Hallöchen zusammen,
ich bin ganz neu hier und habe schon mit Interesse einiges gelesen. Besonders gefällt mir, dass man hier Leseproben der eigenen Werke teilen kann – und noch mehr, wie respektvoll der Umgangston ist. Genau das war der Grund, warum ich mich angemeldet habe.
Ich stehe noch ganz am Anfang meines Schreibens und arbeite gerade an einem Fantasy-Roman. Gerne möchte ich eine Leseprobe einstellen und freue mich auf eure Meinungen sowie auf konstruktive Kritik.
Habt einen schönen Tag!
Hier kommt mein Text:
Prolog
Unsere Welt besteht aus Worten. Ohne sie zerfällt
alles.
Es ist ein Geheimnis, das niemand kennt – außer jenen,
die in den Schatten der Bibliothek der Welten wachen.
Madleen Mayer beugte sich über ihren Laptop. Ihre
Finger flogen über die Tasten, suchten nach dem letzten
Satz, als könnte er ihr entgleiten, wenn sie innehielte.
Ein Glas Wein stand halb geleert neben ihr, das Display
war das einzige Licht im Zimmer.
Noch ein Wort. Noch ein Atemzug. Dann setzte sie
den Punkt.
ENDE.
Sie lehnte sich zurück, lächelte müde, zufrieden. Ein
Stück ihres Herzens, eingefangen in Sprache. Sie klappte
den Laptop zu, hob das Glas und blickte hinaus in die
Nacht.
Draußen war alles still – doch in einer anderen Welt
begann gerade ein neues Buch zu atmen.
In den endlosen Gängen einer uralten Bibliothek
flackerte ein Licht, als ob eine unsichtbare Glocke
geschlagen worden wäre. Regale bebten sacht, tausende
Buchrücken glühten kurz auf, als hätten sie den Atem
angehalten. Aus der Ferne klang das Wispern von
Stimmen, die erwachten, aber noch nicht ganz bei
Bewusstsein waren.
1Ein Wächter hob den Kopf. Klein, gedrungen,
unscheinbar – und doch uralt. Niemand in der
Menschenwelt wusste um ihn. Doch er spürte es, wie
jeder Wächter es spürte, wenn ein neues Werk in die
Hallen trat.
Seine Lippen bewegten sich, kaum mehr als ein
Hauch, und dennoch vibrierte die Halle mit jedem Wort:
„Es ist fertig.“
Und irgendwo, nur ein paar Korridore weiter, öffnete
sich zum ersten Mal die Tür für jemanden, der in diese
Welt eintreten sollte.
Kapitel 1
Eine uralte Bibliothek.Die Regale zogen sich in die
Ewigkeit, schmal wie Linien, hoch wie Berge.
Bücher stapelten sich zu Türmen, die so weit in den
Dunst ragten, dass ihr Ende nicht mehr zu erkennen war.
Manche lehnten sich gefährlich zur Seite, als könnten sie
jeden Moment kippen – und doch hielten sie, seit
Jahrhunderten, seit Jahrtausenden.
Lampen brannten in einem warmen, goldenen
Schimmer. Ihre Flammen waren keine gewöhnlichen
Lichter; sie glommen wie Erinnerungen, die sich
weigerten, zu vergehen. Staub wirbelte in ihrem Schein,
tanzte wie kleine, eigensinnige Funken, die das
Schweigen der Halle durchbrachen.
Und dieses Schweigen – es war mehr als Abwesenheit von Geräuschen.
Es war ehrfürchtig, schwer, fast
körperlich. Jeder Atemzug klang zu laut, jeder Schritt
wirkte wie eine Störung. Als hielte die Bibliothek selbst
den Atem an, um den nächsten Eintrag, das nächste
Schicksal zu erwarten.
