Leseprobe meines Prologs

Liebe Community.
Ich schreibe an einem historischen Romanzyklus, dessen erster Band mit einem Prolog als weite Vorausschau auf das zeitliche Ende der Saga im Jahre 17 n.Chr. beginnt. Die Protagonistin wartet in einem römischen Kerker auf ihre „Teilnahme“ am Triumphzug des Germanicus . Viel Spaß beim Lesen.

Prolog

Roma, März 17 n. Chr.

Sonne im Wald. Wärmende Sonnenstrahlen zwischen grünen Blättern. Die Frau drehte mühsam den Kopf und blinzelte langsam in den schmalen Streifen Sonnenlicht hinein, der ihr durch die eisernen Gitterstäbe der eckigen Öffnung oben in der Wand, ins Gesicht fiel.
Grade eben hatte sie in ihrem Traum Wälder vor sich gesehen. Große, grüne Bäume. Sie war so durstig. Wann hatten sie ihr zuletzt Wasser gebracht?
Sie richtete sich mühsam aus dem Liegen halb auf und stützte sich auf einem Ellenbogen ab. Ihre Hand glitt suchend von der hölzernen Pritsche und tastete zitternd in den Bottich hinein, der neben ihr stand. Er war leer. Sie ließ sich stöhnend zurücksinken. Ihr Hals war völlig ausgetrocknet, es gelang ihr nicht einmal mehr, zu schlucken.
Mit halb geöffneten Augen versuchte sie, sich an die Ereignisse der letzten Wochen zu erinnern. So vieles war geschehen. Stunden verstrichen. Sie dämmerte vor sich hin und murmelte ab und zu unverständliche Worte. Die Sonne versank und es wurde allmählich dunkel um sie herum.

Die massive, hölzerne Zellentür wurde geöffnet und ein fettleibiger, ungepflegter Mann schlurfte mit kleinen Schritten hinein. Er trug einen halb gefüllten Eimer mit Wasser bei sich und sah auf die schlanke Gestalt der Gefangenen herab.
Er betrachtete eingehend ihre kurze, verdreckte Tunika und ihr helles Haar, das ihr lang und zerzaust über die Schultern fiel.
Der Mann kniete sich mühsam neben sie und spritzte ihr eine Handvoll Wasser ins Gesicht. Die Gefangene zuckte zusammen und erwachte verwirrt aus ihrem Delirium.
„Aqua!“, brummte er und hielt ihr den Eimer hin. Sie blinzelte langsam und hustete.
„Aqua?“, fragte sie mit rauer Stimme. „Ite. Da mihi aquam“. Mit großer Anstrengung setzte sie sich halb auf und trank durstig ein paar Schlucke, bis der Mann ihr den Eimer entzog und auf den Boden stellte.
„Quod non est liberum“, sagte er mit einem verschlagenen Grinsen und schob eine schwielige Hand gierig unter ihre Tunika. Die Frau wehrte ihn mit kraftlosen Bewegungen ab.
„Non“, krächzte sie.
Der Mann schlug ihr unvermittelt mit dem Handrücken ins Gesicht. Einen Schmerzenslaut ausstoßend fiel sie rücklings auf die Pritsche und versuchte, sich mit den Armen zu schützen. Sein Atem wurde schwerer und seine Finger strichen grob über ihre Hüfte und ihren Bauch, wobei er ihre Tunika immer weiter hochschob. Die Frau leistete nur fahrigen Widerstand. Aus dem Vorraum ertönte ein ungeduldiges Rufen. Der Mann murrte, zog unwillig seine Hand zurück und stand auf. Mit einem letzten Blick auf ihren halbnackten Körper griff er sich den Leeren der beiden Bottiche, drehte sich um und verließ schwerfällig den Raum. Er warf die Tür krachend hinter sich ins Schloss und verriegelte sie von außen.

Sie war wieder allein. Nach einer kurzen Weile regte die Frau sich, betastete vorsichtig ihre anschwellende Wange und zog sich dann die Tunika über ihre entblößten Hüften herunter. Sie leckte sich ihre rissigen Lippen, drehte sich auf die Seite und schöpfte eine Handvoll Flüssigkeit aus dem Eimer. Dabei rannen ihr einige Tropfen den Unterarm entlang. Sie fröstelte und verschüttete zitternd etwas vom Wasser, das geräuschvoll in den hölzernen Bottich zurück tropfte. Die Frau hielt inne und lauschte einen Moment dem verhallenden Plätschern. Ein kurzer Gedanke an einen schattigen Bach streifte sie. Ein Ort, den sie schon lange nicht mehr gesehen hatte.

