Einspruch, Euer Ehren!
Es gibt nicht einmal den leisesten Hinweis darauf, daß eine Maschine – und auch keine Turingmaschine – “sich selbst als Person, als eigenständiges Wesen wahrnehmen” könnte. Zum einen ist das logisch sowieso unmöglich (vgl. dazu, was Sartre zum präreflexiven Cogito in **L’*être et le néant *ausführt), also dahingehend, daß sich niemand, der über Bewußtsein verfügt, “selbst wahrnehmen” könnte – vielmehr ist das Selbstbewußtsein (SB) irreflexiv und hat folglich keinen Objekt-Status, sondern ist unmittelbar gegeben, sonst gäbe es kein SB, weil es einen infiniten Regreß der Selbstbegründung anheimfiele; zum anderen aber ist ein SB für Maschinen auch deshalb (nach bisherigem Wissen) unmöglich, weil der von dir beschriebene kindliche Weltzugang nur unter der conditio sine qua non funktioniert, daß eine Lebenswelt “je schon” (Habermas) aufgespannt ist und sie dem infantilen Bewußtsein (Bw) durch Sprachspiele (Wittgenstein) vorstrukturiert wird. Das Kind vermag diese Vorstrukturierung zu “echoen”, weil es dazu sowohl biologisch wie auch “geistig” prädisponiert ist, also kurz gesagt: weil es sprechen und denken lernen kann (daß es dieses Vermögen hat, steht außer Zweifel, auch wenn wir nicht wissen, wieso das möglich ist, also was genau diese Anlage ausmacht [vgl. dazu etwa die Diskussionen zwischen der Chomsky-Schule und ihren Gegnern]).
Versteht sich ein Kind als Person (dazu muß es u.a. einen regelkonformen Gebrauch von ‘ich’ machen können), liegt unabdingbar reflektierter Sprachgebrauch vor, also u.a. auch die Fähigkeit, zu gegebenen Signifikanten die dazugehörigen Signifikate hinzutreten zu lassen (vulgär ausgedrückt: Zeichengebrauch pflegen, also “etwas für etwas stehen lassen” zu können). – Wie sollte eine Maschine das machen?! Seit wann können Maschinen Zeichen (oder Symbole) gebrauchen? – Würde dieser Einlassung entgegengehalten, daß etwa ein Computer doch Zeichen emittiere, so wäre zu fragen, ob der Proponent einer solchen These überhaupt verstanden habe, was ein Zeichen ist! Denn natürlich werfen Maschinen niemals Zeichen [sic] aus, sondern erzeugen aufgrund logarithmischer Operationen Signifikantenketten, die, nach allem, was bisher dazu bekannt ist, ausschließlich für Menschen zu Zeichen werden, nämlich dann, wenn sie vor dem jeweiligen Sprachspielhintergrund, der gerade relevant ist, mit entsprechenden Signifikaten assoziiert werden! – Triviales Beispiel: Du läßt dir über diverse Operationen in einer Excel-Tabelle die Einnahmen aus deinen diesjährigen Buchverkäufen ausgeben. Jene Summe, die dabei im Ergebnisfeld erscheint (genauso wie jede Einzeleinnahme, die du darin listest), ist doch nun aber weder “für den Computer”, auf dem das Programm läuft, noch “für die Software” ein Geldbetrag, mit dem du z.B. einen Urlaub finanzieren kannst, sondern für diese Maschine und das Programm ist das rein gar nichts, weil sie nicht über (mentale) Zustände vertfügen, die eine Rede vom “für sich” in irgendeiner Weise rechtfertigen würden. Wir plappern nur so daher und lassen uns von falschem Sprachgebrauch kirre machen, was inzwischen, besonders unter unreflektierten KI-Heinis, zur Bildung von Mythologien geführt hat, die freilich bei genauerem Hinsehen keinerlei fundamentum in re haben! Einer Glühbirne, die bei Schalterumlegung Licht emittiert, spricht ja schließlich auch niemand (außer ein paar ganz Irren wie der inzwischen offenbar völlig merkbefreite Daniel Dennett) “ein Bw davon” zu, jetzt gerade (selbst) zu leuchten …
Die Welt – als u.a. sprachlich immer schon vorherlaufend ausgelegte (in diversen Lebensformen) – ermöglicht es in der Ontogenese dem Menschen, sich seiner selbst auch als Person bewußt zu werden, also auf’s je Eigene reflektieren zu können. Dazu ist es allerdings erforderlich, daß der Mensch, das jeweilige konkrete Kind, immer schon und von Anfang an (sogar bereits im Mutterleib) “mit sich selbst unreflektiert vertraut ist”, ergo unmittelbares SB hat (z.B. bei Schmerzempfindungen, wozu es keines “Wissens” – in Form von Gedanken darüber – vom Schmerz bedarf). Saul Aaron Kripke (der derzeit wohl begabteste Logiker unter der Sonne – eine lebende Legende im Bereich der* Analytischen Philosophie* und innovativer Wittgenstein-Interpret) hat bereits in den Siebzigern [sic] gezeigt, daß ‘Schmerz’ ein sog. rigid designator ist und deshalb niemals mit irgendwelchen ZNS-Zuständen identisch sein kann (wie die Hirn-Mythologien behaupten), sondern einen genuinen Bw-Zustand markiert, übrigens nicht nur bei Menschen, sondern auch bei bw-fähigen Tieren. Angesichts dessen: Wo und wie wären derlei mentale Zustände bei Maschinen instantiiert? Wenn es sie gäbe: Wieso merken wir nichts davon? – Bei den menschlichen Alter Egos bemerken wir sie doch auch! Wären dann digitale Bw-Maschinen vollständige Solipsisten? Aber wie könnte ein solipstistischer Bw-Träger je zu sprechen lernen? Wie also bspw. je auch ‘ich’ zu sich sagen können? Hier tauchen lauter Fragen auf, die unreflektierte Fürsprecher (v.a. aus der Hardcore-KI-Szene) von Maschinenbewußtsein seit jeher ausblenden und dann munter daherschwadronieren. Im Verständnis eines reflektierten Zuganges zur Materie ist das aber alles nur BlaBla, weil die Bedingungen der Möglichkeit von Bw dabei ganz einfach unter den Tisch fallen …
Deshalb nochmals die Frage: Wie sollte angesichts all dessen, also der Lebenswelt, der Sprache, der Lebendigkeitsvoraussetzung usw. bei BW-Zuständen und bei der unabdingbaren Voraussetzung von anderen kompetenten Sprechern, also Alter Egos, eine Maschine von [n]irgendwo Bw … ähm … hernehmen? Wie würde ein Computer X “bermerken können”, daß Computer Y ein “Alter Ego” für ihn ist? Und erst recht: Wie würde ihm bemerklich werden, daß z.B. ein Mensch für ihn ein Alter Ego wäre?
Wittgenstein PU § 119: “Die Ergebnisse der Philosophie sind die Entdeckung irgendeines schlichten Unsinns und die Beulen, die sich der Verstand beim Anrennen an die Grenze der Sprache geholt hat. Sie, die Beulen, lassen uns den Wert jener Entdeckung erkennen.”
Viele Grüße