Personenbeschreibung eines Ich-Erzählers

Ich versuche gerade, meine Testleser glücklich zu machen. Dabei steht mir möglicherweise eine Eigenart von mir im Weg, denn ich selbst lege wenig Wert darauf, Figuren beschrieben zu bekommen. Bin da wohl eher empathisch unterwegs, erfühle deren Aussehen und will mir ohnehin sowas nicht merken. Mir ist daher offen gestanden völlig egal, ob eine Figur nun blond ist oder schwarzhaarig und welche Augenfarbe sie hat. Das klärt mein Hirn mit dem Text ganz allein :slight_smile:

Nun habe ich mich blöderweise dazu entschieden, einen Teil meiner Geschichte von einem Beteiligten erzählen zu lassen. Und der redet dann auch erst mal 81 Seiten lang, bevor jemand anders kommt.

Einige (etwa die Hälfte) meiner Testleser hätten nun gern ein paar mehr Angaben über das, was der Text sowieso preisgibt (Alter: 19, Herkunft: Südseeinsel). Eigentlich kann man als Leser – sofern man eine gewisse Grundintelligenz besitzt – einige Dinge ableiten: Schwarze Haare, Dunkle Augen, kakaofarbene Haut.

Diese eingestrickten Aussehens-Andeutungen funktionieren ja nun nicht wirklich bei einem Ich-Erzähler: „Ich fuhr mir durch die schwarzen Haare.“ oder „Ich funkelte ihn mit meinen dunklen Augen an.“ :slight_smile:

Ich bin nun am Überlegen, ob ich nicht an den Anfang (vor den Romantext) eine Beschreibung meines Helden einfüge. Hab auch ein paar nette und originelle Worte dazu, die einen ein wenig schmunzeln lassen, was bei einem unkoventionellen Vorgehen ja nicht verkehrt ist. Dadurch würde alles auch einen gewissen Reiz bekommen.

Und so geht man dann schmunzelnd in die ersten Zeilen meiner Geschichte, wo gleich mal eine Seherin zum Selbstmord aufruft und sich die Klippen hinabstürzt. Kennt man ja schon: Der Club der Pessismisten hat auch dieses Jahr seine Tagung abgesagt. Hätte eh nichts gebracht. Wie ich es auch drehe, es ist irgendwie Scheiße.

Bin ich der erste Mensch auf der Welt, der ein solches Problem hat? Was könnte ich denn tun, um den Lesern, welche auf solche unsinnigen Personenbeschreibungen stehen, irgendwie entgegenzukommen?

Ich glaub, ich kram jetzt Winnetou raus und schau, ob Old Shatterhand irgendwo seine Haarfarbe angegeben hat. Winnetou hatte er beschrieben, als ob er mit ihm poppen wollte. Aber sich selbst - kann ich mich nicht dran erinnern.

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Uffz. Andere glücklich machen, das ist so ein Ding. Meistens endet es in einer verwässerten Version, mit der man dann nicht mal selbst was anfangen kann.

Also. Der Hälfte deiner Testleser und dir reichen die Angaben offenbar.
So what?

Und für Winnetou bekommst du ein extra Herzchen von mir :heart_eyes:

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Also ich kenne es so. Das Lesepublikum will eigentlich gar nicht lesen. Sie wollen eigentlich nur das eine Argument finden, um mein Buch sofort zur Seite zu legen und Netflix zu schauen oder das nächste Buch ihres POS zu verwerfen. Ich selbst kenne niemanden von dieser Spezies, aber nach Beschreibungen – auch in diesem Forum – muss es sie geben.

Grundsätzlich wäre es ja kein Problem, für seine Hauptrolle ein paar gewünschte Worte hinzuzufügen, wenn es ein paar Leser glücklich macht. Man muss schon tun, was man selbst für richtig hält, aber kann sich ja auch auf die Leute einstellen, soweit es den Text nicht völlig verbiegt. Vielleicht hat ja jemand noch eine Idee.

