Realität in einem realistischen Roman

Wenn man sich Filme ansieht, dann lässt die Realität oft sehr zu wünschen übrig, das gilt für Krimis meist genauso wie für Actionfilme, bei denen es manchmal (oder sogar meistens) völlig absurd zugeht, wenn es z.B. um die Gesundheit, die Fitness der Protagonisten oder um Verfolgungsjagden mit dem Auto geht.

Wenn man einen Roman aus den USA liest (hier kommen meist nur die Bestseller an), dann hat jeder Autor sein Fachgebiet (wie z.B. John Grisham als Jurist), aber darüber hinaus verlassen die Kenntnisse ihn meist (das habe ich bei einem Buch festgestellt, was hauptsächlich in Italien spielt).

Ich habe mal im Zuge eines Wettbewerbs (meine allererste Kurzgeschichte) einen Krimi veröffentlicht, bei der eine stillgelegte Mine in einem bergigem Gelände eine Rolle spielte.

Und was kam? Es gab haufenweise Hinweise darauf, dass eine Mine dort nicht seine könne, dass ich viel zu schlampig im Bergbau recherchiert habe usw. Es gab nur eine einzige Zuschrift, die mich diesbezüglich in wohlwollender Weise auf einige fehlerhafte Darstellungen aufmerksam gemacht hatte.

Und ich rede nicht von Unsinn, wie er in Filmen gezeigt wird, sondern von Kleinigkeiten, die für die Geschichte eigentlich völlig irrelevant sind.

Ich möchte euch mal fragen, wie ihr das seht. Müssen deutsche Autoren wirklich jeden Schnipsel korrekt recherchiert und dargestellt haben? Müssen ausländische Dienstgrade wirklich bis aufs i-Tüpfelchen genau stimmen? Muss eine amerikanische Schiffsbesatzung wirklich ganz genau mit den korrekten Benennungen für Ränge und Dienstgrade beschrieben werden?

Habt ihr entsprechende Erfahrungen?

Vielen Dank für eure Antworten.

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Genau mit diesem Problemen muss ich mich gerade auseinandersetzen. Ich recherchiere und recherchiere und habe so langsam das Gefühl, meine Geschichte aus den Augen zu verlieren. Ich werde wohl ein Nachwort anhängen, denn letztendlich ist es eben nur eine Geschichte und kein historisches Fachbuch. Es ist ein Krimi (Reihe) und gerade die Polizei hat sich erst langsam entwickelt. Es gibt so viele verschiedene Kutschen, das glaubt man gar nicht. Das englische Währungssystem damals ist für mich höhere Mathematik und ich habe schon Stunden damit zu gebracht herauszufinden, wie hoch die jeweiligen Löhne waren und was man für ein Abendessen bezahlt hat. Mittlerweile habe ich beschlossen, dass das reichen muss und ich nicht zu sehr ins Detail gehen
werde . Damit reduziere ich auch automatisch die Fehler. Wobei die historischen Daten korrekt sind, das ist mir wichtig. Wäre ja blöd, wenn meine Ermittler mit der Bahn reisen und die Strecke wurde erst 20 Jahre später gebaut . Aber ich versuche, nicht mehr jede Kleinigkeit zu überprüfen. Dann gab es damals halt eine bestimmte Apfelsorte noch gar nicht (nur ein Beispiel), damit kann ich leben. Ich habe mal einen amerikanischen Thriller gelesen, der in Berlin spielte. Es wurde wirklich jede Strasse namentlich genannt, danach hätte ich meinen Taxischein machen können. Fand ich schlimm. Ich war extrem genervt. Dann lieber Ungenauigkeiten

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Einem Grisham verzeiht man halt eher eine Unstimmigkeit als einem absoluten Frischling; es kommt sicher auch sehr drauf an, wie groß und wie storyrelevant die Unstimmigkeit ist.

Wenn in einem Roman eine Mine der wesentliche Schauplatz ist und sie wurde an einer Stelle angelegt, wo sie eigentlich nicht sein kann - und wenn ich das wüsste - würde es mich auch stören.
Bei einem Roman, der auf einem US-Kriegsschiff spielt, müssen die Dienstgrade absolut stimmen, bei einem Cosy-Krimi, wo ein Schiffskoch a.D. einen zwei-Sätze-Auftritt hat, kann man es problemlos verschmerzen.