Dann eine Stimme, heiser und alt, irgendwo zwischen
den endlosen Reihen, kaum mehr als ein Wispern:
„Hat sie es fertig?“
Eine zweite Stimme antwortete, tiefer, sachlicher, als
käme sie von einem Wächter, der seit Jahrhunderten
dieselbe Frage stellte:
„Ja. Sie hat es beendet. Endlich. Hat lange genug
gedauert.“
Ein leises Räuspern. Ein Atemzug, der sich im Staub
verlor.
„Es wird bald in die Reihe zugeordnet. Wie immer.
Heute schon das neunzigtausenddreihundertsie-
benundsechzigste Buch.“
„Und der Name?“
„Ich glaube, es heißt Krieg der Herzen.“
In diesem Moment trat Bast aus dem Schatten.
Seit über zwölf Jahrhunderten diente er als Wächter der
Bibliothek. Mit seinen 1,20 Metern war er keiner der
Größten, und sein Kopf mit der knolligen, breiten Nase
erinnerte an eine Kartoffel – doch so sahen die Wächter
nun einmal aus. Ein alter, abgetragener Frack hing an
seinem kleinen Körper, die Kanten ausgefranst, die
Knöpfe stumpf. Und doch verlieh ihm dieses
Kleidungsstück, von Generation zu Generation getragen,
einen Hauch von Würde.
Neben ihm trat Rubus hervor, sein Gefährte seit
ebenso langer Zeit. Er war kaum größer, trug den
gleichen Frack, doch seine Haltung war gebeugter, sein
Blick fahriger. Seine Lippen bewegten sich, auch wenn
er schwieg, als müsse er Worte zweimal prüfen, bevor er
sie herausließ.
„Da ist es,“ sagte Bast, seine Stimme voller leiser
Erwartung. Mit einem knochigen Finger deutete er auf
ein Regal, in dem ein schwaches, goldenes Aufleuchten
durch den Staub brach. „Krieg der Herzen. Frisch
gebunden. Bin gespannt, wie oft es gelesen wird.“
Rubus nickte hastig, seine Augen huschten über die
Reihen. „Gelesen, gelesen,“ murmelte er, als wolle er
das Wort im Raum befestigen. Seine Hände zuckten, als
müssten sie die Luft selbst festhalten.
Bast blieb unbewegt, die Hände ruhig auf dem
Rücken verschränkt. Er atmete tief ein, als wollte er den
Geruch der frischen Worte in sich aufnehmen, als könne
er so einen Teil des neuen Buches schon verstehen, noch
bevor ein Leser es aufschlug.
Die beiden standen nebeneinander wie zwei Gegensätze –
Bast die Ruhe, Rubus das Flackern – und
doch ergänzten sie sich seit Jahrhunderten, als wären sie
zwei Hälften derselben Stimme.
Die Reihen schienen endlos, jeder Band ein Leben,
jede Zeile eine Spur. Und alles war geordnet, bewahrt,
verbunden.
Bast ließ den Blick schweifen – über die Treppen,
die ins Nichts führten, über die Brücken aus Pergament,
die zwischen den Regalen hingen, über die Schatten, die
aussahen, als könnten sie jederzeit selbst zu Worten
werden.
Eine Welt aus Geschichten.
Eine Ordnung, die niemals gebrochen werden durfte.
Zogus war aufgeregt. Heute begann sein erster Tag
als Wächter der Bibliotheken – und niemand Geringerer
als Bast sollte ihn in die Geheimnisse dieses Ortes
einführen.
Sein Herz schlug schneller, je weiter er den langen
Gang entlangging. Die Mauern rechts und links wirkten,
als bestünden sie nicht aus Stein, sondern aus dichter
Schrift, die sich unablässig verschob. Jedes Mal, wenn er
blinzelte, stand ein neuer Satz dort, doch nie lang genug,
um ihn ganz zu erfassen.
Am Ende des Gangs erhob sich eine gewaltige Tür:
der Eingang zur Bibliothek der Welten.