„Wie zuhause“, flüsterte sie und ließ sich mit einem leisen Stöhnen kraftlos auf ihr Lager sinken.

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Ich bin hier nicht der große Profi aber ich würde auf jeden Fall weiterlesen.
Mein eigener Prolog schwirrt mir seit Tagen im Kopf rum und ich frage mich immer wieder, was darf er enthalten und wieviel gibt schon zu viel Preis? Wo liegt hier die Grenze zwischen Spannung erzeugen und zu viel Information geben.
In deinem Fall möchte ich nun wissen, warum ist sie gefangen, wird sie freikommen oder sterben?
Gibt es noch mehr Gefangene oder ist sie die Einzige? Usw… Der Leser möchte also mehr wissen, gelungen würde ich sagen.

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Lieben Dank für Deine Antwort! Ich freue mich sehr, dass Du weiterlesen möchtest.
Vielleicht stelle ich ja später einmal das erste Kapitel vor, um es Deiner Kritik auszuliefern. :wink:
Ich habe bisher ca. 98.000 (Band 1) + 95.000 Wörter (Band 2) im Rechner (und in der Cloud, keine Sorge) und die Geschichte ist noch nicht auserzählt, denn der Plot der mir vorschwebt ist für eine Tetralogie angelegt.

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Super, ich würde mich freuen mehr zu lesen. :blush:

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Ich finde die Szene recht gut beschrieben. Hier und da ist es nicht ganz flüssig, wie bei

Der Sprung von Bäumen zu Wasser ist recht abrupt.
Und am Ende mit dem „Wie zuhause“ weiß ich nicht, was sie meint. War sie zuhause auch eingesperrt? Hat sie zuhause auch Wasser aus einem Eimer geschöpft? Soll sich das auf ihre Erinnerung an einen Bach beziehen?

Dann zum Thema Latein, das solltest du noch mal überarbeiten.
Der „quod“-Satz:
Da sich der Mann auf das Wasser bezieht, würde ich auch mit Femininum arbeiten, nicht mit Neutrum.
Außerdem ist „qui, quae, quod“ ein Relativpronomen (leitet einen Relativsatz ein). Als Demonstrativpronomen (verweist auf etwas) würde sich „is, ea, id“ besser machen.
Des Weiteren Vokabeln:
liber, -a, -um = frei, offen, ungehindert
gratuitus, -a, -um = kostenlos, unentgeltlich, umsonst
Im Endeffekt käme dann als Satz raus: „Ea nun gratuita est.“
Ihre Antwort:
„non“ als „nein“ ist eher untypisch, soweit ich weiß, eher ein kurzer verneinender Satz (oder in diesem Fall ein erschrockenes/entsetztes Geräusch?)
Der Anfang der Latein-Stelle:
Für das „ite“ (Besser im Singular? Doch Plural?) und das „da mihi aquam“ (Was wäre die „natürliche“ Satzordnung?) bräuchtest du eine andere Meinung, Imperative finde ich schwieriger zu konstruieren. Es sei denn, etwaige Fehler wären beabsichtigt, weil die Frau wahrscheinlich nicht muttersprachlich Latein sein wird.

Ansonsten würde mich wirklich interessieren, wo die Frau herkommt, wie sie in diese bedrohliche Lage gekommen ist. In ihrer Haut würde ich wirklich nicht stecken wollen …

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Danke für die Rückmeldung. Ein paar Dinge dazu. Die Gedankensprünge am Anfang sollen der Dehydrierung geschuldet sein - kann ich noch deutlicher machen.
Der Schluss bezieht sich auf die Erinnerung des Baches, es soll hier aber bewusst unscharf und offen bleiben. Der Leser reimt sich dann in Kapitel 1 sehr schnell zusammen, wovon hier die Rede ist.

Okay, nun zum Latein, uff, das habe ich mir tatsächlich zusammenstoppelt. Es war nicht meine Paradedisziplin in der Schule. Das „Ea non gratuita est“ werde ich gern übernehmen, Deine Argumentation dazu ist für mich schlüssig. Aber die Antworten der Frau sind gern grammatikalisch unsauber, weil sie tatsächlich keine Muttersprachlerin ist, sondern eine germanische Priesterin. :zipper_mouth_face:

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Verstehe ich dich richtig. Du beschreibst im Prolog eine Szene, die gegen Ende der Geschichte stattfindet?
So wie im Film eine Actionszene gezeigt wird und dann heisst es drei Tage zuvor oder ein Monat zuvor. Danach kommt dann meistens eine mittelprächtige Geschichte. (Was ich von deiner nicht hoffe.)
Solche Einstiege in eine Geschichte mag ich nicht. Ich verstehe nicht, wieso man sie nicht einfach von Anfang an erzählt. Brauchst du den Köder wirklich für deine Geschichte? Ist dein Anfang so langweilig, dass die Lesas auststeigen?
Prologe sind nicht mehr zeitgemäss. Aber viele glauben, dass zu einem richtigen Buch einer gehört. In Einzelfällen kann man sie einsetzten. Heute sollte ein Text die Lesas vom ersten Satz an in die Geschichte hineinziehen und sie nicht mehr loslassen. Ein Prolog unterbricht diesen Sog.