Du kannst aber davon ausgehen, dass wenn du dich auf irgendein Spezialgebiet wagst, es gerne den einen oder anderen Leser gibt, der sich damit auskennt, und der es ziemlich krumm nimmt, wenn du bei seinem Spezialgebiet geschlampt hast. Kleinigkeiten werden wohl verziehen, wenn das Gesamtpaket stimmt, wenn nicht, kann sowas als Aufhänger für Kritik dienen.
Ich würde deshalbso genau wie möglich recherchieren, denn es ist extrem peinlich, wenn man sich als Autor diesbezügliche Schlamperei nachsagen lassen muss. Wenn die Recherche aber einfach nicht mehr hergibt, finde ich, dass es reichen muss.

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Wenn man sich nicht auskennt, bleibt man als Schriftsteller am besten vage und konzentriert sich auf Handlung, Atmosphäre und Charakterdarstellung statt auf Akkuratesse, die wirklich keinen interessiert außer ein paar Korinthenkackern. Aber so etwas verzeihe ich nicht:

Die gewaltigen Bäume, die den Garten umsäumten, trugen ihr schönstes Winterkleid; …(Zitat aus Schneeblind von Ragnar Jónasson, 2022 btb Verlag ©)

Wer Lust hat, fährt virtuell nach Island und guckt sich den Ort Siglufjörður, an. Ragnar Jónasson, dem Namen nach ein Isländer, lässt einen Thriller (Schneeblind) damit beginnen. Reicht schon, damit ich wieder zuklappe. Zehn Sätze und ich habe keine Lust mehr. Es gibt auf Island keine gewaltigen Bäume, nirgendwo in der Nähe des Polarkreises oder nördlicher gibt es die. Es gibt mickrige Tannen und popelige Birken, die gerade einmal acht oder zehn Meter hoch werden, mit Stämmen so dick wie ein Männeroberschenkel und selbst dafür brauchen sie siebzig Jahre. Wer monatelang am Polarkreis verbracht hat und wieder zurückkommt, bleibt in Deutschland staunend vor jeder Biergartenkastanie stehen, weil die wirklich gewaltig sein können. So etwas zu schreiben, finde ich dumm und unüberlegt.

Zusammengefasst ist es ganz einfach: Schreibst du etwas nieder, muss es stimmen. Wenn du es nicht weißt, oder dir unsicher bist, bleib einfach vage. Das gefällt den meisten Lesern sowieso viel besser. Die interessiert nicht deine Akkuratesse. Du darfst nicht langweilen und du darfst es nicht übertreiben, auf gar keinen Fall übertreiben. Kleine Häppchen Information in einem spannenden Meer voller Handlung, das wünschen sich viele Leser.

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Solange du keinen „Brockhaus“ schreibst, hast du je nach Genre gewisse Freiheiten. Bei Krimis weniger, bei Urban Fantasy (wie bei mir) schon mehr.

Aber auch da darf man es nicht übertreiben. Ich meine mich zu erinnern, dass Dan Brown seine Protagonisten in Bayern „einen Hang voller Edelweis“ hinabrollen lässt. Das fällt schon auf.

Für mich gilt: Ich schreibe Fiktion. Da kann ich mir vieles Ausdenken und muss mich nicht unbedingt an der „echten“ Realität orientieren. Allerdings hat die Geschichte meist ihre eigene Realität und die muss ich im Auge behalten, damit sie in sich stimmig bleibt. Sonst wäre das arg irritierend.

Meine Geschichten habe ich bewusst konnotativ angelegt. Die Wirkung kann man bei vielen Hollywood-Filmen „sehen“. Gefühlt scheinen selbst absurde Stories plausibel, die nüchtern betrachtet ziemlicher Quatsch sind. Aber sie unterhalten bestens.

