"konfliktarmes" Buch ist das Ziel - habt ihr Tipps für Struktur und Exposé?

Hallo ihr Lieben,
ich schätze, ich muss ziemlich weit ausholen, um mein Problem und meine Überlegungen halbwegs verständlich darzulegen. Habt bitte Geduld mit mir…

Wo ich gerade stehe:
Die dritte Überarbeitungsrunde meines Manuskripts steht an, und zwar schon seit einem halben Jahr. Ich weiß leider nicht recht, wie ich die Überarbeitung anpacken soll.

Problem und Zielsetzung für die nächste Überarbeitungsrunde:
Eine Testleserin hatte mir die Rückmeldung gegeben, dass mein Roman zu viel, zu kompliziert, zu unübersichtlich sei für das Genre „heiterer Roman“.
Mein Ziel ist jetzt, mehr Struktur hineinzubringen und die roten Fäden besser herauszuarbeiten, damit das Lesen einfacher wird und mehr Spaß macht.

möglicher Ansatz, über den ich nachdenke:
Jemand hatte mir in einem anderen Thread vorgeschlagen, ein Exposé nur für mich selbst zu schreiben, um mir über die Struktur des Buches besser klar zu werden.

Besonderheiten meines Buchs, die ich auch so haben will:
Die Geschichte setzt sich aus vielen einzelnen kleinen heiteren Urlaubserlebnissen zusammen.
Konflikte gibt es kaum, und soll es auch kaum geben. Ich will nicht unbedingt Spannung erzeugen, sondern gute Laune.

Vergleich meines Romans mit einem meiner Lieblingsbücher - „Die Kinder aus Bullerbü“:

Tja, im Gegensatz zu mir schafft es Astrid Lindgren, mit guter Laune und ohne große Konflikte, trotzdem, in vielen einzelnen Erlebnissen eine klare Linie und in jedem Kapitel einen Spannungsbogen zu haben.

Ich habe in meinen drei Handlungssträngen zwar schon eine gewisse Spannung über das Buch hinweg … In einem heiteren Liebesroman ist dem Leser natürlich klar, dass sich die beiden Verliebten am Ende kriegen, trotzdem ist mir da ein Spannungsbogen von Anfang bis Ende gelungen. Aber weil sich die Liebesgeschichte in hundert einzelnen kleinen Urlaubserlebnissen entwickelt, hatte meine Testleserin da manchmal den roten Faden (bzw. die drei roten Fäden der miteinander verwobenen drei Handlungsstränge) verloren.

Was mir als Ansatz für Überarbeitung echt weiterhilft, ist der Gedanke der „komischen Perspektive“, den ich aus dem Schreibratgeber „Handwerk Humor“ von John Vorhaus habe.
Bei meinem Buch wie bei „Die Kinder aus Bullerbü“, bringt mich die Frage „Wo ist in der Szene der Konflikt?“ nicht weiter. Die Frage „Was ist die komische Perspektive?“ bringt mir eher Klarheit und Verbesserungsansätze.
Bei „Bullerbü“ sehe ich die „komische Perspektive“ darin, dass man alles aus der Sicht eines glücklichen Kindes miterlebt. Ein zweistündiger Fußweg von der Schule nach Hause bei jedem Wetter, Kirschen verkaufen an einem heißen staubigen Straßenrand, in den Sommerferien den ganzen Tag lang auf dem Acker Rüben verziehen - all das wird aus der Perspektive des glücklichen Kindes zu wunderschönen Abenteuern.

Vermutlich wäre es einfacher, aus bestimmten Konflikten Struktur, klare Linien und Spannungsbögen zu erzeugen, als aus einer „komischen Perspektive“. Mir jedenfalls fällt es schwer, ich bin leider keine Astrid Lindgren.

Zurück zum Exposé:
Vielleicht könnte es mir wirklich weiterhelfen, für mich selbst ein Exposé zu schreiben.
Aber wie schreibt man ein Exposé über hundert kleine Urlaubserlebnisse? Wie würde man ein Exposé über „Die Kinder aus Bullerbü“ schreiben?

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Für mich klingt das ein bisschen, als würde sich deine Geschichte aus lauter bunten Perlen zusammensetzen. Ein erster Schritt zu einem Expose wäre es vielleicht, aus all den Perlen eine hübsche Kette zu formen. Deine Story wäre dann die Schnur, an der du alles hübsch aufreihen musst.

