Prolog

Ich habe Nebelschwaden gelesen … die sind eher nicht schlammig, dachte ich. Oder habe ich da auch eine bedeutungsgewandelte Assoziation?
Ansonsten könnte es sein, dass allein die Auslassung des “seinen” den Satz schon glättet, finde ich.

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Ich mag zwar Alliterationen auch, allerdings: Die Schwaden sind Nebelschwaden (genau, @Alex Sassland ), von daher können sie schwerlich voller Schlamm sein und auch an dieser Stelle nicht schäumen; auch klingt mir in diesem Kontext die Schicht zu sehr nach etwas, das physischer ist als der diffuse Nebel.

Vermutlich bräuchten wir dafür eigentlich einen eigenen Thread, aber da’s ja meiner ist, bin ich so frei und kapere ihn für ein neues Thema: @Palinurus , Du bist mir aufgefallen als jemand, der immer wieder auf den Rhythmus von Sprache eingeht und ein, wie ich nach Deinen bisherigen diesbezüglichen Einlassungen ahne, gutes Gespür dafür hat. Anders als ich; oder zumindest habe ich ehrlich gesagt einfach keine Ahnung davon. Etwas klingt gut oder nicht gut, manchmal stolpere ich beim Lesen, und dann hört mein Rhythmus-Gefühl auch schon wieder auf. Zuletzt rhythmisch analysiert habe ich auf der Uni Gedichte, das ist nun auch schon wieder über 15 Jahre her (oh Gott). Einfache Frage, und ich fürchte, schwierige Antwort(en; es dürfen sich gerne alle angesprochen fühlen): Woran erkenne ich, ob ein Satz einen guten Rhythmus hat?

Nehmen wir mal meinen Satz, in dem Du das “brackig” (jetzt mal ganz ab von seiner passenden oder auch nicht passenden Konnotation) als rhythmisch nicht gelungen empfindest:
“Schwaden waberten über das brackige Wasser und verbargen seinen Unrat unter einer weißlich-grauen Decke.”
Ich konzentriere mich auf den Halbsatz vor dem und, denn dort ändert sich jedenfalls in meinen Ohren der Rhythmus ohnehin. Es bleibt also: “Schwaden waberten über das brackige Wasser.”

  • Mit Schwaden, waberten, brackig und Wasser habe ich quasi eine Binnenalliteration, zudem sind die a in Schwaden und waberten lang; die in brackig und Wasser kurz; dadurch habe ich auch einen klanglichen Zusammenhang zwischen Nomen und den Worten, die sie definieren.
  • Wenn ich es einmal ganz simpel à la Gedichtanalyse notiere, ergibt sich: -. -… -. . -… -. (- = betont; . = unbetont) Ist kein Gedicht, mein Empfinden stört das -… von “brackige” aber nicht - was stört Dich daran?
  • Nehmen wir mal Dein Beispiel “Schwaden voller Schlamm waberten (schäumend) übers Wasser”, also -. … - -… -. … -. Warum gefällt Dir das rhythmisch besser?
    Ich bin sehr gespannt. Schreiben ist so viel Handwerk, aber Rhythmus ist bei mir fast ausschließlich Intuition. Höchste Zeit, daß sich das ändert!
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Inhaltlich bist Du da bei @Palinurus. Ja, dem Wasser “gehört” der Unrat natürlich nicht, strenggenommen dürfte da also kein “sein” stehen. Ich persönlich bekomme ohne es allerdings Leseschluckauf - “verbargen Unrat”, da fehlt für mich irgendwie etwas. Hm. Ich bin unschlüssig.

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… verbargen ekligen Unrat … ?

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Unrat ist ja an sich schon nicht appetitlich, von daher fände ich das doppelt gemoppelt.
In einer Vor-Vor-Vorgängerversion hatte ich mal “den Unrat der Stadt”. Dann müßte ich nur die Stadt aus dem Satz zuvor rausnehmen. Und wo ich gerade dabei bin, habe ich aus der weißlich-grauen Decke eine gräuliche Decke gemacht; das weißlich stand da nur, weil ich das ursprüngliche milchig anderswo brauchte. Klingt aber unschön.

Dann so?
“Geisterhaft schwebte der Nebel über den Kanälen. Schwaden waberten über das brackige Wasser und verbargen den Unrat der Stadt unter einer gräulichen Decke.”