Bei Krimis ist das eher schwierig. Da wollen Leserinnen und Leser gerne miträtseln und müssen sich auf die gelieferten Fakten verlassen können. Sie sind dann „danklich aktiv“ dabei. Werden sie mit einem Twist in eine zu steile Kurve geführt, fliegen sie aus der Geschichte und fühlen sich vereimert.

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In einem gewissen Maß müssen auch Fachbegriffe passen. Wenn ich eine Geschichte schreibe, die auf einem U-Boot spielt, kann ich nicht sagen: „… und er sah durch dieses Dings-da“, wenn ein Periskop gemeint ist. Das geht auch dann nicht, wenn das U-Boot nur in einem einzigen Satz erwähnt wird.
Mich stört es auch ungemein, wenn Pferde in irgendwelchen Geschichten vorkommen (ebenfalls möglicherweise nur mit einem einzigen Satz) und man dennoch merkt, dass der Autor nie im Leben ein Pferd von Nahem gesehen hat.
Dass mit deiner Mine dürfte nur Bergbaufreaks stören (ich gehöre dazu). Wenn innerhalb der Mine etwas nicht so gaaaanz stimmt (hell, dunkel, kalt, nass, feucht, etc.) wäre das egal. Aber eine Mine an einen Ort zu verfrachten, an dem es keine Mine geben kann, ginge für mich auch nur in einem Fantasy-Roman oder so. Deine Geschichte bewegt(e) sich jedoch offenbar nicht in einer Fantasiewelt.

Was mich bei Inspektor Barnaby extrem gestört hat, obwohl ich den Inspektor sehr mag (also den mit John Nettles) ist eine Folge mit einer Einbrecherin, die u. a. auch reitet, was für die Geschichte keine Rolle spielt. Die Schauspielerin kann nun leider überhaupt nicht reiten, also gar nicht. Ich habe mich gewundert, dass sie bei den Dreharbeiten nicht verunglückt ist. Dass es die ganzen Midsumer-Dörfer überhaupt nicht gibt, ist mir hingegen völlig schnurz. Das ist eben alles Fiktion und kein Reiseführer, ABER an diesem Beispiel sieht man sehr gut, dass es auch innerhalb einer Geschichte ganz darauf ankommt. Eine Reiterin, die nicht reiten kann geht gar nicht. Ein Ort, den es nicht gibt, funktioniert herausragend. Es wäre daher besser gewesen, das Reiten wegzulassen und ihr als Hobby einen Wellensittich oder so zu geben.

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Ich habe diese Fragen für meinen Roman so beantwortet, dass ich für eine bestimmte Zielgruppe schreibe (zu der ich selbst auch gehöre, das macht es leichter) und in den Themenbereichen, die der Zielgruppe am Herzen liegen, extrem sorgfältig recherchiere. In Bereichen, die der Zielgruppe weniger am Herzen liegen, nehme ich mir einfach künstlerische Freiheit.

Das bedeutet bei mir konkret, dass ich in meinem christlichen Liebesroman jedes Bibelzitat doppelt und dreifach auf Tippfehler überprüfe und mir bibeltreue Christen als kritische Testleser ausgewählt habe.
Andererseits spielt meine Geschichte in einem fiktiven Jahr 2020, in dem es kein Corona gibt, und ich habe mal eben einen fiktiven Supermarkt in den realen Schauplatz gesetzt, als ich dort für meine Geschichte einen Supermarkt brauchte.

Es kann natürlich passieren, dass ein Einwohner des realen Schauplatzes sich nachher tierisch über den unrealistischen Supermarkt mitten im Wohngebiet aufregt, aber das ist dann ein Einzelfall. Wenn ich einen Allgäu-Krimi oder einen Sylt-Krimi schreiben würde, wäre ein falscher Supermarkt natürlich ein absolutes No-go, weil der gesamten Zielgruppe die Gegend am Herzen liegt.

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Danke für deine Antwort (danke auch an alle anderen). Da du hier sehr konkrete Beispiele bringst, gehe ich mal auf ein paar Punkte ein.

Der Eingang zur Mine in dem Buch war nur ein Treffpunkt. Mehr nicht. Nur musste man, um zu diesem Eingang zu kommen, ein Stück bergauf gehen. Und da kam einhellig die Meinung, eine Mine beginnt niemals oben, sondern immer unten.

