Kritisieren... Wie geht ihr da ran?

Hallo zusammen,

Ich hatte heute hier zwei wahre Aha-Erlebnisse, einmal, wie @Stolpervogel Patrick Rothfuss’ Prolog als ‚keinen echten Prolog‘ enttarnt hat (WTF :laughing: slight_smile: und dann als ich @Yoro 's Kritik von @Lisella 's Prolog gelesen habe :slight_smile:thumbsup:slight_smile: Beide male saß ich mit großen Augen vor dem Bildschirm und habe mich gefragt, wie ich das auch lernen könnte…

Jetzt meine Fragen:

Wie geht ihr an einen Text ran, den ihr kritisieren wollt? Welche Fragen habt ihr dabei im Hinterkopf? Worauf legt ihr den Fokus? Und geht ihr an alle Texte so ran? Hinterfragt ihr auch die Bücher, die ihr lest?

Ich selbst würde das gerne auch besser können, dann würden mir vielleicht auch Probleme in meinem Text auffallen. Seit ich die Sessions mit Brandon Sanderson bei Youtube durchgehe habe ich schon das Gefühl, dass meine Texte etwas besser geworden sind (weniger leere Sätze und mehr Fokus auf Charakterentwicklung und meine Promises, die ich mache.
Wenn ich dann lese, was ich geschrieben habe, denke ich mir meistens … Joa, ist schon geil… Aber vermutlich ist da noch viel Luft nach oben. Also habt ihr Tipps, wie man rangehen sollte, um einen Text zu kritisieren. Insbesondere auch den eigenen?

Ich wäre dankbar.

Schöne Grüße, Vanessa

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Hi,

gerade im Bezug auf den eigenen Text stelle ich mir ständig Fragen, die ich auch festhalte pro Kapitel und evtl. auch pro Szene, je nach Länge.

Einfaches Beispiel (exemplarisch aus der Luft gegriffen): Ich möchte eine Geschichte über einen Sonnenuntergang schreiben an einer Straße, auf der jemand Fahrrad fährt. Ich schreibe den Text, den ich im Kopf habe, hin.

Dann geht es mit den Fragen los:

  1. Runde:
    Habe ich den Sonnenuntergang erwähnt? Habe ich die Straße erwähnt? Habe ich erwähnt, dass meine Figur auf einem Fahrrad sitzt?
  2. Runde:
    Ist es wichtig, ob der Sonnenuntergang im Sommer oder im Winter stattfindet? Oh! Der Winter gefällt mir viel besser. Aber daraus ergibt sich eine neue Frage: Ist die Straße glatt? Wie geht die Figur mit der Glätte um?

Und so weiter und so fort. Gegebenenfalls verschiebe ich die Beantwortung einer offenen Frage ins nächste Kapitel (Szene). Wenn alle Fragen beantwortet sind, ist die Geschichte (das Kapitel / die Szene) inhaltlich fertig. Dann kommt der Feinschliff in die Formulierung. Dann die Rechtschreibkorrektur, Grammatikfehler, etc.
Wenn ich eine runde Story fertig habe, gebe ich sie anderen zur Kritik, die dann wieder Fragen stellen oder Anmerkungen haben.

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Ich unterscheide unbedingt zwischen der Kritik von fremden Büchern und der Kritik am eigenen Manuskript.

Wenn ich andere kritisiere, ist meine Reihenfolge:

  • Was gefällt mir daran nicht? Warum?
  • Woran liegt es, dass es mir nicht gefällt, wie kann ich das sprachlich ausdrücken?
  • … und dann kommt der schwierigste Teil, wenn man den zu Kritisierenden kennt: diplomatisch und freundlich formulieren, das Positive lobend erwähnen. Nochmal über die Kritik drüberlesen und alles löschen, was nicht ermutigend oder konstruktiv ist. Statt „XY finde ich aus diesem Grund schlecht“, zu schreiben „XY würde meiner Meinung nach besser dadurch, dass man dieses und jenes in folgende Richtung abändert.“ :zipper_mouth_face:

Für mein eigenes Manuskript habe ich mir folgende Vorgehensweise überlegt:

  1. Zuerst komplett eine erste Fassung fertig schreiben!
    Stilanalyse etc. habe ich ausgeschaltet und Formulierungen, die mir beim Schreiben schon nicht gefallen, bekommen kurz eine gelbe Markierung und als Geistertext [Ich liebe Geistertext, danke, Papyrus!] einen kurzen Kommentar. Nach meiner Kommentar-Notiz [Beispiele: „schüchtern“ trifft es nicht ganz/ schon wieder „wirklich“ verwendet/ das muss gefühlvoller werden/ genauer recherchieren] schreibe ich flüssig weiter, statt mich jetzt schon an Feinheiten festzubeißen. Sonst hätte mein Manuskript niemals eine Chance, fertig zu werden.
  2. Ich habe mir 4 Personen aus meinem Familien- und Freundeskreis überlegt, die ich bitten werde, die erste Romanfassung zu lesen und dabei am Rand jeder Szene zu notieren, ob und warum die inhaltlich gut oder schlecht ist, ob sie ins endgültige Buch hineinsollte oder lieber rausgekürzt.
    Ich werde diese 4 Personen dann auch bitten, mir ein Feedback zur Handlung und insgesamt zum Buchinhalt zu geben, hoffentlich auch noch zusätzliche Ideen, aber noch keine Kommentare zur sprachlichen Schönheit oder zu grammatikalischen Feinheiten.
    Das sind alles kluge Menschen, die werden bestimmt konstruktive Tipps zur Romanhandlung und den Inhalten haben.
  3. Dann wird ganz von vorne angefangen, eine zweite Fassung geschrieben, die inhaltlich das Feedback meiner Freunde berücksichtigt.
  4. Wenn die zweite Fassung fertig ist und ebenfalls 2 bis 4 inhaltliche Testleser hatte, dann erst werde ich anfangen, die Szenen, die die inhaltliche Kritik überlebt haben, feiner zu überarbeiten, also von vorn eine dritte Fassung schreiben.

Vieles ist mir schon selbst aufgefallen, das notiere ich auf Notizzetteln auf der Papyrus-Pinnwand. Beispielsweise, dass meine weibliche Hauptperson zu oft nur Stichwortgeber ist, dass ich zu selten die Atmosphäre und die Umgebung beschreibe, dass ich zu lange belehrende Passagen drin habe.
Ich habe aber jetzt keine Lust, eine lange belehrende Passage schmerzhaft tagelang vorsichtig zu kürzen, oder mir jetzt mühsam die ganze Umgebung und Atmosphäre einer Szene aus den Fingern zu saugen, wenn mir später vielleicht ohnehin 4 Leute sagen werden: „Schmeiß diese Szene ganz raus.“
Vor allem könnte ich mich zwar jetzt schon sehr gut wochenlang mit einer einzigen Szene beschäftigen, aber dann würde das Gesamtwerk niemals fertig.

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Hallo Vanessa,

wenn ich einen Text kritisiere, schaue ich zum einen natürlich auf Rechtschreibung/Grammatik, zum anderen bleibe ich oft auch bei Formulierungen hängen, die für mich noch nicht „rund“ klingen, oder die ich als umständlich empfinde. Das ist natürlich aber oft auch eine Stilfrage.
Dann schaue ich auf den Textfluss. Sind die Sätze zu kurz, zu lang? Kann man sie evtl. verbinden, damit es organischer klingt, oder aufteilen, damit sie leichter verständlich werden?
Gleichzeitig behalte ich das Inhaltliche immer im Blick. Verhalten sich die Figuren nachvollziehbar? Muss irgendwo die Motivation noch deutlicher herausgearbeitet werden? Sind die Bewegungen, Gegenstände, Orte innerhalb der Szene stringent oder hat jemand am Anfang eine Zigarette in der Hand, die er sich später erst anzündet? Solche Sachen.
Ich versuche auch, darauf zu achten, dass die Wortwahl sich über den gesamten Text gesehen nicht wiederholt und natürlich wird auch immer gescannt, ob dieser oder jener Satz nicht eigentlich auch raus kann. :kissing: Ein guter Kandidat sind auch immer Absätze, die an sich prima sind, aber an der Stelle, wo sie stehen, irgendwie nicht passen. Oft ist dann schon viel geholfen, wenn man die einfach an eine andere Stelle schiebt. Dann freu ich mich immer wie ein Schnitzel.