ja, mit den Beschreibungen ist das immer so ne Sache. Auf gar keinen Fall würde ich eine Personenbeschreibung als Aufzählung im Sinne von Schwarze Haare und Augen, dunkelbraune Haut etc. einfügen, das schreckt wirklich ab.
Ganz ohne fehlt meistens aber auch was, nicht viel, aber so einen kleinen Schubs, wie man sich den Prota vorzustellen hat, wissen die meisten Leser zu schätzen.
Das kann man ganz toll in die Handlung einbauen, in deinem Fall würde ich es auch mit etwas Humor aufziehen.
Vielleicht hätte dein Held furchtbar gerne ein Tattoo, was man auf der dunklen Haut aber leider nicht sieht. Oder er überlegt sich, ob platinblonde Haare zu seinem Teint passen würden. Angeblich stehen da die Mädels drauf, aber so eine tiefschwarze Mähne zu bleichen, geht beim besten Willen nicht mehr als umweltverträglich durch.
Halt irgendwie sowas, dass man darüber schmunzeln kann; es muss auch nicht alles auf einmal beschrieben werden, immer mal ein Häppchen macht sich da sehr gut und stört auch nicht.
Die Sache mit der Jahrestagung des Pessimistenclubs gefällt mir soweit schon ausnehmend gut, da sollte die Beschreibung dann auch dazu passen. (Und ich würds gerne lesen wollen :)) )

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Da bin ich wohl missverstanden worden :slight_smile:

Wir sind bei High Fantasy. Ich schreibe zwar generell mit einem Augenzwinkern. Was ich aber aussagen wollte: Gerade am Anfang ist der Text sehr ernst. Da mit einem Augenzwinkern reinzugehen, würde diesem Knall vor den Kopf entgegenwirken.

Muss mal sehen, ob ich was dazu schreiben kann, worauf die Mädels stehen (es kommt zu Beginn ein Dialog zwischen zwei Männern). Aber eigentlich passt es nicht. Dieser junge Typ ist ein wenig nativ, unerfahren und wird von ein paar Leuten angeheuert, die damit die Welt ins Chaos stürzen.

Vielleicht stelle ich den Text die Tage einfach mal als Leseprobe ein.

Sind deine Testleser denn mit der Ich-Perspektive glücklich? Oder fänden sie eine andere Erzählperspektive besser?

Offen gestanden bin ich mir der Ich-Perspektive glücklich. Die Geschichte hat auch bereits 1.600 Seiten. Die Frage, das zu ändern, stellt sich daher nicht. Später kommt ein Erzähler dazu, der andere Handlungslinien bedient. Dieses Vorgehen ist ein wenig unkonventionell, war aber niemals Gegenstand von Kritik.

Oh, ich fühle mit dir! Ich tu mich schon schwer, auch ohne Ich-Perspektive meine Hauptfiguren zu beschreiben, weil ich das genau wie du eher langweilig finde (es sei denn, es ist für die Handlung relevant).
Die Tipps von @Yoro finde ich gut, etwa in die Richtung würde ich es auch versuchen. Vielleicht über Vergleiche arbeiten. Also, dass die Hauptfigur sich mit anderen, anders aussehenden Menschen vergleicht und man darüber eher so hintenrum etwas über sie erfährt.
Bei weiblichen Figuren habe ich das schon öfter in Liebesromanen gesehen, da wird sich dann mit der besten Freundin verglichen und über die eigenen langweiligen glatten Haare geseufzt, während die Freundin doch soooo tolle Locken hat etc. pp.
Bestimmt geht sowas auch in abgewandelter Form für einen männlichen Charakter im High Fantasy Genre! :upside_down_face:

Wenn es für die Handlung relevant ist, dann ist es ja auch in die Handlung eingebaut. :slight_smile:

Just vor wenigen Minuten ist eine Idee dazu mitten in meinem Kopf entstanden.

Sein bisheriger Auftraggeber wird mitbekommen haben, dass mein Held beobachtet wurde. Und er wird sich Sorgen gemacht haben, ob dieser Beobachter unlautere Motive hatte. Beim Talk darüber, was einige der hohen Herren so für Vorlieben an süßen Jungs haben, kann ich dann was zum Aussehen einstreuen.

Du meinst Frauen?

igitt :slight_smile:

Das erinnert mich an meine Freundin von 1991/92 :slight_smile:

Aber Spaß beiseite. Ich stelle halt tatsächlich fest, dass einige Leser sich sehr für Beschreibungen interessieren und andere (wie ich) weniger. Das betrifft auch Landschaften.

Eigentlich habe ich beschlossen, mich da drüberzustellen und mein Ding zu machen. Aber beim Hauptcharakter, der die Hälfte der Geschichte aus seiner Perspektive erzählt, verstehe ich den Wunsch ein wenig.

