Prolog

So hatte ich es auch verstanden.

Es gibt sicherlich einige altgriechisch-stämmige Wörter, die in der heutigen Zeit falsch eingesetzt werden. Mir fällt da “Sympathie” ein. Komischerweise wird das Wort im englischsprachigen Raum richtig verwendet. Im Italienischen ist “La simpatia” ein Zwitterwesen und es kann für beide stehen. In Deutschland ist es hingegen ein rein positives Empfinden für jemanden, was oft zu Missverständnissen führt (die Stones können ein Lied davon singen.

3 „Gefällt mir“

Da bin ich wieder!

Ich muß gestehen, mich hatte (!) die Kritik etwas aus der Bahn geworfen. Generell bin ich (leider) nicht gut darin, negatives Feedback anzunehmen, und in diesem Fall kenne ich die ursprüngliche erste Szene, die als Beginn nicht geeignet ist, und habe von mir aus nur die Verbesserung gesehen. Ein paar Kritikpunkte haben mich zudem getroffen. Das mußte ich erstmal sacken lassen.

Dennoch danke ich Euch dafür! Denn die Kritik (die ich in vielen Punkten nachvollziehen kann; in anderen nicht) hat dafür gesorgt, daß ich nun einen Anfang habe, mit dem ich zufrieden bin. Und zwar einen komplett neuen Anfang, ohne Nuscheln, mit nur noch einmal Ratten und dafür mehr Szenerie. Dafür gibt’s quasi keine Handlung mehr, fast nur noch Gedanken. Aber: Mich stört das nicht. Eine der besten ersten Seiten, die ich jemals gelesen habe, ist der Auftakt zu Patrick Rothfuss’ “The Name of the Wind”, in der es im Prinizip nur um drei Arten von Stille geht. Handlung: null. Stimmung: 100. (Und nein, ich würde mir nie anmaßen, mich mit einem derartigen Könner zu vergleichen; das Beispiel diente nur der Illustration dessen, daß in meinen Augen der Anfang einer Geschichte komplett auf Action verzichten kann und trotzdem den Leser in den Bann ziehen kann.)

Weil also der Anfang komplett neu ist, gehe ich nicht weiter auf die einzelnen Kritikpunkte ein; eines möchte ich aber sagen: Die umfallenden Krüge an der Stelle mit dem Hufgetrappel waren sehr hilfreich, vielen Dank!

Es ist auch kein Prolog mehr, sondern schlicht die erste Szene meines ersten Kapitels. Voilá, und allen ein schönes Wochenende!

Geisterhaft schwebte der Nebel über den Kanälen der Stadt. Schwaden waberten über das brackige Wasser und verbargen seinen Unrat unter einer weißlich-grauen Decke. Wo kleine Wellen an Stege und Mauern glucksten, tastete der Dunst sich auf festen Boden, folgte den Gassen Morenas um Ecken und Biegungen, stieg mit dem Kopfsteinpflaster auf und ab, drang mit klammen Fingern in Spalten, Ritzen und in die Träume der Schlafenden. Er schluckte das Licht des Mondes und den Klang der Fensterläden, die gegen die Häuser wehten. Mit sich führte er Gerüche und Geschichten: den Odem einer Stadt, die sich nicht im Glanz des Fürsten sonnen konnte; ein Parfum aus den Ausdünstungen der Holzöfen, vor sich hingammelnden Abfällen und den scharfen Aromen der Färber und Gerber. Der Nebel hauchte noch etwas durch Morena: Aberglauben und Alpträume für die meisten; für wenige eine Ahnung dessen, was auf den Befehl eines einzigen Mannes ein ganzes Reich vergessen hatte.
Nicht so die knorrige Gestalt, die geduckt durch die Nacht schlich, sich in den Nebel hüllend wie in einen Umhang. Einen Weg ertastend, der in der milchigen Brühe kaum auszumachen war, glitten gichtgekrümmte Finger die Wände der Häuser entlang, über grob behauene Steine und wurmstichige Holzbohlen.

Der Mann, den alle Welt den alten Barlo nannte, wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. Die Feuchtigkeit war überall: Sie hing in Tropfen an seinen Wimpern, klebte ihm die grauen, strähnigen Haare an den Kopf und durchweichte seinen Mantel. Sie kroch in seine Knochen und ließ sie ächzen wie ein rostiges Scharnier.

Sollte sie seine Glieder foltern. Kein Schmerz würde ihn von seinem Weg abbringen.