Das passiert bei mir auf jeden Fall alles gleichzeitig, wenn ich einen fremden Text bearbeite. Bei meinen eigenen läuft das z.T. schon während des Schreibprozesses. Aber natürlich geht es mir wie den meisten, dass ich bei meinen eigenen Texten solche Fehler auch einfach nicht sehe. Da bin ich also auch auf „fremde“ Augen angewiesen.

Und ja, leider hinterfrage ich alle Bücher auf diese Art, wenn ich sie lese. Ich kann das einfach nicht abstellen. Wenn ein Buch nicht sehr gut geschrieben ist, fällt es mir schwer, mich darin zu verlieren, einfach weil mich oben genannte Dinge sofort rausreißen. Ich hab gefühlt immer den Rotstift in der Hand.

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ScherSteinPapier hat ziemlich genau das getroffen, was auch ich schreiben wollte.
Meine Rangfolge bei fremden Texten ist Rechtschreibung/Grammatik, Satzbau, Lesefluss, Logik.
Bei eigenen Texten ist es Satzbau, Lesefluss, Logik. i-Tüpfelchen wäre, wenn es “schön”, poetisch oder gut gelungen klingt. Aber dazu braucht es die Stimme von außen.
Und ja, bei manchen Büchern fallen mir Wortwiederholungen oder “unelegante” Ausdrucksweisen auf, die ich anders geschrieben hätte.
Im Moment bin ich mit “Beneath a Scarlet Sky” von Mark Sullivan fast durch und hätte das Buch um ein Viertel gekürzt. Dort wechseln Langeweile und Spannung sich ab, deshalb bin ich noch dabei. “Früher” hätte ich über so etwas nicht nachgedacht.

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So geht es mir mit Umberto Eco. Ich lese über das Beiwerk hinweg, weil der Rest toll geschrieben ist. Das Buch ist witzig, langweilig, langatmig, spannend, überaus unterhaltsam, erstunken und erlogen wie bei Münchhausen. Eine ungewöhnliche Mischung, die vielleicht gerade dadurch viel Spaß macht.

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Zuerst lese ich mir einen Text durch und lasse ihn auf mich wirken, erstmal so unvoreingenommen wie möglich und ohne Fragen im Hinterkopf. Dabei merke ich dann schonmal, guter Text mit wenigen Schwächen bis hin zu weniger gelungener Text mit viel Verbesserungspotenzial.
Dann schaue ich genauer, worüber ich im Einzelnen gestolpert bin, von Rechtschreibung bis hin zum logischen Gefüge, was finde ich besonders ge- oder auch misslungen, was würde ich ändern und vor allem, warum. Und wenns geht (und mir welche einfallen), mache ich auch Änderungsvorschläge. Nicht, damit die dann unbedingt so übernommen werden, sondern um weitere Möglichkeiten zu zeigen, an eine Textstelle heranzugehen.
Ich hab ja früher viel für eine größere Literaturseite rezensiert und dabei eine Menge gelernt, vor allem, dass man so ziemlich jede getätigte Aussage (besonders bei Kritik) ausführlich begründen muss. Das finde ich für ein Schreibforum wie unseres hier besonders wichtig.

Es erfordert Übung, in einem fremden Text genau die Schwachstellen zu finden und den Finger drauf legen zu können, außerdem macht es Arbeit, Mühe und kostet Zeit.
Trotzdem lohnt es sich für die eigene Schreibe immens, denn nach einiger Zeit fängt man an, sämtliche Bücher anders zu lesen. Da überlegt man dann automatisch, Mensch, wie macht der das nur, dass seine Figuren so lebendig wirken - und man kommt immer schneller dahinter, entdeckt so manche Muster, Zusammenhänge, Tricks und Kunstgriffe, den man sonst immer überlesen hat.

