Jugendgeschichte aus den 80ern in der DDR

Das soll vielleicht mal ein Roman werden. So jedenfalls mein Wunschtraum… :wink: Hier mal ein Auszug aus der Geschichte, die in den Ferien im Jahr 1984 spielt. Ich freue mich über euer Feedback!

Leider war es auch am Montag, nicht wesentlich später, als ich aufwachte. Ich fluchte leise vor mich hin, als das mit Umdrehen und weiterschlafen nicht funktionierte.

Ich bequemte mich aus dem Bett, mein Magen knurrte und trieb mich Richtung Küche. Das Bad ließ ich erst einmal links liegen. „Waschen ist Luxus und Luxus könn‘ wir uns nicht leisten.“ Den Spruch seines Opas hatte ich verinnerlicht. Ich hatte sowieso keinen Plan, was ich mit dem Tag anstellen sollte, da kam das auf ein bisschen Körperpflege auch nicht an.

Meine Mutter hatte einen Plan.

Der lag auf dem Küchentisch in Form eines Zettels. Eines Aufgabenzettels. Ich stöhnte auf und las: ‚Lieber Jens, es wäre schön, wenn du die Erdbeeren durchpflücken und die Wäsche abnehmen könntest.

Über dem Stuhl hängt der Fleischerbeutel. Der müsste noch ins Geschäft. Ich wünsche dir noch einen schönen Ferienanfang!

Deine Mutti!‘

Tolle Wurst. So hatte ich mir meine Ferien nicht vorgestellt. Hoffentlich ging das nicht so weiter.

Mein Magen meldete sich. Ich kümmerte mich erst einmal um das Frühstück. Zum Glück war noch Kuchen im Ofen. Da war auf Muttern Verlass. Sie wusste, dass ein Frühstück am besten aus einer Tasse Milch und trockenem Rührkuchen bestand.

Denn nur den konnte man so schön in die kalte Milch eintunken und fast ohne zu Kauen herunterschlucken. Ein Genuss!

Der Kuchen war alle und somit das Frühstück beendet. Das war einer der Vorteile an der Eintunkmethode, man war recht schnell mit dem Essen fertig und konnte sich wichtigeren Dingen widmen.

Nur, was sollte ich tun?

Den Zettel der Mutter abarbeiten? Erdbeeren essen fand ich ja noch ganz gut, aber das Pflücken war nun wirklich nicht meins. Da tat einem total der Rücken weh, wenn man das auch nur zehn Minuten lang machte!

Und gerade meine Eltern mussten auch noch so große Beete anlegen, wo man so richtig zu tun hatte.

Das machte sich dann während der Erdbeerzeit auch bemerkbar. Erdbeeren gezuckert, mit und ohne Milch, Erdbeertorte und Erdbeermarmelade beherrschten die Küche und den Speiseplan. Alles leckere Dinge, die aber auch einer gewissen Arbeit bedurften, zumindest die Beeren mussten gepflückt werden.

Ich beschloss, in den Garten zu gehen, um mir das Erbeerbeet mal unverbindlich anzusehen. Vielleicht waren ja gar nicht so viele Erdbeeren dran und die Sache war schnell erledigt.

Es sah nicht danach aus.

Überall zwischen dem Grün leuchteten die Früchte. Schön rot signalisierten sie, dass sie erntereif waren.

Nun hätte man sich einen Korb schnappen und mit der Pflückerei loslegen können. Aber nicht so ich.

Zu so einer eintönigen Arbeit fehlte noch Musik. Richtig, ohne Musik ist das gar nicht zu schaffen!