Er ließ die Feuchtigkeit gewähren. Gab sich ihr hin, statt sie zu bekämpfen. Trieb mit dem Nebel dahin, dankbar für den dichten Schleier, der ihn vor den Augen der Berittenen verbarg.

Er hielt einen Augenblick inne, horchte. Waren das Pferde? Nein, es fehlte der gleichmäßige Rhythmus von Hufeisen auf Pflastersteinen. Wahrscheinlich bloß Ratten, die auf der Suche nach Essensresten ein paar Tonkrüge umgeworfen hatten. Hoffentlich. So rasch es der Nebel erlaubte, setzte er seinen Weg fort. Er durfte den Häschern des Fürsten nicht in die Hände fallen. Nicht jetzt; nicht, bevor er sein Versprechen erfüllt hatte.

Mit den Fingern klopfte er auf seine Brust, vergewisserte sich, daß er noch da war. Der Brief.

Die letzten Worte eines Menschen, der wußte: Von dort, wo sie ihn hinschleppten, gab es keine Wiederkehr. Hastig hingekritzelt, schief zusammengefaltet, das Siegelwachs mit dem Daumen festgedrückt.

Der Gedanke an Leonardo schmerzte ihn mehr als seine Knochen. Die gemeinsame Liebe zu dem raren Geschenk, das beiden zuteil geworden war, hatte ein Band zwischen ihnen geknüpft, das über bloße Freundschaft hinausging. Mit Leib und Seele hatten sie sich demselben Ziel verschrieben: das Wunder der Gabe zu bewahren.

Ein Band, das bis zu diesem Tag hielt. Doch es hatte nicht ausgereicht, um seinen Herzensbruder aus den Mauern zu befreien, hinter denen er die eigene Seele verbarrikadierte: Seine selbstgewählte Strafe für die Ungeheuerlichkeit, das Verbrechen, mit dem er sie alle dem Untergang geweiht hatte. Ohnmächtig hatte er zusehen müssen, wie das Feuer in den Augen des Freundes erlosch und seine Gabe erstarrte wie Lava nach einem Vulkanausbruch.

Erst viel später war es ihm gelungen, einen winzigen Funken in die verkümmerte Seele zu säen. Jahrelang hatte er ihn behutsam geschürt, froh über das Aufflackern jedes zögerlichen Flämmleins. Bis zu jener Nacht, als die kalte Dunkelheit des Fürsten über ihm zusammengeschlagen war; eine schäumende Woge der Wut.

Leonardo war darin untergegangen, doch seine Glut war nicht erloschen. Sie glomm in seinen Worten. Er spürte die Wärme der Tinte durch das Hemd auf seiner Haut. Wie er sich danach sehnte, das goldene Feuer wieder auflodern zu sehen!

Der alte Barlo atmete durch, sog den Nebel so tief ein, als wolle er eins mit ihm werden. Es war Zeit. Zeit, seinem Freund den letzten Wunsch zu erfüllen: den Brief zu überbringen. Den Zunder, der die Gabe entfachen würde.
Zeit, die Erbin Leonardos an das zu erinnern, was die Welt vergessen hatte.

6 „Gefällt mir“

Ein völlig neuer Text und eine Verbesserung um Lichtjahre, so gefällt es mir ganz ausgezeichnet. Es wird auf eine sehr persönliche Weise viel Stimmung vermittelt, dazu klingen erste Handlungs-, Konflikt- und Spannungselemente bereits an und werfen ihre Schatten voraus. Passt!
Das wäre ein Anfang, der mich sofort gefangen hätte und zum Weiterlesen animieren würde.

Übrigens, Kritik muss man nicht in allen Punkten nachvollziehen können, das verlangt kein Mensch (und du wirst es auch niemals allen recht machen können). Wenn allerdings ein Punkt von verschiedenen Leuten angesprochen wird, ist es meistens einen Blick wert.
Ansonsten nimm das an, was dich weiterbringt und ignorier den Rest, Kritik ist ja auch ein Indikator, wie unterschiedlich eine Sache bei unterschiedlichen Leuten ankommt.
Ich bin da oft total verblüfft und denke mir, aha, so kann mans also auch sehen, wäre ich nie drauf gekommen.

Ein paar Kleinigkeiten sind mir aufgefallen:

Der Satz funktioniert so noch nicht so richtig und liest sich holprig, ich würde ‘… eines einzigen Mannes hin’ schreiben, und am Ende vielleicht etwas wie ‘… im ganzen Reich in Vergessenheit geraten war.’

