Aloha zusammen.
Ich möchte euch die ersten beiden Szenen aus meinem Kurzroman vorstellen.
Es handelt sich dabei noch um den Erstentwurf.
Erscheinen soll die Geschichte nächstes Jahr, als Teil einer Anthologie.
Ich bedanke mich für eure Zeit und Aufmerksamkeit.
Das bedeutet mir viel.
Ein paar Fragen zum Text:
Hast du nach dem Anfang noch Lust weiter zu lesen?
Sind dir die Figuren sympathisch?
Funktionieren die Dialoge? (Besonders, da sie ohne die üblichen »sagte er, sagte sie« auskommen)
Ist der Text flüssig zu lesen?
Und das wichtigste:
Hat dir das Lesen ein bisschen Spaß gemacht?
Nochmal vielen Dank und jetzt aber!
Vorhang auf .
Mary & Larry haben Besuch
von
Tom Diander
Szene 1
»Könntest du dich bitte zusammenreißen?«
Mary hat den Kaffee auf. Was immer das eigentlich heißen mag. Wenn Blicke wirklich töten können, zum Beispiel, weil man als Baby vom Planeten Krypton auf die Erde gestürzt ist, dann würde ich auf der Stelle, mit dem Abtrocktuch in der Hand, in Flammen aufgehen.
Es ist nicht so, als würde ich es drauf anlegen, meiner Frau die Nerven runter zu kauen. Aber ich kann beim besten Willen nicht die Klappe halten, wenn sie hinter meinem Rücken, mir nichts dir nichts, meine ultimative Erzfeindin und ihren unterbelichteten Freund zum Abendessen einlädt.
»Ich habe nur gesagt, dass es eventuell ganz nett gewesen wäre, wenn du es mir vielleicht früher, sagen wir gestern vor einer Woche, erzählt hättest. Schließlich ist es mein Geburtstag.«
»Dann wärst du ins Auto gesprungen, abgehauen, nur um mich mitten in der Nacht aus Chicago anzurufen, weil du dich wieder verfahren hast. Nein, mein Lieber, du bleibst schön hier. Machst ein freundliches Gesicht, schenkst Wein ein und bist ein in allen Belangen perfekter Gastgeber.«
»Einmal. Einmal habe ich mich verfahren. Ein einziges Mal und du reibst es mir bei jeder sich bietenden Möglichkeit, wie einen saftig duftenden Kuhfladen, unter die Nase. Diese neuen Navigationssysteme sind doch Mist. Ein, ein viel zu kleiner Bildschirm, zugemüllt mit hundert, was sag ich, tausend winzigen Schaltflächen, Knöpfen und verwirrenden Infotafeln. Und dann ist das alles gar nicht in der richtigen Sprache eingestellt. Ich kann kein Spanisch Signor, tut mir leid. Und und unseren Wein möchtest du dieser furchtbaren Frau anbieten? Joan hat ein Alkoholproblem, wusstest du das? Da darf man nicht mit spaßen, schon gar nicht die Betroffenen derart herausfordern. Wir haben doch noch die Kiste Wasser im Keller. Die vom letzten Jahr. Da wo ich mich geirrt habe und das Stille, statt das mit Kohlensäure gekauft habe. Wird Wasser eigentlich schlecht? Das wollte ich immer schon mal nachlesen. Oder noch besser, weil um die Uhrzeit habe ich Angst im Keller, nehmen wir das Wasser aus dem Kran. Das ist geradezu perfekt. Wir haben im letzten Jahr doch diesen Blei-Test machen lassen, erinnerst du dich? Wenn man das Wasser im Badezimmer knappe zehn Minuten laufen lässt, dann ist der Bleigehalt bei 0,56%. Was nahezu nichts ist. Das ist die reinste Wellnessquelle da neben unserer Kloschüssel.«
»Ich sagte, du sollst dich zusammenreißen Larry. Und Joan ist keine Alkoholikerin. Ich bitte dich.«
»Ich kenne sie ein bisschen besser als du, und ich schwöre dir, sobald sie sich die erste Flasche Roten hinter die Ohren gegossen hat, zieht sie blank und tanzt Lambada. Hier, mitten auf dem Tisch. Du wirst sehen. Dann schiebt sie ihr Becken so vor und zurück, ganz vulgär anzuschauen ist das.«
»Bist du jetzt fertig?«
»Ich habe einen Geistesblitz, eine Eingebung. Nein, fast schon eine Vision. Was hältst du davon, sie nochmal anzurufen? Du sagst ihr, dass es dir nicht gut geht. Du, du menstruierst unter schlimmsten Schmerzen, oder du hast was Schlechtes gegessen, oder der Hund hat sich vorübergehend erhängt und wir sind in tiefer Trauer bis Heiligabend. Einfach verschieben, vertagen, und dann für immer, bis in alle Ewigkeit vergessen.«
»Erstens: Meine letzte Blutung hatte ich im Mai 2015. Zweitens: Ich habe heute noch nichts gegessen. Drittens: Wir haben keinen Hund und viertens: Das ist der wichtige Punkt, deshalb dreh dein Hörgerät auf. Reiß dich endlich zusammen Larry!«
»Echt schon solange her?«
»Was?«
»Deine Tage.«
»Was willst du eigentlich fragen? Und bedenke, du begibst dich grad auf ganz dünnes Eis, mein Schatz.«
