jetzt muss ich zugeben, obwohl mir die Adjektive zu viel waren, mir der Text nun zu „labbrig“ geworden ist. Ich markiere mal, welche meiner Meinung nach getrost hätten wegfallen können. Ich wollte mich nur einerseits nicht zu doll einmischen, wie jetzt; andererseits muss ich mir da jetzt dringend irgendwie selbst widersprechen.
Denn vom Lesefluss her, im Original, finde ich das prima:
„Sonne im Wald“
„Wärmende Sonnenstrahlen zwischen grünen Blättern“
usw.
Es fängt also mit einem kurzen kräftigen Bild an. Zweiter Satz länger, baut das auf. Und im dritten Satz kommt schön langsam (passend zu ihrer Bewegung und Schwere) das Setting.
Wenn du dir das laut vorliest, wirst du das merken. Dieser eigene Rhythmus, die Sprachmelodie.
An dessen Verschlimmbesserung möchte ich mir nicht die Hände blutig gemacht haben! Nein, nein.
Also hier die, die man meiner Meinung nach zum Vorteil wegnehmen könnte. (und den langen Satz würde ich so lassen. Er passt zum Inhalt.)
Original.:
Sonne im Wald. Wärmende Sonnenstrahlen zwischen grünen Blättern. Die Frau drehte mühsam den Kopf und blinzelte langsam in den schmalen Streifen Sonnenlicht hinein, der ihr durch die eisernen Gitterstäbe der eckigen Öffnung oben in der Wand, ins Gesicht fiel.
Grade eben hatte sie in ihrem Traum Wälder vor sich gesehen. Große, grüne Bäume. Sie war so durstig. Wann hatten sie ihr zuletzt Wasser gebracht?
**
Das Neue, findet ich so husch-husch. (laut vorlesen!, auf Bauchgefühl vertrauen) Hoffe, du bist mir nicht böse. Vielleicht magst du das neue trotzdem lieber, ist auch in Ordnung. Wollte es nur gesagt haben.
** Neu:
Sonne im Wald. Sonnenstrahlen zwischen Blättern. Die Frau erwachte und drehte den Kopf. Sie blinzelte in den Streifen Sonnenlicht hinein, der ihr durch die Gitterstäbe der Öffnung oben in der Wand, ins Gesicht fiel.
Grade eben hatte sie im Traum Wälder vor sich gesehen. Bäume. Grün. Plätscherndes Wasser. Wasser. Sie war so durstig. Wann hatten sie ihr zuletzt Wasser gebracht?
Hallo @MiGra ,
dein Prolog ist ein schönes Beispiel, wie man einen Text unter verschiedensten Aspekten verbessern kann. @Gwendy bringt es schön auf dem Punkt! Du hast deinen ursprünglichen Text überarbeitet. Nach all den Gesichtspunkten, die dir Tipps gegeben haben. Jeder einzelne Hinweis richtig und auf den Punkt zutreffend auf deinen Text.
Was wir hier machen sind Lektorat und ein bisschen Korrekturlesen in einem. Eine gängige Mischung im Amateurbereich, im professionellen Bereich dafür umso seltener. Weshalb ist das?
Der Lektor analysiert deinen Text und macht Vorschläge, wie der Text besser wirkt. Der Korrektor hat den Duden neben sich liegen und sagt dir klipp und klar, wenn du dagegen verstösst. In Sachen Syntax und Grammatik, ist sein Wort Gesetz. Aber ihm ist egal, aob du dir im Buch gerade den Spannungsbogen zerschießt oder nicht.
Regeln helfen uns von Haus aus bessere Texte zu schreiben. Und wenn du die Regeln sicher kennst kannst du und manchmal sollst du dann auch verstossen. Es gilt manchmal einfach abzuwägen, was ist wichtiger. Schöne, klare Sätze? Oder einfach mal dagegen verstossen um den Inhalt besser darzustellen.
Was du gemacht hast empfinde ich nicht als Verschlimmbesserung wie Gwendy es bezeichnet. Und doch stimme ich ihr uneingeschränkt zu und sage, dass der Text nicht mehr so lebendig wirkt. Wenn du unter diesem Aspekt einfach noch einmal jede deiner Änderungen dir ansiehst, wirst du rasch feststellen, wo du eher die Regeln als wichtig erachtest oder vielleicht manchmal einfach die Textwirkung in den Vordergrund stellst.