Tja, bleibt noch die Frage, wie man seine Kritik dann formuliert.
Ich gebe meine Anmerkungen ziemlich hart und direkt von mir, meine ehrliche, ungeschönte Meinung, wie ein Text bei mir angekommen ist. Immerhin kann man bei mir sicher sein, dass ich keine höflich-diplomatische Ego-Streichelkritiken raushaue. Als Autor braucht man ein dickes Fell, und besser, man bekommt seine Textprobe hier um die Ohren gefetzt, als bei Amazon in Form von wirklich üblen Verrissen, die dann auch gerne mal persönlich werden und unter die Gürtellinie gehen.

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Wenn ich den Text von anderen korrigiere, dass versuche ich meine Kritik so schonungslos ehrlich wie möglich zu äußern. Ich selbst sehe mich dabei aber nicht als Kritiker, denn weder habe ich das studiert oder gelernt, noch arbeite ich in dem Metier. Aber ich bin ein Leser. Ich lese sehr schnell und jedesmal wenn mich ein Text aus dem Leseflow reißt, dann schaue ich woran es lag. War der Satz zu verschachtelt, oder durch falsche Grammatik der Inhalt nicht sofort greifbar, oder wurde einfach ein Wort benutzt was so unüblich und unpassend gewählt wurde, dass es einen beim Lesen direkt rausreißt.

Natürlich schaue ich auch auf die Rechtschreibung und Zeichensetzung, aber das eigentlich nur nebenher. Mir ist es wichtig, dass ein Text verständlich ist und dass ich ihn als Leser greifen kann. Es ist wichtig, dass alles stimmig ist und dass sich keine Logikfehler einschleichen.

Auch halte ich es so, dass ich meine Kritikpunkte immer weitestgehend ausführe und erkläre, warum mir gerade dieses oder jenes nicht passt. Und ich bin sogar so lieb und zeige Alternativen, oder gebe zumindest einen subjektiven Verbesserungsvorschlag.

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Ja, so ähnlich wie Enstille gehe ich auch vor. Wenn mich etwas aus dem Lesefluss reißt, dann halte ich inne und überlege, woran es liegt.
Oder wenn ich von einem Protagonisten, der mich die ganze Zeit ans Buch gefesselt hat, abschweife. Meist liegt es daran, dass irgendetwas unnötig erklärt wird, was ich entweder schon weiß oder im Moment mehr einen Infodump darstellt.
Wichtig ist mir wirklich das Eintauchen in die Geschichte. Wenn ich draußen bleibe oder immer noch mit dem Text in der Hand in meinem Raum sitze, dann stimmt war nicht.

Bei Adjektiven halte ich es wie mit dem Zucker im Kuchen: Ohne schmeckt’s nicht, mit zu viel wird’s zu süß. Aber das ist wohl Geschmackssache.
Logikfehler werden auch angemerkt. Da bin ich sehr kritisch. Für mich muss auch die Sprache zum Setting passen. In meinem Werk habe ich verschiedene Vokabulare, wenn ich Szenen bei meinen beiden Völkern schreibe. Das Naturvolk holt ihre Metaphern aus der Natur, während die Drachenreiter auch technische Begriffe verwenden. Wenn ich lektoriere, versuche ich mich in das Setting der Geschichte einzufinden und prüfe, ob die Sprachwahl dazupasst. Was mir auffällt, merke ich an.

