Hallo Zusammen Anbei ein Auszug aus dem ersten Kapitel meines aktuellen Projekts. Ich freu mich über konstruktive Kritik.
Leicht benebelt vom Wein stand der junge Prinz am Fenster und ließ seinen Blick über die schier endlos aneinandergereihten Dächer der Hauptstadt schweifen. Das Glas lag locker in seiner Hand und er nahm einen weiteren Schluck. Der Geschmack lieblicher Trauben verbreitete sich in seinem Gaumen. Er seufzte, als eine Windböe seine nackte Brust traf und seinen aufgeheizten Körper kühlte. Nur mit einem Morgenmantel bekleidet, dessen Stoff weich über seine Haut glitt, beobachtete Kieran das Treiben auf dem Innenhof des Schlosses im Dunkeln der Nacht.
„Mein Prinz.“ Die Stimme seines Dieners war leise. Kieran lehnte lässig an der Wand, drehte seinen Kopf und betrachtete Darren, der einen Tonkrug in der Hand hielt. „Ihr wisst, dass so viel Wein euren Verstand trübt.“ Der junge Diener schüttelte den Kopf, doch Kieran hielt das Glas hoch. Darren goss schmunzelnd etwas ein und der junge Prinz zuckte mit den Achseln, als er einen weiteren Schluck nahm. Die Auswirkungen von Alkohol trafen ihn nie besonders hart.
„Nimm dir auch ein Glas.“ Darrens Augenbrauen zogen sich zusammen. Noch bevor der Diener etwas erwidern konnte, sah Kieran ihn auffordernd an.
„Du willst doch nicht einen Befehl deines Prinzen missachten?“ Er schmunzelte und Darren lachte.
Der junge Diener stellte den Tonkrug auf dem Tisch ab und nahm sich eines der Gläser aus dem Schrank, während Kieran seinen Blick wieder auf den Hof fallen ließ. Als Darren mit dem Glas in der Hand neben ihm stand, prostete er diesem zu und beobachtete, wie der junge Mann einen Schluck nahm.
Darren und Kieran waren im selben Alter und der junge Diener war schon an Kierans Seite, seitdem er denken konnte. Er war einer der wenigen Menschen am Hofe Silfyens, vor denen er sich nicht verstellte, sondern einfach er selbst zu sein pflegte.
„Was glaubst du, wie viel Zeit uns noch bis zum Krieg bleibt?“, fragte Kieran, nachdem sie eine Weile stumm an ihren Weinen genippt hatten. Darren schnaubte belustigt auf und zuckte mit den Achseln.
„Zu solchen Themen sollten Bedienstete keine Meinung haben.“
Kieran fixierte Darren, der nun die Lippen kräuselte.
„Ich habe wirklich nicht viel Ahnung von derlei Dingen, mein Prinz. Aber von dem, was eure Botschafter so berichten … Vielleicht ein paar Wochen?“ Darren zuckte mit den Achseln.
Der Diener nahm einen weiteren Schluck des teuren Weins und lächelte, wobei er vom Wein bläulich verfärbte Zähne entblößte. Seine Wangen waren gerötet und er fuhr sich durch sein kurz geschorenes Haar. Kieran schnalzte mit der Zunge und nickte auf den Innenhof, auf den er aus seinen privaten Gemächern einen ausgezeichneten Blick hatte.
„Die meisten jungen Männer, die wir zu den Waffen gerufen haben, taugen nicht viel. Sie sind schwach, haben nie gekämpft und jammern bloß.“ Er rümpfte die Nase, nahm einen weiteren, dieses Mal großen Schluck und schüttelte den Kopf. „Wie kann mein Vater in einer solchen Zeit nicht zurückkehren in die Heimat?“
Darren schien keine Antwort darauf zu haben. Der König Shakhras war schon seit bald zwei Jahren auf Reisen. Eine geheime Mission. Kieran reckte das Kinn vor und seine Augenlider senkten sich bei dem Gedanken an seinen Vater. Zwei unterschiedliche Gefühlswelten stießen in seinem Inneren aufeinander, wenn er sich die Rückkehr des Königs vorstellte. Die Freude darüber, die Verantwortung für den herannahenden Krieg nicht allein auf seinen Schultern tragen zu müssen, wurde von unterschiedlichen Bedenken getrübt. Zwei Jahre lang hatte Kieran provisorisch die Regierung des Landes gelenkt, während sein Vater durch die Lande reiste, um wer weiß was zu tun. Bis auf den Großen Rat wusste jedoch kaum jemand von der Abwesenheit des Königs. Kehrte dieser zurück und übernahm den Thron, so fürchtete Kieran die Herabwürdigung all der harten Arbeit, die er in die Neuordnung der Stadt und auch des Landes gesteckt hatte.
Dem König lag nicht viel am Regieren, hatte es noch nie, doch er besaß eine Fähigkeit, die Kieran leider nicht von ihm geerbt hatte: natürliches Charisma.
Wann immer der König sprach, hing jeder gespannt an seinen Lippen. Auch der Prinz hatte seinen Vater stets bewundert. Selbst dann, wenn er seinem Sohn kaum Beachtung schenkte und sich lieber mit seinen Mätressen beschäftigte. Kieran leerte sein Glas. Er wusste tief in seinem Inneren, dass er den nahenden Krieg ohne die Hilfe seines Vaters bestehen wollte. Wenn die Information über die Abwesenheit des Königs dabei durchsickerte, würde dies seinen Stellenwert als amtierenden Befehlshaber des Landes unterstreichen.
„Mein Prinz.“ Die Stimme einer Frau unterbrach Kierans Gedanken. Neben ihm senkte Darren das Glas und seine glasigen Augen sahen zu Boden, als er die junge Dienerin im Türrahmen erblickte.
„Was gibt es Diana?“
„Die Lady lässt ausrichten“, sie räusperte sich und ihre Wangen leuchteten im selben Rot wie Darrens, „dass die Laken kalt sind, ohne eure Anwesenheit.“
Kieran schnalzte mit der Zunge und drückte Darren sein leeres Glas in die Hand.
„Die Lady ruft nach mir.“, flüsterte er mit hochgezogenen Augenbrauen und kehrte in sein Schlafgemach zurück.