Kurzbesprechung "Alchemised" von SenLin Yu

Ich war neugierig und hab mir die Leseprobe von ‚Alchemised‘ gezogen, zum Glück habe ichs nicht gekauft. Da der Wälzer gute zwölfhundert Seiten stark ist, fällt die Leseprobe entsprechend lang aus, sie reicht jedenfalls dicke, um sich zu fragen, woher der ganze Hype mal wieder kommt.

Überschrieben ist das Ganze als ‚düstere Fantasy mit einer epischen Liebesgeschichte‘. Na ja.

Die Handlung in aller Kürze:
Die Protagonistin, letzte Überlebende des Widerstands aus irgendeinem Krieg, vergessen in Gefangenschaft. Durch Zufall gerät sie in die Hände des erbarmungslosen sozusagen-Geheimdienstchefs. Eingesperrt auf seinem eisernen Anwesen versucht sie, die letzten Geheimnisse des Widerstands zu wahren, während er versucht, mit alchemistischer Gewalt in ihren Kopf einzudringen.

Man ahnt schon jetzt, dass sich die ‚epische Liebesgeschichte‘ irgendwann zwischen den beiden entwickeln wird, eine Täter-Opfer-Beziehung, ein Thema, was ich immer verdammt problematisch finde.

Das Umfeld, in dem sich das alles abspielt, ist so richtig zum Abgewöhnen. Von Anfang an geht es um Folter und Tod, Hinrichtungen, Grausamkeiten aller Art, Menschenversuche mit Zuchtprogrammen, wiedererweckte Leichen und so einiges mehr, natürlich ausführlich beschrieben.
Ein Leckerbissen gefällig? So wurde ein toter General wiedererweckt und gezwungen, seine Frau zu töten, indem er Teile aus ihrem Körper herausschnitt und verspeiste. Mahlzeit. :nauseated_face:
Angeblich geht es in diesem Stil weiter durch das gesamte Buch.
Echte Spannung kommt nicht wirklich auf und wird lediglich durch neue Scheußlichkeiten zu erzeugen versucht.
Zur ‚Auflockerung‘ gibts dann immer wieder längere Abschnitte über die dortigen Verhältnisse, wo man diverse Namen, Begriffe und Sachverhalte geballt an den Kopf geknallt bekommt. Infodump wie er im Buche steht, ohne Glossar ist man da chancenlos.

Die Protagonistin wird in einer Tour gequält und gedemütigt, sie denkt eigentlich nur darüber nach, wie sie sich selbst umbringen könnte, damit die Geheimnisse nicht ans Tageslicht kommen. Von Anfang an gehts da heftig zur Sache (und nein, der Part mit den Vergewaltigungen kommt angeblich erst später), die Atmosphäre ist durchgängig trist, trübe, verzweifelt, hoffnungslos. Wie sich da eine Lovestory entwickeln soll, ist mir ein absolutes Rätsel, man sollte meinen, so sehr kann ein Stockholm-Syndrom doch gar nicht aus dem Ruder laufen.

Was mich aber am meisten wundert - und auch beunruhigt, ist die Tatsache, dass dieses Buch ein absoluter Renner ist und überall hoch gelobt wird.
Romantasy richtet sich ja hauptsächlich an ein jüngeres, weibliches Lesepublikum, was hat diese Generation, die diesen Schmöker so toll findet, nur für eine Vorstellung von Liebe, Partnerschaft und gutem Sex?

So langsam denke ich, ich bin zu alt für diese Welt.

P.S: die Leseprobe habe ich nach etwa 2/3 gelöscht.

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Mal wieder - man möge ich steinigen.
Ich habe es nicht gelesen, auch die Leseprobe nicht.
Ich wage zu behaupten, dass unheimlich viele Bücher (egal welches Genre) gezielt gepusht werden.
Wer steckt dahinter? Natürlich der entsprechende Verlag.
Ist das legitim? Hmm, wenn ein Produkt der größte Sch…ist, den man finden kann, ist so was nicht mehr legitim, dann ist es schlicht und ergreifend Verarsch…
Sieht man doch auch bei den unzähligen Literaturpreisen, die Jahr für Jahr vergeben werden.
Vor Jahren noch habe ich mich manchmal an den Preisträgern orientiert und das eine oder andere gekauft.
Alle, ohne Ausnahme alle der Bücher, die ich nach diesem Gesichtspunkt gekauft habe, gammeln weitestgehend ungelesen irgendwo vor sich hin.