»Nichts, nichts. Ich, ich hab nur letztens in der Times einen Artikel eines renommierten Wissenschaftlers gelesen, dass Frauen, wie sage ich das, in ihren besten Jahren, durchaus, einigen, nicht unerheblichen, hormonbedingten Stimmungsschwankungen ausgesetzt sind. Das ist alles. Da könnt ihr gar nichts gegen machen, oder dafür. Das, das ist Biologie. Habe ich mir nicht ausgedacht. Ist von einem Wissenschaftler. Aus der Times. Der muss es wissen, oder nicht? Das nennt sich Menopause. Wechseljahre. Ist ganz normal. Nur hin und wieder, da kommt es vor, dass man sich nicht ganz wohl fühlt. Und dann auch schon mal, unüberlegt natürlich, ohne bösartigen Hintergedanken, den schrecklichsten Menschen einlädt, den sich der Liebende Ehepartner nur vorstellen kann.«
»Möchtest du jetzt sofort deine Ohrfeige oder soll ich warten, bis wir zu Bett gehen?«
»Genau das meine ich, und der Wissenschaftler meint das auch. Gewalttätiges, aufbrausendes Verhalten. Wahrscheinlich überlebe ich diese Nacht nicht, weil du mich, aus unbändiger nicht gerechtfertigter Wut, mitten in der REM-Phase, mit unserem Küchenmesser erstickst.«
»Nicht gerechtfertigt?«
»Ich will nicht angeben. Aber du musst zugeben, im Gegensatz zu dir, bin ich so ausgeglichen wie die Wasserwaage auf einem gleichschenkligen Dreieck.«
»Dann werden dich unsere Gäste ja nicht groß aufregen.«
»Das eine hat mit dem anderen nichts, aber auch rein gar nichts, zu tun.«
»Stell bitte die Teller auf den Tisch.«
»Nur unter Protest.«
»Zur Kenntnis genommen.«
Szene 2
Mein Name ist Larry Moore. Ich gehe mit immer langsamer werdenden Beinen auf die 60 zu. Mein Arzt meint, das sei kein Alter und natürlich hat er nicht Unrecht, wenn er das so sagt. Im Vergleich zu Gandalf bin ich wie ein frischgeschlüpfter Hundewelpe.
Aber die ungeschönte Wahrheit ist, dass ich mir beim Basketball die Hüfte ausrenke, beim Tennis den Arm auskugele und mir beim Onanieren die Hand einschläft. Der Lack ist ab und es ist wahrscheinlich nicht der Rede wert, sich über das immer schütterwerdende Haar aufzuregen. Aber hey, ich sehe nicht älter aus als 59.
Mary meinte neulich, ich könnte mir die übrig geblieben Fusel einfach abrasieren. Sie hätte im Schrank noch eine Maschine dafür rumliegen. »Dauert keine fünf Minuten«, sagte sie. »So ein Soldatenhaarschnitt steht dir bestimmt richtig gut. Dein Kopf hat eh die Form von einem Osterei. Mit deiner großen Brille sieht das bestimmt ganz niedlich aus.«
Das knallte sie mir so vor den Latz. Welcher Mann möchte bitte gerne niedlich aussehen? Katzenbabys sind niedlich. Die Frisur unseres Präsidenten ist niedlich. Auf eine verstörende Art, zugegeben.
Sechzig Jahre. Ich fass es nicht? Es ist noch gar nicht lange her. Fast wie vorgestern. Da habe ich mit einem köstlichen Vanilleeis auf der Hand und einem verkühlten Backenzahn unten rechts, jeden Sonntag, pünktlich um elf, auf der immerselben Parkbank, neben der Kirche, an meinem ersten Roman geschrieben.
Mit der Hand, wohlbemerkt. Da war nichts mit Computer, Laptop, Tablet und … *wir bereiten ihnen schnell, etwa eine Stunde lang, ein Update vor. *
Gut, das ist aus der Ferne betrachtet, vielleicht ein wenig verklärt. Denn meistens hab ich einfach verschlafen. Als ich noch klein war, nannte meine Mutter das meine geheime Superkraft. Weil ich locker ohne Probleme länger als zwölf Stunden am Stück schlafen konnte. In einem fairen Wettkampf hätte Preußlers Wanja nie eine Chance gegen mich gehabt. Aber ich befürchte, wir wären beide gar nicht erst aufgestanden.
Doch meistens habe ich mich gegen Mittag auf der Parkbank eingefunden. Bewaffnet mit einem winzig kleinen Schreibblock, dem günstigsten, den sie im Laden rumliegen hatten und dazu einem runtergerockten Bleistift, tauchte ich in die fantastischsten Welten ein.
Okay, da herrschte eher Mord und Totschlag zwischen den Seiten. Heute nennt man das Thriller. Meine Handlung drehte sich damals um zwei Zwillinge, die ihren verschollenen dritten Zwilling, auf einer mysteriösen Insel an einen sprechenden Hai verfüttern mussten. Damals war ich auf den Kniff mit dem Hai mächtig stolz. Ich hatte da sowas in der Art eines modernen Krimimärchens im Sinn.
Es war nicht die schlechteste Idee von Mary, darauf zu bestehen, mich in einem anderen Genre zu versuchen. Ich will mich nicht beklagen. Im klassischen Fantasieroman konnte ich mich die letzten Jahre nach Herzenslust austoben. Ob arrogante Hexer, tollpatschige Zauberer, amüsante Prinzessinnen oder laut furzende Orks. Nur sprechende Haie habe ich nie wieder verwendet.
Jetzt sind es eben dauerquatschende Einhörner …
Vielen Dank!