Mein neuer Recorder stand in meinem Zimmer und war mein ganzer Stolz. Den hatte ich mir vor kurzem von der Westgeldspende irgendwelcher Verwandten, die ich nie gesehen hatte, gekauft. Stolz wie Bolle war ich in Berlin in den Intershop gegangen und dieser rote Kassettenrecorder war mir sofort aufgefallen. Der war schön handlich und nicht so riesig wie die DDR-Teile und hatte trotzdem einen sehr guten Klang. Die Japaner hatten schon was drauf, was solche Elektronikgeräte anging. Aber das Beste an diesem Rekorder war, dass er „waterproof“ war. Ich hatte das mit wassergeschützt übersetzt, aber war mir fast sicher, dass man damit womöglich baden gehen konnte. Ausprobieren würde ich das aber nie im Leben, da war mir das Gerät dann doch zu kostbar.

So ein tragbarer Recorder ist praktisch, da man damit überall Musik hören kann. Unpraktisch ist er, wenn man dafür gleich acht teure Batterien braucht, die auch unheimlich schnell leer werden und das tragbare Gerät dann doch am Netzstecker festhängt.

Deshalb schnappte ich mir den Recorder und das Netzteil und machte mich im Keller auf die Suche nach einem Verlängerungskabel.

Das war kein leichtes Unterfangen, da der Keller das Reich meines Vaters war und dessen Ordnung unterlag.

Ordnung war nicht unbedingt meine Stärke, aber mit der Logik meines Vaters, Dinge zu sortieren und wegzulegen, kam ich auch nicht mit. Warum lag das Schleifpapier bei den Schrauben, die Muttern bei den Ersatzglühlampen und hingen diverse Stücke von unterschiedlichen Seilen bei den Verlängerungskabeln? Wenigstens hatte ich die Kabel gefunden.

Weil das ziemlich kurze Enden waren(warum hießen die dann Verlängerungskabel?), brauchte ich gleich mehrere, um die Strecke zwischen Haus und Erdbeerbeet zu überwinden. Ich hatte mal gesehen, dass mein Vater auch so eine Kabeltrommel in Gebrauch hatte, hatte aber keine Lust, den Keller noch mal zu durchsuchen. Die Chance, die Kabeltrommel zu finden, war einfach zu gering.

Kurze Zeit später dudelte im Garten bereits die Musik.

Es gab ja tatsächlich noch welche in meiner Klasse, die keine Westmusik hören durften. Bei den meisten war das aber ok. Nur die Nachbarn sollten nichts davon mitbekommen, dass im Radio dann der RIAS lief.

Nun. Das war schwer einzuhalten, wenn man die Musik draußen im Garten laut aufdrehte. Mir war das aber auch egal. Ich ging fest davon aus, dass alle Nachbarn arbeiten waren.

Mit der richtigen Musik fiel einem das Pflücken wesentlich leichter. Es war trotzdem keine schöne Arbeit. Um diese zu beschleunigen, beschloss ich, nur kurz durchzupflücken. Ein Korb Erdbeeren sollte auch ausreichen, um seinen guten Willen zu dokumentieren. Die anderen Erdbeeren waren halt jetzt noch nicht reif und sind erst später am Tag rot geworden.

Ich lobte mich selbst für diese wunderbare Idee und war dann auch recht schnell fertig mit der ungeliebten Arbeit.

Endlich Zeit, die Ferien zu genießen!

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Hm, ich frage mich, wer die Zielgruppe für diese Geschichte ist?

Ich als Erwachsene fand die Handlung jetzt nicht so spannend; ungefähr 2 Seiten zu lesen, nur um zu erfahren, wie ein Junge aufwacht, frühstückt, halbherzig Erdbeeren pflückt und Musik hört.

Aber für eine Kindergeschichte ist die Wortwahl teilweise zu schwierig und man müsste mehr erklären, denke ich. (Westgeldspende, Fleischerbeutel, dokumentieren … bis hin zu Unterfangen und unterlag.)

Ich persönlich lese eigentlich gerne Kinderbücher und auch gern nette Erwachsenenbücher ohne viel Action, wenn sie einfach nur schön sind. Für mich als Zielgruppe (zugegeben, eine sehr spezielle Zielgruppe) müsste dann aber die Grundstimmung schön sein und Lebensfreude ausstrahlen, ohne Fluchen und Null-Bock-Stimmung.