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Auf der fbm gab es einen eigenen Event-Container auf dem Aussengelände, vor dem lange Schlangen standen.

Fresst Scheisse! Millionen von Fliegen können nicht irren.
Sorry. Mehr fällt mir dazu nicht mehr ein.

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Ich habe nachgeschaut und es gibt keine offizielle Altersempfehlung für diesen Roman. Wenn man sich diverse Stimmen dazu anhört, so liegt diese bei 16+ oder sogar bei 18+.
Ich finde es unverantwortlich, dass dieses Werk auch von jungen Leuten gekauft und gelesen werden kann.

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Ich habe das Buch interesseweise mal gegoogelt, ich habe bislang nur peripher davon bzw. von dem Hype gehört (ist auch überhaupt nicht mein Genre).

Schaut man sich die Amazon-Bewertungen an, sind sie überwiegend sehr positiv. @Gschichtldrucker: „Sch …“ ist für mich ein steiles Statement, ich finde es erstmal positiv, wenn und dass sich viele (und vermutlich auch viele junge!) Menschen für ein Buch begeistern. Das „Nicht-Lesen“ finde ich viel mehr „Sch …“, Leser sind für mich niemals „Fliegen“. Es ist und bleibt halt immer Geschmackssache. Das Spektrum der Literatur, die ich verschlinge, reicht von Autoren, die jedem Deutschlehrer das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen bis hin zu Werken, die ganz eindeutig ohne jeden höheren Wert sind. Bücher, die mir gefallen, finde ich auf beiden Seiten des Spektrums und Bücher, die ich weglege (oder von meinem Kindle lösche) ebenfalls.

Schöne Grüße an dieser Stelle an alle meine Deutschlehrer, die ich mal hatte :wink:

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Also aus der Sicht einer einer weiblichen Person der Gen-Z (viel Romantasy lese ich allerdings nicht):
Ich würde die Bücher tatsächlich mit Arztromanen vergleichen, nur, dass sie eben in einer Sprache geschrieben sind, die jüngere Menschen anspricht. Romantasy und Arztromane folgen meistens einem bestimmten Schema. Es ist vertraut, die Handlung ist immer ähnlich. Und bei Fantasy kommt eben dazu, dass es auch Katastrophen gibt, aber sie in einer anderen Welt spielen und wir uns nicht ernsthaft damit auseinandersetzen müssen, welche Auswirkungen das auf unsere Zukunft hat.
Es ist auch nicht außer Acht zu lassen, das Romantasyleser wohl die Buchbubble sind, die am meisten auf Booktok (Tiktok) aktiv ist (zumindest meiner Schätzung nach), einem Ort, wo sich Bücher (wie alles andere) einfach vermarkten lassen.
Alles ändert sich, auch die Art, was und wie gelesen wird.

Edit: Mein Vergleich bezieht sich nur auf die Begründung, wieso diese Bücher so beliebt sind.

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Ich meine, hier geht es nicht mal mehr um irgendwelche Werte, sondern um die Vermittlung von Weltsichten, die gerade für sehr junge Menschen nicht ganz ungefährlich sind.

Das war schon bei der Biss-Reihe so ein Fall, eine Protagonistin, die ohne ihren Macker absolut nichts gebacken und geregelt bekommt und ohne ihn niemals wirklich glücklich sein kann. Ein echt tolles Frauenbild wurde da vermittelt.

Und hier? Lass dich physisch und psychisch bis zum Anschlag quälen, denn darin liegt die große Liebe?

@Kibo, Arztromane sind harmlos, das hier ist imho dann doch eine ganz andere Hausnummer.

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Also das hat nichts mit Romantasy zu tun…der Trend zu Opfer-Täter Beziehungen greift schon lange um sich und wird für meine Begriffe immer extremer. Vor allem in der Literatur für junge Erwachsene. In meinem Buch sind auch Schockelemente, aber ich überschreite gewissen Grenzen nicht.
Ich habe Alchemised nicht gelesen und werde es auch nicht, weil ich diese Art der Fantasy, nicht oder egal welchem Genre zugeordnet, nicht mag

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Habe den Hype nicht mitbekommen, aber es klingt wirklich schräg. Möglicherweise Effekthascherei(Grausamkeiten a la Game of Thrones ). Es gibt so viel hochwertigere Fantasy bzw. SciFi.

Ich schreibe ja selber gerne aus Sicht weiblicher Protagonisten, die durchaus Probleme haben, aber immer sich um ihren Platz behaupten.