Seine Hände glänzten feucht vor Schweiß; bei
Wächtern war dies ein seltsames, aber typisches Zeichen
der Nervosität. Zogus starrte auf die Maserung des
Holzes, die wie unzählige, ineinander verschlungene
Buchstaben wirkte. Für einen Moment fragte er sich, ob
die Tür selbst ihn musterte.
Er atmete tief, legte beide Hände an das alte Holz
und stieß sie auf.
Ein Knarren, ein Wispern in der Stille – als würden
Stimmen begrüßen, dass ein neuer Wächter eingetreten
war. Dann tat sich vor ihm ein Anblick auf, der ihm fast
den Atem raubte.
Eine Halle ohne Ende.
Regale ragten wie Berge in die Höhe, verloren sich
in Nebel und Licht. Millionen von Büchern standen dort,
jedes von ihnen pulsierte leise, als sei es lebendig.
Manche Bände schienen ihm zuzuwinken, andere hielten
sich still, als lauerten sie auf den nächsten Leser.
Goldene Lampen brannten zwischen den Gängen,
ihre Flammen unbewegt, unvergänglich. In der Ferne
hallte das leise Umblättern einer Seite, obwohl niemand
dort stand.
Zogus blieb stehen, überwältigt von der Größe und
Schönheit. Seine Knie fühlten sich weich an, als hätte
die Luft selbst ihn getroffen. Sie schmeckte nach Staub,
Tinte und etwas Unbeschreiblichem – einem Gefühl, das
tiefer ging als jeder Atemzug.
Hier bin ich also, dachte er. Hier, wo alle Geschich-
ten beginnen und enden.
Ein Tippen auf seiner Schulter riss ihn jäh aus der
Erstarrung.
„Hallo!“
Zogus fuhr herum. Vor ihm stand ein kleiner,
gedrungener Wächter in einem alten, von Motten
zerfressenen Frack, die Nase knollig, die Augen wach
und lebendig: Bast
„Bist du der Neue?“ fragte er.
Schüchtern, fast flüsternd, brachte Zogus ein
„Ja“ hervor.
„Gut.“ Bast grinste breit. „Ich bin Bast. Ich bringe
dir alles bei, was ich weiß. Komm mit.“
Sie gingen nebeneinander durch die endlosen
Reihen. Der Boden unter ihren Schritten wirkte wie
flüssige Tinte, die sofort wieder erstarrte, sobald sie den
Fuß hob. Bast zeigte mit einem Finger auf einige Bände,
die in einem sanften Gelb schimmerten.
„Siehst du die dort?“
Zogus nickte.
„Was sagst du?“ Bast beugte sich näher zu ihm.
„Ja, ich sehe sie“, antwortete Zogus leise.
„Das sind die Bücher, die gerade gelesen werden“,
erklärte Bast. „Solange jemand in der Menschenwelt die
Seiten aufschlägt, leben die Figuren genau ihre
Geschichte. Kein Atemzug weicht von dem ab, was
geschrieben steht.“
Zogus’ Blick wanderte weiter, bis er auf Bände stieß,
die in einem grünen Licht aufblinkten. „Und… die, die
dort grün leuchten?“
Bast hielt inne, musterte ihn und nickte schließlich
anerkennend. „Gut beobachtet. Das sind die Bücher, die
noch in Arbeit sind. Manche blinken schon seit
Ewigkeiten, weil sie nie zu Ende geschrieben wurden.“
Zogus runzelte die Stirn. „Und… was geschieht mit
ihnen?“
Bast legte den Kopf schief, als lausche er auf
Stimmen, die nur er hören konnte. „Das wirst du früh
genug lernen,“ sagte er schließlich und schritt weiter.
Zogus folgte ihm, den Blick immer wieder zu den
unendlichen Regalen gerichtet. Und während er neben
Bast herging, wusste er: Jeder Schritt würde ihn tiefer
hineinführen – in die Geheimnisse der Bibliothek der
Welten.