Ich muss sagen, ich sehe das ähnlich wie Corinna. Ich habe den Text schon gestern Abend gelesen und musste ihn erstmal auf mich wirken lassen, weil ich nicht genau wusste, was ich damit jetzt anfangen soll.

Mal so aus dem Bauch heraus:
Wenn der Roman durchgängig in diesem Stil geschrieben sein sollte, würde ich nach ca. 20 Seiten aufhören zu lesen, da meine Erwartung „Da muss doch gleich was spannendes passieren“ oder zumindest ein Teaser dahingehend, nicht erfüllt sein würde.

Für mich wäre aufstehen, frühstücken, dieses unmotivierte: Nagut, ich mach mal halbherzig und zum Teil was von mir verlangt wird" - auch nicht genug. Außer du findest ne Leiche im Erdbeerfeld oder ein Zugang zu einem bisher unentdeckten Bunker oder zumindest Munition und Schleifspuren, so irgendwas in der Richtung :smiley:

Ich denke aber du kannst etwas total tolles aus deiner Geschichte machen, denn die Grundlage dafür ist auf jeden Fall da und das Thema DDR ist sowieso :ok_hand:
Um daraus etwas unterhaltsamen zu machen, muss es auch nicht zwingend Mord und Totschlag geben.

Ich glaube du musst dir nur überlegen, was du eigentlich mit deinem Text sagen möchtest und wen du damit konkret erreichen willst.

An deiner Stelle würde ich den Charakter noch mehr überspitzen. Er ist ja schon etwas spezial und irgendwie auch witzig. Sollte die Geschichte überwiegend auf deinen eigenen Erfahrungen beruhen - würde ich hierzu glaube die Perspektive wechseln und nicht aus der Ich-Perspektive schreiben. Das wäre mir zu nah und würde mich irgendwie zu sehr hemmen und einschränken. Ich zieh mich ja eher ungern selbst durch den Kakao oder begebe mich in Situationen, in denen ich leiden muss. Ich würde mich auch zu sehr an der Realität und den Originalabläufen orientieren was der Geschichte glaube nicht gut tut, da sie ihren eigenen Ablauf entwickeln möchte - außer du willst eine Autobiografie schreiben, dann ist es natürlich etwas anderes.

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Danke schon mal für eure Hinweise.
Die machen es mir zwar nicht einfacher, aber an einer Stelle habt ihr Recht, in dem Teil fehlt noch der rote Faden. Der kommt etwas später.
Es gibt ja viele Bücher, die einfach nur eine Geschichte erzählen, ohne dass Spannung beim Leser erzeugt wird. So in der Form wollte ich das auch tun. Meine zwei Favoriten der Bücher über die 80er in der DDR (Düsterbusch City Lights und Skizze eines Sommers) sind in der Art geschrieben.
Und ich hatte erst in der 3. Person geschrieben, nach einem Hinweis das jetzt in die Ich-Erzählweise umgeschrieben. :slight_smile:
Ich habe jedenfalls festgestellt, dass mir das leichter fällt und lass das erst mal so.
Interessant fand ich zu hören, dass ihr das eher langweilig fandet. Da muss ich also noch mal dran arbeiten, dass das besser wird. In meinem Kopf war das alles sooo cool. :slight_smile:
Ansonsten soll es eine Geschichte für Erwachsene sein, die damals dort aufgewachsen sind und sich vielleicht erinnern. Hier gibt es kaum etwas. Die beiden Romane, die ich oben erwähnt habe, sind hier wirklich wunderbare Zeitgeschichte, die aufgeschrieben wurde.
Also noch mal vielen Dank, dass ihr euch die Mühe gemacht und etwas dazu geschrieben habt.