Wobei mich die Decke nicht glücklich macht. Eigentlich ist sie mir viel zu substantiell, wie auch die von @Palinurus vorgeschlagene Schicht.

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Ja und nein. Ich finde nassen Unrat noch viel ekliger als trockenen Unrat … aber generell hast Du recht.

Ein Tuch wäre vielleicht etwas weniger körperhaft, weil (viel) dünner?

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Und ein noch dünneres Tuch ist ein Schleier :slight_smile: danke!

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Weil ich es oft genug gelesen habe. Frag einen Menschen auf der Straße, was das Wort bedeutet und er wird regelmäßig sagen, dass es eine Flutwelle in einem Ort/Dorf ist, die vom Bach kommt der über die Ufer trat. Denn was macht sie? Sie springt.

Mach eine Suche in Google News nach dem Wort.

Kein oder kaum ein Treffer wird auf den Sachverhalt »Tide bei Voll- oder Neumond« weisen. Es wird fast immer um über die Ufer tretende Bäche oder Flüsse](‚https://www.nzz.ch/panorama/wegen-auslaufendem-lenker-gletschersee-drohen-hochwasser-und-springflut-ld.1570175‘) gehen. Auch wenn es hier nur die NZZ trifft, warte ab, was beim nächsten Frühjahrs- oder Gewitterhochwasser kommt. Springflut, weil sie? Über die Ufer springt. Vermutlich. Das Gegenteil ist die Nippflut, oder Nipptide.
Oder wie wäre es mit Supernovaexplosion? Schon mal vom Déja-vu-Erlebnis gelesen? Oder kennst du das Cuttermesser? Die Tsunamiwelle? Das sind nicht meine Erfindungen, das waren/sind Journalisten, die so was schreiben.

Rasiermesserscharf
Veröffentlicht am 18. Dezember 2019 von loosdigger

Deutsch ist nicht tot, ja, es ist nicht einmal richtig krank, doch so wirklich gut geht es dem Deutschen nicht. Und damit meine ich nicht die Auswüchse wie,* ich hab Rücken* oder* gehst du Schule?* Ich konzentriere mich auf die, die es besser wissen müssten: Journalisten, Autoren und Übersetzer. Dass die Hürden, solche Jobs zu bekommen, seit Jahren immer niedriger werden, hat nicht nur dazu geführt, dass wir täglich mit merkwürdigem Inhalt* (neudeutsch: Content)* überschwemmt werden, sondern auch, dass die zum Teil abenteuerliche Ausdrucksweise auf die seriösen Schreiber abfärbt. Ich fange einfach mal mit dem Teppichmesser an.

Das gute alte Teil, mit den rasiermesserscharfen Klingen, was seit dem 9.11.2001 urplötzlich auf der Journalistenbildfläche auftauchte. Dieser Allerweltsgegenstand war auf einmal in aller Munde und nach und nach wurde das Teppichmesser durch den Cutter ersetzt, klingt ja auch abgeklärter. Polizisten klingen längst nicht so cool wie Cops und Pistolen sind echt Old School im Vergleich zu Revolvern oder gleich Colts. Nun bringen solcherlei Anglizismen es mit sich, dass man von einigen Leuten nicht verstanden wird. Ich stelle mir vor, dass es einige Leserbriefe zum Thema Cutter gab. Aber anstatt zum guten, alten Teppichmesser zurückzukehren, erfanden die Journalisten einfach das Cuttermesser. Die News-Suche bei Google nach dem Stichwort Cuttermesser spuckt 2.300 Treffer aus. Die Suche nach dem Teppichmesser führt noch, aber wer weiß, wie lange noch?

Liebe Publizisten, ein Teppichmesser bleibt ein Teppichmesser, egal, was man damit schneidet: Teppich, Tapeten, Fotos, Papier, Karton, Folie oder Halsschlagadern. Ich weiß, es klingt etwas merkwürdig und die Verbindung vom Teppich zum Verbrechen ist ziemlich absurd. Aber glaubt mir, es wird durch das Cuttermesser nicht besser, im Gegenteil. Wie der weiße Schimmel und das kalte Eis zeugt das Cuttermesser nur davon, dass ihr nicht richtig Deutsch und in diesem Fall. dass ihr auch nicht richtig Englisch könnt.
Bevor ihr jetzt einwendet, dass sich die Sprache verändert usw., muss ich sagen: In diesem Fall nein, neu renoviert ist auch nach dreißig Jahren immer noch einen Lacher wert, damit kann man immer noch die Spreu vom Weizen trennen.