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ICH LIEBE EUCH!
EUCH ALLE!
DANKE!
VIELEN DANK!

Ganz besonders dir, @Yoro – dein Vorschlag war zwar nicht ganz das richtige Thema. Aber er hat mich auf die richtige Spur gebracht.

Kein Testleser dieser Welt wird mich je wieder fragen, welche Haarfarbe mein Held hat. Fred Feuerstein würde jetzt Japadapadu rufen. Und Winnetou sicher auch.

Hier ist für alle Neugierigen der aktuelle Entwurf für den Anfang. Damit kann ich zumindest mal arbeiten.

MOOYAN.pdf (215,6 KB)

ooops, na, dann bin ich ja froh, wenn ich schon so daneben liege, dass doch noch was Brauchbares bei rausgekommen ist :slight_smile:

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Hi, tomP!

Man munkelt…, aber Du solltest erst mal lesen, wie Karl May das Pferd von Old Shatterhand beschreibt, sehr doppeldeutig.
Ein altes Problem: Die Personenbeschreibung. Viele wollen es ganz genau wissen, obwohl man ja nicht nach dem Äußeren gehen soll :smiley:. Aber bitte. In meiner Nr. 5 - ist noch in Arbeit - hat mein Held, der fiese Hund, Unterlagen über fast alle Protas, vom Aussehen über politischer Gesinnung bis zu den Kontoauszügen. Das gehört zur Story, ist für Dich jedoch eher keine Lösung.
In Nr. 6 - das dauert noch - betrachtet sich einer meiner Helden im Spiegelbild eines Schaufensters. Und neben einer kurzen, bitteren Bestandsaufnahme seines vergeigten Lebens, gibt es auch Infos über seinen Körper. So in der Art: „Er wußte, er sollte eigentlich mal dringend 30 kg abnehmen und ein Friseurbesuch könnte auch nicht schaden.“
Zum Beispiel.

Ich hab sogar vor ein paar Jahren nochmal Winnetou IV gelesen, was mir vorkam, wie fünf Liter übelst bitteren Hustensaft auszulöffeln.

Das sind wieder Angaben, die ich verstehe und die auch für die Geschichte Sinn ergeben können. Und wenn jemand nachdenklich ist, kann er ja auch über seinen Körper nachdenken.

Ich verstehe halt nicht, was so banale Angaben wie Haar- oder Augenfarbe bewirken sollen. Die nächste Frage wäre doch: Trägt er einen Bart, wenn ja, welchen, wie lang sind seine Haare, sind sie dick oder dünn. Sind sie fettig, riecht er nach Schweiß (wir sind in einer mittelalterlichen Welt), Hat er Haare aus den Ohren wachsen, welche Form hat seine Nase, wie voll sind seine Lippen, hat er ein markantes Kinn, welche Stimmlage hat er, wie sind seine Zähne.

Mir leuchtet einfach nicht ein, warum die Leute zwei, drei Angaben haben wollen, obwohl damit doch eigentlich gar nichts beschrieben ist. Mit seiner Kleidung hab ich nicht mal angefangen.

Aber gut, wir haben jetzt eine Lösung, mit der ich leben kann.

Ich kenne das Problem gut. Mein Lektor beschwert sich immer, wenn sich meine Ich-Charaktere im Spiegel betrachten. Das sei ihm zu einfallslos. Jetzt warte ich gespannt auf weitere gute Ideen, wie der von Yoro. Denn momentan liebe ich das Schreiben aus der Ich-Perspektive.
Ein wenig leichter ist es, wenn sich mehrere Ich-Charaktere abwechseln und sich gegenseitig beschreiben.
Beim Lesen möchte ich schon auch immer, zumindestens grob, wissen, wie die Figur aussieht. Mein Hirn malt ja ständig einen Film im Kopf zur Geschichte. Oder bin ich nur ein ausgesprochen visueller Typ?

Also ich hab nur einen Ich-Erzähler und empfinde das an manchen Stellen schon als Herausforderung. Andererseits lässt die die Planlosigkeit meiner Hauptrolle sehr schön über deren Ich-Berichte aufzeigen :slight_smile:

Und zum Thema Film im Kopf kann ich auch was beitragen. Ich habe eine aufsässige Prinzessin in meiner Geschichte, die für mich als Autor natürlich blond ist. Es ist die einzige blonde Frau in der Story. Für mich als Leser ist sie aber schwarzhaarig. Ich zucke jedesmal zusammen, wenn ich dann an eine Stelle komme, wo sie storybedingt als blond beschrieben wird.