Wenn das auf mich überspringen würde, Begeisterung, Lebensfreude, Ostalgie, gute Stimmung, dann bräuchte es für mich auch nicht mehr Handlung oder roten Faden.
Für meinen Lesegeschmack war nicht das Problem, dass ich es langweilig fand, sondern dass eine Null-Bock-Stimmung auf mich übersprang.
Keine Lust aufzustehen, keine Lust auf Körperpflege, Essen schnell runterschlingen, gedankliches Genörgel über Vaters Unordnung, und sich dann eine Lüge ausdenken, um seine Pflichten nur halb zu erledigen, da kommt bei mir weder Ferienstimmung noch Nostalgie auf.

Die gleiche Handlung mit anderer Stimmung könnte sein:
Jippie, schnell aufstehen, erster Ferientag, bloß nichts verpassen. Vorfreude auf Fahrradtour mit Freunden zum entfernten Badesee. Körperpflege? Ach was, Badesee ist doch viel besser! Oh, Pflichten zu erledigen, das wird eng, aber ich kann es schaffen, bevor meine Freunde mich abholen. Gute Laune, dazu wäre Musik noch schön… Schatzsuche im Keller, alles cool, aber zuviel Zeit dabei vertrödelt. Fleißig an die Erdbeeren, mit toller Musik, aber Zeit reicht nicht mehr. Nicht schlimm, Mama hat bestimmt Verständnis für den Badeseeausflug, restliche Erdbeeren morgen. Da klingeln schon die Freunde: Endlich Zeit, die Ferien zu genießen!

Also heile Welt statt Realismus?

Ja, unsere Corinna liest so etwas am Liebsten.

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Düsterbusch City Lights :thinking:

Okay - eingetütet. Werde ich mir angucken.

Ich glaube ein bisschen verstehe ich dich.
Wenn du 300 Seiten in diesem Stil über die Dame im öffentlichen Dienst schreiben würdest - würde ich tatsächlich alles lesen ohne dass dabei etwas Wesentliches für mich passieren müsste und würde mich trotzdem prächtig unterhalten fühlen.

Vielleicht sind Corinna und ich einfach wirklich nur die falsche Zielgruppe für diesen „realistischen“ jungen Erwachsenenalltag, weil wir eher Gänseblümchen mit Hasenherzen sind, die freudig im Regen den Regenbogen entgegen tanzen und es kaum erwarten können unser Hände in frische Erde zu tunken um Mutter Erde zu spüren :smiling_face:

Fühl dich gedrückt!

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Für meinen Buchgeschmack: ja.
Realismus gibt es in meinem Alltag genug. In der Zeit, die ich mit meinem Hobby Lesen verbringe, möchte ich Unterhaltung und gute Laune.
[… oder, je nach Stimmung, auch mal richtig viel Spannung, um den Alltag zu vergessen.]

Hallo :slight_smile:
Bei Deiner Antwort sind mir mehrere Dinge aufgefallen:

Wenn Du den Leser nicht auf den ersten zwei, drei Seiten packst, hast Du ihn für immer verloren.

Das Problem: Es sind Deine patinierten Erlebnisse. Du schreibst von Deinem Alltag. Worin hat dieser sich von Alltag Werners aus Kassel 1984 unterschieden?