Eigentlich ist es ja traurig, wenn ein einziges Wort quasi über Leben und Tod entscheidet. Komische Testleser, komische Lektorin, sofern die Geschichte wirklich gleich geblieben ist - bis auf eben dieses Wörtchen.
Lieber @LonesomeWriter ,
das werde ich machen, denn auch mir ist der Text jetzt zu @Gwendy → „blutleer“. Es ist eben ein Unterschied, ob die Protagonistin sich von der Pritsche aufrichtet und den Kopf dreht, oder stöhnend von der Pritsche aufrichtet und mühsam den Kopf dreht.
Und ich finde es nicht immer eleganter, sich zu behelfen, z.B. durch "Sie richtete sich von der Pritsche auf und stöhnte. Das Drehen des Kopfes gelang ihr nur mit Mühe. Oder so …
Prologe abzulehnen hatte bisher insofern Sinn, alsdass Anfänger, besonders im Fantasybereich, dazu neigten, ihre Werke mit Prologen zu beginnen. Was ein Herr Tolkien vor ewigen Zeiten mal gemacht hat. Zu diesem Teil kann man stehen wie man will, ich hatte ihn gelesen und die Kuriosität der dort dargestellen Hobbits rettet ihn vor dem Vorwurf eines langweiligen Prologs, aber das sieht jeder anders!
Das Humorvolle sowie die andere Zeit mit anderen Lesevorlieben werden dabei aber vergessen, und so tümmeln sich unter „Prolog“ oft langweilige Abhandlungen über die Vorgeschichte des eigentlichen Buchs, was man stattdessen lieber in den Anhang verfrachtet hätte.
(Ich bekenne mich auch schuldig, aus Unwissenheit vor Jahren einen solchen Mist verzapft zu haben, als ich meine ersten Schreibversuche im Fantasy unternahm.)
Da kommen wir wieder zu den Schreibratgebern: Das ist der Grund, warum davon abgeraten wird. Der eigentlichen Geschichte wird etwas vorangestellt, das man nicht braucht.
Ganz anders sieht es aber aus, wenn in einem beliebigen Buch der Prolog eine Funktion hat, z.B. sieht man im Krimi/Thriller den Mörder am Werk, dann kommt Kapitel 1 und springt zu den Ermittlern.
Und die Funktion sehe ich bei @MiGra durchaus. Denn sie greift hier ja auf den Schluss zurück, weswegen ein Absondern dieses Kapitels als Prolog durchaus Sinn macht, fast schon „Pflicht“ ist. Niemand würde deswegen ihr Buch in den nächsten Container werfen (außer fanatische Schreibratgeberextremisten).
Wenn Testleser das bemängeln, dann weil sie diese Regel verinnerlicht haben, aber den Sinn nicht verstanden. Was aber immer noch besser ist, als wenn sie an ihren Prologen generell festhalten und Leser ins Koma schreiben.
Sobald der Prolog eine Funktion hat (und kein Vehikel für Infodump, effekthascherische Vorgeschichten etc. ist), ist nichts dagegen einzuwenden.
Vor Prologen wird aber auch gewarnt, weil sie gerade für Anfänger einige Gefahren bergen: Mit einem Prolog vornedran muss man seine Leser praktisch zweimal ködern
Eine wichtige Funktion eines Prolog kann z. B. auch sein, den Ton des Buches zu setzen.
Mein erstes Kapitel ist nicht repräsentativ für den Rest der Story. Mein Prolog hingegen stimmt schon einmal darauf ein, dass es später düster wird, während das Kapitel danach erstmal locker-flockig daher kommt.
Ich habe lange mit mir gerungen, unter anderem auch wegen mancher Meinungen aus dem Forum („Wenn ein Buch einen Prolog hat, lege ich es sofort wieder weg“), aber ich hatte immer das Gefühl, dass dann etwas Wesentliches fehlt.
Und die Lösung, den einfach Kapitel 1 zu nennen, funktioniert für mich auch nicht. Denn ich habe leider eine effekthascherische Vorgeschichte😅, die zugleich (einer der) Auslöser für den Beginn der Geschichte ist.