Ich habe mich also damit abgefunden: Meine Prinzessin ist blond, aber in meinem persönlichen Kopfkino ist sie eben schwarzhaarig, bis auf die beiden Stellen, wo sie blond sein muss.

Muss ich das verstehen? Bin übrigens nicht blond.

Warum „natürlich“? Meine hatte dunkelbraune Haare und tiefdunkle, fast schwarze Augen. :slight_smile:

Das war keine Anspielung auf dich. Was ich ausdrücken wollte, war:

Selbst in Texten von mir selbst, weicht das von meinem Kopf (automatisch) erzeugte Bild der Figuren von dem ab, was ich ja eigentlich selbst geplant habe. Wir waren beim Thema, dass sich das Bild einer Figur bei mir eher anhand von Charakterzügen bildet, als anhand einer Personenbeschreibung.

Ja, in etwa so sieht meine auch für mich aus – in meiner Fantasie, nur eben nicht, wenn man streng nach dem Text geht :slight_smile:

Das mit dem „natürlich“ war ein wenig Selbstironie.

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Hi Tom, ich würde es so sehen: Wenn deine Testleser sonst nichts zu kritisieren haben … dann passt es doch. Ich würde sogar Abstand davon nehmen, die Figur zu sehr zu beschreiben (solange es nicht unbedingt notwendig ist). Ein wenig Vorstellungskraft sollte beim Lesen eines Buches als Kompetenz vorhanden sein :wink: Zudem bleibt mehr Raum für den Rest der Leserschaft, sich die Figur so vorzustellen, wie sie es für sich mögen (=besser Identifikation mit dieser Figur). Liebe Grüße Rudi

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Ich habe bei mir festgestellt, dass ich bei Feedbacks eine Woche warten muss, bis ich dem automatischen Drang, Kritik wegzudiskutieren wiederstehen kann.

Für mich werden diese Lesenden immer ein Mysterium bleiben. Ich bin ein hoffnungsloser Kreativling und mein Kopf denkt viel zu chaotisch, um zu viele Informationen in einem Roman verarbeiten zu wollen.

Ich habe inzwischen verstanden, dass ich es bei Lesern (im Gegensatz zu Netflix-Guckern) mit strukturierteren Personen zu tun habe. Die erleben sowas wie den Lesefluss (ich weiß bis heute nicht, was das ist) und mögen 30-Seiten-Kapitel, während ich Luft im Text brauche.

Ohne mich jetzt darüber lustig zu machen, muss ich mich darauf einstellen, dass der Kopf eines strukturierteren Lesers nicht ständig alle Blätter hochwirft und im Kopf alles zu einer eigenen schlüssigen Ordnung zusammenfügt.

Viele Leser brauchen offenbar dieses (für mich völlig sinnlose) Gerüst von Haar-, Augenfarbe, Größe und Statur, um in eine Geschichte hineingenommen zu werden. Ich beschreibe auch Attribute einer Person. Aber eben vom Standard abweichende.

Ich habe gerade ein Feedback eines Bekannten erhalten, dem Landschaftsbeschreibungen fehlen. Ganz ehrlich: Bei Herr der Ringe will ich die gar nicht lesen. Außerdem liefere ich doch eine Karte mit. Was mich ausbremst, ist also für andere offenbar wichtig.

Wenn ich mir nun ein Bild machen will, muss ich berücksichtigen, dass ich am chaotischen Ende der menschlichen Charakterskala einzuordnen bin. Ich muss mich ja nicht ans andere Ende begeben. Aber soweit es mir möglich ist, ohne mich zu verbiegen, möchte ich auf mehrfach geäußerte Befindlichkeiten von Testlesern eingehen.

Und die Ausnahme mit der ausführlicheren Personenbeschreibung mache ich übrigens auch nur, weil diese Figur quasi mein Protagonist (wer hat sich nur dieses Wort ausgedacht) ist.

Das Wort Protagonist zeigt mir übrigens immer wieder auf, was mich von einem Teil meiner Leserschaft trennt. Es fügt mir körperliche Schmerzen zu. :slight_smile:

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