Wozu? Jeder, der die DDR erlebt hat, hat seine eigenen Erinnerungen. Dafür braucht es kein Buch, um an Erinnerungen erinnert zu werden.
Die Sache mit der Ostalgie/Nostalgie ist, dass jeder das Gleiche und doch nur in Nuancen unterschiedliches erlebt hat. Um mich noch mal in diese Zeit zu versetzen, lese ich „Käuzchenkuhle“, „Die Gefangenen der Pantherschlucht“ oder „Alfons Zitterbacke“. Vllt. auch noch „Dr. Aibolit“ oder „Der Zauberer der Smaragdenstadt“. Das bringt mir persönlich viel stärkerer Emotionen.
Dederonbeutel, Sharp-Recorder und der RIAS funktionieren heute nur noch für Ossis 50+ und diese Gruppe wird kleiner.
Vorschlag (da ich es selbst erlebt habe): Geh in Berlin ins DDR-Museum. Mit einem Wessi Deines Altes. Tempo-Erbsen, Ata und Pionierhalstuch sind nur noch Hüllen und Relikte, die ihr Leben vor über 40 Jahren ausgehaucht haben und kein noch so starker Wunsch wird sie je wieder zurückbringen.
Solange Du und Deine Familie keinen irgendwie gearteten Konflikt mit dem Land und dem System hattet, wird sich Deine Geschichte nur um alltägliche Banalitäten drehen. Falls das weder spannend noch lustig ist, sehe ich schwarz für eine breite Veröffentlichung.
MfG

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Hallo ixylon! (cooler Name…)
1984 bin ich in die 10. Klasse der Polytechnischen Oberschule gekommen. Dein Thema ist (eigentlich) mein Thema. Das ist wohlwollend gemeint!!! Du hast es schon gelesen. Die ersten Seiten müssen packen!
Ich hatte das Glück, für mein erstes - und bislang einziges veröffentlichtes - Buch („Der Bronzerücken“) auch einen Romanautor als Gegenleser zu gewinnen. Sein Kommentar nach dem Lesen meiner Probe: „Herr Krüger, machen Sie weiter!“ Nach dem Vorwort kam (und kommt) das Kapitel 1 mit dem Titel: „Du tanzt wie ein Schwuler!“ Sinngemäß meinte der Autor, es wäre ein sehr guter Einstieg.
Nun ist mein Buch kein Roman, nicht einmal eine richtige Biografie. Aber meine „biografisch-philosophische Reise“ spricht trotzdem manche Leute an (Bewertungen und Leseprobe auf Amazon).
Vielleicht hilft Dir, was „zwischen den Zeilen“ in den Bewertungen steht…
Auf jeden Fall wünsche ich Dir, dass Du Dich mit Deinem Werk einhundertprozentig identifizieren kannst!!!
Und ein guter Roman spricht wahrscheinlich mehr Leute an, als es eine Biografie eines Unbekannten kann… Viel Erfolg!
Gruß, Udo

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Hach.
Einerseits helft ihr mir wirklich mit all euren Kommentaren, aber andererseits macht sich das Gefühl in mir breit, es ganz sein zu lassen.
Vielleicht lass ich das Projekt erst mal ruhen und probiere mich an kürzeren Geschichten, um überhaupt das Gefühl für Handlung, roten Faden und guter Schreibe zu bekommen.
Ganz aufgeben will ich dann doch nicht. Übung macht den Meister! Hoffe ich zumindest.

@Fuxx
Schonungslos. Ich musste kurz schlucken. Aber soweit bin ich schon kritikfähig, um das zu verstehen. Danke.
„Die Gefangenen der Pantherschlucht“ hab ich immer noch im Regal zu stehen. Eins meiner Lieblingsbücher damals.

@Bronzerücken
Ixylon war der Bootstyp, den ich lange gesegelt bin. Und seitdem es das Internet gibt, ist das mein Pseudonym. :wink:
Ich hab kurz in Dein Buch bei Amazon reingelesen. Man merkt, dass Du so viele Informationen in Dir hast, dass Du so ein Buch schreiben musstest. Ich pack mir das mal auf meine Leseliste.

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Ich habe vor etwas über eineinhalb Jahren mit meinem Romanprojekt begonnen. Das ist dieses eine Projekt, das mir am Herzen liegt, diese eine Geschichte, die ich erzählen will. Mein Rezept ist: erstmal fertigschreiben, ohne Anspruch auf Perfektion, und dann überarbeiten, und nochmal überarbeiten, und nochmal überarbeiten, und nochmal überarbeiten. Und nochmal überarbeiten.