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Das hängt wohl vom Muster ab, oder?

Liebe Buchling,

mein Rhythmusgefühl kann ich analytisch nicht auflösen, dazu fehlt es mir an spezifischen Kenntnissen (außer Grundeinblicken, was etwa gewisse klassische Versmaße u.ä. angeht); es ist v.a. an Lektüreerfahrungen geschult, nicht zuletzt lyrischen; aber auch belletristischen. Manche Autoren haben für mich einen ganz besonderen „Sound“, der manchmal bis in fast Melodisches hinüberspielt. Und wenn mir – also in belletristischen Kontexten (weil: in der Lyrik ist’s ja klar!) – so etwas auffällt, halte ich inne und versuche nachzugucken, was „da los ist“ … – Der Erschließungsgrund wird meistens, alllermeistens, beim Sprechen (laut [Nach-]Lesen) offenbar: Wenn die Zunge sich nicht verrenken muß, sondern in einen „Swing“ kommt und alles zu fließen beginnt. Vor allem: Sobald ganz unabhängig von der semantischen Ebene eine Art … ähm … „Eigensinn“ evoziert wird, also wenn die Wörter auch ohne Signifikate zu … „gleißen“, zu … „tönen“ und im besten aller Fälle (wie ein Lied) zu … „kingen“ anfangen … mit vollkommen idiosynkratischen Zunge, die Wittgensteins Diktum von der nicht-möglichen Privatsprache fürs Spatium einer unmeßbaren, zeitlosen Zeit ad absurdum führt, aus einer genuin ästhetischen Erfahrung fließend … aller normalen lebensweltlich verbürgten Identifikationsprozesse bar … allein aus sich selbst heraus ein Rätsel gebärend, das man gar nicht auflösen mag, weil seine Präsenz das Unsagbare verbürgt, aus dem die Träume gewoben sind, deren Schönheit niemals einen anderen Ausdruck fände.

Jo, so etwa …

Da es hier inzwischen Mode geworden ist, Bekenntnis darüber abzulegen, mein Geschreibsel nicht zu verstehen, schiebe ich noch etwas … ähm … Praktisches nach:

Deine Frage, warum ‚brackig‘ den Rhythmus störe:

„Schwaden waberten über das brackige Wasser und verbargen seinen Unrat unter einer weißlich-grauen Decke.“

Ich habe dir mal alle m.A.n. vorhandenen Rhythmusbremsen in diesem Satz markiert.

Die markantesten sind ‚brackige‘, ‚verbargen‘ und ‚Unrat unter‘. – Sprich zum Nachvollzu etwa mal nur die Wendung ‚seinen Unrat unter einer‘ laut und artikuliert aus. Merkst du, wie du mit Zunge und Lippen operieren mußt, um das überhaupt tönend umzusetzen? Bei ‚verbargen‘ ist’s das ‚a‘, von dem der Sound "kaputtgemacht wird. Sprich dazu alternativ ‚verbergen‘ aus. – Merkst du den Unterschied?

Und jetzt der Hammer: ‚bra‘-‚cki‘-‚ge‘. Das ist Lippen- und Mundraum-Zwangsarbeit, aber kein „Schönsprechen“! Bsp.weise verwende ich, wenn es geht, bei ‚eklig‘-Assoziationen immer ‚ekle‘.

Sprich erst „die eklige Schleimspur widerte mich an“ und danach „die ekle Schleimspur widerte mich an“. – Merkst du, wo Rhythmus drin ist und wo nicht? Und ‚brackig‘ ist praktisch „‚eklig‘ ins Quadrat“.

Noch ein Bsp. aus meiner Dilettantenwerkstatt, gerade in Arbeit:

…] den Allerwenigsten fällt’s auf. — Du gehörst zu ihnen, ich bin davon überzeugt: Weil dein abschweifender Blick während solcher Augenblicke auf anderes als einen narzisstischen Komplex weist. Er geht in die Ferne, wo nicht Artikulierbares zuhause ist, indessen Narzissten nie Probleme haben, ihre „Betroffenheit“ sofort zur Sprache zu bringen — schließlich dreht sich fast alles nur darum … bei ihnen! Andres interessiert sie nicht! Dich schon! Es mag sein, dass du auch betroffen bist. Mir will aber scheinen, dir bleibe das Schwankende solcher Situationen gewärtig. Ihre fehlende Eindeutigkeit irritiert dich — und vielleicht würde es dir guttun, das auszuhalten, den Blick nicht abzukehren, dein Gegenüber mit der sensiblen Sprache des Auges, erstmal, und später sogar sprechend wissen zu lassen, dass es so ist.