Deine Textprobe gefällt mir gut. Ich glaube nicht, dass du diesen Trick mit der „Actionszene“ nötig hast.

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Ja, verstehst Du richtig.

In meinem Fall heißt es eher „30 Jahre zuvor“ :grin:

Völlig in Ordnung, dass Du dieses Stilelement nicht magst, aber ob es wirklich unzeitgemäß ist, weiß ich nicht. Vielleicht bin ich da nicht am Puls der Zeit. Anscheinend ist Lesas ja auch der neue Begriff für unsere Leser. (Sorry, aber der musste raus)

Schön, dass Dir die Probe gefällt. Und keine Sorge, nach dieser kleinen Vorausschau, von der ich eigentlich hoffe, dass sie sehr neugierig macht, erzähle ich die Geschichte der Gefangenen durchgängig „von Anfang an“.

Danke für Deine Kritik und viel Erfolg beim Schreiben.

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Nachtrag: Vielleicht schmeisst ein Lektor den Prolog ja auch mit den gleichen Argumenten raus, die Du gebracht hast. Ich lasse mich überraschen.

Deine Szene liest sich schon gut und macht Lust auf mehr. (Hier und da noch polieren, damit es noch etwas flüssiger klingt) Hats du schon mal daran gedacht, einfach das Wort Prolog wegzulassen?

Das Wort „Prolog“ wird vermutlich immer Diskussionen hervorrufen. Aus eigener Erfahrung kann ich folgendes berichten: Ich habe selbst einen historischen Roman geschrieben, bei dem ich quasi mit dem Ende der Geschichte beginne. Das heißt, die eigentlich Geschichte umfasst nur einen Tag. Mein Protagonist wartete in einer Burgruine darauf, dass ein unbekannter Feind auftaucht. Während er wartet, erzähle ich in Rückblicken die Ereignisse, die meinen Prota zu der Ruine geführt haben.
Zuerst hatte ich auch das Wort Prolog am Anfang stehen. Die Argumente klangen ähnlich wie hier. Auch die Testleser äußerten sich eher negativ.
Daraufhin habe ich das Wort Prolog sowie jede Art von Kapitelnummerierung gestrichen. Die Geschichte beginnt einfach mit einer spannenden Handlung. ( In die ich eine Jahreszahl eingebaut habe.) Ich führe die Leser bis zu einem Punkt, an dem sie unbedingt wissen wollen, was passiert. Dann beginnt Kapitel 1, dass ich deutlich mit einer Jahreszahl überschrieben habe, sodass jeder sieht, dass ein Sprung rückwärts stattgefunden hat.
Wieder geht es gleich mit Handlung los. Was soll ich sagen? Testleser zufrieden, Lektorin zufrieden, alles passt. Die Story ist die gleiche geblieben, nur das Wort Prolog ist verschwunden.

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So etwas birgt immer die Gefahr, dass eine Menge Spannung verloren geht. Wenn man von Anfang an weiß, dass es der Protagonist heil und lebendig bis zum Tag X schafft, fiebert man bei seinen vorherigen Aktionen lange nicht mehr so viel mit. Man weiß ja bereits, dass er jede auch noch so aussichtslose Situation irgendwie überstehen wird.

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Das muss nicht sein. Geschichten auf diese Weise zu erzählen, erfordert gute und geschickte Planung. Ich habe das so gelöst, dass man erst auf den letzten Seiten erfährt, ob der Prota es schafft oder nicht.

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gut, dann geht es. Ich hab leider schon eine Menge Negativbeispiele gerade in so einer Konstellation gesehen.

Hallo MiGra.

Die Szene an sich hat mir gefallen. Ob man das da lassen sollte als Einstieg oder nicht, könnte ich dir auch nicht beantworten. Ich wüsste nur, dass ich wissen wollen würde, ob und wie sie dort wieder herauskommt. Also, ob du den Faden wieder aufnimmst.

Anmerken wollte ich noch, dass mir verdächtig viele Adjektive und adjektivierte Verben entgegengesprungen sind. Ich markiere dir mal alle, vielleicht kannst du ein paar entfernen.