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Kill your Darlings … entferne einen Handlungsstrang, nimm Kapitel raus, die nur blähen, bau Konflikte ein … denn die behält die Leserschaft im Kopf und verfolgt die Lösung. Und: Leg los. Vom Rumliegen wird der Text nicht besser :blush:

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Würdest du so auch mit „Die Kinder aus Bullerbü“ umgehen? Nicht, dass ich so schön schreiben könnte wie Astrid Lindgren, aber mit „hau Konflikte rein und streich alles raus, was bläht“ würde man „Bullerbü“ zerstören. Oder?

Das wird vielleicht genau der Punkt sein, was deine Geschichte unübersichtlich macht. Wenn es interessant werden soll, ohne jeglichen Konflikt und mit Blähstoff, sehe ich schwarz für dein Projekt. Hängst du möglicherweise zu sehr an Büllerbü und blockierst dich damit selbst?
Sieh dir doch mal an, wie Rosamunde Pilcher es gemacht hat.

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Was für ein Vergleich :grimacing: Bullerbü ist fertig und dazu zielt es auf eine ganz andere Leserschaft (oder?) Hier aber befindet sich eine Geschichte in der Phase der Überarbeitung. Und offensichtlich muss noch etwas geschrubbt werde.

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Übrigens gibt es durchaus (altersgerechte) Konflikte in Bullerbü. Ich war vor Jahren Vorlesepate in einer Bücherei und erinnere mich daran, wie ich einmal die Szene mit Olles Wackelzahn vorgelesen habe. Die Kinder waren still und fieberten der Auflösung entgegen (Zahnschmerzen weiter ertragen oder mit einem Ruck lösen? Wie entscheidet er sich? Bringt er den Mut auf?) Und Lisa (meine, so hieß sie) wird immer wieder von ihren Brüdern geneckt. Probleme, die in dem Alter schon beschäftigen.

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Das wird so nix. Wir theoretisieren hier auf einer Metaebene der Metaebene der Abstraktion eines nicht näher bekannten Sachverhalts über tentative, global-galaktische Lösungskonstrukte.
Sicherlich unterhaltsam und abendfüllend, wird aber dein Problem nicht lösen.
Wenn du Tipps und Hilfe willst, müssen wir den konkreten Text sehen. Poste doch mal einen problematischen, typischen oder von deinen Testlesern kritisierten Ausschnitt, dann kann man auch gezielt Ratschläge erteilen.
Wer schon mal mit IT-Projekten zu tun hatte, wird folgendes Bild sicher kennen, aber es passt auch gut auf diese Situation:

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Danke für deinen Tipp, da ist schon was dran - aber ich glaube nicht, dass das Posten eines Ausschnitts für mich jetzt hilfreich wäre.
Ich versuche, die große Grundstruktur eines komplexen 124.500-Wörter-Werkes neu anzupacken, da würde klein-klein-„in-dem-Satz-ist-zu-wenig-show-don`t-tell“ über einen einzelnen Ausschnitt mich nur noch mehr bremsen, denke ich.

Wie du meinst. Aber einen „typischen Ausschnitt“, der als pars pro toto verstanden werden kann, würde schon mal konkretere Anhaltspunkte liefern, als wir sie jetzt haben. Noch dazu, wenn du deine Erwartungen an die Antworten vorab exakt beschreibst. Was hättest du zu verlieren?
Aber you do you. :man_shrugging:

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Corinna, bist du sicher das du nicht den einen oder anderen kleineren Konflikt einbauen willst? Eine Liebesgeschichte lebt doch davon

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Ja, doch, man kann ja fast überall Konflikte finden, wenn man sie sucht; schon ob man im Urlaub lieber ausschlafen oder etwas unternehmen will, ist ja ein innerer Konflikt.
Die kleinen Urlaubserlebnisse haben natürlich auch heitere kleine Konflikte.

Wie RudiJ schon richtig schrieb, auch Bullerbü hat Konflikte.

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Ich habe Büllerbü als Kind gelesen…Erinnere mich nicht mehr richtig daran

Im Wissen, dass ich ein etwas anderes Problem zu lösen hatte als du, schreibe ich mal meine Vorgehensweise.

Meine Fantasygeschichte war ja für 3 Bände ausgelegt. Fast seit Beginn wurde ein Tempel thematisiert, in dem es weitere Informationen zur Lösung des Konflikts geben sollte. Nun waren meine Helden dort. Ich ahnte allerdings langsam, dass meine Bösen zu nett waren. Mein totales Auslöschszenario als geplantes Ende hätte mich unter diesen Umständen nicht glücklich gemacht. Es musste etwas anderes her. So wurden aus 3 Bänden dann 5. Das ist aber eine andere Geschichte.