Für mich hat dieser Abschnitt einen „guten Sound“. Er scheint passabel „rhythmisiert“, was freilich Stunden gedauert hat (zugegeben: im Umfange etwas länger).
Markiert habe ich zwei bewußt gesetzte Brechungen des Rhythmus. Mit ‚indessen‘, um den thematischen Bruch zu markieren; und mit ‚erstmal‘, um nicht eine „zu glatte“ Variante dessen zu erzeugen, was da inhaltlich an Handlungsaufforderung drinsteckt, zumal die Glätte durch doppelte Alliteration (ohne Unterbrechung) sonst noch befördert würde. Daran habe ich rumgefeilt, bevor ich mich entschloß – mal wieder --, einen unverstehbaren Text ins Forum zu setzen …

Die letzte Wendung sah direkt vorher noch so aus:

Ihre fehlende Eindeutigkeit irritiert dich — und vielleicht würde es dir guttun, das auszuhalten, den Blick nicht abzukehren, dein Gegenüber mit der Sprache des Auges, und später sogar sprechend, wissen zu lassen, dass es so ist.

Das war für mich unbefriedigend (im „Augenteil“ hakt’s). – Daraufhin habe ich den Bruch eingeschleußt:

Ihre fehlende Eindeutigkeit irritiert dich — und vielleicht würde es dir guttun, das auszuhalten, den Blick nicht abzukehren, dein Gegenüber mit der Sprache des Auges, erstmal, und später sogar sprechend wissen zu lassen, dass es so ist.

Immer noch nicht gut! Dann die Idee mit der Verdoppelung der Alliteration:

Ihre fehlende Eindeutigkeit irritiert dich — und vielleicht würde es dir guttun, das auszuhalten, den Blick nicht abzukehren, dein Gegenüber mit der sensiblen Sprache des Auges, erstmal, und später sogar sprechend wissen zu lassen, dass es so ist.

Yeahhhh! Das funzt! – Keine Ahnung, ob ich das Übermorgen auch noch so sehe! :D:astonished:

Das Problem im Verhältnis von Silbenzahl sowie Hebung und Senkung hier und (Gesamt-)Rhythmus dort habe ich jetzt nicht reflektiert. Vielleicht andermal.

Gruß von Palinurus

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Des Kaisers neue Kleider

Nicht mit Kaiser’s neuen Kleidern zu verwechseln. @Palinurus Tut mir leid, war vielleicht ein bisschen meine Schuld. Wenn du so willst, war ich das Kind, das gerufen hat: »Aber er hat ja gar nichts an!« So etwas würden wir heute eine Initialzündung nennen. Mir hat deine Jagdgeschichte so gut gefallen (jedenfalls die Teile, die leicht verständlich sind) und das wollte ich ausdrücken. Das ging aber für mich nicht ohne den Hinweise auf die schwere Kost in deinem Text. Und da niemand gerne zugibt, ungebildet zu sein, oder etwas nicht zu verstehen, oder etwas Intellektuelles langweilig zu finden, braucht es solch ein Kind. Meist trauen sich die anderen erst dann, auch zuzugeben, dies oder jenes nicht zu verstehen.

In der Phase sind wir jetzt und du kannst getrost davon ausgehen, dass es keineswegs modern ist, deine Texte als unverständlich abzuqualifizieren. Es liegt den Leuten auf der Seele, denn im Grunde würden viel mehr gerne verstehen, was du schreibst, denn die Teile, die allgemeinverständlich geschrieben sind, klingen faszinierend und klar. Leider betrifft dies (für mich) gerade mal die Hälfte dessen, was du schreibst. Keine Ahnung, in welchen Sphären du unterwegs bist, aber vermutlich nicht in denen von Normalsterblichen.

Da du deinen Stil nicht änderst, da du dein Verhalten beibehältst, nehmen ich (und mit mir sicher noch ein paar andere) an, dass es Absicht ist. Welche Absicht, das mag ich mir gar nicht ausmalen, da gibt es einige Möglichkeiten. Schmeichelhafte und weniger schmeichelhafte. Vielleicht braucht man eine so elaborierte (Fach)Sprache, um genau das auszudrücken, was du empfindest. Kann sein. Nur wirst du dann damit leben müssen (und freilich sehr gut können), dass du nur von einer Minderheit verstanden wirst.

