Und das ist im aktuellen deutschen Bildungssystem ein riesen Trugschluss. Es sind eben nicht nur die Eltern, die den Kindern das weniger respektvolle „du“ beibringen.
Ich habe bei meinem Sohn hart drum gekämpft, den Unterschied zwischen Du und Sie klar zu machen - und dann kamen Kindergarten und Grundschule mit dem „wir sagen zu allen immer Du“ und dann kam die weiterführende Schule mit „bitte immer Sie“ uns für jedes Du gab es einen Ermahnungsbrief nach Hause. Das Problem war aber schulgeschaffen.
Ja, mein Sohn hat es irgendwann verstanden und siezt zuerst immer, bis ihm das Du angeboten wird. So wie ich es von Anfang an versuchte, beizubringen. Wäre da nicht das wundervolle Bildungsmisskonzept.
Nicht alles ist Elternsache. Wobei mir auch klar ist: wäre es mir nicht so wichtig, würde er vermutlich auch alle duzen.
In der Schriftsteller-Gemeinde waren wir 2010 oder so auch noch zögerlich, wen wir duzen und wen nicht.
Nach etlichen Besuchen bei Schriftsteller-Veranstaltungen und all den Erlebnissen mit Euch, nachdem ich bspw. mit einem Baströckchen in ich glaube Hannover bei den Mörderischen Schwestern zur Ehrenschwester gemacht wurde (ich musste dann die Schulung darin halten), Kursen in der Bundesakademie Wolfenbüttel, vielen Criminalen und erst recht auf den vielen Buchmessen, haben wir das dann aufgegeben, und gern.
Die Schriftsteller-Gemeinschaft ist halt auch etwas anderes als eine Behörde
Wir empfinden Euch Anwender alle sowieso mittlerweile als unsere Papyrus-Familie, vollen Herzens, und haben daher das Siezen konsequenterweise auch komplett aufgegeben.
Das ist sehr lieb und passt auch zu dem, was ich zuvor schon geschrieben hatte. Wir haben halt alle eine gemeinsame Basis: Die Leidenschaft für Geschichten.
Ein Du, welches später angeboten wird, wenn man sich besser kennengelernt hat, ist viel mehr wert, als ein Du, was man bei der ersten Begegnung angeboten bekommt. Ich empfinde es jedenfalls so.
Ich hatte mal eine Kundin, bei der hatte ich mir gewünscht, sie gerne zu duzen, weil wir uns wirklich gut verstanden hatten. Zwei Jahre später hatte sie mir dann auch das Du angeboten (sie war älter als ich).
Es gibt aber Menschen, mit denen ich mich ebenso gut verstehe, aber da würde ich ein Du eher als befremdlich empfinden, oder es würde sehr lange dauern, bis ich mich daran gewöhnen würde.
Was mir auffällt ist die verschiedene Schreibweise bei Du und Sie. Gelernt habe ich, dass die Anrede immer groß geschrieben wird. Immer öfter sehe ich jedoch auf Plakaten oder Anschreiben das „Du“ kleingeschrieben. Und beim „Sie“ führt es in kleingeschriebener Form auch schnell zu Missverständnissen. Beispiel:
„Denken Sie an die Kinder. Wenn Sie ausgeglichen sind…“ Ganz klar bin ich als Elternteil gemeint.
„Denken sie an die Kinder. Wenn sie ausgeglichen sind…“ Ich soll an die Kinder denken. Okay… die Kinder sind ausgeglichen… oder wurde die Anrede klein geschrieben und man meint die Eltern?
Ich schreibe du in der Regel klein. Eine der ganz wenigen Ausnahmen: wenn ich einem bestimmten Kollegen schreibe. Einfach aus Respekt (schwer zu erklären).
Ich kenne die Regel, es handelt sich ja ausschließlich um Texte die persönlich an eine bestimmte Person gerichtet sind und nicht um die künstlerische Schreibform, dass man „du,sie,ihr,ihre“ groß oder klein schreiben kann. Man muss sich nur auf eine Variante festlegen. Früher schrieb man diese Wörter immer groß, aber die „neue“ Rechtschreibung bietet da den Freiraum, was natürlich, wie so oft, Verwirrung stiftet. Ich schreibe diese Wörter im Kundenkontakt meistens noch groß, im Privaten eher klein.
„Dann haben Sie viel gelernt“…und
„Dann haben sie viel gelernt“…sind wirklich zwei verschiedene Paar Schuhe.