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OK, wenn das am Begriff liegt…daran habe ich kein Herzblut hängen. Vielen Dank für das Teilen Deiner eigenen Erfahrungen. Ich werde das mal so probieren, wie Du beschriebst. Klingt auf jeden Fall nach einer guten Lösung, wobei ich mir jetzt schon etwas unsicher bin, ob ich diese Vorschau benötige. Ich glaube, es liegt daran, dass ich dann fast 30 Jahre zurückspringe und die Jugend der Protagonistin beschreibe. Also den Weg, der Sie zu der gemacht hat, die sie letztlich dann wird. Damit das Ganze aber am Anfang nicht so einen reinen coming of age Geschmack hat, dachte ich, die erste Szene wäre wichtig, um dem Leser zu zeigen: Oha, da wird es noch richtig heftig, das ist jetzt kein Bullerbü-Roman.
Ich denke nochmal drauf rum.

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Mir persönlich gefällt die Einleitung,sie macht mich neugierig. Wie ist sie dorthin gekommen? Was geschah davor? Ich bin nur eine Leseratte, keine Kritikerin. Und als Leserin packt mich der Anfang.

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Das hatte ich gehofft. Und Leseratte ist eine sehr ehrenwerte Beschäftigung. :smirk:

Danke Gwendy,

ja, ich neige seeeehr zu Adjektiven.
Aber ja, Krönchen richten, Kopf hoch und an Mark Twain denken:
«Wenn Sie ein Adjektiv sehen, töten Sie es. Vielleicht nicht in jedem Fall. Aber töten Sie die meisten – dann ist der Rest wertvoll. Adjektive schwächen Ihren Text, wenn sie zu dicht stehen. Sie geben Kraft, wenn sie viel Raum zwischen sich haben.»

Danke Dir für die Erinnerung!

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UPDATE
Liebe Leute, ich habe mir alle Eure Kommentare angesehen und eine Überarbeitung gemacht, die sich meiner Meinung nach jetzt schon besser liest. Danke für Eure Hilfe.
Um den Übergang zwischen dem Einstieg und dem folgenden Kapitel zu verdeutlichen habe ich die ersten Sätze des Folgekapitels angehängt.

@NanaY : Viel Spaß beim Weiterlesen :sunglasses:

Roma, März 17 n. Chr.

Sonne im Wald. Sonnenstrahlen zwischen Blättern. Die Frau erwachte und drehte den Kopf. Sie blinzelte in den Streifen Sonnenlicht hinein, der ihr durch die Gitterstäbe der Öffnung oben in der Wand, ins Gesicht fiel.
Grade eben hatte sie im Traum Wälder vor sich gesehen. Bäume. Grün. Plätscherndes Wasser. Wasser. Sie war so durstig. Wann hatten sie ihr zuletzt Wasser gebracht?
Sie richtete sich ächzend aus dem Liegen halb auf und stützte sich auf einem Ellenbogen ab. Ihre Hand glitt von der hölzernen Pritsche und tastete in den Bottich hinein, der neben ihr stand. Er war leer. Sie ließ sich stöhnend zurücksinken. Ihr Hals war so ausgetrocknet, es gelang ihr nicht einmal mehr, zu schlucken.
Mit halb geöffneten Augen versuchte sie, sich an die Ereignisse der letzten Wochen zu erinnern. So vieles war geschehen. Stunden verstrichen.
Die massive, hölzerne Zellentür wurde geöffnet und ein fettleibiger, ungepflegter Mann schlurfte hinein. Er trug einen halb gefüllten Eimer mit Wasser bei sich und sah auf die Gefangenen herab. Sie dämmerte vor sich hin und murmelte dabei ab und zu Worte in einer Sprache die er und auch keiner der anderen Wächter verstanden.
Er betrachtete eingehend ihren Körper, ihre kurze, verdreckte Tunika und ihr helles Haar, das ihr zerzaust über die Schultern fiel.
Der Mann kniete sich mühsam neben sie und spritzte ihr eine Handvoll Wasser ins Gesicht. Die Gefangene zuckte zusammen und erwachte verwirrt aus ihrem Delirium.
„Aqua!“, brummte er und hielt ihr den Eimer hin. Sie hustete.
„Aqua?“, fragte sie mit rauer Stimme. „Ite. Da mihi aquam“. Mit größter Anstrengung setzte sie sich halb auf und trank ein paar Schlucke, bis der Mann ihr den Eimer entzog und auf den Boden stellte.
„Ea non gratuita est“, sagte er mit einem verschlagenen Grinsen und schob eine schwielige Hand unter ihre Tunika. Die Frau wehrte ihn mit kraftlosen Bewegungen ab.
„Noli me tan…“, brachte sie heraus, da schlug ihr der Wärter mit dem Handrücken ins Gesicht. Einen Schmerzenslaut ausstoßend fiel sie auf die Pritsche und versuchte, sich mit den Armen zu schützen. Sein Atem wurde schwerer und seine Hände griffen um ihre Hüfte, wobei er ihre Tunika bis zum Nabel hochschob. Seien Kiefermuskeln mahlten. Aus dem Vorraum ertönte ein Rufen. Der Mann murrte, zog seine Hände zurück und wuchtete sich hoch. Mit einem letzten Blick auf ihren entblößten Unterleib griff er sich den Leeren der beiden Bottiche, drehte sich um und schlurfte aus dem Raum. Er warf die Tür krachend hinter sich ins Schloss und verriegelte sie von außen.
Nach einer Weile regte die Frau sich, betastete ihre anschwellende Wange und zog sich dann die Tunika über ihre Hüften herunter. Sie leckte sich ihre rissigen Lippen, drehte sich auf die Seite und schöpfte eine Handvoll Wasser aus dem Eimer. Dabei rannen ihr einige Tropfen den Unterarm entlang. Sie fröstelte und verschüttete etwas vom Wasser, das in den hölzernen Bottich zurück tropfte. Die Frau hielt inne und lauschte einen Moment dem im Raum verhallenden Plätschern. Ein kurzer Gedanke an einen Bachlauf streifte sie. Ein Ort, den sie schon lange nicht mehr gesehen hatte und so sehr liebte.
„Das klingt nach Zuhause“, flüsterte sie und ließ sich mit einem leisen Stöhnen auf ihr Lager sinken. Um ihre Mundwinkel zeichnete sich ein Lächeln ab.