Bei mir kam ein kleiner Durchbruch (oder Schub, oder wie man das nennen will), als ich etwa 80.000 Wörter geschrieben hatte. Da hat sich meine Perspektive auf mein Buch verändert, ich habe mehr das große Ganze wahrgenommen, das langsam aus meinen vielen einzelnen kleinen Ideen gewachsen ist. Und ich hatte inzwischen mehr Gelassenheit, mich von einigen Inhalten und einer Nebenhandlung zu trennen, weil die Menge dann immernoch für ein Buch reichen würde. In einer fünf bis sechs Wochen langen, etwas schmerzhaften, „Kill-your-darlings“-Phase habe ich dann vieles rausgekürzt, was mir zwar gut gefiel, was aber nicht mehr ganz hineinpasste, weil sich die Geschichte inzwischen weiterentwickelt hatte. Nach dieser Phase hatte ich wieder 80.000 Wörter, aber etwa ein Fünftel andere als vorher.

Meine 150 Szenen (zwischendurch waren es mal knapp 200) haben immer noch keine endgültige Reihenfolge, weil ich immer wieder umsortiere. Dann wird eben nochmal überarbeitet. Und nochmal. Ein Manuskript kann nicht, und braucht auch nicht, beim ersten Versuch schon gut sein.

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@ixylon
Das Gefühl, „…es wird eh nichts…“, hat sicher so mancher Autor bei der Arbeit an seinem Text. Mir geht es auch immer wieder so, obwohl ich an anderen Tagen die Texte super gut finde.
Deine Frage ist noch nicht geklärt, was du mit dem Buch erreichen und wen du erreichen möchtest?
Wer die DDR und ihr Leben dort nicht erlebt hat, kann es nur informativ nachvollziehen. Es sei denn, man schreibt eine spannende Geschichte. Dabei muss es nicht immer nur um Konflikte mit dem Land oder dem System gehen. Vor allem, da solche Konflikte, in der Lebensrealität, die Wenigsten hatten.
Aber als Teenager, da gibt es doch Stoff ohne Ende: Penne, Lehrer, Kirschen, Musik, Eltern, Freunde usw. usw.
Du könntest erzählen, von dem Leben neben: Mauer, Stasi, Schießbefehl und nicht überall hin reisen zu können.
Da war jedenfalls mächtig was los…

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Hallo, @ixylon,

ich glaube, dir ist nicht klar, was „Spannung“ und „Spannung aufbauen“ bedeutet.
Spannung wird häufig mit „Mord und Totschlag“ oder „James-Bond-Action“ verwechselt. Aber das ist gar nicht nötig.
Ich behaupte, dass auch Astrid Lindgrens Bullerbü, genauso wie alle ihre Geschichten, spannend ist. Wären sie es nicht, hätten kaum Leute sie gelesen und würden sie mit Sicherheit nicht heute auch noch lesen.
Du kannst supergerne alltägliche Geschichten aus DDR-Zeiten ausgraben und aufschreiben und sie theoretisch auch einem breiteren Publikum zugänglich machen.
Die einzige Voraussetzung, die du dabei erfüllen musst: Die Geschichten müssen spannend sein.
Wie erzeugt man nun Spannung? Durch Konflikte.
Und wann ist ein Konflikt ein Konflikt? Wenn er dazu führt, dass die Figur in der Szene ihr Ziel nicht mehr erreichen kann oder die Zielerreichung sehr schwer gemacht wird.
Wenn ich an Astrid Lindgren denke, fällt mir z.B. die Geschichte „Lotta zieht um“ ein. Lotta hat nach dem Aufstehen ein ganz klares Ziel: Sie will ihr Samtkleid anziehen. (Das hat nun wirklich nichts mit Mord und Totschlag zu tun. Es ist ein ganz einfaches Ziel.)
Ihre Mutter ist dagegen. Das Samtkleid ist nur für sonntags vorgesehen. (Aus damaliger Sicht war das verständlich, denn es war viel mühsamer als heute, Kleidung sauber zu bekommen. Also wurden die guten Kleidungsstücke für besondere Tage geschont.) Da Lotta wegen eines Streites mit ihren Geschwistern ohnehin schon schlechte Laune hat, wird sie bockig. Sie will nur das Samtkleid anziehen und nicht den Pullover, den ihre Mutter vorgesehen hat, und von dem sie sich einbildet, dass er kratzt.
Lottas Mutter ist hier also die Antagonistin. (Daran kann man sehen, dass Antagonisten nicht immer böse sein müssen wie Darth Vader, Lord Voldemort oder Sauron. Es können auch liebevolle Mütter sein.)
Und schon gibt es einen Konflikt, weil zwei Ziele einander entgegenstehen: Lotta will das Samtkleid anziehen, ihre Mutter will, dass sie einen Pullover anzieht.
Dieser Konflikt wird verstärkt, als Lotta aus lauter Trotz zur Schere greift und ein Loch in den Pullover schneidet. Jetzt meldet sich ihr schlechtes Gewissen. Sie weiß, dass sie im Unrecht ist, kann und will das aber noch nicht eingestehen. Und so beschließt sie, von zu Hause wegzugehen und bei der Nachbarin ins Gartenhaus einzuziehen.

