Prolog

Na ja, ich bitte um Entschuldigung, wenn ich ihm auf die Füße getreten bin/habe. Wenn es auch mit dem Schreiben bei ihm nicht klappt, lesen kann er anscheinend. Immerhin, das ist doch schon die halbe Miete.

Übrigens haben die Hersteller das Teppichmesser/den Cutter erst falsch bezeichnet, **nachdem **er durch die Presseerzeugnisse geadelt wurde. Denn das ist immerhin fast zwanzig Jahre her. Und wenn angebliche Wissenschaftsjournalisten *Tsunamiwelle *oder *Supernovaexplosion *schreiben, soll das halb so wild sein? Ich jedenfalls möchte mir von solchen Schreiberlingen nicht die Welt erklären lassen. Müssen.
Ich kann das alles belegen, keine Sorge. Und meine Latte an blödsinnigen Vokabeln ist lang. Sie ist aber nach dem Urheberrecht noch nicht geschützt, weshalb ich sie auch noch nicht veröffentlichen kann. Allerdings, wer *Cuttermesser *und kurze Stippvisite benutzt, der hat in meinen Augen die Kontrolle über seinen Wortschatz verloren.

Das kannst du in meinen Augen nur dann rechtfertigen, wenn du sprachlichen Dilettantismus zur Regel erhebst und so ziemlich alles, was Wolf Schneider den Journalisten beigebracht hat, oder hätte beibringen sollen, vergisst. Dass ich wie Don Quichotte wirke, weiß ich selbst, ich kann nicht anders. Macht es dir denn gar nichts aus, wenn du von riesigen Mammutaufgaben liest? Wie willst/kannst du das ernsthaft versuchen, in Schutz zu nehmen? Machst du das mit dem weißen Schimmel und der *Baumallee *dann auch?

Meine Güte, wenn ich mit Sprache arbeite, dann habe ich einen gewissen Berufsethos! Sollte man jedenfalls. Sogar ich, als jämmerlicher Autor von Pornografie zweifelhafter Güte habe mehr Achtung vor dem Handwerkszeug als jene Autoren. Ich kann recherchieren. Kann nachfragen. Kann mir überlegen, was ich schreibe. Glaubst du allen ernstes, dass es außer mir einen meiner Leser interessiert? Vielleicht einen.

Die Deutschen haben mit ihrer Sprache eines der bedeutendsten Werkzeuge in der Hand, mit der man sich geschliffen, verführerisch und präzise ausdrücken kann. Und dann kommt ein dahergelaufener Pornoautor und macht sich über einige Journalisten lustig, da sie in seinen Augen nicht einmal richtig Deutsch können. Das darf natürlich nicht sein, verstehe ich voll und ganz. Aber dann sei so gut und verrate mir, warum auch nur eines meiner Beispiele in einem Text auftauchen sollte, der professionell geschrieben wurde. Da bin ich jetzt neugierig. Und die Entschuldigung oben ist ernst gemeint. Ist mit mir durchgegangen. Macht es bei dem Thema grundsätzlich. Rotes Tuch. Olé!

Die Tsunamiwelle, die Supernovaexplosion, das Deja-vu-Erlebnis, das Cuttermesser, die kurze Stippvisite und die riesigen Mammutaufgaben sind echt gespannt, was du zu ihrer Verteidigung anbringen wirst. Und ich mit ihnen.Und er sicher auch!

P.S.: Ich als Journalist hätte es auch über die Moderation gemacht, denn stell dir vor, was passierte, wenn er sich mit mir anlegte. Ich käme womöglich auf die Idee, etwas von ihm zu lesen. Und das will sicher kaum ein Journalist. Wo kämen wir denn hin, wenn ein Autor von Pornos sein Handwerkszeug ernster nimmt, als der Profi? Dabei ist es gar nicht mal so selten, dass in bestimmten Bereichen interessierte und engagierte Laien bessere Ergebnisse liefern, als Profis. Frag mal Fotografen und Schreiner, die können ein Lied davon singen. Die Laien müssen schließlich nicht ihren Lebensunterhalt davon bestreiten.

