Hallo zusammen,
da ich in meinem aktuellen Projekt mich einer Stelle nähere, an der es zu einer ernsthaften körperlichen Auseinandersetzung kommt und ich mir da noch etwas unsicher bin… habe ich mal aus meinem bisherigen Oevre hust eine Szene gekramt, in der es am Ende zur Sache geht und bitte um eure Meinung, ob man das „so machen kann“.
Folgendes interessiert mich: Zu schnell/zu langsam? Zu wenig/zu viel? Wäre mehr Beschreibung besser? (derzeit ist es gefühlt eher ein „don’t show, don’t tell“ als alles andere ) Wirkt das so halbwegs organisch?
Zur Rahmenhandlung: Nevenna, eine junge Frau, ist seit einiger Zeit unfreiwilliges Mitglied einer Gruppe von Grabräubern, die sie nicht besonders nett behandeln. Damit man ein bisschen ein Feeling für den Text bekommt, habe ich auch das unmittelbare davor und danach mit dazugenommen.
PS: Dass einer der Protagonisten ständig „Kleine“ sagt, ist beabsichtigt, das ist eine persönliche Marotte von ihm.
»… Und er sagte, der Steinhaufen im Norden sei ein Wegweiser zu einem anderen Grab, der Gruft eines Fürsten, und wenn man bei Mondschein gegen die Tür klopft…«
»Mondschein? Warum immer bei Mondschein! Das ist doch Käse«, nörgelte Dreifinger. »Jedes Mal fängt der wieder mit seinem Mondschein an! Hat es schon mal funktioniert? Nein! Mondschein! Sag ihm, wir haben ein gutes Brecheisen, das geht schneller.«
»Soll er doch klopfen«, sagte Khamesh mit seiner weichen Stimme, aus der der südländische Einschlag immer noch deutlich herauszuhören war.
»Mir gefällt das nicht.« Malek hielt die Schüssel hin, und Nevenna beeilte sich, ihm nachzuschenken. »Jedes Mal kommt er mit sowas zu uns.«
»Weil er ein Feigling ist«, ätzte Dreifinger. »Und wir für ihn die Drecksarbeit –«
»Ruhe.«
Normalerweise war Khamesh eher schweigsam und ließ selbst den längsten Wortschwall Dreifingers geduldig über sich ergehen. Doch jetzt hatte er die Hand gehoben und seine Miene zeigte Wachsamkeit.
Dreifinger war verstummt und schaute erst zu Malek, dann wieder zu Khamesh.
Nevenna versuchte noch, zu enträtseln, was den Südländer wohl alarmiert haben könnte, da hörte sie es selbst. Hufschläge.
»Der reitet vorbei«, prophezeite Dreifinger, und zunächst schien es, als würde er Recht behalten. Doch dann wurden die Hufschläge langsamer, hielten ganz inne. Und kamen wieder zurück.
Natürlich reisten öfter mal Leute die Straße entlang. Und manchmal bemerkten sie auch das Lager am Straßenrand. Malek hatte stets Wert darauf gelegt, sich nicht zu verstecken. »Wir haben nichts zu verbergen«, hatte er immer wieder behauptet. Nevenna war nicht sicher, ob das stimmte, aber zumindest hatte diese Taktik bisher Erfolg gehabt. Von den wenigen Vorüberziehenden würdigte sie kaum jemand einmal eines Blickes, und wenn doch, dann sah derjenige ganz von allein zu, dass er weiterkam. Dass jemand anhielt, ja, sogar abstieg und den Pfad zu ihrem etwas erhöhten Lagerplatz zwischen den alten Ruinen herauf kam, war noch nie passiert.
Malek machte eine unauffällige Handbewegung, und sie zog sich sofort ein Stück zurück in den Hintergrund, und tat so, als würde sie Khameshs leer gegessene Schüssel mit einem Grasbüschel säubern.
»N’ Abend«, hörte sie eine fremde Stimme. Sie wusste, es wäre besser, den Kopf gesenkt zu halten, aber sie konnte nicht anders, als über den Stapel Feuerholz hinweg den Neuankömmling zu mustern.
Groß, größer als Malek, aber nicht so breitschultrig und eher hager. Das Gesicht wettergegerbt und mit einigen tief ausgeprägten Falten um den Mund und auf der Stirn. Die zottigen Haare waren hell, vielleicht war er in seiner Jugend mal blond gewesen. Sein Blick huschte im Lager umher, über die Männer und die herumliegenden Sachen: Den Sack Kartoffeln, an dem noch der lehmgelbe Ackerboden klebte, die gewaschenen Hemden, die auf der Leine hingen, die Angelrute, die an der verfallenen Mauer lehnte. Doch vor allem über die Männer – und ihre Waffen. Es war ein routinierter, abschätzender Blick, von einem Krieger, der die Stärke seines Gegners abwägt. Zwar trug er keine Rüstung, sondern nur ziemlich abgewetzte und staubige Reisekleidung, aber er hatte ein Schwert.
