrt dich davor, dass ich mich deiner entledige. Scheinbar kannst du mir weiterhin von nutzen sein.“, er winkte zwei seiner Männer heran. „Aber über deine Frechheiten kannst du dir in Ruhe deine Gedanken machen.“ Unruhig wich Geraldine einen Schritt zurück. Don Pedros Blick wurde hart, „Fesselt die Hure. Zwei Mann bleiben bei ihr. Ihr wartet hier bis ich mit den anderen zurückkomme.“
Die restlichen Schurken reihten sich hinter Don Pedro auf, während Geraldine laut protestierend gefesselt und unsanft zum Lagerplatz gezerrt wurde.
„Wir brauchen einen Karren, müssen die Lage ausspähen. Und dann holen wir uns das Gold. Seid ihr bereit dazu?“, fragte er, ohne die Antwort seiner Männer abzuwarten, stieg auf sein Pferd und lenkte es Richtung Hafen. Seine Schergen folgten ihm unmittelbar, so wie der Don es erwartet hatte.
Miguel und Sandro waren höchst erbost darüber, dass sie als Kindermädchen bei Geraldine im Lager bleiben mussten, und ließen ihre Wut an ihr aus. Sie stießen und schubsten sie, sodass sie hinfiel, zerrten sie dann an den Armen wieder hoch. Auf einen hohen Baumstumpf mitten im Lager hoben sie sie hinauf. Endlich ließen sie von ihr ab. Geraldine atmete tief ein und aus, um ihre schmerzenden Prellungen und die ganzen kleinen Schnitte in einen Zustand von nur noch Unbehagen zu bringen. Viel Zeit blieb ihr nicht dafür, denn da kamen sie schon wieder und zerrten sie weiter, zum Schiff.
Grob wurde Geraldine von den beiden Handlangern unter Deck bugsiert, nachdem sie äußerst unsanft gepackt und gefesselt wurde, natürlich zeterte sie und wand sich und wehrte sich zumindest solange bis ihre Garderobe sich soweit verschob und verrutschte das es sehr unschicklich und unvorteilhaft für eine Dame wäre. Aber Geraldine war keine Dame und einer der der beiden Handlanger blickte sie nur noch lüsterner an. Innerlich lächelte sie.
“Sie gehört Don Pedro”, sagte Miguel und Sandro lachte laut auf “Der Alte kann doch nicht mal mehr den Arm heben, der zieht den Rotz die Nase hoch”, dann spuckte er aus und machte sich an seinem Gürtel zu schaffen und während sie ihre Hosen herunterließen tauchte Christian, der Smutje auf. Er hatte Geraldine und die Männer von Bord der Lale belauscht und war ihnen unauffällig gefolgt.