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Lieber Duane,

wenn du deine Rolle in diesem Feld donquichotesk siehst, dann sei gewiß, daß dir mit mir ein Sancho Panza zur Seite steht! Ich sehe das auch so wie du. Und es stört mich genauso (oder ähnlich)!
Die Differenz wird vielleicht an der Einschätzung von Journalisten – also ihrer Rolle dabei – eklatant. Rauszunehmen sind sie (bisher) nicht, aber da ihr Einfluß auf die Entwicklung des Deutschen schwindet, wäre es m.E. überzogen, nur auf sie einzuhacken.

Die andere Seite der Medaille wird davon markiert, daß sie freilich gut daran täten, sich nicht dort anzuschleimen, wo sowieso reiner Sprachterrorismus a la BallaBalla herrscht, nämlich in den sog. “Neuen Medien”. Andersherum formuliert: Gerade das herausstellende Merkmal eines guten und reflektierten Sprachgebrauchs zu pflegen und weiterzuentwickeln, würde dem schleichenden Untergang des Klassischen Journalismus vermutlich mehr abhelfen, als zu wähnen, wenn man anderswo “Trends” nachäffe, bleibe man eher am Ball. Die Misere – um nicht zu sagen: qualitative Katastrophe – des ÖRR zeigt m.E. hinreichend, daß das wohl ein Irrtum ist …

Das kommt vor! Allerdings i.d.R. nur im Abgleich mit … ähm … “schlechten Profis”. Und es stellt sich anbei dessen die Frage, ob nicht auch der Begriff des ‘Profis’ kritisch beleuchtet werden muß! Mein Punkt dabei ist (und das kann tatsächlich bis in den universitären Bereich hinein beobachtet werden): Es ist eine “typisch deutsche Denkmanier”, daß ein gesiegelter Fetzen Papier Professionalität verbürge. Daß dem gar nicht so ist, wird in anders gepolten Mentalitätsstrukturen – meist jenseits Europas – gewürdigt, nämlich mit pragmatischer Haltung! – “Bei uns” herrscht da noch immer ein spätfeudalistischer Geist … und in AU, auch I und F bspw. kaum minder. So mein Eindruck.
Das oft geschmähte (Frühe und Hohe) Mittelalter war da schon mal viel weiter gewesen (und nicht nur darin!).

Jedenfalls: Ein Profi ist für mich eine/r, die/der sein Handwerk beherrscht; und zwar durchaus mit einer gewissen Souveränität. Und daran reichen interessierte Laien meistens nicht (es gibt freilich etliche Ausnahmen). Allerdings: Realweltliche Stümper mit gleichwohl gesiegeltem Zertifikat über zwar nicht vorhandene, aber bescheinigte Fähigkeiten, können engagierte Laien natürlich gut “im Schatten stehen lassen”.

Es ist also auch eine Frage der Ausbildung! Und zwar besonders schon von der Grundschule an (und auch da war das MA – allerdings nur eine schmale alphabetisierte Elite betreffend – fortschrittlicher gewesen): Gucke ich mir den Sprachunterricht meiner Tochter an, egal ob Deutsch oder “Englisch” (aber Letzteres sollte man besser nicht so nennen), kriege ich manchmal Tobsuchtsanfälle (innere, damit sie’s nicht merkt) und wieder andermal falle ich fast schon in Depressionen angesichts dieser namenlosen Katastrophe. – Und ja: Mir begegnen junge Menschen mit eben erhaltenem **Reifezeugnis **Hallo!!! (hier ist ein ‘sic’ nicht signifikant genug!)] , die nicht in der Lage sind, einen ordentlichen Satz über S-P-O-Niveau hinaus zu konstruieren, geschweige, daß sie ein Gedicht von Trakl oder eine Erzählung von Handke interpretieren könnten; von der Fähigkeit, einen einigermaßen lesbaren Aufsatz zu schreiben ganz zu schweigen). Ich schweige besser ganz davon, was deren formale Kenntnisse angeht, etwa die Grammatik betreffend usw.

