Hi,
hat eigentlich von euch jemand mal ein Buch von Han Kang gelesen? Womöglich Die Vegetarierin?
Nein noch nicht, aber das hole ich nach. Klingt spannend. Wer wollte nicht schon mal eine Pflanze sein?
Kann ich nicht. Das Papier des Buches ist nicht Vegan.
Ist mir egal. Ich werde es sowieso nicht verspeisen.
Im Ernst: Es soll interessant sein.
Ich lese keine Bücher - mögen sie unterm Strich noch so gut sein - nur weil sie preisgekrönt sind. Dass dieses Jahr eine nichteuropäische Frau gewinnen musste, stand ja schon fest - solche Einschränkungen ausgerechnet im Kunstbereich sind für mich indiskutabel.
BTW und meine private Meinung: auch in vielen anderen Kategorien führt sich dieser Preis langsam ins Absurde und ähnelt mehr einem politischen Statement der Nobel-Kommission als echter Würdigung großer Leistungen.
Ceterum censeo: Gebt Stephen King endlich den Nobelpreis!
Na ja, in Teilen gebe ich dir recht. Aber ein so hartes Urteil über die Richtigkeit der Dinge was diese Wahl der Künstlerin betrifft kann doch nur gefällt werden, wenn du etwas von ihr gelesen hast?
Das hat mit der Künstlerin resp. einem Urteil über sie und ihr Werk überhaupt nichts zu tun, erst recht nichts mit einem „harten“ Urteil - ich kritisiere eine politisierte Jury, was nicht einmal nur den Literatur-Nobelpreis betrifft.
Dieses Vorgehen mag sogar gewisse positive Effekte zeigen, sprich die erwünschte Aufmerksamkeit in die gewählte Richtung führen - aber ein Literaturpreis sollte allein (!) der Literatur (ein Friedensnobelpreis allein dem Frieden …usw.) dienen.
In einem meiner politischen Newsletter (Ich bin in der Kommunalpolitik tätig.) wird auf den Preis auch eingegangen. Ich erlaube mir mal, den Abschnitt hier zu verlinken.
Quelle: Pioneer Briefing.
Gestern wurde eine im Literaturgeschäft weithin unbekannte Schriftstellerin mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Sie ist eine überraschende Wahl, was man schon daran erkennt, dass sie in den Prognosen der Literaturredakteure nirgendwo auftauchte. Wer also ist Han Kang?
Die Schriftstellerin wurde 1970 in Gwangju, im Südwesten von Südkorea, geboren und zählt mit 53 Jahren zu den jüngeren Preisträgern. Sie ist außerdem die erste asiatische Preisträgerin.
Soldaten schlagen einen Bürger in Gwangju bei Protesten gegen das damalige Militär am 14.05.1980 © dpa
Ihr Geburtsort Gwangju gibt Auskunft über ihr literarisches Wirken. Dort endete 1980 die studentische Demokratiebewegung gegen die herrschende Militärdiktatur mit einem Massaker an der Bevölkerung. 44 Jahre später ist die Aufarbeitung der Ereignisse in Gwangju nicht beendet. Todeszahlen sind vage, die meisten Quellen geben 2.000 an.
Die Gewalt dominiert ihr literarisches Schaffen. In „Menschenwerk“ von 2019 arbeitete sie das südkoreanische Trauma von Gwangju auf. Das Nobelkomitee zeigte sich beeindruckt von ihrer „intensiven, poetischen Prosa, die sich mit historischen Traumata auseinandersetzt und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens aufzeigt“.
Der südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol bei seiner Rede während der Feierlichkeiten zum 76. Jahrestag der südkoreanischen Streitkräfte am 01.10.2024 © dpa
Der südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol honorierte die Literatin dafür:
Sie haben die schmerzhaften Narben unserer modernen Geschichte in ein großartiges literarisches Werk verwandelt. “
Bücher der Literaturnobelpreisträgerin 2024 Han Kang in der Buchhandlung Dussmann, 10.10.2024 © dpa
Leseprobe gefällig: Han Kang schreibt in „Menschenwerk“:
In mir wohnte eine seltsame Kraft, die mir Selbstbewusstsein gab. Geboren nicht aus dem Tod. Sondern aus der Flut von Gedanken, die nicht abebbte. Wer hat mich getötet? Wer hat meine Schwester umgebracht? Warum? Je mehr ich darüber nachdachte, umso stärker wurde die Kraft in mir. “
Die Protagonistin des Romans macht sich (und uns) auf berührende Weise Mut:
An jenem Tag […] hatte ich in mir etwas Eigentümliches entdeckt: Das Gefühl, keine Angst mehr zu haben. Ich erinnere mich, dass ich im Bewusstsein, jeden Moment sterben zu können, spürte, wie die Herzen der vielen Leute auf dem Platz im gleichen Takt schlugen. Als hingen sie alle an einem gemeinsamen Blutkreislauf. Kräftige, edelmütige Herzen, und meines gehörte dazu. “
Fazit: Das Nobelpreiskomitee hat uns überrascht und damit bereichert. Der Leseherbst 2025 ist gerettet.
Das habe ich auch so verstanden.
ABER die Künstler sind für dich verbrannt und du würdest keine Bücher von ihnen lesen wollen, weil sie den Preis bekommen haben.
Das ist dein gutes Recht.