Nun lebe ich im Taunus, und gerade mein Wohnort ist für den Schieferabbau bekannt (wird heute aber nicht mehr abgebaut). Einer der Eingänge zu einer solchen Mine liegt aber eben nicht im Tal, sondern weiter oben. Heute sind die Schienen zu diesem Eingang abgebaut und der Eingang ist zugemauert.

Muss ich nun ellenlang erklären, warum der Eingang in meinem Buch weiter oben und nicht unten liegt? Der oben liegende Eingang war wichtig für die Geschichte, weil der Protagonist durch den Aufstieg außer Atem war und sich erholen musste (wichtig für die Atmosphäre und die Stimmung).

Was Barnaby angeht, denke ich, dass ich weiß, welchen Film du meinst. Da ich nicht selbst reite, fand ich die Frau (die Schauspielerin) ganz glaubwürdig. Und ich finde, sie hätte eben keine Wellensittiche halten dürfen, weil gerade durch die Szene mit dem Pferd ihr Übermut und ihre fröhliche Lebenseinstellung wirklich gut beschrieben wird.

Um meine eigentliche Frage vielleicht noch deutlicher zu machen: In dem Film „Independence Day“ siegt die Menschheit über die Aliens durch Einschleusung eines Computervirus in deren System. Da ich Informatiker bin, weiß ich, dass das selbst für einen Science Fiction kompletter Quatsch ist und so niemals funktionieren würde. Mich selbst hat das nicht gestört. Ich habe den Film genossen.

Doch andere eben nicht. Was in den Programmierer-Foren über diese Art, das „Problem“ zu lösen, geschrieben wurde, zeigt mir, dass Deutsche (und offenbar nur Deutsche, denn ich habe darüber schon mit Briten, mit Russen und mit Amerikanern geredet), sich so über solche Details aufregen können, dass das eigentliche, nämlich der Genuss, völlig in den Hintergrund tritt.

Daher meine Frage danach, weil mich eure Meinung als selber schreibende Autoren interessiert.

In aller Liebe. Ich will dich nicht kritisieren oder widerlegen.

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Nö. Eigentlich wirklich nicht.

Mir ist gerade nichts Anderes eingefallen als ein Wellensitttich. Dennoch gehen die Szenen, in denen sie reitet, überhaupt nicht. Durch ihre Unfähigkeit zu reiten, wirkt sie eben nicht glaubwürdig. Dass das mit den Pferden zur Handlung passt, da stimme ich dir zu. Aber dann muss man eben eine Schauspielerin suchen, die reiten kann. Ich kann mich ja auch nicht zu einem Casting melden, in dem Fechtkünstler gesucht werden, wenn ich nicht fechten kann. Oder ich kann keinen Italienier mit viel Text spielen, wenn ich nicht italienisch kann usw. Oder ich muss es eben so gut kaschieren, dass es nicht auffällt. Da gibt es ebenfalls ein gutes Beispiel aus dem Film Sleepy Hollow. Christopher Walken spielt einen kopflosen Reiter - absolut essentiell für die Geschichte. Laut eigener Aussage (im Interview) kommt Christopher Walken aus New York, ist ein echter Stadtmensch und hatte vor dem Film nichts mit Pferden am Hut. Er IST glaubwürdig, auch auf dem Pferd. Wie die das gemacht haben, weiß ich nicht und ist auch egal. Es wirkt. Super. Gut gemacht, obwohl auch er nicht reiten konnte. Wie gesagt, es fällt nicht auf. Ich weiß es nur durch das Interview.

WEIL es eben Science Fiction ist. Aber du hattest nach Realität in einem realistischen Roman gefragt.

Na ja. Der Eine stört sich daran, der Andere nicht. Mich persönlich interessiert es eigentlich nicht, was geht oder nicht oder ob eine Mine oben oder unten ist, solange es glaubwürdig präsentiert wird.

Oh, oh! Hoffentlich bekomme ich keinen Ärger mit meinem Mann … :slight_smile: Kritik oder Widerlegung: Habe ich nicht so aufgefasst. Mir waren halt nur so die Beispiele eingefallen. Ob mich das mit deiner Mine tatsächlich stören würde oder nicht, könnte ich abschließend nur beurteilen, wenn ich die Geschichte kennen würde.