Für mich wäre das nichts. Meine Texte sind eigentlich mit Fremdworten gespickt, die von Überarbeitung zu Überarbeitung weniger werden und gegen Ende nur noch in homöopathischen Dosen meinen Text zieren. Ich will um fast jeden Preis von jedem verstanden werden, ohne meine eigenen Ansprüche an einen lesenswerten Text aufgeben zu müssen. Keine leichte Aufgabe.

Für einen hochgebildeten Menschen, ist es überhaupt kein Problem, so zu reden oder zu schreiben, dass kaum jemand mehr versteht, wovon er spricht und was er eigentlich sagen will. Die hohe Kunst ist es, so zu reden oder zu schreiben, dass man immer noch ausdrücken kann, was man sagen will, aber dass es **jeder **versteht und lesen will. Du, lieber Palinurus willst es aber genau so haben. Daher empfand ich obiges Zitat mehr als Koketterie.

Aber lass dir von mir nicht den Tag verderben, dazu ist er zu schön!
Lieber Gruß (heute aus Kaufbeuren), Tilmann

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Also mal nicht jetzt noch Schuldgeständnisse nachschieben, lieber Duane! Sonst fasse ich das irgendwann alles zusammen und lasse nach Augustins und Rousseaus jeweils schon recht umfangreichen Confessiones noch jene der verehrten Mitglieder hier im Forum folgen – in diesem Falle natürlich keineswegs, ohne** einen mächtigen Kommentarteil **gleich mitzuliefern … :smiley: (die sicher gigantischen Einnahmen können wir dann ja nach Anteil der jeweils Angeführten aufdröseln und jedem zukommen lassen) --; will sagen: Es trifft mich nicht ganz tief im Herzen, aber ein bißchen schon, sagen wir mal, umwillen meiner Hoffnung, ich würde vielleicht irgendwann doch dahin gelangen, wo ich hinwill: nämlich ein wenig – wirklich nur ein ganz klein wenig – Interesse für „jene Welt“ zu erwecken, die hinter diesen elaboriert zur Sprache kommenden Wörtern liegt.

Im Gegensatz zu vielen hier im Forum glaube ich allerdings nicht, daß etwas davon aufscheinen könnte, wenn diese Sprache so verfaßt wäre, wie sich das manche vielleicht vorstellen. – Es mag sein, daß ich mich irre in dieser Einschätzung. Ich glaube es allerdings nicht.
Und damit ist das Dilemma auf den Punkt gebracht. Vielleicht liegt also einfach Inkompatibität vor. Das würde mich sehr traurig machen … dann ließe sich’s freilich trotzdem nicht ändern. Womöglich gelingt mir ja auch irgendwann noch mehr Annäherung, um Brücken schlagen zu können. Ich werde es immer mal wieder versuchen …
**
Nachtrag:**

Ich gebe einen kurzen Ausschnitt aus einem Brief Walter Benjamins, um die Richtung davon anzeigen zu lassen [sic], wo [aber bitte nicht räumlich verstehen] diese o.e. Welt liegen könnte und warum ihre Beschreibung einen besonderen Ausdruck erheischt. Aus diesem Brief ging übrigens kurz darauf W.B’s sehr bedeutender Essay des Titels Über Sprache und Sprache überhaupt hervor (Himmel! Ich stelle mir gerade vor, ihn hier – testweise – als eigenes Leseprobe-Geschreibsel einzustellen: Vermutlich würden einige sehr verehrte Forumsmitglieder Sorge hegen, ob ich irre geworden sei und psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen sollte … :scream:)

Aber vorweg vielleicht besser noch ein goldenes Wort der von mir hochverehrten Iris Murdoch. Sozusagen als Einstimmung … auf den Ernstfall …

*We live in a fantasy world, a world of illusion. The great task in life is to find reality. But given the state of the world, is it wise?
*
[Iris Murdoch in ‚The Times‘; 15. April 1983]


Mein Begriff sachlichen und zugleich hochpolitischen Stils und Schreibens ist: hinzuführen auf das dem Wort [V]ersagte. Nur wo diese Sphäre des Wortlosen in unsagbar reiner Nacht sich erschließt,] kann der magische Funke zwischen Wort und Tat überspringen, wo die Einheit dieser gleich Wirklichen ist. Nur die intensive Richtung der Worte in den Kern des innersten Verstummens hinein gelangt zur wahren Wirkung.