Nein, das ist so nicht richtig und von „verbrannt“ kann keine Rede sein. Ich lese keine Bücher, WEIL sie einen Preis bekommen haben - unabhängig davon lese ich sie aber aus anderen Gründen: Weil sie mich neugierig machen, wenn ich hineinlese, weil ich darauf aufmerksam gemacht wurde, mich die Thematik interessiert, ich vielleicht schon ein anderes Werk des Autors kenne, weil mir eine Empfehlung gegeben wurde … usw. - das Kriterium „Preis“ (Nobelpreis gar) spielt allerdings keinerlei Rolle.
Kunst sollte nicht von Dritten benutzt werden, um politische Aussagen zu unterstreichen, das ist zumindest mein Verständnis.
Allgemein gibt es einen starken Trend dahin, Preise in dieser Form zu benutzen. Auch im Journalismus, wo (beispielsweise) staatskonforme Kabarettistinnen oder Kabarettisten „Grimme-bepreist“ werden, seien sie auch noch so unlustig, auch bei den wissenschaftlichen Nobelpreisen lässt sich ein Trend dahin beobachten, dass bestimmte Forschungen (die auch kommerziell sehr vielversprechend sind) bevorzugt bepreist werden - usw.
Ich habe selbst übrigens in meinem ursprünglichen Hauptberuf zweimal einen Preis ausgeschlagen, weil ich dahinter einen klaren Interessenkonflikt gesehen habe.
(Ich lese,)
Da gibt es einen relevanten inhaltlichen Zusammenhang: Viele Menschen werden (erst) durch einen Preis auf des Künstlers Werk aufmerksam.
Insofern liest Du ggf. dann doch mal ein Buch, weil es einen Preis bekommen hat, vermutlich, wenn Dich der Inhalt dann auch noch neugierig macht.
… siehe oben meine Antwort an EffEss - da sollte Deine Frage (wenn es eine ist?) beantwortet sein.
Da kommen wir der Sache doch schon näher. Ich kannte sie nicht und habe aber in diesem Zuge von " Die Vegetarierin" gelesen. Das wiederum finde ich spannend. Deshalb schrieb ich eingangs, dass ich das Buch lesen werde.
Generell kann man ja auch nicht alle Autoren der Welt kennen. Somit ist dieser Preis auch ein gutes Mittel auch neue Leser/ Autoren zu finden/ kennenzulernen und um dann ein abschließendes Urteil nur auf die Kunst bezogen zu fällen. Ich denke, irgendwas müssen sie auch gut gemacht haben.
Natürlich ist der Literaturnobelpreis auch (in manchen Fällen sogar vorwiegend) eine politische Botschaft. Soll so sein, das tut meinem persönlichen Urteil keinen Abbruch. (Ich kenne eigentlich nur eine Autorin, von der ich meine, dass sie den Preis aus literarischen und politischen Gründen her wirklich verdient hat und das ist Toni Morrison. Bei einem Herrn Handke hingegen sehe ich nicht eine einzige Zeile, die dem würdig wäre. Aber wer bin ich, dass ich hier urteilen könnte?)
Persönlich halte ich es mit @donald313: Ich lese ein Buch oder einen Autor nicht, weil ihn, wer auch immer, über den grünen Klee lobt, sondern weil mich sein Werk interessiert - und dann vielleicht sogar auch gefällt. Das betrifft natürlich auch Nobelpreisträger (Steinbeck, Hemingway, Garcia Marquez, Nagib Machfuz). Da erlebt man dann schon Überraschungen. Btw: wenn ich früher gewusst hätte, dass mein lebenslanger Lieblingsautor mal ein SS-Mitglied gewesen ist, hätte ich vermutlich die wunderbarsten Geschichten aus der Danziger Bucht niemals gelesen.
Was die neue Preisträgerin betrifft: Ja, da werde ich sicher mal querlesen. Mal sehen.
Wie ist denn das Buch „Die Vegetarierin“ nun?
… aber sollte der Preis denn nicht ausschließlich eine literarische Würdigung sein? Politische Weltauffassungen gibt es viele verschiedene … was wäre denn nun, wenn ein nordkoreanischer (oder aktuell: russischer) Poet seit vielen Jahren/Jahrzehnten wunderbare Gedichtsammlungen, völlig unpolitisch, schriebe, die alle Leser auf die Knie brächten - den Nobelpreis bekäme er vermutlich sicher nicht.
Nebenbei bemerkt rückt sich Literatur mit solchen Bepreisungen in eine Zone, die mir ohnehin wenig gefällt. Eine Handvoll „Berufener“ soll bestimmen, wer „der (oder die) Größte“ ist …? Die Marketingmaschine wird damit jedenfalls kräftig geölt.
Ähnlich in der Musik. Eine weltweite Umfrage unter rund 100 berühmten Orchester-Dirigenten, wer denn am ehesten ihr „Idol“ sei, der Dirigent, an dem sie sich quasi messen würden, ergab eine erstaunlich hohe Einigkeit, die Mehrzahl dieser Künstler nannte - unabhängig voneinander, nicht in einem Preis-Kommitee - den Namen Carlos Kleiber. Einen Preis bekommt Kleiber, auch posthum, dafür natürlich nicht, den hätte er auch nie gebraucht, denn seine Musik hat ganz allein für sich gesprochen und ihm das Publikum weltweit zu Füßen gelegt.
Das glaube ich auch nicht. Er würde mit aller Wahrscheinlichkeit vom Verlag verbannt. Hatten wir ja hier schon mal so ähnlich zur Diskussion.
Davon ist fest auszugehen. Und schon allein deswegen ignoriere ich dieses Bepreisungs-Gewese. Da sind viel zu viele Interessenkonflikte im Spiel.
Nach wie vor interessiert mich dennoch, was diejenigen, die das Buch gelesen haben, davon halten.