Als ich jedenfalls mit meiner halben Schreibkrise die Texte zu diesem Tempel schrieb, laberte ich herum. Das ist offenbar meine Vorgehensweise, wenn ich nicht weiß, wo ich hinwill. Viele Ideen waren super, aber 2 Testleser sprangen mir ab. Und so nahm ich mir diese 120-Seiten Trockenzone vor. Viele Ideen waren super, aber es waren zu viele. Überall gab es Mini-Konflikte, die ich mehr und mehr als Rumgezicke empfand. Wie kürzt man nun einen 120-Seiten-Text. Du kannst ihn nicht einfach lesen und irgendwas rausstreichen.

Ich hab daraufhin zum ersten Mal in meinem Papyrusleben die bunten Textmarker verwendet.

Mit blau markierte ich nur Gerüststellen. Also Stellen, die ich beim schnellen Drüberlesen brauchte, um zu sehen, wo ich bin. Es gibt ja immer solche Schlüsselsätze, die einem in einem langen Text Orientierung geben.

Grün markierte ich Textstellen, die in jedem Fall drinbleiben müssen.

Orange markierte ich alles, was auf Rauswerfen überprüft werden sollte.

Wenn ich mir relativ sicher war, dass etwas raus sollte, markierte ich es rot.

Es war damit aber noch nicht draußen. Denn wenn etwas wirklich weg sollte wurde es dann zur Textmumie.

Gelb war mehr ein Achtung-Marker, ohne sonstige Bedeutung. Und Lila hab ich verwendet, wenn ich Handlungs-Dopplungen aufgespürt hab, um diese mehreren Versionen eines ähnlichen Textes erkennbar zu machen.

Aus 120 Seiten wurden so 24. Der nächste Testleser hatte mir zu diesem Text gratuliert. Das ist etwa ein Jahr her. Seitdem verwende ich öfter Farben, wenn mir etwas an meinem Text nicht geheuer vorkommt.

Es bedeutet aber seelischen Stress, sich von so viel liebgewonnenem Text zu trennen.

Vielleicht hilft es dir ja, zuerst mal die Strukturen in deinem Text zu erkennen, indem du die wesentlichen Handlungsteile mal blau markierst. An diesem Gerüst kann man sich dann evtl. entlanghangeln und mal überlegen, was einem wirklich wichtig ist.

Und einen letzten Gedanken noch: Mach nicht den Fehler, Texte aus deiner Jugend irgendwie zu glorifizieren. Es gibt Dinge, zu denen haben wir eine emotionale Bindung. Ob die allerdings von unserem Publikum geteilt wird, ist unsicher.

Ich finde zum Beispiel Herr der Ringe toll. Ich frage mich aber, ob es wirklich so viel Aufmerksamkeit erhalten würde, wenn es heute erst rauskäme. Wäre es dann genauso gut? Oder wäre es dann nur eine Story unter vielen, wobei viele die Geschichte für zu aufgebläht beschreiben würden?

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Ich zum Beispiel.

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Ich glaube mit dem Anfang, würde Herr der Ringe wahrscheinlich von einem Verlag nicht weiter gelesen werden…Die ganzen Beschreibungen etc

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Den Eindruck hatte ich auch, als ich es vor einem halben Jahr nochmal gelesen habe. Aber Mittelerde gibt mir halt dieses warme Gefühl, die Gegend, Rassen und alles so zu kennen, wie einen schönen Urlaubsort. Darum lese ich die komplette Geschichte. Wer das aber so nicht erlebt, der bricht ab, weil es zu langatmig ist.

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Ha!! Das war eines der ersten specials, die ich in den achtziger Jahren beim Wechsel in die IT präsentiert bekommen habe … absolut zeitlos!

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hab auch du Geduld mir dir. Wie ich dich hier ein bisschen kennenlernen durfte, bist du bestimmt dein härtester Kritiker. Aber ich habe auch das Gefühl, dass du deine Geschichte liebst. Das ist das Wichtigste überhaupt. Denn solche Geschichten lassen dich nicht mehr los. Du musst sie aber hier und da loslassen können, damit sie eine andere Form annehmen kann. Ein bessere.
Das braucht Zeit. Bei mir waren es mehr als 30 Jahre. Die Zeit war aber nötig, damit sich aus einer autobiographischen Kindheitserinnerung eine Abenteuergeschichte entwickeln konnte, die nicht nur mir gefällt, sondern hoffentlich auch anderen.

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Heiterkeit und Konflikt sind keine Gegensätze. Worüber lacht man denn? Meistens über Probleme, die einfacher zu lösen waren als gedacht. Oder über etwas, das sich nicht ändern lässt. Über Fehler. Dummheit usw. Humor ist am schönsten, wenn er punktgenau den Witz trifft. Sodass man mitlachen kann. Oder schmunzeln. Humor schafft Entspannung. Deshalb wächst er aus der Spannung.

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