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Ich entschuldige mich für meine unflätige Ausdrucksweise, aber als Mensch, der seit mehr als viereinhalb Jahrzehnten mit den Opfern von Gewaltverherrlichung konfrontiert ist, fällt mir kein anderer Terminus mehr ein. Ich habe gar nichts gegen Romantasy und einfach gestrickter Literatur, aber sowas geht nun eben gar nicht. Gewalt gegen Frauen und Kinder darf beschrieben werden, muss es sogar manchmal, aber nie gerechtfertigt oder gar als normal angesehen werden, wie es manche dieser Machwerke tun. Wer hier schweigt - aus welchen Gründen immer - stimmt zu.

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Mir ist aufgefallen, dass Leserinnen meiner Umgebung eine sehr (und ich betone: sehr) deutliche Linie zwischen den Männern, die sie in der Realität lieben, und denen, die sie in Büchern lieben, ziehen.
Ich finde es aber auch problematisch, wenn Jugendliche diese Bücher lesen, die das nicht so einschätzen können.

gerade Game of Thrones würde ich der hochwertigen Fantasy zuordnen. Die Figuren darin haben alle Tiefgang und sind großartig gezeichnet, genauso die Welt, in der es spielt. Dass es kein Ponyhof ist, ist klar, aber all die Schrecklichkeiten, die dort passieren, haben tiefgreifende Ursachen und sind Bestandteil der Story, die sonst gar nicht funktionieren würde.

Bei Alchemised sind die Grausamkeiten die Story - und sehr viel mehr ist es nicht.

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Meine erste Antwort war auch auf die Frage, wieso diese Bücher so gehypt sind, bezogen. In diesem Punkt habe ich die beiden Genres vergleichen, also in ihrem Aufbau, nicht in den Themen, die sie behandeln.

Das ist erfreulich zu hören, ich frage mich trotzdem, warum man dann so eine wirklich kranke Täter-Opfer-Beziehung in einem Buch so toll finden kann?

Ich gehe davon aus, dass die langen Schlangen nicht aus Lesern bestehen, die wissen, worauf sie sich inhaltlich einlassen, sondern sich von einer Art Massenhysterie haben infizieren lassen, die das äußere Erscheinungsbild innig liebt. Hach, und der Buchschnitt erst … Ein Buch zum Anschauen im Regal. Ich möchte nicht wissen, wie wenige es tatsächlich bis zum Schluss lesen.

Die Diskrepanz ist mir auch so unverständlich. Da gibt es die gleiche Zielgruppe, die jedwedes ernste (realistische) Thema für ihre Kinder rigoros ablehnt, sich aber selbst im Dark-Reich pudelwohl fühlt. Oder stimmt mit mir etwas nicht? Gut möglich!

Und dem stimme ich voll und ganz zu.

Ich habe versucht, zu erklären, wieso Menschen diese Form der Bücher gerne lesen möchten, beziehungsweise die Erklärung zu liefern, die ich mir selbst über die Zeit gegeben habe, weil ich es so unverständlich finde, dass sie gelesen werden. Dass diese Bücher absolut Grenzüberschreitend sind, steht natürlich außer Frage.
Falls das in meinen ersten Beiträgen so rüber gekommen ist, als wäre ich da anderer Meinung, tut mir das ehrlich leid.

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Erstens ist Romantasy oder Fantasy keine einfach gestrickte Literatur…ganz im Gegenteil, da gibt hervorragend und komplexe Bücher. Zweitens: Ist das keine Romantasy was Kibo da beschriebt, sondern sogenannte Dark Fantasy oder in den anderen Genres heißt es dann: Reverse Harem, Spice etc
Diese Verherrlichung des Stockholmsyndroms ist mir ebenfalls unbegreiflich, liegt aber absolut und das schon länger im Trend

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Ich fürchte, die ziehen es sich bis zum bitteren Ende rein.
920 Bewertungen beim großen A, 78% 5 Sterne, 14% 4 Sterne.

Soweit ich es mitbekomme, sind die Grenzen da etwas fließend und Romantasy-Leser wechseln ohne weiteres auch mal zur Dark Fantasy rüber.

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Gute Dark Fantasy sind für mich „Witcher“ Romane, oder auch Enwor von W. Hohlbein.

Effekthascherei a la Game of Thrones meinte ich auf die Serie bezogen. Viele haben sie gerne gesehen, weil sie so viele Protagonisten *verliert" und Grausamkeiten visualisiert (mir immernoch unklar, warum das ab 16 ist)

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