Dreifingers leisem Murren zufolge hatten die anderen es auch bemerkt.
Nevenna sah hoch – und begegnete direkt dem Blick des Mannes. Seine Augen waren jetzt schmal.
»Zum Gruß«, sagte Malek unbeeindruckt. Noch wirkte er entspannt, aber der Eindruck täuschte, denn seine Hand lag schon auf dem Stiel der Axt, die er in der Gürtelschlaufe trug. Khamesh spielte betont gleichgültig mit einem Dolch herum und Dreifinger… Dreifinger starrte den Fremden auf diese tumbe Art an, die er vermutlich für bedrohlich hielt, aber in Nevenna stets den Verdacht erweckte, dass er sich in Wahrheit nach einem Besuch auf dem Abtritt sehnte.
»'N Abend«, wiederholte der Fremde. Die Höflichkeit hätte verlangt, dass er sich vorstellte oder sein Anliegen nannte, aber er tat nichts dergleichen. Nevenna konnte fühlen, dass er sie noch immer ansah, auch wenn sie längst wieder den Kopf gesenkt hatte.
»Was führt Euch her?«, fragte Malek schließlich, als sich das Schweigen zu sehr in die Länge zog.
»Ich suche eine Frau«, sagte der Fremde. »Ihr Name ist Neva oder Nevenna.«
Keiner der drei Männer zuckte auch nur mit der Wimper, aber Nevenna konnte nicht verhindern, dass ihr Kopf ganz von selbst nach oben ruckte.
»Nie gehört«, sagte Malek lässig und betrachtete seine Fingernägel. Khamesh schaute gleichmütig ins Feuer und Dreifinger pulte sich im Ohr herum. Zusammen gaben sie ein Bild ungetrübter Unschuld ab.
»Eine junge Frau«, fuhr der Mann fort, und nun klang seine Stimme beinahe sanft. »Braune Haare, dunkle Augen. Eine Narbe am Kinn.« Noch immer sah er sie an.
Sie starrte zurück und wusste nicht, was sie tun sollte. Nichts am besten. Sie würden sie sowieso nicht gehen lassen.
»Dann werdet Ihr wohl weiter suchen müssen.« Jetzt war Maleks Stimme schon schärfer, und ein warnender Unterton lag darin.
»Das werd ich dann wohl tun«, sagte der Mann nach einer längeren Pause. »Lass mich nur kurz mit der Kleinen da sprechen, und schon bist du mich wieder los.«
»Warum sich mit Weibergeschwätz plagen?«, fragte Malek mit einem Lachen, aber es klang nicht echt. »Glaub mir, es ist besser, wenn sie den Mund hält. Das Geplapper raubt einem den letzten Nerv.«
Als ob. Nevenna hätte am liebsten geschnaubt. Wenn sie jemals auf die Idee gekommen wäre zu »plappern«, hätte sie sich schneller eine Maulschelle eingefangen als Dreifinger in der Nase bohren konnte.
Auch der Fremde sah nicht überzeugt aus.
»Gibt schlimmeres als ein plapperndes Weib«, sagte er langsam. »Und dauert auch nicht lange. Komm her, Kleine, und dann unterhalten wir uns kurz.«
Sie blickte fragend zu Malek.
»Du hast meinem Weib nichts zu sagen«, knurrte der.
»Ach so, sie ist dein Weib? Ich bitte vielmals um Verzeihung«, spottete der Fremde. »Du sprichst aber nicht sehr nett von deiner Frau. An ihrer Stelle würde ich dir mit dem Nudelholz eins überbraten.«
»Das geht dich einen Scheißdreck an!«, zischte Malek. »Verschwinde!«
Der Fremde seufzte.
»Nur zu gern. Sobald ich mit ihr gesprochen habe.«
»Hörst du schwer?«, schaltete sich jetzt Khamesh ins Gespräch ein. »Verzieh dich!«
»Mit meinen Ohren ist alles in Ordnung«, sagte der Fremde. »Das einzige, was ich bisher noch nicht gehört habe, war ein Wort von der Kleinen da.«
»Wirst du auch nicht!«, nölte Dreifinger. »Hau ab. Das Weibsstück gehört zu uns. Such dir eine eigene.«
»Mmh. Verlockender Gedanke.« Es klang beinahe ernstgemeint, aber nichts in der Haltung oder Miene des Fremden verriet, dass er bereit war, nachzugeben. »Sobald ich mit der Kleinen gesprochen habe.«
»Sieh zu, dass du Land gewinnst«, gab Malek hitzig zurück, »Sonst wirst du nie wieder mit irgendeiner Kleinen reden!«
Das war eindeutig genug, und doch blieb der Fremde stehen, wo er war. Ja, er lächelte sogar, ein so unheilverkündendes Wolfsgrinsen, dass Nevenna am liebsten zurückgewichen wäre.
»Das glaub ich weniger.«