Das ist jetzt sicher Geschmackssache, aber diese Partizip - Präsens - Konstruktionen mit ‘etwas machend’, die man immer häufiger liest, finde ich im Deutschen einfach suboptimal. Das klingt für mich immer ein bisschen so, als würde die Englische Continuous-Form 1:1 ins Deutsche übernommen.

Statt ‘zu diesem’ würde ich ‘zum heutigen’ sagen.

Plusquamperfekt: verbarrikadiert hatte

Hier auch: … des Freundes erloschen und seine Gabe erstarrt war …

3 „Gefällt mir“

Bei dieser Fügung, liebe Yoro, bin ich ein wenig im Zweifel, ob sie die Intention der Autorin trifft: Ich habe ihre Variante **so **verstanden, daß da Zwang im Spiele war. Deine Wendung, die sprachlich sicher ansprechend ist, erweckt ein wenig andere Assoziationen (bei mir).

Ansonsten stimme ich zu.

Gruß von Palinurus

2 „Gefällt mir“

Lieber Palinurus, da könntest du recht haben, es ist ein kleiner aber feiner Unterschied. Wobei das ‘auf Befehl hin’ für mich bereits einen Zwang impliziert.
Liebe Buchling, such dir einfach die Fassung aus, die es am besten trifft.

2 „Gefällt mir“

Dankeschön, das freut mich sehr!

Die Kritik hat mich ja erst zum Schreiben des neuen Einstiegs gebracht, von daher bin ich sehr froh über sie, auch wenn es mir am Anfang schwerfiel, sie anzunehmen. Aber ohne die Kritik wäre die neue Szene nicht entstanden, insofern hat sie genau das bewirkt, was Kritik tun sollte: eine Verbesserung. So schön Lob ist - weiter bringt einen im Schreiben halt die Kritik, die wehtut. Denn wenn sie das tut, war sie entweder verletzend (was sie hier ja nicht ist), oder sie trifft etwas auf den Punkt, das man nicht wahrhaben möchte.
Aus Kritik das rauszuziehen, das einen selber weiterbringt, scheint mir fast eine eigene Kunst zu sein - eine, in der ich noch am Anfang stehe, also bitte alle fleißig weiter kritisieren :slight_smile:

Das “hin” fehlt, da hast Du recht.
Was das “ein ganzes Reich vergessen hatte”, ist es so, wie @Palinurus es verstanden hat: Es geht um Zwang und die grammatikalische Wiederaufnahme des Zwanges, von daher werde ich wahrscheinlich bei meiner Version bleiben. Was ich aber gern verstehen möchte: Was an dem Satz holpert denn für Dich? Ist es die Stelle “eines einzigen Mannes ein ganzes Reich”, evtl. aufgrund ihres Parallelismus’ (würde “eines einzigen Mannes das ganze Reich” das Problem entschärfen?), oder eine andere Stelle? Ich schraube gern noch einmal daran!

Du hast wahrscheinlich recht: Ich lese viel, viel mehr auf Englisch als auf Deutsch, weil ich am liebsten in der Originalsprache lese; das bedeutet, alles, was auf Englisch geschrieben wurde, lese ich auch auf Englisch - und das sind die meisten Bücher in meinem Regal…
Hätte ich den Satz aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt, hätte ich mich wahrscheinlich für etwas entschieden wie “Er ließ seine Finger tastend über … gleiten” entschieden. Problem: Ich möchte natürlich nicht jeden Satz schreiben mit einer Konstruktion aus Subjekt und, ich weiß nicht, ob es diesen Ausdruck im Deutschen gibt, aber auf Englisch heißt das “intensifying adverb”. Letzteres allein ermöglich mir, zumindest das Subjekt wegzulassen. Ich finde das “ertastend” allein aber gar nicht so störend; ich glaube, es ist hier eher die recht kurzfristige Aufeinanderfolge von zweien dieser intensifying adverbs, die stört; “sich in den Nebel hüllend” klingt in der Tat nicht elegant. Wie wäre es mit “in den Nebel gehüllt wie in einen Umhang”? Dann würde die Sätze komplett lauten:
“Nicht so die knorrige Gestalt, die geduckt durch die Nacht schlich, in den Nebel gehüllt wie in einen Umhang. Einen Weg ertastend, der in der milchigen Brühe kaum auszumachen war, glitten gichtgekrümmte Finger die Wände der Häuser entlang, über grob behauene Steine und wurmstichige Holzbohlen.”
Die Variante mit “ließ” möchte ich auch vermeiden, weil darunter schon zweimal ließ auftaucht. Und weil der erste Satz mit dem Nebel endet, möchte ich den zweiten mit dem Weg beginnen und nicht mit den Fingern - womit das intensifying adverb hier die einzige Lösung ist, die mir momentan in den Sinn kommt. Ich schaue, ob mir noch eine Alternative einfällt.
[EDIT: Ein Subjekt hat der Satz natürlich schon - ich meinte eher: Ich möchte nicht in jedem Satz “er”, “der Mann” etc. als Subjekt haben.]