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Ich verstehe dich absolut! Meine erste eingereichte Kurzgeschichte spielte in Montana Mitte des 19. Jahrhunderts. Da erhielt ich Kritik, wie wahrscheinlich es sei, dass ein Rancher in einer dünnbesiedelten Gegend vermögend werden könnte. Ich hatte seinen Besitz und „Lifestyle“ als recht üppig beschrieben. Der Kritik folgend, hätte ich Umsatz und Ertrag einer großen Ranch zu der Zeit in der Gegend recherchieren müssen. Das hat mich damals geärgert.
Andererseits: Die Ausführung von Details erhöht nun einmal die Glaubwürdigkeit der Geschichte für den Leser. MIr scheint daher Detailreichtum wichtig. Führt man Details wie den Reichtum des Ranchers aus, müssen diese auch belastbar sein, fürchte ich. Den Leser sollte man ernst nehmen, auch wenn dem Nutzer klar sein sollte, dass ein Roman ein Roman und kein Fachbuch - in meinem Fall keine Dokumentation der Agrarwirtschaft in Montana im 19. Jahrhundet - ist. Aber ich glaube, wir sind uns einig: Wenn Details wichtig für die Geschichte sind, weil sie nur so funktioniert, dann sollten sie stimmen. Science Fiction ist da sicherlich eine Ausnahme.

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Wisst ihr, was mich an diesen ganzen Aussagen stört?

Nehmen wir mal zwei Beispiele, die mich genervt haben. Das Sakrileg von Dan Brown. Wirklich geiler Scheiß und dann so‘n unlogisches Kack-Ende. Echt jetzt. Oder der Schwarm, wo du dich das ganze Wochenende nicht lösen kannst, aber irgendwann feststellst, dass er das Ding nicht mehr im Reich der Logik zum Landen bringen kann. Das sind Dinge, über die ich mich ärgere: Wenn die innere Logik einer Geschichte nicht aufrechterhalten werden kann oder man auf etwas wartet, das dann einfach Plopp macht und sich in einem Wölkchen auflöst.

Aber muss ich es wirklich jedem Leser recht machen? Ich habe gar nicht den Anspruch an mich, alles zu recherchieren. Wenn ich in einem Film gehe, habe ich doch auch nicht den Anspruch, dass mein Held bei der ersten MG-Salve in Stücke gerissen wird. Nein, er wird natürlich bei 2000 Schuss pro Minute um das MG-Feuer herumhüpfen, als würde jemand Tennisbälle auf ihn werfen.

Vielleicht sollte man sich auch einfach ein wenig entspannen und sich nicht mit denen messen, die aufgrund beruflichen Backgrounds bereits mit einem hohen Maß an (teilweisem) Know-how an die Sache herangehen. Und wenn es Leser gibt, die deswegen euer Buch zur Seite legen, dann sind es vielleicht einfach nicht eure Leser.

Ein Buch ist auch ein Produkt, das bezahlt sein will. Ist es abwegig, einem solchen kritischen Leser entgegenzuhalten, dass man die entsprechende Recherche betreiben könnte. Dann würde das Buch aber 30 Euro kosten. Außerdem hätte ich dann keinen Bock mehr zum Schreiben.

Wir leben in einer Zeit, in der die Leute E-Books für 99 Cent oder kostenlos erhalten wollen und dann noch rummeckern. Jeder darf meckern, wir leben ja in einem freien Land. Aber vielleicht sollten wir uns nicht alles zu Herzen nehmen, was jemanden stören könnte. Denn sonst, liebe Freunde der deutschen Sprache, könntet ihr auch konsequent euren Roman durchgendern, um niemanden vor den Kopf zu stoßen. Das haltet ihr ja auch aus.

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Ich recherchiere ganz gern, denn ich lerne dabei, knüpfe Kontakte, bilde mich aus Eigenantrieb fort. Mich bereichert das. Meine persönliche Bereicherung stelle ich doch niemandem in Rechnung, auch nicht ideell.

