Hallo an alle,
vor einiger Zeit habe ich euch hier den Anfang meines ersten Kinder-Romans vorgestellt (Fantasywelt, mittelalterlich angehaucht, aber mit moderner Technik :)) Kinder-Roman Debüt - Deine Schreibrunde / Schreibzirkel - Papyrus Autor Community
Nun habe ich diesen mehrfach überarbeitet, an Formulierungen gearbeitet und versucht, die Handlung lebendiger zu machen. Was ich mich aber frage ist, ob immer noch oder nun noch mehr „Infodump“ enthalten ist. Ich musste eine weitere Figur einführen, die später wichtig wird. Hier habe ich versucht, mit Dialogen und mehr handeln statt erzählen zu arbeiten. Ich bin aber leider handwerklich noch nicht so firm und unsicher, ob mir das gelungen ist.
Ich würde mich über ehrliche Rückmeldungen freuen, ob der Einstieg (jetzt) gefällt, flüssig ist oder was euch stört bzw. was zu viel ist oder fehlt.
Ich danke euch herzlich! Marko
1.Der Anfang
Prinzessin Ida hatte in letzter Zeit oft Langeweile verspürt. Heute deshalb jedoch immer wieder lustlos bis hundert zu zählen – das war neu. Dabei hatte dieser Tag durchaus etwas für sich. Die Mittagssonne warf wärmendes Licht auf das Königreich Mestral und ein leichter Wind wehte über das Land. Im Schlossgarten spendeten zahlreiche Hecken Schatten, die von Vögeln und Kleintieren für eine Sonnenpause genutzt wurden. Ida saß neben ihnen. So hatte sie zumindest Gesellschaft. Trotzdem, die Langeweile war groß.
Während sie fleißig zählte, schaute sie auf ihre knallroten Stiefel. Sie liebte diese Stiefel. Etwas schmutzig sahen sie aus. Genau wie ihre halblange grüne Hose, die an den Knien leicht aufgescheuert war. Ihr blaues Oberteil mit weißem Kragen war im Vergleich dazu bisher recht sauber geblieben. Nicht dass Ida jemals Wert auf Sauberkeit gelegt hätte. Im Gegenteil. Sie tat regelmäßig einiges dafür, nicht dem Bild einer hübschen und niedlichen Prinzessin zu entsprechen. So war sie einfach nicht. Lieber hüpfte sie in matschige Pfützen oder warf sich vergnügt ins weiche Stroh bei den Ställen.
Zum Leidwesen ihrer Mutter weigerte Ida sich auch, einen geflochtenen Zopf zu tragen. Einen einfachen Zopf links, einen rechts, fertig. Was sie gerne trug, war ihre Krone. Einen Tick zu groß für ihren Kopf. Das aber war Ida egal.
Ein Rotkehlchen flatterte vor ihren Augen an ihr vorbei und unterbrach sie beim Zählen. »Mist, ich war schon bei 95«, dachte Ida, lächelte aber dabei. Sie stand auf und setzte sich auf ihre blaue Gartenschaukel, die an einem massiven Eichenast hing. Hier hoffte sie beim Hin- und Herschwingen einen Plan für den Rest des Tages austüfteln zu können. Was sollte sie tun? Wenn sie nur eine kleine Schwester oder einen kleinen Bruder hätte, dachte Ida. Zusammen könnten sie allerhand Blödsinn machen, über die Hecken springen oder auf Bäume klettern.
Ihre Eltern kamen Ida in den Sinn. Sollte sie Mutter oder Vater suchen? Beide kümmerten sich liebevoll um Ida, hatten jedoch als König und Königin stets eine Menge zu tun. Mestral war klein, oh ja. Regiert werden musste das Land trotzdem. Ida fand das ziemlich öde. Manchmal begleitete sie ihre Mutter oder ihren Vater durch den Tag. Sonderlich interessant war das für die Neunjährige nie. Sie verwarf den Gedanken.
Anders war es früher bei Gunther, dem Hofschmied gewesen, an den Ida jetzt dachte. In seiner Schmiede hatte sie in jüngeren Jahren aufregende Tage erlebt. Das Feuer, die glühenden Funken und die Späße zwischen ihr und Gunther waren stets einen Besuch wert gewesen. Manchmal durfte sie auf seiner breiten Schulter sitzen, während er leichte Arbeiten ausführte. Hin und wieder erlaubte er ihr sogar, ihm bei kleinen Aufgaben zu helfen. Der König war stets einverstanden gewesen, solange der Schmied gut auf sie aufpasste. Und das hatte er immer getan.