Liebe @Yoro , vielen Dank für Dein Feedback! Und gerne auch raus mit Kritik; wie gesagt, ich muß lernen - und sie macht mich besser.

6 „Gefällt mir“

Brackwasser. Geht letztlich den Weg, den schon so viele Wörter vor ihm gegangen sind. Brackwasser ist eine Mischung von Salz- und Süßwasser. Brackwasser ist nicht dreckig, nicht trüb, nicht eklig. Aber jeder, der heute ein Buch schreibt, meint, Brackwasser wäre die trübe Brühe, die in Hafenbecken und Kanälen zu finden ist. In Venedig, ja dort findet man Brackwasser in der Stadt, denn sie steht im Meer. Falls Morena nicht an einem Meer mit nennenswerten Gezeiten (also nicht am Mittelmeer) liegt, ist es extrem unwahrscheinlich, dass Brackwasser in den Kanälen schwappt. Im Hamburger Hafen, dort findet man auch Brackwasser, da der Tidenhub dort vier bis fünf Meter beträgt.
Das ist keine Kritik am Text! Oder an dir. Es ist nur eine Bemerkung über die Vergänglichkeit der Bedeutung von Wörtern. Denn was ist, wenn 99% aller Deutschsprecher ein Wort anders benutzen, als es die Bedeutung eigentlich vorsieht? Dann nämlich hat das Wort einen Bedeutungswandel durchgemacht. Das kann man gut finden oder Kacke, es ist einfach so, unwideruflich. Die ganze Ostsee ist ein Meer voller Brackwasser, je nördlicher man kommt, desto mehr Süßwasser enthält sie. Oberhalb von Vaasa in Finnland und Örnsköldvik in Schweden hat mein Hund das Wasser der Ostsee sogar getrunken, na ja, gesoffen. Dort gibt es Fische, die nur dort leben, weil es ein Brackwassermeer ist.
Wenn du es also verwendest (das Wort, nicht das Wasser), dann musst du dich entscheiden. Willst du gut **und **akkurat schreiben, oder reicht dir gut? Und ist der Bedeutungswandel wirklich schon unwideruflich, oder ist das Brackwasser noch zu retten? Und wie nennen wir in Zukunft eine Mischung von Süß- und Salzwasser, wenn das Wort *Brackwasser *die Bezeichnung für trübe Brühe im Hafenbecken benutzt wird?

7 „Gefällt mir“

Es ist das ‘… ein ganzes Reich vergessen hatte.’
Das kam bei mir beim ersten lesen so rüber, als wäre ‘das Reich’ eine Wesenheit, die ganz aktiv etwas vergessen kann.

Ja, so gefällts mir viel besser.

1 „Gefällt mir“

Uh, da packst Du mich an meiner Sprachpuristenseele! Ich schreibe auch nicht „in 2020“ (das ist Englisch), sondern „2020“ oder „im Jahr 2020“; ich schreibe „mehr als ein Dutzend“ und nicht „über“ (das ist räumlich) - dann dürfte ich wohl auch nicht von Brackwasser schreiben, wenn ich nur dreckiges Wasser meine. Bildungslücke.
Leider finde ich kein geeignetes Wort, das gut und akkurat wäre, jedenfalls nicht adhoc. Brackig, das hat etwas Lautmalerisches, genau den Klang, den ich suche. Dreckig funktioniert vom Klang her ähnlich, löst aber kein Bild in meinem Kopf aus (brackig schon, wenn auch, wie ich jetzt weiß, das falsche). Falls Du also eine gute und akkurate Alternative hast - her damit!