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Gerade als Freund der deutschen Sprache werde ich diese sprachverhunzende Genderei nicht mitmachen. Und ich würde auch keinen Roman lesen, in dem Wörter ständig durch Doppelpunkte oder Sternchen unterbrochen werden. Sowas stößt mich vor den Kopf.

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Diese Logik gefällt mir nicht gut. So in etwa: „Ich habe soundsoviel Leser, wenn ich mich für die doppelt anstrengen würde, müsste mir auch jeder Leser das doppelte bezahlen.“
Wie wäre es statt dessen mit: „Ich strenge mich doppelt so sehr an, vielleicht bekommt mein Buch dann doppelt so viele Leser?“

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Wie nett, dass ihr mich für meine Worte nicht gleich gegrillt habt. Ich dachte, ich würde mehr Gegenwird bekommen :slight_smile:

Also mich bereichert Recherche auch. Du kannst aber nicht alles recherchieren. Das Problem beginnt ja schon dort, wo du gar keine Ahnung hast und einfach irgendeinen Ort nimmst. Dann ist es plötzlich eine Mine als Nebenkriegsschauplatz und alle Minenfreunde drehen durch.

Oder wenn ich oben „bibeltreu“ lese. Ich war in den Neunzigern 8 Jahre lang bibeltreuer Christ und zwei Jahre auf einer Bibelschule. Hab sogar Griechnisch und teilweise Hebräisch gelernt. Glaubst du, nur weil jemand ganz genau schaut, dass er einen Bibelvers richtig zitiert, ist er auf der richtigen Seite?

Völliger Quatsch, denn da gibt es noch unterschiedliche Übersetzungen, Kontext, Einleitungsfragen und der Gesamtzusammenhang der biblischen Lehre, der aber je nach Konfession unterschiedlich gesehen wird.

Ganz egal, wie viel Mühe du dir da machst, ich werde immer was zum Meckern finden. Und du wirst nicht mal verstehen, was mein Problem ist :slight_smile:

Davon abgesehen ist aber Recherche natürlich auch interessant. Ich würde z. B. gern mal zwei Wochen bei der Polizei mitfahren und mir anschauen, wie so ein echter Derrick arbeitet. Es gibt aber Dinge, die mir nicht offenstehen - einem etablierten Autor aber evtl. schon.

Ich ja auch nicht. War ja nur ein Beispiel für eine Ansicht, die wir auch bei negativem Leserfeedback nicht ändern würden.

Solange ich nicht vom Schreiben leben kann, ist es ein Hobby und ein Hobby hat mir in erster Linie Spaß zu machen. Wenn ich mit dem Schreiben richtig Kohle machen würde, könnte es sogar sein, dass ich jemanden beauftrage, bestimmte Dinge für mich zu recherchieren, die mir nicht liegen. Andere Dinge recherchiert man dagegen sehr genau (vielleicht sogar zu genau), weil sie einen interessieren.

Aber mein Statement bezog sich auch auf keine Einzelfälle, sondern generell darauf, vielleicht eine Geschichte abzuliefern, die in erster Linie mal mir gefällt. Wenn jemand damit ein Problem hat, sollte ich mir vielleicht erst einmal überlegen, dass es sich auch um einen Spinner handeln könnte, den ich im „richtigen“ Leben gar nicht ernst nehmen würde. Aber wir tun so, als müssten wir jeden zufriedenstellen, der unser Zeug jemals lesen könnte. Von dieser Einstellung, glaube ich, sollten wir uns lösen - ohne den Anspruch aufzugeben, eine gute Arbeit abzuliefern.

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Das liegt wohl in der Natur des Menschen.

Nö.

Ja. Das ist leider vermutlich so. Andererseits ist es aber auch nicht dramatisch.

Wer macht das hier in diesem Thread oder meinst du das ganz allgemein?

Für mich liegt bei deiner Aussage die Gewichtung auf in erster Linie. Wenn Anderen die Geschichte auch gefällt, freue ich mich doppelt, kassiere aber nicht doppelt ab, „nur“ weil ich vielleicht extrem viel Mühe in die Recherche gesteckt habt.

Das finde ich auch.

