Das ist genau das, worauf ich persönlich Wert lege. Ich bin kritikfähig, lasse mich aber nicht verbiegen. Bei meinem letzten Roman meinten einige Leser ebenfalls, dass Beschreibungen des Umfeldes fehlen. Ich habe das jedoch absichtlich offen gelassen. So bleibt für den Leser mehr Freiraum. Manche mögen genau diesen Freiraum nicht. Da muss man dann abwägen, was einem als Autor wichtiger ist: Die Meinung einzelner, mglw. aller Leser oder das persönliche Empfinden.
„Lesefluss“ - Stephen King hat das einmal als „Loch im Papier“ bezeichnet, durch das Autor und Leser fallen und die Geschichte jenseits von dieser Aneinanderreihung von Buchstaben im Kopf des Lesers entstehen lassen. Wenn du die Aufforderung „Bringst du noch schnell den Müll raus?“ mit einem automatisch-geistesabwesenden „Ja, gleich“ beantwortest und weiterliest oder wenn du nachts um halb zwei noch unbedingt wissen willst wie es weitergeht und nur noch „ganz schnell dieses eine Kapitel“ lesen musst und es am Ende dann doch fünf Uhr ist, dann bist du im Lesefluss. Das Blöde ist nur, es gibt keine festen Parameter, die bei jedem funktionieren. Das Gute ist, dass das das Gehirn in der Lage ist, gewisse störende Dinge einfach auszublenden, ohne dass es auffällt. Beispielsweise fällt den meisten Lesern des letzten Satzes das doppelte „das“ nicht auf
Die meisten scheinen aber einige eindeutige Regieanweisungen zu bevorzugen, um den sie ihren eigenen Film entstehen lassen. Daher verstehe ich deinen Bekannten, der sich mehr Landschaftsbeschreibungen wünscht. Wenn deine Abenteurer auf ihrer Reise einfach nur durch den Wald, einen Sumpf, eine Wüste kommen, ist das langweilig. Rege meine Sinne an, was hört man da, ist es kalt, stinkt es, wie wirkt die Umgebung auf den Protagonisten - kurz, was macht diesen einen Wald zu deinem Wald. Die Landkarte ist dafür kein Ersatz, denn sie ist ebenfalls nur eine abstrakte Repräsentation und lässt mich die Landschaft nicht spüren.
Wenn du etwas von Dschungel schreibst, entsteht ohne weitere Informationen vor meinem geistigen Auge der 08/15 Dschungel aus den alten Tarzan-Filmen, schwarz-weiß und mit vielen Lianen. Dieses Bild muss der Autor ändern und mit Details anreichern. Das muss nicht zwangsläufig in seitenlangen, maximal detaillierten Beschreibungen ausarten, aber es muss genug sein, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Und das auszubalancieren ist eben die Kunst. Gleichfalls wird man es nie allen recht machen können, damit muss man leben.
Ja, das ist wohl so. Und ich scheine ein empathischer Mensch zu sein. Ich schreibe sehr dialoglastig. Offenbar ziehe ich aus Dialogen das, was andere aus Beschreibungen herauslesen möchten.
Siehst du, und ich hatte bei Herr der Ringe immer die Landkarte danebenliegen. Du glaubst gar nicht, was ich alles aus dieser schlecht gezeichneten Skizze herausgespürt habe
Ich kann den Wunsch der Tester verstehen. Kannst Du dem nicht durch die Handlung und Dialoge entsprechen?
Zum Beispiel:
Ich betrat das Wirtshaus. Der Wirt zog die Nase kraus. „Dunkelbraun ist hier nur Farbe meines Rums, nicht die Haut meiner Gäste. Raus, aber sofort, bevor ich deine Mädchenfrisur in Form bringe!“ Der Wirt kramte unter seinem Tresen eine Machete hervor.
Nicht druckreif, aber Du verstehst ganz sicher, was ich meine.
Ich habs doch schon vor ner knappen Woche so gelöst.
Ach, sorry, aber umso besser!
Ich habe eine Vermutung, woran diese Diskrepanz liegen könnte, was den Wunsch nach Beschreibung angeht:
Wir sind ja hier alle Autoren. Das heißt, die meisten von uns sind per se kreativ. Jemand sagt: „Kiste in einem dunklen Zimmer mit einem Äffchen drauf“ und wir haben sofort ein Bild vor Augen, eine Stimmung, eine gruselige Zirkusmusik, vielleicht sogar eine Idee. Das ist eine Eigenschaft, die, wie ich glaube, vielen anderen Menschen nicht unbedingt gegeben ist.
Diese bildliche Vorstellungskraft fehlt manchen Menschen sogar komplett. (Nennt sich dann Aphantasie, glaube ich.)
Der Autor mag über die Fähigkeit verfügen, sofort konkrete Bilder im Hirn zu haben, ohne dafür auch nur den Hauch einer Beschreibung zu brauchen. Aber viele andere haben das eben nicht. Die brauchen Beschreibungen, damit es für sie bildhaft wird.
Ich denke, da lässt sich ein guter Mittelweg finden. Beschreibungen können ja teilweise in einem Satz, mit zwei oder drei verstreuten Adjektiven eingefügt werden, ohne dass es einen sofort erschlägt.
Witzigerweise habe ich übrigens, obwohl ich das Buch wirklich oft gelesen habe, kaum Erinnerungen an die Landschaftsbeschreibungen im Herrn der Ringe. Anscheinend habe ich die beim erstmaligen Lesen einfach so mitgenommen für die Vibes und die Vorstellung, und später immer ausgeblendet.