Ah, ja, Personifizierungen - viele können sie nicht leiden, auch unter Journalisten sind sie verpönt; ich mag sie. Und nutze sie. Oft und gerne :kissing:

Wie wär’s mit “modrig”?

1 „Gefällt mir“

Vom Bildgehalt her: top. Nur bezieht sich modrig auf einen Geruch (das kann ich bestimmt noch einmal an anderer Stelle gebrauchen, danke!), aber hier geht es mir um die Optik und die Zusammensetzung: Es geht um dreckiges, trübes Wasser, in dem Schlieren treiben und kleine Häufchen undefinierbaren Unrats. Und das Ganze in einem Wort. :confused:

Liebe Buchling,

mich hat die Information zu 'Brackwasser" von @DuaneHanson genauso kalt erwischt wie dich! Da wirds beim Durchsehen des einen oder anderen Textes Korrektur geben müssen. Danke, lieber Duane!

Der inkriminierte Satz (oben zitiert) gefällt mir (persönlich) allerdings so ganz eh noch nicht. Zum einen, weil – rein rhythmisch betrachtet nach meinem Gefühl – ‘brackig’ so optimal gar nicht ist; zum anderen auch, weil ‘seinen’ streng genommen auch nicht richtig ist: Will sagen: Die Wasser (ob Schlamms oder Schaums) vermögen zwar Unrat zu verbergen – doch gewissenhaft betrachtet nicht “ihren” (Bei Sg. ‘seinen’)! Wasser “hat” nämlich per definitionem keinen Unrat! Deshalb wäre das ‘seinen’ eigentlich zu streichen.

Eine andere Überlgung betrifft das ‘brackig’: Warum soll das Wasser eigentlich nicht ‘schlammig’ sein?

Bsp. (1): Schwaden voller Schlamm waberten (schäumend) über das Wasser und verbargen Unrat unter einer weißlich-grauen Schicht.

‘schäumend’ ist geklammert, ums wegzulassen, falls es zu viel erscheint.

Ich habe so eine Art “alternierende” Alliteration erzeugt (ich steh’ sehr auf Alliterationen) und dann auch noch einen ‘Sch’-Abschluß rangesetzt, so daß Anfang und Ende wie die (Pseudo-)Alliteration klingen.
Da mir ‘verbargen’ auch noch nicht optimal scheint, noch ein zweiter, das Ganze “extremisierenden” Vorschlag in zwei Varianten, wobei mir die zweite am meisten zusagt:

Bsp. (2): Schwaden voller Schlamm waberten (schäumend) über die Wasser und bildeten weißlich-graue Schichten, die Unrat mit sich schleppten.

Bsp. (3): Schwaden voller Schlamm waberten (schäumend) übers Wasser und bildeten weißlich-graue Schlieren, die Unrat mit sich schleppten.

Noch eine letzte Variante:

Bsp. (4): Schwaden voller Schlamm waberten (schäumend) übers Wasser, neben weißlich-grauen Schlieren, die Unrat mit sich schleppten.

Kann man natürlich auch anders variieren.

Gruß von Palinurus

1 „Gefällt mir“

Das Problem ist, dass sich das dreckige Hafenwasser mit den Ölschlieren als Brackwasser im Kopf festgesetzt hat. Der Vater sagte es der Tochter, dem Sohn, erklärt es schon falsch (das Wasser ist brackig) und das kriegt man kaum aus dem eigenen Kopf wieder raus. Manche Erklärungen sollten Eltern besser lassen, aber wie soll man es vorher wissen, dass man etwas falsch erklärt? Ein Dilemma, denn nun scheint dir **das **Wort am besten. Aber es wird einige Leser geben, die dich zwar verstehen, sich aber ihren Teil denken. So wie ich. Genau so, wie das be… Journalistenp*ck die Springflut versaut hat. Ich hasse sie fast alle. :thumbsdown:

Auf die Schnelle habe ich leider kein Wort für dich.

3 „Gefällt mir“

Oha, in einem Wort bekomme ich das nicht hin. Vielleicht wäre folgender Vorschlag geeignet (extra für Dich mit Personifizierung!:D):

Über das trübe/schlammige Wasser, müde und erschöpft von den Ausscheidungen der Stadt, waberten weißlich-graue Schwaden und verbargen gnädig Schlieren und Schlick.

2 „Gefällt mir“

Hier würde ich „Brühe“ ersetzen und es für die Beschreibung des stehenden Wassers benutzen.