In den letzten Jahren erlosch Idas Interesse an Amboß, Feuer und Stahl und die Hitze in der Schmiede setzte ihr zu. Feierlich erklärte sie eines Tages: „Gunther, du bist super, aber mir wird hier drinnen einfach zu heiß. Ich muss mir eine andere Beschäftigung suchen!“ Gunther musste damals sehr darüber lachen und schien dem Mädchen nicht im Geringsten böse.
Ida erwachte aus ihren Gedanken und stand von der Gartenschaukel auf. „Vielleicht kann Gunther ja die kleine Delle an der Krone reparieren. Mich stört es ja nicht, aber Mama liegt mir damit schon eine ganze Woche in den Ohren“, sagte sie so, als hörte ihr jemand zu und machte sich auf den Weg zur Schmiede. Die lag etwas abseits im Innenhof des Schlosses. Dort traf sie im Vorbeigehen doch auf ihre Mutter: „Na, mein Kind. Bist du wieder mit deinen Gummistiefeln unterwegs? Ich freue mich, dass du deine gute Kleidung schonst, wenn du draußen spielst. Brauchst du irgendwas? Hast du Hunger?“ Sie sprach schnell und schien in Eile zu sein. Ida war schon halb in der Schmiede verschwunden, als sie antwortete: „Nein Mama, ich esse einfach Gunthers Mittagessen.“ Es war unklar, ob Königin Merba den Scherz verstand, denn sie warf Ida nur einen Luftkuss zu und ging weiter.
Eine tiefe und kräftige Stimme sagte aus einer dunklen Ecke heraus: „Was höre ich da? Mein Mittagessen?“ Es klang gekünstelt bedrohlich, aber Ida lachte. „Hallo Gunther!“ Der Schmied trat ins Licht und lächelte herzlich. Die vielen kleinen Falten um seine Augen herum verrieten sein gehobenes Alter. Als Ida ihm die Krone hinhielt, winkte Gunther sofort ab. „Tut mir leid, Prinzessin, aber ich habe keine Zeit. Das muss warten.“ Ida schob die Unterlippe vor. „Schade, dann bis bald.“ Sie kehrte direkt auf dem Absatz um und wollte schon gehen, als Gunther ihr anbot: „Falls du Hunger hast, kannst du dich natürlich gerne bei meinem Essen bedienen.“ „Nein danke! Ich habe Proviant in meinem Rucksack, der liegt im Schlossgarten“, erwiderte Ida bevor sie die Schmiede verließ.
Sie lief über den Innenhof durch das bewachte Tor in den Garten zurück und setzte sich ihren Rucksack auf. Essen wollte sie später. Sie nahm sich statt dessen vor zu verreisen – auch wenn es nur gespielt war. Ein fremdes Land, eine andere Stadt, irgendetwas würde sich in ihrer Fantasie schon ergeben, wenn sie im Schlossgarten auf Entdeckungsreise ging. Dieser war riesig und grenzte an einen dichten Wald, der undurchdringlich schien. Er bot Schutz vor Eindringlingen und strahlte stets in tiefgrünen Farben, sogar im Winter. Jetzt wehte von dort der Duft von frischen Kiefernadeln zu Ida herüber. Die Prinzessin entschied, dort ihre Reise zu starten.
Sie schlenderte an der Waldgrenze entlang und ratschte mit einem langen Stock gegen die dichten Zweige und Äste, wie an einem Gartenzaun. Es ergab einen stotternden lauten Ton - Rattatattatatat. Wäre jemand bei ihr gewesen, hätte ihn der Ton vielleicht genervt und er oder sie hätte gesagt: »Boah Ida, kannst du damit mal aufhören!?« Aber da sie allein war, brauchte sie auf niemanden Rücksicht zu nehmen.
Plötzlich, Ida war in ihren Gedanken versunken, blieb ihr langer Stock an irgendetwas hängen. Sie hielt an, legte den Kopf in den Nacken und schaute nach rechts. Dort war ihr Stock in einem Spalt halb verschwunden und hatte sich einem Ast verhakt. Verwundert sah Ida sich die Stelle genauer an. Je näher sie dem Spalt kam, um so größer schien er zu werden - und zwar viel größer. Ida erschrak und stolperte rückwärts. Nun konnte sie die seltsame Lücke kaum noch erkennen. Diese war wieder fast komplett mit dichten Ästen und Zweigen verschlossen. Sie blinzelte mehrmals, dann trat sie einen weiteren Schritt zurück. Hätte sie nicht mit eigenen Augen gesehen, dass dort etwas Unfassbares im Dickicht vor sich ging – sie hätte es nicht geglaubt. Mit ihrer Fantasiereise hatte das hier nichts zu tun. Sie trat langsam wieder näher. Das dichte Geäst geriet erneut in Bewegung. Mit jedem Schritt öffnete sich der Spalt ein Stück mehr und gab nach und nach einen kleinen Weg frei. Einen Weg… in den Wald hinein. Ida blickte sich um. Sie überlegte ihre Eltern zu holen, entschied sich aber schnell dagegen. Die beiden waren sicherlich beschäftigt und außerdem war Ida zu neugierig, um jetzt hier wegzugehen. Was, wenn sie die Stelle nicht wiederfand?