[Walter Benjamin in einem Brief an Martin Buber vom 17. Juli 1916]


Liebe Grüße an alle von Palinurus

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Das ist meiner Ansicht nach den Herstellern “geschuldet”. Die schreiben auf ihre Produkte Cuttermesser. Das kann man wohl kaum den Journalisten anhängen und auch ein Teil deiner anderen Beispiele passen da nicht so recht. Was allerdings nichts damit zu tun hat, dass die deutsche Sprache kränkelt. Da hast du zu 100 Prozent Recht, keine Frage. Nur deine pauschale Schuldzuweisung gefällt mir nicht. In unserem Reitverein kann keiner vernünftig mit der deutschen Sprache umgehen und unter denen befindet sich kein einziger Journalist. Einige wenige lesen weder Zeitung noch hören sie die Nachrichten im Radio. Und wenn an einer “Kaffeebude” Coffee to go - jetzt auch zum Mitnehmen angepinnt ist, dann sehe ich das sprachliche Manko einzig und allein beim Betreiber der Kaffeebude.

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Ich habe auf Wunsch eines Journalisten, der sich angegriffen gefühlt hat, mal die Duan’sche Bezeichnung der Journalisten etwas moderiert.

Man kann streiten, ob das noch von der Meinungsfreiheit abgedeckt und sarkastisch gemeint war, aber ich breche dem lieber hier die Spitze ab. So, wie ich’s gemacht hab’, tut es der Argumentation an sich keinen Schaden.

Ich glaube nicht, daß eine – irgendwen oder -was *speziell *treffenwollende – Zuschreibung sachlich gerechtfertigt wäre, liebe Suse und lieber Duane. Kürzlich war eine neunjährige Schulkameradin meiner Tochter bei uns; und neben eingen anderen Merkwürdigkeiten (etwa auch Lesefertigkeiten u.ä. betreffend), überraschte sie mich damit, daß sie immer wieder, sowohl in selbstbezüglichen Kommentaren als auch auf solche von anderen antwortend, Ausdrücke wie LOL (u.ä.: also “Kurzsprache” aus elektronischen Medien) verwendete – auf Nachfrage allerdings nicht mal die ausgeschriebene Fassung kannte, jedoch (offenbar) instinktiv durchaus zutreffend damit umging. Sie erklärte mir zudem, daß sie mit ihren Freundinnen oft so rede. Ich sehe ab, großartig zu erwähnen, daß auch zahlreiche anderen Fügungen und Wendungen ihren Sprachschatz dominieren, die ich ihrem Alter wie auch ihrem kulturellen background für nicht angemessen halte.

Mit meiner Tochter habe ich etwa – um derartigen Exzessen vorzubeugen – vereinbart, daß Ausdrücke wie ‘cool’ oder ‘geil’ oder dieses (mir) unerträgliche “oh mein Gooott”, wie … (man denke sich eine bestimmte *tonality *dazu, ihr werdet schon wissen, wie ich’s meine) usw. zwar Verwendung finden können (ihr das zu verbieten halte ich weder für befolgbar noch für angenessen), aber mit Unterbrechungen, damit unsere Kommunikation nicht veröde unter solch übel gestanztem Sprachbrei. – Das Tolle daran ist, daß dieses kleine, aber wie ich finde ganz feine Arrangement funktioniert. Sie setzt gelegentlich an, etwa ‘cool’ sagen zu wollen … unterbricht dann aber … und sucht ein anderes Wort, worin sie ziemlich souverän und schnell ist. “Verplappert” sie sich zu oft hintereinander, merkt sie’s selbst (oder sieht vielleicht manchmal auch, wie sich Papas Miene eintrübt, woraufhin dann oft so etwas kommt: “Ja, Papa, ich weiß … jetzt war’s wiedermal zu viel …”.