Bei Fantasy achte ich auf das Worldbuilding. Hab schon mal Autoren auf den Zahn gefühlt, warum die Leute diese Fähigkeit haben und warum die anderen es nicht haben. Oder warum müssen zwei Magier von zwei verschiedenen “Häusern” zum Beispiel immer zusammenarbeiten, wenn etwas besonders gut gelingen soll (hab ich mir jetzt auf die Schnelle ausgedacht, im besonderen Fall ging es um Zusammenarbeit anderer Personengruppen). Wenn dann keine Antwort kommt, bin ich enttäuscht. Ich würde immer gerne etwas über die “Evolution” dieser Welt erfahren, warum sie so exisitiert, wie sie existiert. Auch mein High-Fantasy-Roman hat eine Historie, die das Gefüge der Welt erklärt. Für mich muss das passen. Kann also sein, dass ich in Kommentaren auf den Zahn fühle, warum die Welt so ist, wie sie ist.

Klar, Rechtschreibung, Grammatik und Interpunktion korrigiere ich auch, aber meist kommentarlos.

Ich “meckere” viel rum, fordere aber nicht, dass es unbedingt geändert werden muss. Es sind lediglich Vorschläge, die ich gebe. Manchmal will ich den Autor auch einfach zum Nachdenken oder Überdenken anregen. Das erwarte ich übrigens auch von jemandem, der meinen Text unter die Lupe nimmt. Ich habe nichts davon, wenn ich ihn unkommentiert zurückbekomme mit den Worten “war gut”. Das bringt mir nichts.

Aber eins ist mir sehr wichtig: Es muss fair bleiben. Auf beiden Seiten. :slight_smile:

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Gerade Sanderson hat mal erzählt, dass er sechs oder sieben Revisionen von jedem Buch macht.
Leider weiß ich nicht mehr, ob das letztes Jahr war, oder ob Du dafür weiter zurück mußt.

Diesen Rat findest Du häufig und er hat einen ganz einfachen Grund: Dein Gehirn kann nicht alles
auf einmal, dann verzettelst Du Dich. Außerdem hat es wenig Sinn, die Zeichensetzung zu korrigieren in
Szenen, die später rausfliegen.

Kritik in einem Forum ist notgedrungen immer oberflächlich. Der Kritiker kann noch so gut sein,
aber er hat nur einen kleinen Teil des Textes. Mit den ersten zwei Seiten kann Dir niemand sagen,
ob Deine Charakterentwicklung überzeugend ist. Also suchen sich Leute Kritikpartner, die dann
ganze Werke durchgehen.
Mit kurzen Ausschnitten kann man eben selten viel mehr kontrollieren, als Rechtschreibung
und Zeichensetzung. Bei ganzen Szenen kann man noch sagen, ob die Szene einzeln funktioniert,
überzeugt, oder eben nicht.

Für mich ist Kritik an meinen eigenen Texten grundsätzlich einfacher. Die kann ich großflächig rot
anmalen und es gibt auch wenig Schwierigkeiten in der Kommunikation.
Kritik an anderen ist schwieriger, weil Du mindestens zwei Leute hast. Da mußt Du schon sehr genau
überlegen, was Du sagst und was zum aktuellen Zeitpunkt überhaupt hilfreich ist. In der Regel
willst Du ja den Nachwuchs auch nicht demotivieren. Also ist die Wahl des richtigen Maßstabs
eine große Herausforderung.

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This! Für mich war diese Methode neu und dann hatte ich mich aber eingehender informiert und muss sagen, dass ich das Konzept wirklich gut finde. So hat man eine Person, die den kompletten Roman seit der Entwicklung kennt und die einem eher bei Betriebsblindheit auch mal Schwächen aufzeigen kann, wenn man sich mit dem eigenen Charakter verzettelt. Das ist ja das Gute daran … die Person ist zwar “drin” in der Story, hat aber genug Abstand dazu, um effektiv und kritisch mit Dir umzugehen.

Eine Vertrauensbasis sollte aber da sein.

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Ich kann hier die Kurse der Bundesakademie für Autoren in Wolfenbüttel sehr empfehlen. Die Kurse sind nicht teuer (200,- / Wochenende incl. Kost und Logi) und haben mir sehr viel gebracht, anderen, von denen ich darüber berichtet bekommen habe, auch.

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Wer solche Menschen in seinem Umfeld hat, ist zu beneiden. Diese Form von ‘Begleitung’ kostet den ‘Lektor’ schon sehr viel Zeit und Hirnschmalz, und weil meistens ohne Gegenleistung, sehr viel Eigenantrieb.