Jede gute Geschichte enthält eine gewisse Spannung. Spannung muss nicht grausam und blutig sein, obwohl das in manchen Genres durchaus erwartet wird.
Spannung bedeutet nur, dass es zwei gegensätzliche Meinungen gibt. Es kann sogar sein, dass beide Meinungen bzw. Standpunkte absolut verständlich sind. Man kann verstehen, dass Lotta gerne ihr bestes Kleid anziehen will. Und man kann auch verstehen, dass die Mutter dieses Kleid lieber für besondere Tage schonen will. Keinem von beiden kann man einen echten Vorwurf machen. Und trotzdem sind sie in diesem Moment Gegenspieler und haben einen Konflikt miteinander.
Wenn du deine Ideen immer darauf abklopfst, wo es Möglichkeiten gibt, gegensätzliche Ziele aufeinandertreffen zu lassen, ergeben sich die Konflikte und damit die Spannung von ganz alleine.
Man kann die Spannung steigern, indem man sich Konflikte ausdenkt, bei denen für die Figuren viel auf dem Spiel steht. Für Lotta steht (ihrer Meinung nach) viel auf dem Spiel, wenn ihre Mutter sieht, dass sie ein Loch in den Pullover geschnitten hat. Sie stellt sich vor, wie die Mutter schimpfen wird. So etwas ist für Kinder sehr schlimm. Also hat Lotta in diesem Moment viel zu verlieren, nämlich für eine Weile die Liebe ihrer Mutter, wie sie denkt.
Sie sieht hier nur den einen Ausweg: von zu Hause fortzugehen.
Und im Laufe der Geschichte entwickelt sich ihr Charakter. Sie lernt, dass es für eine kurze Weile lustig sein kann, „einen eigenen Haushalt“ im Gartenhaus ihrer Nachbarin zu führen, aber als die Nacht kommt und sie ganz allein ist, sehnt sie sich nach ihren Eltern und möchte wieder nach Hause. Ihr Blickwinkel auf die vorigen Erlebnisse ändert sich. Der Pullover kommt ihr gar nicht mehr so kratzig vor, wie sie sich am Morgen noch eingebildet hatte. Und sie sieht ein, dass es vielleicht zu extravagant war, an einem gewöhnlichen Tag ein Samtkleid tragen zu wollen.