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Natürlich denke ich das nicht. Sowas habe ich nie behauptet.

Mir ging es darum, dass je nach Genre und Zielgruppe die Recherche in verschiedenen Themenbereichen verschiedene Gewichtung hat:
In einem U-Boot-Thriller darf das Periskop nicht Dings-da heißen.
In einem Roman über Island oder in einem Sylt-Krimi darf man die landschaftlichen Besonderheiten nicht passend für die Geschichte umgestalten.
In einem historischen Roman müssen die geschichtlichen Ereignisse stimmen.
In einem christlichen Roman darf man die Bibel nicht falsch zitieren.

Wenn in einem christlichen Liebesroman aber eine Mine nicht ganz korrekt dargestellt wäre, würde sich wohl kaum ein Leser daran stören.

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Ich wollte dich doch nicht angreifen. Ich wollte nur deutlich machen, dass du jemanden mit Spezialwissen niemals zufriedenstellen kannst. Und manche Leute mit Spezialwissen nehmen sich ganz furchtbar wichtig.

In meiner Fantasygeschichte wundere ich mich gerade darüber, welche Begriffe Leuten unbekannt sind. Ich hab natürlich ein paar Seglerausdrücke eingebaut, damit sich die Segler freuen. Aber so, dass für alle anderen klar ist, dass es sich nur um Ausschmückung handelt. Dann fragt mich ein Testleser, was denn ein Ponton ist. Und klar – eine Wende ist für ihn ein 180° Richtungswechsel.

Was ich sagen will: Wenn du es für den einen richtig beschreibst, ist es für den anderen zu viel Fachwissen, das du voraussetzt.

Und wenn du in einem christlichen Roman 1. Tim. 2,12 zitierst: „Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann Herr sei, sondern sie sei still.“ - dann macht es Sinn, ein bisschen was zu dem Zündstoff zu wissen, der da drin steckt. Denn je nach persönlicher Glaubensüberzeugung werden deine Leser diese Stelle entweder in der einen oder anderen Weise auslegen und die jeweils andere Sicht als „geht gar nicht“ bezeichnen.

Damit kann man im Prinzip nur umgehen, indem man sich davon nicht verunsichern lässt und sich bewusst ist, dass man es nicht allen recht machen kann.

Was mache ich nun aber mit meiner Schaluppe. Rede ich von Wende und Halse, von Stagen und Wanten, ist ein Eimer ein Pütz, weiß der Leser, was der Baum oder die Fock ist. Mein Held weiß es ganz sicher. Aber meine Leser? Wie immer du es machst, ist es falsch.

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Dafür gibt es Fußnoten (mittlerweile auch im E-Book, dort als Kapitelnoten) und das Glossar. Ich habe in einem Buch auch Bug, Heck, Luv, Lee, Kombüse, Kajüte, Davit, Krängen, Stampfen, Piepels, Bach und Butze erklärt. Die meisten werden wissen, was gemeint ist und die anderen können es nachlesen.

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Ich habe gerade wieder die Hexer Romane von Sapkowski begonnen. In Zeit des Sturms tauchen stellenweise unglaublich viele Begriffe aus der Seefaht auf. Unglaublich auch, wie viele Arten von Schiffen es gibt . Und ich verstehe: Nichts. Aber es ist faszinierend und atmosphärisch. Stört mich nicht, und wenn ich etwas wirklich wissen möchte, schlage ich es nach. Ist heutzutage ja einfacher, wie jemals zuvor. In einem anderen Roman, den ich kürzlich gelesen habe (Monster von Berlin) hat sich die Welt durch Omegastrahlen nachhaltig verändert. Die Autorin erklärt es kurz. Habe ich irgendwas davon verstanden? Nö, nicht im geringsten. Trotzdem finde ich mich in ihrer Welt gut zurecht. Ein Physiker würde vielleicht in die Tischkannte beißen, ich weiß es nicht. Jedenfalls habe ich für mich aus diesem Thread mitgenommen, dass ich beschreibe, was ich wirklich weiß und bei anderen Sachen eher vage bleibe, wenn es nicht wirklich wichtig ist und zur Geschichte beiträgt.

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