Siedlung am Mar, März 11 v. Chr.

Der Bach floss unter den ausschlagenden Weiden entlang, die beide Ufer säumten. Mit hellem Plätschern suchte sein Wasser sich den Weg über die Kiesel hinweg. Libia freute sich am Geräusch des Baches, der hier am Waldrand verlief, nahe beim Haus von Mutter und Vater und der restlichen Siedlung. Sie saß an ihrem gewohnten Platz am Ufer, einem Stein, von dem aus sie beobachtete, wie Blätter und Zweige auf der Wasseroberfläche an ihr vorübertrieben. Diese Stelle lag einige Schritte abseits des ausgetretenen Pfades, der hier nicht direkt dem Ufer folgte. Sie zog sich gern hierher zurück, saß den halben Tag mit den Füßen bis zu den Knöcheln im Wasser und lauschte den Stimmen des Waldes.

Libia drehte den Kopf und sah auf. Dann seufzte sie tief. Seit sie ihren Vater gestern Abend über die Götterzeichen gebeugt gesehen hatte, wie er mit düsterem Blick auf die geheimen Zeichen gestarrt hatte, kam sie aus dem Grübeln nicht mehr heraus. Zufällig war sie an seinem Raum vorbeigegangen, als ihre Mutter die Tür öffnete und mit sorgenvollem Blick heraustrat. Zusammengesunken hatte er am Tisch gesessen und vor sich hingemurmelt. Sie hatte nur wenig verstanden. „Unheil“, hatte er gesagt. „Ich habe es doch gewusst“ und „Hagalaz“, ein Wort, mit dem sie nichts hatte anfangen können. Dann war die Tür hinter ihrer Mutter zugefallen und hatte die Stimme ihres Vaters abgeschnitten.

Libia biss sich auf die Lippe, runzelte die Stirn und sah sich um. Unzählige, erst vor wenigen Tagen aufgesprungene Blattknospen umgaben sie. Über ihr, vor und neben ihr sah sie helles Grün, das in Sunnas Frühlingslicht erstrahlte. Was für ein Unheil kam auf sie zu? Tief sog sie die morgenkühle Luft in sich ein. Es roch nach Gras und den ersten Blüten des Jahres. Sie kratzte ein Steinchen aus der Böschung und besah es sich. Was würde geschehen? Und warum verbot Vater ihr, sich diese geheimnisvollen Zeichen wenigstens einmal anzusehen? Mit zusammengekniffenen Lippen warf sie den Kiesel ins Wasser. Es gluckste kurz, dann plätscherte der Bach wieder vor sich hin.

2 „Gefällt mir“

Der Übergang von den Erinnerungen im Gefängnis zum Anfang der Geschichte gefällt mir. So kann es funktionieren. Ohne das Wort Prolog ist es besser.