Wenn du es schaffst, ähnliche Konflikte und auch eine Charakterentwicklung in deine Geschichte zu bringen, kann sie ebenso spannend werden wie Astrid Lindgrens Geschichten. Und es wäre zudem sehr geschickt, wenn du Besonderheiten aus dem Alltag der DDR einflechten könntest, sodass man nicht sagen kann, die Geschichte hätten ebenso gut auch im Westen passieren können.
Ich war nie in der DDR und kenne mich mit dem damaligen Alltag nicht aus. Aber ich denke, es gab eine Menge „harmloser“ Konflikte, die für Spannung sorgen könnten.
Was wäre, wenn die Mutter ihn nicht gebeten hätte, die Erdbeeren abzuernten, sondern für Bananen anzustehen? Und nachdem er die begehrten Früchte endlich ergattert hat, begegnet er auf dem Heimweg zwei älteren Jungen, die ihm die Bananen auf irgendeine Weise abnehmen, sei es mit Gewalt oder mit einer List.
So ähnlich, wie Tom Sawyer seine Freunde mit einer List dazu gebracht hat, den Zaun für ihn zu streichen.
Es sind oft und gerne die alltäglichen Dinge, die Lesern Freude machen. Es muss nicht immer 007 sein, der die Welt rettet und alle paar Meter einen Menschen umbringt.

Was aber auf keinen Fall in einer Geschichte fehlen darf, ist Spannung. Und die entsteht durch Konflikte. Und sei es „nur“ dadurch, dass ein kleines Mädchen ein Loch in einen vermeintlich kratzigen Pullover schneidet.

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Konflikte sehe ich in der Geschichte reichlich.
Das fängt schon direkt mit inneren Konflikten an - weiterschlafen oder aufstehen, Körperpflege oder nicht - und geht dann weiter mit einem größeren äußeren Konflikt: Der Jugendliche will seine Ferien mit Nichtstun genießen, die Mutter hat aber einen Plan für seinen Tag aufgestellt: Erdbeeren pflücken, Wäsche abnehmen, zum Fleischergeschäft gehen.
Nur finde ich es weder besonders spannend, noch besonders schön, wie der Jugendliche mit den Konflikten umgeht. (fluchen, als unwichtig abtun, sich eine Lüge ausdenken)
Für meinen Lesegeschmack dürften alle diese Konflikte gerne wegfallen, und statt dessen in mir als Leser gute Laune, Nostalgie und schöne Kindheitserinnerungen geweckt werden.

Ich denke, das sind vor allem Scheinkonflikte. Denn der Protagonist hat keine deutliche Motivation für sein Ziel „Nichtstun“ und es steht für ihn auch nichts auf dem Spiel, wenn er es nicht erreicht. Er erreicht es ja auch nicht, da er - zwar lustlos und nicht sehr sorgfältig - die Aufgaben seiner Mutter erledigt. Er wirkt passiv.
Und ohne starke Motivation für ein Ziel, fragt man sich stets, warum er nicht einfach aufhört. Dann wäre allerdings die Geschichte zu Ende und das ist ungünstig.
Ich würde sagen, es sind ein paar Ideen für Konflikte angelegt, aber diese sind nicht ausgearbeitet und nicht mit Zielen und Motivation verstrickt. So gibt es diesen „Komm ich heut nicht, komm ich morgen“-Eindruck, der die Geschichte langweilig wirken lässt.

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Ziel und Motivation, ja, davon möchte ich lesen.
Das würde mir aber ohne Konflikt wahrscheinlich besser gefallen.
Juchhu, Erdbeeren pflücken! Mit cooler Musik, mit Nervenkitzel, weil die Musik eigentlich verboten ist, mit Genuss, denn die meisten Erdbeeren landen im Mund statt in der Schüssel. Die schmecken und duften so gut, Sonnenschein, toller Ferientag.

Es ist aber @ixylon’s Geschichte und nicht deine.
Du kannst gern schreiben, was du willst, aber anderen vorzuschreiben, was sie schreiben sollen, empfinde ich übergriffig.

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Aber genau das wäre doch ein Konflikt!