Hallo an alle,
ich bin noch recht neu hier im Forum und interessierter Leser. Ich bin 49 Jahre alt und habe bisher hauptsächlich Songs und Gedichte geschrieben. Nach einigen Versuchen mit dem Schreiben eines Buches ziehe ich es jetzt durch. Die Inspiration kam durch meine Tochter.
Mit Papyrus habe ich nun also mein Debüt geschrieben, ein Kinder-Roman im Fantasybereich. Zielgruppe 6-10 (?), da bin ich noch unsicher. Der Zustand ist von mir überarbeiteter Erstentwurf plus Einarbeiten der Anregungen und Korrekturen einer ersten Testleserin.
Ich freue mich über eurer Feedback und Kritik. Ich kann nur lernen dadurch. Danke!
1 - der Anfang
Langweile hatte Prinzessin Ida in diesem Jahr schon oft verspürt. Heute jedoch aus dieser Laune heraus immer wieder lustlos bis hundert zu zählen, ergab ein ganz neues Level. Dabei hatte dieser Tag durchaus etwas für sich. Die Mittagssonne warf ein wunderbar wärmendes Licht auf das Königreich Mestral und ein leichter Wind wehte über das Land. Im Schlossgarten spendeten zahlreiche Hecken Schatten, welche von Vögeln und Kleintieren für eine Sonnenpause genutzt wurden. Neben ihnen saß Ida. So hatte sie etwas Gesellschaft.
Während sie fleißig zählte, schaute sie auf ihre knallroten Stiefel. Sie liebte diese Stiefel. Etwas schmutzig sahen sie aus. Genau wie ihre kurze grüne Hose, die an den Knien leicht aufgescheuert war. Ihr blaues Kleid mit weißem Kragen war im Vergleich dazu bisher recht sauber geblieben. Nicht dass Ida jemals Wert auf Sauberkeit gelegt hätte. Im Gegenteil. Sie tat regelmäßig einiges dafür, nicht dem Bild einer hübschen und niedlichen Prinzessin zu entsprechen. Das war einfach nicht sie selbst.
Zum Leidwesen ihrer Mutter weigerte Ida sich auch, einen geflochtenen Zopf zu tragen. Einen einfachen Zopf links, einen rechts, fertig. Was sie gerne trug, war ihre Krone. Einen Tick zu groß für ihren Kopf, aber das war Ida egal.
Ein Rotkehlchen flatterte direkt vor ihren Augen an ihr vorbei und unterbrach sie beim Zählen. „Mist, ich war schon bei 95.“, dachte Ida, ohne sich tatsächlich zu ärgern. Sie stand auf und setzte sich stattdessen auf ihre blaue Gartenschaukel, die an einem massiven Eichenast hing. Hier hoffte sie beim Hin- und Herschwingen, einen Plan für den Rest des Tages schmieden zu können. Aber zunächst schweifte sie ab. Sie dachte darüber nach, wie es wäre, gemeinsam mit einer kleinen Schwester oder einem jüngeren Bruder den Tag zu verbringen.
Als Einzelkind hatte Ida sich immer ein Geschwisterchen gewünscht, aber ihr Wunsch wurde nicht erfüllt. Ihre Eltern kümmerten sich liebevoll um sie. Sie hatten als König und Königin von dem vergleichsweise kleinen Königreich jedoch stets eine Menge zu tun. Manchmal begleitete sie einen Elternteil durch deren Tag. Sonderlich interessant war das nie. Dann doch lieber allein.
Mit ihren 10 Jahren verbrachte Prinzessin Ida daher viel Zeit mit dem Erkunden des Schlosses, in dem sie wohnte – und dem dazugehörigen Schlossgarten. Ida liebte es, in ihre Fantasie hinabzutauchen und sich in fremde Welten und lustige Abenteuer zu träumen. Sie sprach dabei mit ihren Puppen und ebenso mit den Tieren in der Umgebung. Sah man ihr zu, konnte man erkennen, wie viel Spaß sie daran hatte. An manchen Tagen wollte die Fantasiemaschine jedoch nicht anspringen und sie begann sich zu langweilen. In so einer Phase streifte sie ziellos im Garten umher und hing ihren Gedanken nach.
Der Schlossgarten grenzte an einen Wald, der undurchdringlich schien. Dieser wirkte wie ein Schutzwall und strahlte stets in tiefgrünen Farben, sogar im Winter.
Ida stand von der Gartenschaukel auf. Sie schlenderte an der Waldgrenze entlang und ratschte mit einem langen Stock gegen die dichten Zweige und Äste, wie an einem Gartenzaun. Das ergab einen stotternden lauten Ton - Rattatattatatat. Da der Schlossgarten und auch der Wald riesig waren, musste sie eine ganze Weile schlendern, um von einem Ende zum anderen Ende zu gelangen. Wäre jemand bei ihr gewesen, hätte ihn der Ton sicherlich genervt und er oder sie hätte gesagt: „Boah Ida, kannst du damit mal aufhören!?“ Aber da sie allein war, brauchte sie auf niemanden Rücksicht zu nehmen.
Plötzlich, Ida war in ihren Gedanken versunken, blieb ihr langer Stock an irgendetwas hängen. Sie hielt an, legte ihren Kopf nach hinten und schaute nach rechts. Dort war ihr Stock in einem Spalt halb verschwunden. Verwundert schaute Ida sich die Stelle genauer an. Und je näher sie dem Spalt kam, um so größer schien er zu werden - und zwar viel größer. Prinzessin Ida erschrak und stolperte einige Schritte rückwärts. Nun konnte sie den Spalt kaum noch erkennen. Sie blinzelte mehrmals. Dann machte sie einen weiteren Schritt zurück. Hätte sie nicht direkt vor sich gesehen, dass dort etwas Unfassbares im dichten Wald vor sich ging, sie hätte es nicht geglaubt. Nun trat sie langsam wieder näher. Mit jedem Schritt öffnete sich der Spalt ein Stück mehr und gab nach und nach einen kleinen Weg frei. Einen Weg… in den Wald hinein. Ida blickte sich um. Träumte sie oder passierte das gerade wirklich? Sie überlegte ihre Eltern zu holen, entschied sich aber schnell dagegen. Die beiden waren sicherlich beschäftigt und außerdem war Ida zu neugierig, um jetzt hier wegzugehen. Was, wenn sie die Stelle nicht wiederfand?
Als Sie dies dachte, legte sie den langen Stock unauffällig für sich als Markierung an den Eingang des seltsamen Weges. Sie wollte damit sicherstellen, diesen auf jeden Fall wieder zu finden.
Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und betrat den geheimnisvollen Weg. Dachte sie zuerst, sie müsse sich seitlich durch den Eingang bewegen, machte der Weg sich breit genug, damit sie ganz normal hindurch gehen konnte. Die Äste und Zweige waren ständig in Bewegung, um weiteren Platz zu schaffen. Hin und wieder gingen links und rechts kleinere Weg ab, die jedoch sichtbar in Sackgassen führten. Ein Irrgarten war das Ganze aber nicht. Ida wurde regelrecht durch den geheimen Weg geführt, wie auf ein bestimmtes Ziel hin. Wenig später sah sie schon von Weitem, was vor ihr lag - es war eine Lichtung.