2 „Gefällt mir“

Die Beobachtungen von @DuaneHanson zum Thema Brackwasser sind sehr bedenkenswert. Auch der Hinweis auf den Bedeutungswandel im Allgmeinen. Allerdings, was ist – im Allgemeinen und im hier gemeinten Falle – die „eigentlich vorgesehene Bedeutung“?

Abgehoben wird auf einen sachlichen, hydrologischen Aspekt der Bedeutung: „Mischung aus Süß- und Salzwasser“. Schön und gut. Das „eigentliche“ Motiv des Wortes, von seiner Herkunft her, scheint jedoch ein anthropologisch-funktionaler Aspekt zu sein, nämlich dass das Wasser aufgrund seiner salzhaltigen Beschaffenheit schlecht, weil unbrauchbar zum Trinken ist (vgl. das verwandte Wort „Wrack“).
Oft mag solches Wasser dann auch in der (durchaus empirischen) Wahrnehmung trübe und faulig (riechend) sein und es ist dann kein Zufall und nicht verwunderlich, wenn diese Aspekte, ggf. auch nur als Konnotationen, Eingang in die Bedeutung finden. Die erstgenannte Definition mag dann als sachliche Begründung richtig sein und Hydrologen mögen Brackwasser so definieren wie Chemiker Wasser als H2O – und es ist gut, diese Bedeutungen zu kennen –, aber es geht eben um mehr …

Empfohlener Link (auch zu sonstigen lexikalischen Fragen, alternativ zum Duden):www.DWDS.de, hier s.v. „brackig“ und „Brackwasser“: Bedeutung, Etymologie, Typische Verbindungen, Verwendungsbeispiele)

Insofern ist die Verwendung seitens @Buchling möglicherweise gar nicht so „unakkurat“. (Falls sich nicht doch noch eine kreative Alternative findet. ;))

3 „Gefällt mir“

Sehr gute Ergänzung, lieber @Waldfried !

Ich habe jetzt mal noch „den Grimm“ konsultiert (Zitat):

  1. Brack:

brack, n. rejiculum, ausschusz, was als untauglich in seiner art von dem guten ausgeschossen, abgesondert, ausgebrackt wird (1, 834): ‚es ist nur brack‘, ausschusz, von vieh, waaren und jeder sache, s. [DWB brackschaf[/URL], DWB brackvieh, das im herbste verkauft oder verschlachtet wird. den kürschnern heiszt die geringere waare brack; nach Frisch 1, 124b auch die geringere asche (s. [@DuaneHanson trotzdem hochwillkommen – der Grimm bestätigt ihn ja auch --, weil ich mir unter Brackwasser bisher einfach nur „Dreckbrühe“ vorgestellt habe. Und das ist ja so nicht korrekt!

Hurra! Wir haben wieder etwas gelernt! So soll’s sein …

http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=DWB

Gruß von Palinuruswasser](http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=DWB&mode=Vernetzung&hitlist=&patternlist=&bookref=2,291,22)

2 „Gefällt mir“

Mal aus beruflicher Neugier: Woher weißt Du, daß wir das Wort versaut haben? (Ich bin stolzes Mitglied des Journalistenp*cks :D.)

Das mag nun jeder nach eigenem Gusto beurteilen.

Ich denke bei uns hier in Küstennähe versteht man unter Brackwasser ein Flusswasser, das so viel Salz enthält, dass es zum Verzehr für Mensch und Tier nicht geeignet ist. Die Weser hat an meinem Wohnort einen Tiedenhub von sechs Metern, und so fließt hier sechs Stunden die Weser ins Meer, anschließend aber sechs Stunden das Meer in die Weser. Aus den Chroniken erfahre ich (als zugereister Rheinländer), dass vor der Erfindung des Wasserhahns ein eigenes Gewerk war, das erforderliche Trinkwasser etliche Kilometer stromaufwärts zu entnehmen und her zu transportieren. Heute besorgen das meterstarke Rohre, die die Hunte unterqueren und das Wasser wie von Zauberhand über mehr als 50km hierher befördern.

Mir gefällt es, dessen eingedenk zu sein, wenn ich heutzutage köstliches Wasser dem Hahn entnehme. Es kann nach meiner Meinung nicht schaden, ein gewisses Sprachgefühl zu erhalten. @DuaneHanson sei Dank.

mfg os|<ar

3 „Gefällt mir“

Obwohl ich nicht im Journalismus tätig bin, würde mich das auch interessieren.

1 „Gefällt mir“