Was für Lehrer, tlw. auch Hochschul- und Uni-Dozenten sind das eigentlich, die gleichwohl bescheinigen, da habe “sich” jemand das Reifezeugnis bzw. irgendeinen akademischen Grad “erarbeitet”?! --** Was für Zustände** sind das eigentlich?!

Aber auch in diesem Feld gilt: Wir alle machen mit. Und so lange alle mitmachen, wird sich nichts ändern …
Es ginge schon mal damit los, daß wir die Kinder und Jugendlichen für Lerninhalte begeistern, an denen Sprache besonders gut angeeignet werden kann. Werden sie stattdessen von dem angeödet, was man ihnen, oftmal auch noch unengagiert, “vorsetzt”, ist’s ja kein Wunder, daß sie lieber in die schöne bunte Welt der Youtube-Knallbonbons entschwinden, sobald die Klingel das Ende der letzten Schulstunde angezeigt hat. Und dann auch noch diese unsägliche Hypostasierung der sog. “Digitalisierung”. Wenn der total neoliberalisierte Lindner*** (samt Konsorten von der industrie-affinen Lobbyistenmafia) dieses Wort auch nur in den Mund nimmt in Zusammenhang mit Schule, wünsche ich mir jedesmal 'ne virtuelle Kalaschnikov an die wutverkrampfte Hand …

***Wahlplakatspruch bei der letzten BTW: Digitalisierung first, Bedenken second!

Gruß von Palinurus

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Doch. Es nervt.

Ich will niemanden in Schutz nehmen. Ich mag es nur nicht, wenn ganzen Gruppen von Menschen pauschal etwas nachgesagt wird. Wenn es Belege dafür gibt, dann ist es ja in Ordnung. Und dennoch mag ich Pauschalisierungen genausowenig wie weiße Schimmel.

Ihr, die Ihr den nicht-mehr-Prolog gelesen habt: Daran anschließen würde sich nun noch eine kurze Szene, in der Mizú den Brief bekommt, und dann, Kardinalsünde: nach etwa insgesamt 5 Seiten Geschichte eine Rückblende, mitten im ersten Kapitel und zehn Seiten lang. Auf denen Mizú (als Kind) und ihr Großvater charakterisiert werden; was insofern wichtig ist, als ihr inniges Verhältnis zu ihm ihre nun einsetzende intensive Suche nach der im Prolog anklingenden Gabe begründet. Außerdem angelegt sind darin zwei grundlegende Konflikte der Geschichte. Ach ja, und das Kernthema wird eingeführt.
Würdet Ihr an dieser Stelle diese Rückblende lesen - oder aussteigen?

Liebe Buchling,

was heißt denn hier “Kardinalsünde”? Seit wann ist es denn Sünde, auf Rückblenden zu gehen? – Ich rate, du läßt dich besser nicht “kirre machen”! Es gibt unzählige Romane mit RB’s – und es ist ja (mal so ganz nebenbei bemerkt), auch ein probates Mittel der Spannungssteigerung, mit RB’s zu arbeiten! Das Maß der Dinge ist einzig und allein, wie eine RB erzählt wird, inhaltlich und formal; und keinesfalls, ob sich eine Auorin ihrer bedient oder nicht.
Man male sich mal kurz aus, wie tödlich langweilig es sein kann, nicht muß (aber die Gefahr besteht), einsträngig 'ne Geschichte zu erzählen, die über mehrere Generationen [sic] greift. Laß die Logik der Geschichte den Zeitpunkt, die Länge und die Art der RB bestimmen und nicht irgendwelche gestalterische Phantasmata. Es gibt nicht DIE oder DIE Weise, eine Story zu erzählen. Sondern deren sind viele denkbar und möglich!

