Schlechter Schreibstil

Damit bin ich in der Jugend im Kunstunterricht schon angestoßen, denn ich finde fotorealistische Kunst viel wertvoller, als z.b vieles in der modernen Kunst. Damit meine ich allerdings nicht historische Zeichnungen von Gebäuden, sondern schon „realistische Bilder mit künstlerischen Hintergrund“, die aussehen, als könnte es ein Profifotograf nicht besser.

Zu Hause hing immer in einem alten Rahmen die Kopie „Casper David Friedrich“ Ansicht eines Hafens.

Dieses Bild war für mich wie ein Portal in die jeweilige Zeit. Ich konnte das Knarzen der Schiffe, und der Seile praktisch hören. Die Wellen, und die Stimmung am Hafen erahnen.

Letzten Urlaub war ich in einem Museum in Senftenberg (Spreewaldregion ehemalig Bergbaugebiet) dort hingen Bilder eines Künstlers, der Feldarbeiterinnen und den Hang hinunter ein bisschen altertümliche Bergwerkstechnik zeigte.
Die Bilder hingen alle in einer unscheinbaren Ecke, als würde man sich ein bisschen für sie schämen, aber ich fand die Bilder wertvoll, teleportieren sie dich doch auf einen Acker der damaligen Zeit. Du hast sogar die Kleidung mit Schnitt und Farbe erkannt, sowie eine Ahnung der Umwelt gehabt.
Wertvoll, möchtest du etwas Schreiben, dass in dieser Zeit spielt.

Zurück zum Thema:
Ich finde Klassiker natürlich auch wertvoll, vor allem, wenn die Bedingungen betrachtet werden, in der sie entstanden. Wenig Literatur im Generellen. Kaum oder kein Lektorat, keine Tipps und Tricks oder Geräte, die das Schreiben vereinfachen. Einfach nur die Abbildung der Gedanken des Schriftstellers. Und dann schreibt einer 2000 Seiten „le Miserables“, dass durchaus fesselnd ist (gäbe es nicht die Abschweifungen von vielen hundert Seiten zu verschiedenen Themen)

Aber sollte deshalb Schachtelsatzkonstruktionen über eine Buchseite a la Thomas Mann „Der Zauberberg“ oder wie in Heinrich von Kleist „Michael Kohlhaas“ ein Beispiel von guten Stil geben? Für mich sind das historische Texte, fast schon Recherchequellen. Ich sehe da eher noch „Wolfsblut“ von Jack London als ein Beispiel für Stil, da hier der Eindruck gewonnen wird, es sollte eine unterhaltsame Abenteuergeschichte sein, die trotzdem anregt, über das Leben nachzudenken - vor allem durch die ungewöhnliche Perspektive, der Geschichte.
Aber niemand möchte Klassiker schlecht reden, es geht um den Umkehrschluss: Kannst du auch ohne viele Klassiker gelesen zu haben, gut lesbare Literatur entwerfen? Ich denke schon.

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Letztens beim Wirten um die Ecke

A: „Was liest du denn grad?“
B: „Fräulein Else von Schnitzler“
A: „Echt jetzt? Den Schnitzler krieg ich gar nicht auf die Reihe.“
B: „Und du?“
A: „Holzfällen von Thomas Bernhard.“
B: „Siehst, den find ich wieder fad.“
A: „Auch egal. Weißt eh: In der Lehmgrubn und auf der Wieden …“
B: „… sind die Gusta sehr verschieden!“
A: „Stimmt. Trinkst noch ein Bier?“
B: „Klar, eins geht immer noch.“

PS: Vorsicht vor den sachverständigen Proleten, lieber @H.al-Rawi. Die Bildungstapete im Wohnzimmer alleine macht noch keinen intelligenten Menschen.

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Nein, die Bildungstapete sicher nicht, und für Menschen, die literarische Werke wie Atomphysik auseinandernehmen, um besonders klug auszusehen, habe ich auch nichts übrig. Wie ich aber erklärt habe, geht es mir schlichtweg um einen gemäßigten und respektvollen Umgang. Man muss nicht intelektuell oder gebildet sein, um sich respektvoll zu verhalten, wie wir alle wissen. Um Intelligenz geht es mir also ganz und gar nicht. Es gibt Menschen, die nicht sehr klug sind, aber freundlich. Die sind tausendmal mehr Wert, als ein Hochintelligenter, der deshalb glaubt, über der ganzen Welt zu schweben. Intelligenz ist eine Gabe, Freundlichkeit dagegen eine Entscheidung.

Hoffe, das ist etwas klarer geworden, lieber Landsmann.

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Oh, den finde ich auch wunderschön.

Thomas Mann ist nicht so ganz meins. Ist mir einfach zu modern. Das hier erwähnte Buch habe ich allerdings nicht gelesen.

Viele leider schon. Darum ging es mir.

Auf jeden Fall! Ich würde ja auch einem Maler raten, sich mit den klassischen Techniken auseinanderzusetzen. Ein absolutes Muss ist es aber nicht - das zeigen Maler wie Antonín Mánes (mein Lieblingsmaler), der sich das Malen selbst lernte. Wirklich wunerschöne Bilder!

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Ich glaube das Problem ist eher, dass hier Menschen mit einem literarisch-akademischen Hintergrund (Kunstgeschichte, Germanistik, whatever) und einfach leidenschaftliche Leser aufeinanderprallen, die im Garten zu einem Eis einen Thriller lesen wollen.