Ich selbst habe beim Kritikäußern immer ein bisschen Bauchschmerzen. Irgendjemand erwähnte mal an anderer Stelle im Forum, dass Autoren als Lektoren nicht so gut geeignet seien, weil sie dazu neigen, anderen ihren eigenen Stil überzustülpen. Aus diesem Grund halte ich mich mit konkreten Vorschlägen z.B. bei Formulierungen eher zurück, sondern versuche mich auf die Emotionen zu beschränken, die ich beim Lesen empfunden habe. (Wie Sanderson es für Schreibguppen ja auch empfiehlt).
Und wenn etwas Unlogisch wird, dann kann ich mich auch nicht zurückhalten. Aber das ist dann ja auch schachbezogen und hat nichts mit dem persönlichen Stil zu tun.
Generell finde ich es gut, wenn mit der Bitte, etwas zu lesen, ein oder zwei konkrete Fragen gestellt werden, z.B. zu einer bestimmten Figur oder ob eine Wendung an dieser Stelle glaubwürdig ist. Dann weiß ich, wo meine Meinung erwünscht und hilfreich ist und kann sie freimütiger äußern.

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Hm, ich habe ein paar Buddys um mich herum. Autorenfreunde, die meine Texte lektorieren und deren Texte ich lektoriere. Das ist ein Geben und Nehmen. Und wir schenken uns nichts. Was uns nicht gefällt, das streichen wir auch an. Und es ist sehr fruchtbar.

In einem Autorenkreis, der nicht online, sondern real stattfindet (dank der niedirigen Inzidenzen jetzt glücklicherweise wieder) haben wir mal ein sehr interessantes Spiel gemacht. Unsere Gruppenchefin hat uns Szenen aus 42 veröffentlichten Büchern präsentiert. Sie hat nicht gesagt, aus welchen Büchern die Szenen waren, nur dass die Bücher zu einem Teil im Großverlag, zu einem Teil im Kleinverlag und zu einem Teil im Selfpublishing erschienen sind. Und wir hatten die Aufgabe, nun “Verleger zu spielen”: Welche Szene hat welche Qualität? Würden wir die Story verlegen wollen? Wo ist es wohl erschienen? Die Qualität hatte 5 Stufen: “bestsellerverdächtig”, “sehr gut zu lesen”, “Mittelmaß”, “noch erträglich” und “grottig”.
Das war eine hervorragende Übung, von der ich immer noch zehre: Wir haben über jeden Text diskutiert, haben den Stil erforscht und den Inhalt bewertet. Nachdem wir unsere Qualitätseinschätzung gegeben hatten, wurde aufgelöst, aus welchem Buch der Text war und wo er verlegt wird.
Tja, was soll ich sagen: Die Großverlagsbücher waren nie schlechter als “Mittelmaß”. SP war leider sehr oft zwischen “noch erträglich” und “grottig”.
Die SP-Texte, die über das Mittelmaß hinausgingen, gab es auch, aber bei denen haben wir erfahren, dass der/die Autor(in) mittlerweile in einem Großverlag untergekommen ist. Die Texte der Kleinverlage waren nur minimal besser als die SP-Texte. - Leider. Hätte mir mehr erwartet.
Durch die Diskussionen mit den anderen Autoren über die Texte habe ich viel gelernt. Eine Zeitlang war ich sogar überkritisch mit meinen eigenen Texten. Und es hat gedauert, bis ich mir auch wieder mal Entwürfe zugestanden habe. Aber ich habe auch gelernt, dass ein guter Text ohne gutem Lektor nicht möglich ist. Aber was ist ein guter Lektor? Nicht jeder Lektor ist geeignet. Er muss auch das Genre mögen und irgendwie schon wie der Autor “ticken”, damit ein Workflow entstehen kann.