Bietet mir jemand 'ne Geschichte, in der sich mehrer RB’s befinden, die je fuffzich Seiten lang sind, so wäre das für mich niemals ein Killerkriterium (eher würde mich das interessieren); denn seit wann entscheiden denn primär quantitive Kriterien über die Qualität eines Romans?! HALLO?! Ich vermag es nicht so ganz nachzuvollziehen, wieso du jetzt fast schon in Panik gerätst. Es ist DEINE Geschichte! – Fängst du an, in Kernbereichen nicht mehr die eigenen Ansichten, den eigenen Instinkt und das eigene ästhetische Vermögen zur Sprache zu bringen, kannst du auch gleich einen Ghostwriter bestellen …

Mach dein Ding! Beratung ist gut. Aber NUR, wenn du in den maßgebenden Fragen die Souveränität wahrst.

Ermutigende Grüße von Palinurus

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@Suse Du hast recht, Pauschalisierungen sind wenig zielführend. Aber da ich ständig nur Qualitätsmedien konsumiere, ziehe ich den Schluss, wenn es bei denen schon so schlimm ist, wie muss es dann erst in den Niederungen des Berufs zugehen? Also tut mir ein bisschen leid, dich da mit verunglimpft zu haben. Journalisten lassen mich täglich mit offenem Mund am Radio zurück und machen kann ich nix.

@Palinurus Die Machtlosigkeit lässt mich wütend werden, was ich aber gar nicht will. Das regt mich dann erst recht auf. Tucholski sagte: »Das Ärgerlichste am Ärger ist, dass man sich schadet, ohne anderen zu nützen.«

@Buchling Entschuldige, dass wir deinen Thread gekapert haben, ich höre nun wirklich auf.

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Kein Problem, von mir kommt dazu auch noch was - ich habe im Moment nur andere Prioritäten :slight_smile:

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Daumen hoch! Besser kann man es nicht ausdrücken.

@Buchling Ob es Qualität hat und spannend ist, lässt sich kaum an der Quantität der *Action *oder der Anzahl an Seiten mit Rückschauen festmachen. Lies dir Tipps durch, und ob du sie berherzigst, ist letztlich auch deinem Stil geschuldet. Aber meist hat man ja nur einen Stil, der gehört zu dir, an dem kannst und solltest du feilen, aber nicht zu viel grübeln. Und ihn nicht über den Haufen werfen. Wenn es dein Stil ist, kapitellange Rückblenden zu haben, dann ist es deine Aufgabe, die so spannend zu machen, dass man sie unbedingt lesen will. Wenn der Text sie braucht, kommst du nicht drumherum.

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@DuaneHanson
Wenn Dir die deutsche Sprache so am Herzen liegt, ist vielleicht diese Seite für Dich interessant: www.deutschmeisterei.de
Vielleicht wäre das Thema einen eigenen Beitrag hier im Forum wert.

@Buchling
Ich habe in der Mitte meiner Geschichte eine längere Rückblende drin, in der sich mein Protagonist an den schlimmsten Tag seines Lebens erinnert. Er erlebt diesen Tag noch mal. Das ganze liest sich wie eine eigene Geschichte in der Geschichte.
Vielleicht hilft das etwas.

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Sollte jeden (halbwegs gebildeten) Deutschen am Herzen liegen. Das Sprachepansche von nutzlosen Wortkreationen und durch Anglizismen in Ruhestand versetztes deutsches Wortgut, verschwendet nur Druckertinte.

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Ich finde - gut geschriebene - Rückblenden oft interessant. Also, warum nicht!
Zumal sie hier offenbar wichtig für die ganze Geschichte ist.

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Von Panik kann keine Rede sein. Eher von einem Unbehagen, als Roman-Neuling die Arroganz zu besitzen, gegen die Empfehlung diverser erfolgreicher Autoren und arrivierter Lektoren so viele, so lange Rückblenden so früh einzusetzen.
Ich bin ein selbstbewußter Mensch; üblicherweise nehme ich von anderen eher zu wenig als zu viele Hinweise an. Vielleicht neige ich beim Romanschreiben dazu, das auszugleichen. Er soll halt schon irgendwann eine Form haben, die zur Veröffentlichung reicht - so sehr mich das Schreiben an sich erfüllt, gehört dieser Traum dazu. Und den will ich mir nicht zerschießen, indem ich alle Grundregeln einfach ignoriere. Es ist einfach unwahrscheinlich, daß einem Buch-Neuling das gelingt.