Sie legte den langen Stock als unauffällige Markierung an den Eingang des seltsamen Weges. Sie wollte damit sicherstellen, diesen auf jeden Fall wiederzufinden.
Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und betrat den geheimnisvollen Weg. Dachte sie zuerst, sie müsse sich seitlich durch den Eingang zwängen, machte der Weg sich breit genug, damit sie ungehindert hindurch gehen konnte. Die Äste und Zweige waren ständig in Bewegung, um weiteren Platz zu schaffen. Vereinzelt bildeten sich auch links und rechts kleinere Wege. Ein Irrgarten war das Ganze aber nicht, da Ida schon sehen konnte, dass die kurzen Abzweigungen in Sackgassen endeten. Sie hatte das Gefühl, dass sie auf ein bestimmtes Ziel hingeführt wurde. Wenig später sah sie schon von Weitem, was vor ihr lag - es war eine Lichtung.
Ida hatte selten etwas so Schönes gesehen. Der Wald machte Platz für eine sonnige Wiese, kreisrund und mit saftigem Gras bedeckt. Vereinzelt standen farbenprächtige Blumen an den Rändern. Vögel kreisten umher und sangen ihr Lied. Etwas funkelte auffällig am hinteren Ende der Lichtung. Doch bevor Ida das näher betrachten konnte, entdeckte sie etwas anderes. Etwas, das ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen sollte. In der Mitte der Lichtung lag ein Tier….ein ziemlich großes Tier.
Vorsichtig näherte sich Ida dem Geschöpf. Es bewegte sich kaum. Schlief es etwa? Jetzt erkannte Ida, dass es ein Pferd sein musste. Ein weißes Pferd von besonderer Schönheit, so viel konnte sie sehen. Aber das Tier schien erschöpft, da es schnell und flach atmete.
Als die junge Prinzessin nur noch wenige Meter von dem Geschöpf entfernt war, hob dieses seinen Kopf und schaute zu ihr herüber. Ida riss die Augen auf. Dies hier war kein Pferd – es war… ein Einhorn. Ein Einhorn, das anscheinend Hilfe brauchte. Lianen hatten sich fest um beide Vorderhufe gewickelt und sie zusammengeschnürt. So wie es aussah – es war weit und breit niemand sonst zu sehen – brauchte es nicht irgendeine Hilfe. Es brauchte Idas Hilfe.
2 - Soraya
Ida näherte sich aufgeregt in langsamen Schritten dem… nun ja, Einhorn. Es war verrückt, aber vor ihr im Gras lag tatsächlich ein prachtvolles Einhorn. Es hatte leicht glänzendes Fell, eine bunte Mähne und ein gräulich schimmerndes Horn. Es war in etwa so groß wie ein Pony. Als Ida das Einhorn fast erreicht hatte, versuchte das Tier aufzustehen, was ihm nicht gelang. Hilfesuchend schaute es sie an. Da Ida sich mit Pferden auskannte, beschloss sie, den verrückten Rest für einen Moment zu ignorieren. Mit einem langgezogenen „Sschhhh“ kniete sie sich vor die Hufe des Einhorns. Behutsam nahm sie ihren Rucksack ab und holte ein kleines Taschenmesser heraus. Das hatte sie mit Erlaubnis ihres Vaters von Gunther geschenkt bekommen – zum Schnitzen. Ida konnte gut damit umgehen, nur sonderlich scharf war es verständlicherweise nicht.
Das Einhorn wieherte kurz, als Ida die Klinge ausklappte. Erneut brachte sie ein ruhiges „Sschhhh“ hervor. Ihrem Impuls, dem Tier über den Nasenrücken zu streicheln, folgte sie nicht. Wenigstens etwas Vorsicht schien angebracht. Aber das Einhorn beruhigte sich. Mit kurzen Schnitten durchtrennte sie vorsichtig die Lianen und die Hufe waren frei. Die beiden erhoben sich. Und so standen sie sich gegenüber, als das Einhorn, noch außer Atem, zu sprechen begann: »Hast du… Wasser für mich… oder eine Birne?« Prinzessin Ida wich vor Schreck einen Schritt zurück, stolperte und fiel auf ihren Hintern.