Habe zwei Bekannte, die ich wirklich sehr schätze. Die eine Dame ist sehr kritisch, aber mit ihren Anmerkungen komme ich gar nicht klar. Sie denkt ganz anders als ich. Vielleicht ist das auch eine Generationen-Geschichte. Die andere ist sogar beruflich Lektorin, aber bei einem Test-Lektorat haben wir beide gemerkt, dass es zwischen uns nicht “funktioniert”, auch wenn wir uns sonst sehr gut verstehen. Unsere Genre-Vorlieben sind zu unterschiedlich.
Aber - wie gesagt - ich habe auch zwei (drei) Buddys, denen ich “blind vertraue” und denen ich auch sehr gerne lektoriere. Gerade habe ich wieder zwei Texte auf dem Schreibtisch. Und ich revanchiere mich bei ihnen sehr gern. Ich habe die “drei” in Klammern geschrieben, weil Nummer drei gerade Mutti geworden ist und Textarbeit für sie in der nächsten Zeit im Hintergrund weilt.

Beim Kritisieren habe ich keine Hemmungen. Wir wissen, wie wir die Kritik des anderen auffassen müssen. Und was nicht gefällt, kommt halt wieder weg.

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Es gibt natürlich immer Ausnahmen, aber im Grundsatz sehe ich das auch so. Ein professioneller Leser (=Lektor) ist was anderes als ein professioneller Schreiber (=Autor). Und ich wäre so jemand, der will, dass alle so schreiben wie ich … :kissing:

Ein gutes Grundprinzip bei der Textkritik ist, sich als Lektor auf die Kritik zu beschränken: „Das und das ist mir aufgefallen / funktioniert für mich nicht … an der Stelle fand ich’s langatmig … da habe ich nicht verstanden, warum X das zu Y sagt …“

– und wie das dann zu lösen bzw. ob es überhaupt ein Problem ist, das zu entscheiden ist dann Sache des Autors.

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Öh huch …? Nö, das war ich glaube ich recht sicher nicht.

Im Gegenteil fand ich in der von mir hochgeschätzten Bundesakademie für Autoren in Wolfenbüttel die Autorenrunden mit wechselseitiger Kritik immer hoch befruchtend (auch wenn man oft mit hoch roten Ohren über dem eigenen frisch zerpflückten Text saß und froh war, wenn der Nächste dran war :wink: ).

Dennoch, da hat Andreas dann Recht, ist ein Profi-Lektor noch einmal eine ganz andere Hausnummer - die Erfahrung darüber, was Autoren so alles falsch machen, ist für ein Profi-Lektorat sicher Gold wert. Wie auch, sich zu beschränken und die Fantasie des Autors zu beflügeln.

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Ja, das stimmt schon, dass manche versuchen, einem den eigenen Stil überzustülpen. Das hat die Dame gemacht, wo ich einen Generationenkonflikt vermutete. Ich hatte meine Geschichte komplett nach ihrem Lektorat umgebaut und habe mich im Text selbst nicht mehr wiedergefunden. Glücklicherweise gibt es bei Papyrus ja Backups, und ich bin zu meiner Ursprungsversion zurückgekehrt. Hab mich bei ihr bedankt und mich aber auch entschuldigt, dass ich ihre Anmerkungen nicht annehmen kann, weil sie meinen Stil zerkloppen.
Aber das passiert mir bei meinen Buddys nicht. :slight_smile: Ganz im Gegenteil, nach ihren Bemerkungen finde ich den Text oft viel runder.

Wie schon geschrieben, es muss passen, wenn Autoren sich gegenseitig lektorieren (imho).

Was ich noch nicht erwähnt habe: Diese Lektorate sind für mich eigentlich nur Vor-Lektorate, um den Text überhaupt einer Agentur oder einem Verlag präsentieren zu können. Selbstverständlich muss auch noch ein professioneller Lektor draufschauen.
Auch wenn ich ins SP ginge (und das werde ich wohl leider tun müssen…), würde ich einen Lektor engagieren. Mal sehen, ich habe da so ein paar im Auge. :wink: Aber erst mal muss der Text ja fertig sein. :heart_eyes:

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Er hat auf jeden Fall erwähnt, dass er das erst lernen musste und es nicht gerade leiden mag. Ich ziehe echt viel aus seinen Stunden. Ich komme mir schon viel weniger planlos vor und hinterfrage meinen Text bezüglich Plot und Charakterentwicklung mehr als zuvor. Kann ich jedem nur empfehlen, vor allem denen, die sich mit dem „Handwerk“ noch nicht auseinandergesetzt haben, so wie ich.