Liebe Buchling,

ich bleibe bei meiner Ansicht, daß es von der Story-Logik abhängt, wo und wie eine RB zum Einsatz kommt und nicht davon, was es an …

… gibt, wie man damit umzugehen hat! Kein noch so erfolgreicher Autor oder erfahrener Lektor kann eine Prognose darüber abgeben, wie eine RB in 'nem Text wirkt, der gerade erst im Entstehen begriffen ist! Das wäre ja absolut hypertroph!

Im Übrigen trifft das auch auf dich selbst zu: Es mag sein, daß du jetzt deine RB’s schreibst, dir das Ganze gefällt, wenn du sie so weit hast und du dafür dann außerdem auch noch von Testlesern gelobt wirst. Das ist möglich! – Jedoch schließt es nicht aus, daß du im Fortgang der Geschichte – sagen wir: ein halbes Jahr später und zwanzig Kapitel weiter – merkst, daß es doch nicht paßt … und du diesen Teil umstrukturieren, neuschreiben oder sonstwas mußt … Fertig ist der Roman erst beim Erteilen von Imprimatur – und vorher ist alles nur provisorisch. – Ende Gelände!

Mach dein Ding jetzt, so wie dir’s vor Augen steht. Und ja: Wer nicht wenigstens “ein bißchen arrogant” ist, kriegt sowieso niemals ein gutes Buch zustande.

Liebe Grüße von Palinurus

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Noch ein kleiner Nachsatz aus der eigenen Schreibwerkstatt:

Ich arbeite seit knapp vier Wochen an einem Kapitel (neben noch etwas ganz anderem), das – anvisiert – so etwa zehn bis zwölf Seiten haben und nach 'ner Woche grob hingezimmert sein sollte. Eigentlich eher ein kleiner Einschub in den Hauptstrang, nichts Fundamentales.

Bisher dachte ich schon vier Mal – ich bin jetzt bei Variante vier --, damit durch zu sein. Aber jedes Mal, wenn ich die (vorläufige) Abschlußlesung machte, wollte ich “noch schnell was korrigieren, dazusetzen” etc.: Jedes Mal mit dem Ergebnis, daß sich der Text nicht nur quantitativ erweitert, sondern auch inhaltlich inzwischen so" verschoben" hat, daß aus dem “Nebenstück” derweil ein integraler Hauptstrangteil wurde (es sind inzwischen 34 Seiten). – Das hat Auswirkungen auf mehrere Kapitel, die schon geschrieben wurden. Ich weiß jetzt schon, daß ich die ans akut Geschriebene anpassen muß. Tlw. mit viel Arbeit verbunden, wie sich längst abgezeichnet hat.

Aber glaube nicht, daß mich diese Tatsache davon abhält, das, was mir gerade im Kopf rumgeht zum aktuellen Textteil (sogar meine Träume werden davon gerade okkupiert), einfach zu ignorieren, nur weil Guru X mal gesagt hat, so etwas dürfe man niemals tun … BlaBla …

Schreiben ist ein eminent kreativer Prozeß – und damit einer, der immer **ans Präsentische gebunden **ist. Was ich jetzt für richtig halte, mache ich, denn ich nutze den inspirierenden Augenblick (die berühmte “Eingebung” – den gerade bemerkbaren Flow), die akute Idee, anstatt mich wie ein Ingenieur an einen Plan zu halten. Pläne existieren zwar in irgendeiner Form, aber sie werden obsolet, wenn ein kreativer Moment sie (zumindest tlw., wenn nicht sogar ganz) eben kippt. Disloziert. Mutieren läßt … was weiß ich! Dann ist das so. Basta!