Mein Punkt ist folgender: Wir alle – radikal alle, meine ich! – haben es in der Hand, ob wir uns irgendwelchen Trends, Sprachvergewaltigungen und anderen Affenprozeduren der neoliberalistischen Produktions-, Konsum- und (und damit einhergehend) Merkbefreiungshölle ausliefern … oder ob wir Widerstand anmelden, indem wir uns gewissen medienvermittelten schlechten Gepflogenheiten entgegenstemmen, indem wir mit unseren Kindern, Freunden und Mitmenschen so sprechen, wie das unseren eigenen Ansichten entspricht, statt uns bloß noch vorgestanzter Sprachschablonen zu bedienen, die tausend Meilen gegen den Wind nach klammheimlicher Uniformierung stinken und uns systematisch des Individuellen berauben.
Mit den Kindern, so finde ich, ist uns dabei auch ein besonderes Aufgabenfeld vor Augen gestellt. Und daß z.B. der Journalismus auch besondere Funktionen wahrnehmen könnte, ist längst nicht mehr allen in der Branche bekannt. Einige unter den Journalisten scheinen mir inzwischen sprachgeschädigt und verbreiten mit unterbelichteten Beiträgen diesen unsäglichen Virus (wobei es aber längst nicht nur um die Form, sondern auch um Inhalte geht!). Dasselbe gilt für die Felder Politik und auch manche Bereiche des sog. "Kultur"betriebs. Auch da ist unser Widerstand als Bürger und Mitmenschen gefragt. Denn letztlich: Wenn wir uns schlimmen Auswüchsen in diesen Bereichen verweigern, werden sie nicht mehr bedient. Es liegt folglich (mit) an uns allen.

Einzelschuldzuweisungen sind m.E. jedenfalls nicht zielführend. Da werden nur Sündenböcke gekürt, ggf. wird auch mal einer abgeschlachtet … und danach geht es munter so weiter wie zuvor! Ist 'n uraltes Procedere, gibt’s schon seit der Steinzeit …

Zusatzanmerkung: Ich habe viel mit jungen Menschen zu tun, die u.a. geisteswissenschaftliche Themata ventilieren. Wenn dabei für meine Ohren zuviel hohler Sound (im o.a. Sinn) aufquillt, macht es mir überhaupt nichts aus, solche Leute schon mal auf den irreduziblen Zusammenhang von Sprechen und Denken (ohne daß ich Identität unterstelle, selbstredend) aufmerksam zu machen und sie danach zu fragen, ob sie wähnen (was ja bekanntlich von ‘Wahn’ kommt), mit ihrem standardisierten Null-Aussage-BlaBla an jene Dinge und Denkgegenstände heranzureichen, die sie währenddessen glauben, zu reflektieren …
Am Anfang – also wenn “Neue” hinzustoßen – gibt es darum manchmal ein bißchen HalliGalli. Aber relativ schnell löst es sich auf … so meine Erfahrung …

Zusatzanmerkung 2: Ich habe meinen Rekurs auf die journalistische Ebene etwas … ähm … geglättet.

Viele Grüße von Palinurus

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Eben. Darum die Anführungszeichen. Ich stimme dir voll und ganz zu. Mir fällt eben auf, dass “voll und ganz” auch irgendwie idiotisch ist.

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Nö! Das ist langeingeschliffener Sprachgebrauch. Der ist nie idiotisch. Bestenfalls wird er altmodisch.

Gruß von Palinurus

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Nicht idiotisch, sondern tautologisch und pleonastisch. Kann beides sein, “Bug” (Stilfehler) oder “Feature” (Stilmittel) …

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Ich muß leider widersprechen, lieber Waldfried. Die Völle und die Gänze sind nicht dasselbe, können deshalb auch nicht tautologisch sein.

Wenn ich ein Glas „ganz austrinke“, muß es nicht voll gewesen sein! :thinking:

Ich kann auch – als fürchterlicher Tyrann eines Staates – die ganze Bevölkerung ausrotten, aber nicht die volle …

… es sei denn, es wird bei Letzterem auf ein kleines Dorf angespielt, was die „volle Bevölkerung“ angeht … während eines großen Besäufnisses. :smiley:

Und wenn ich eine volle Kanne Bier serviere, muß es nicht die ganze Kanne sein, die ich an den Tisch mit den erwartungsvollen Säufern trage. Denn die Kanne könnte einen Deckel haben, der nicht mit hingetragen wird, woraus erhellt, daß die volle Kanne nicht die ganze Kanne sein muß. Lege ich’s aber darauf an, die Kanne voll und ganz zu servieren, werde ich den Deckel mit an den Tisch tragen.

Gruß von Palinurus

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Wäre mutiger gewesen, wenn sich der Journalist mal selbst zu Wort gemeldet hätte. Wir sind doch hier unter uns …

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