Wie findet man da jemanden? Ich habe in meinem persönlichem Umfeld niemanden, der meiner Leidenschaft nachgeht. Eine gute Bekannte ist Bibliothekarin und hat schon angeboten, meinen Text zu lesen, aber sie liest vorwiegend Krimis und Thriller. Meine Kollegin liest gegen bzgl. Rechtschreibung und Zeichensetzung.
Aber so eine Kooperation wäre toll. Nur dumm, wenn ich als Gegenleistung nicht mehr als „gefällt mir - oder eben halt nicht“ zu bieten hätte… Ich werde mich da mal reinfuchsen, bis ich mit der Erstfassung fertig bin, habe ich dann vielleicht auch mehr zu bieten :smiley: Das mit der Bundesakademie für Autoren, was Ulli angebracht hat, schaue ich mir mal an, ob mich das catcht.

Vielen Dank schon mal für eure Rückmeldungen, das ist hilfreicher Input. :thumbsup:

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Ich persönlich gehe da etwas selbstzerstörerischer ran und das ist auch durchaus mit Vorsicht zu genießen. Ich erwähne es trotzdem, weil es ein recht exzentrischer Ansatz ist.

Wichtig ist bei der Selbstkritik erst einmal, dass ich Abstand gewinne. Ich lasse es mindestens eine Woche liegen, lese es nicht, denke nicht daran, widme mich vollkommen anderen Dingen. Essentieller Punkt, meiner Meinung nach. Wenn ich noch zu sehr in die Geschichte und das Schreiben involviert bin, fallen mir bspw. Logiklöcher und anderes einfach nicht so schnell auf.

Und dann, tja … das darf man eigentlich keinem wirklich empfehlen, aber dann gehe ich in den totalen Lästermodus. Der komplette Text ist Müll und der Kerl, der ihn geschrieben hat, boah, der nervt mich eh schon lange. Je abstruser man kritisiert, desto besser.

Zuletzt hatte ich folgenden Gedankenmonolog, sinngemäß: So viel Bla, wer liest sich diesen Absatz durch? Der Satz geht über vier Zeilen, der redet ohne Luftholen. Warum macht der Protagonist denn das? Puh, wirkt arg konstruiert. Das hab ich doch schon mal irgendwie gehört? Ist das nicht aus diesem Film? Okay, warum hat er das jetzt geschrieben … bringt das irgendwie die Story weiter?

Der innere Kritiker, den ich einfach habe, darf sich mal austoben, bevor er wieder ins Schächtelchen zurückmuss.

Danach geht man alle Punkte nochmal durch und schaut, wo man recht gehabt haben könnte und wo man einfach nur unfair zu sich selbst war.

Dabei NIE VERGESSEN, dass es bloß ein Rollenspiel ist. Sonst blockiert man sich am Ende nur selbst, wenn man etwas sensibler ist (wie das viele SchreiberInnen ja durchaus sein können).

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Ich würde zuerst die erste Romanfassung fertigschreiben.
Wenn man dabei schon jeden Satz hinterfragt, hemmt das und man verzettelt sich, jedenfalls würde mir das so gehen.
Für mich steht fest, dass ich mir erst nach der ersten Fassung konkrete Kritik, Tipps und Input holen, die Stilanalyse einschalten und mit der “Hinterfragerei” anfangen werde.
Mir ist es viel lieber, eine Sache (1. Fassung) fertig abgeschlossen zu haben und dann nochmal ganz von vorn mit dem nächsten Projekt (2. Fassung) zu beginnen, als zuviel gleichzeitig zu versuchen.

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