Ich habe das kurz erzählt, um dich an deinen Jetzt-Zustand zu gemahnen, von dem du sagtest, daß er dir flüstert, jetzt RB’s anzugehen. Dann mach’s, liebe Buchling … und lasse erfolgreiche Schrifsteller oder Lektoren labern, was immer sie labern wollen. Der kreative Moment geht vorbei – und dann schaust du nüchtern drauf, was er gezeitigt hat. Vielleicht irgendwas Geniales, oder nur Murx. Du wirst es erfahren. Aber mach jetzt, was dir jetzt deine Kreativität aufgibt, es zu tun …

Herzliche Grüße von Palinurus

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Danke. Ich bin ein großer Freund von differenzierten Betrachtungen.
Selbstverständlich sind die beiden Wörter “voll” und “ganz” keine absoluten Synonyme, sondern können beide verschiedene Bedeutungen oder Bedeutungsvarianten haben. Die sind aber vom Kontext abhängig, wie du ja selbst anschaulich demonstrierst. Das ist normal für Synonyme. (“Bildschirm” und “Monitor” sind verschiedene Konzepte, keine Frage, aber im Kontext “Computer” haben sie die gleiche Bedeutung, sie sind daher partiell synonym.) Wenn der Kontext nun aber die Qualifikation (oder genauer Quantifikation) von “Zustimmung” ist, würde ich doch behaupten, dass es bei beiden Bestimmungen eben in diesem Kontext gleichermaßen um das Konzept der KOMPLETTHEIT geht (ich nenne es hier mal so, leider klingt das Wort nicht gut, aber TOTALITÄT klingt vielleicht zu sehr nach “totalitär” und “completeness” vielleicht zu englisch und “Gänze” wiederum greift eines der Wörter auf, um die es gerade geht).
Man vergleiche:

(a) Ich stimme dir zu.
(b) Ich stimme dir ganz zu.
(c) Ich stimme dir voll zu.
(d) Ich stimme dir voll und ganz zu.

Bedeuten diese Sätze etwas Verschiedenes?
Der erste Satz (a) ist noch etwas unbestimmt, denn ich kann mich im gleichen Satz zurücknehmen, ohne mir selbst zu widersprechen:

(e) Ich stimme dir zu, aber nicht ganz.
(f) Ich stimme dir zu, aber nicht voll.

Aber bedeuten (b) und (c) (oder (e) und (f)) Verschiedenes? Wenn ja, müssten Situationen denkbar sein, in denen (b) (bzw. (e)) wahr ist, aber (c) (bzw. (f)) falsch.

Mir fällt keine solche Situation ein. Wenn ich “voll” zustimme, stimme ich “ganz” zu, und wenn ich “ganz” zustimme, stimme ich “voll” zu. Ich sehe da keinen semantischen Unterschied – die Ausdrücke sind äquivalent.

Und ich sehe auch nicht, dass volle Zustimmung steigerbar ist. Gibt es mehr als volle Zustimmung? So dass sie nicht nur “voll”, sondern zusätzlich auch noch “ganz” ist? Nein, mein Fazit lautet daher immer noch: In diesem Kontext bedeuten die beiden Wörter dasselbe. Und eine Addition in der Paarformel “voll und ganz” trägt für die Semantik nichts aus, ihr Gebrauch ist Pragmatik, Stilistik, Rhetorik.

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Lieber Waldfried,

zunächst die “gute Nachricht”: Deinem Resumee möchte ich auf der **pragmatischen **Ebene nichts entgegenstellen; ich teile es. Besonders vor der von dir sehr zutreffend herausgestellten Bedeutung des Kontextes.

Es ist also auch nach meinem Dafürhalten so, daß diese beiden Wendungen …

heute dasselbe zum Ausdruck bringen (sollen), wenn sie je Verwendung finden (und dann sogar kontextunabhängig!). Und ich stimme ebenfalls zu, daß der Ausdruck “voll und ganz” in der Hauptsache eine stilistisch-rhetorische Figur ist. Sie soll ein **Maximum an Zustimmung **signalisieren, womit impliziert ist, daß es nicht so sehr auf die jeweilige Bedeutung ihrer beiden Partikel ankommt, sondern auf ihr Zusammenbinden in der Fügung, die eine Verstärkung der einfacheren Floskel intendiert: “Ich stimme zu”.