Weil mir die Aussage mit Intelligenz nicht aus dem Kopf geht, möchte ich aus meinem vorherigen Beruf einen Bogen spannen:
Ich hatte einen jungen Kollegen, der unstreitbar äußerst intelligent war. In der sonst fünfjährigen HTL (=Höhere technische Lehranstalt für die deutschen Kollegen hier- hat man früher mit einem Ingenieurtitel abgeschlossen) hat er ein oder zwei Jahre übersprungen, danach ein technisches Studium begonnen und zwischendurch ein Rechtsstudium parallel abgeschlossen. So kam er in mein Team, von der Auffassungsgabe etc war er mir unstreitbar weit überlegen.
Nach zwei Jahren musste ich trotzdem noch jede Email kontrollieren, ob wir das in der Form rausschicken können, oder ein Fass aufmachen. Verkompliziert er alles? Versteigt er sich in unnötige Details, die ein Laie ohnehin nicht versteht, oder falsch versteht?
Gleichzeitig hab ich mein Büro mit einem jungen Mädel frisch von der Schule geteilt, knapp 19/20 Jahre. Die zeigte nicht nur diese neuerdings so beliebte „hands-on“-Mentalität (sprich: sie hat halt einfach angepackt), sondern hatte auch Lösungskompetenz und hat mir erst dann meine Zeit gestohlen, wenn es ihr schon ein wenig klein gestanden ist. Das Wichtigste aber: sie wusste, wie man die Leute hier im Innviertel packen muss, damit sie spuren.
Und wenn die junge Frau etwas sagte, dann hat man verstanden, was sie meint. Mein junger Kollege hat mich häufig ziemlich planlos zurückgelassen.

Um den Bogen jetzt zu schließen:
Guter Schreibstil ist für mich, wenn sich jemand so ausdrücken kann, dass er verstanden wird. Wenn nun jemand seine Texte in einem klassischen Stil verfasst und es dem entsprechendem Publikum präsentiert, wird das sicher als guter Stil gelten, bei der breiten Leserschaft wird er genauso scheitern, wie der Innviertler Mundartdichter beim Vortrag in der Bremer Stadthalle. Und so wie viele Gemälde nicht nur wegen ihrer Bedeutung auf die Kunstgeschichte ihre verdiente Stellung haben, ich würde diese trotzdem lieber in einer Galerie betrachten, und mir nicht im Wohnzimmer aufhängen wollen.

Wichtig ist für mich, dass man versucht, seine Leser abzuholen, und sich nicht durch Sprache zu überhöhen. Das geschieht abseits vom Diskurs, was ist „gute Sprache, gute Ausdrucksweise“ in anderer Form leider in der Realität auf die barbarische Art.

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Aus meiner Sicht als Hobbyautor finde ich es sehr hilfreich, dass es Menschen gibt, die literarische Werke auseinandernehmen und einzelne Bestandteile analysieren. Mir geht es oft so, dass ich merke, dass ein Satz nicht „rund“ klingt oder dass in einem Absatz die Stimmung, die ich beim Schreiben transportieren will, beim Lesen nicht rüberkommt. Oft habe ich eine ungefähre Vorstellung davon, woran das liegt, weiß aber nicht so recht, wie ich es besser machen kann. Hier im Forum bekomme ich oft einen neuen Blickwinkel auf meinen Schreibstil, das hilft mir.

Deshalb habe ich normalerweise auch den Eindruck, dass der Beweggrund solcher Menschen in diesem Forum der ist, anderen Autoren zu helfen, weniger der, „besonders klug auszusehen“.

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Auf jeden Fall @_Corinna! Deshalb mein Zusatz: Ich habe etwas gegen solche, die literarische Werke auseinandernehmen, um besonders klug auszusehen. Nicht gegen solche, die es aus anderen Gründen tun. Kann man den Leuten in den Kopf sehen? Nein, natürlich nicht. Aber manchmal sehe ich Interpretationen, bei denen der Interpret etliche Dinge ins Werk hineininterpretiert, die ganz und gar nicht zum Autor passen, einfach nur, weil es gerade Trend ist. Ein Beispiel: „Nussknacker und Mausekönig“ ist ein wirklich niedliches Märchen von Hoffmann, dass er explizit für Kinder geschrieben hat. In seinem Vorwort schreibt er darüber, dass Kinder vieles verstehen „was manchem grundgescheiten Papa so ganz entgeht“. Als ich dann in einer Interpretation von diesem Kindermärchen sah, wie der Interpret versucht, den napoleonischen Krieg, sowie eine Kritik an Genderstereotypen hineinzulesen, dachte ich mir einfach: Das ist so ein grundgescheiter Papa, wie Hoffmann ihn meint.

Es ging also nie darum, Literaturinterpretationen als solche schlecht hinzustellen. Was fiele mir denn da ein - ich habe ja selbst das meiste daraus gelernt. Zudem interpetiere ich selbst gern. Auch ging es mir nie um Leute aus dem Forum, sondern um Interpretationen, die ich für die Schule oder in Reclambüchern gelesen habe (auch da waren viele sehr gut, es betrifft nur ein paar).

Hoffe also, dass das etwas klarer geworden ist. Der Satz war von mir zweideutig ausgedrückt - ein Beispiel für schlechten Stil also, wenn wir schon mal dabei sind. :+1:t2:

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Ich kann mich nicht dagegen wehren - dabei fällt mir zuallererst Reich-Ranicki ein. Mehr will ich dazu nicht sagen. Man hat ihn gemocht oder eben nicht.

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Haha, das ist ein lustiger Gedanke! Aber Ranicki hatte mehr so was Bodenständiges, nicht hochtrabend - auch wenn er natürlich sehr rechthaberisch war.

Für bodenständig habe ich ihn nie gehalten, rechthaberisch auf jeden Fall und wenn man hochtrabend als 2. Steigerungsform von Rechthaberei nimmt, dann auch das.

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