Soweit d’accord.

In welchem Fall meine Wenigkeit ein bißchen anders akzentuiert als du, wird vom analytischen – also gewiß nicht pragmatischen – Standpunkt aus deutlich. Dazu hatte ich das Bierkannen-Beispiel angeführt …

Es kann sein, daß mir beim Folgenden dieser oder jene (mindestens heimlich) ins Stammbuch schreibt: “Himmel! Immer dieser philosophische Quark, dieses sophistische Herumgequatsche um einen geistigen Furz ohne lebensweltliche Relevanz …”; und ich hätte im Fall der Fälle sogar ein gewisses Verständnis dafür, weil die (Sprach-)Philosophen tatsächlich – für Nichtphilosophen – zu absoluten Nervtötern mutieren können. Andererseits ist das halt ihre Domäne. Will sagen: Sonst bedürfte’s ihrer gar nicht.

Ich verweise beispielhaft jetzt nur mal schnell auf die sogenannten slingshot-Argumente. Z.B. Donald Davidson und Kurt Gödel haben sich intensiv damit beschäftigt (es geht letztlich darum, was ‘Tatsachen’ sind). Oder man guckt auf einige Überlegungen Wittgensteins, den Gebrauch etwa des Wortes ‘Wissen’ betreffend. Oder man linst mal in Diskussionen zum berühmt-berüchtigten Gettierproblem rein. Anbei solcher u.ä. – scheinbar “abgedrehten” – sprachphilosophischen Gedankenspiralen sagen “normale Menschen” meiner Erfahrung nach oft: “Habt ihr sie eigentlich noch alle beieinander, ihr Knalltüten?!” – Allerdings zeigt die Geschichte des Denkens, daß sogar äußerst exotisch anmutende Erwägungen halbverrückt erscheinender Philosophen irgendwann einmal äußerst wichtig wurden … ich meine: eben nicht nur für Philosophen. Und da Sprache nun mal für Schriftsteller substantiell ist, erlaube ich mir hier noch einen kurzen analytischen Blick auf die in Rede stehende causa.

Warum sagen wir: “Volle Zustimmung”, aber nie: “Ganze Zustimmung”? (Übrigens: Die Wendung: “Ich stimme (dir) ganz zu” ist eher selten). – Die erste meint: “Ich bin absolut einverstanden” und ist damit quasi synonym mit: “Ich stimme (dir) voll und ganz zu.” – Wenn wir freilich sagen: “Im Ganzen stimme ich dir zu … (manchmal folgt dann ein ‘aber’)”, zeigen wir implizit zumeist irgendeinen kleinen Einwand an, der dann manchmal artikuliert wird, manchmal auch nicht. – Gewisse Fein-Differenzierungen scheinen also doch, selbst im pragmatischen Bereich, gelegentlich durchzuschimmern zwischen ‘voll’ und ‘ganz’ im Bedeutungsbereich zustimmender Sprechakte (vgl. dazu v.a. Austin und Searle).

Woher rührt das?

Meine These ist (Gewißheit habe ich nicht zu bieten): ‘Voll’ bezieht sich ursprünglich – wie im Bierkannen-Bsp. schon angedeutet – auf den inhaltlichen Aspekt eines zustimmungs- bzw. ablehnungswürdigen Gesprächsgegenstandes, während der “Rest” (das noch Hinzukommende zum Inhalt) erst mit ‘ganz’ miterfaßt wurde. Das will sagen: Ich kann einer Behauptung (sog. konstativer Sprechakt) “voll zustimmen”, dann beziehe ich mich auf ihre sog. Proposition (grob gesagt: das, was gesagt wird [den “Inhalt”]). In jedem Sprechakt gibt es aber noch (mindestens) eine andere Dimension: Sie spielt in der speechact-Theorie eine ganz wichtige Rolle: Nämlich wie etwas gesagt wird (was dann wieder in diversen Unterfunktionen weiter differenziert werden kann).

Bsp.:

A sagt zu B: “Hans hat bei der statischen Berechnung des Brückenpfeilers vollkommen versagt. Seine Dummheit ist grenzenlos und ich habe es ihm vor versammelter Mannschaft so zu verstehen gegeben.”

Darauf B zu A (1):

“Ich stimme dir voll und ganz zu!”

Darauf B zu A (2):

“Im Ganzen stimme ich zu. Aber, mein lieber A, die öffentliche Exekution hättest du ihm – und auch den anderen Kollegen – ersparen sollen. Das ist nicht gut fürs Betriebsklima.”

Die Differenz zwischen den Antworten (1) und (2) von B ist deutlich erkennbar:

  • In (1) ist B vollkommen d’accord mit A, sowohl das WAS als auch das WIE betreffend.
  • In (2) wird deutlich daß auch B Hans für einen Versager und Dummkopf hält (WAS-Ebene). Aber WIE A das vermittelt hat, findet B nicht zustimmungsfähig. Er stimmt also nicht “voll und ganz” zu: Nach meiner Auslegung zwar voll, aber nicht ganz.

Kurz: Meine These ist, daß die Wendung “voll und ganz” – vor langer, langer Zeit wahrscheinlich – aufgekommen ist, um dem Gegensprecher anzuzeigen, daß beide Aspekte, also das WIE und das DAS (s.o.) eines getätigten konstativen Sprechaktes beim akuten Sprecher Zustimmung finden.
All das ist natürlich inzwischen vollkommen verschliffen und wird in der alltagspraktischen Redeweise überhaupt nicht mehr reflektiert. Der Ausdruck: “Volle Zustimmung” macht das eklatant: Denn niemand geht heute mehr davon aus, daß damit nicht das Gleiche gemeint sei wie bei “voll und ganz”. Nur wenn Wendungen kommen wie: “Im Ganzen stimme ich dir zu, aber …” oder auch “Ganz kann ich dir nicht zustimmen, denn …” wird noch eine winzige Abschattung dessen sichtbar, was – vielleicht – irgendwann in der Sprachentwicklung mal eine substantiellere Rolle als heute gespielt haben könnte, hinsichtlich o.a. Differenz.

Viele Grüße von Palinurus

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Kleine (nicht ganz ernst gemeinte) Ergänzung, um die Diskussion etwas aufzulockern:
Daneben gibt es heute auch - aus der Jugendsprache stammend - eine abweichende Verwendung. Dabei hat “voll” einen verstärkenden, “ganz” einen relativierenden Charakter. Der Unterschied lässt sich leicht empirisch unter Verwendung folgenden Experimentes belegen:

Man nehme: Einen Partner/eine Partnerin, der/die den Nachmittag des Vortages in der überfüllten Innenstadt auf der Jagd nach erlesenen und exotischen Zutaten verbracht hat und nun bereits fünf Stunden in der Küche zu Gange ist, um ein opulentes Mahl zuzubereiten.
Nach der Nahrungsaufnahme kommt die Frage:
“Wie fandest du das Essen?”
Antwort A: “War voll gut!”
Antwort B: “War ganz gut.”

Der Bedeutungsunterschied wird einem sehr schnell und nachhaltig verdeutlicht werden, ggf. auch unter Verwendung extrinsischer Meinungsverstärker wie Bratpfannen, Nudelhölzer und anderem.
Durchführung auf eigene Gefahr. :stuck_out_tongue:

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:laughing:
Sehr schönes Beispiel!
Interessanterweise scheint das »ganz« aber nur bei lobenden Aussagen einen relativierenden Charakter zu haben. Denn bei Sätzen wie: »Das war eine ganz schlimme Erfahrung«, »Nachdem ich ihr gesagt habe, das Essen sei ganz gut, war sie ganz böse mit mir« oder: »Das ist ein ganz schlechtes Buch« ist es wieder verstärkend. Voll kompliziert! :wink:

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Ich war am Samstag voll betrunken. Also war ich ziemlich voll. War aber voll geil. Denn wenn ich voll bin, bin ich auch immer …