Jugendgeschichte aus den 80ern in der DDR

Dieser permanente Konfliktzwang hört sich für mich nach Ich-muss-unbedingt-die-Schreibratgeberregel-einhalten an.

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Nein. Nur, wenn du willst, dass der Text lange und gerne gelesen wird.

Ich habe „Die Insel des vorigen Tages“ von Eco gelesen. Das Buch ist sehr dick und es fehlen über lange Strecken Konflikte. An besagten Stellen wird „einfach nur“ das Schiff beschrieben.

Mir fehlt es bei @ixylon s Geschichte nicht an Konflikten sondern an Atmosphäre.

Der Roman ist auch unter Kritikern nicht besonders gut weggekommen. Viele fanden ihn ausschweifend und langatmig.
Ich denke, Umberto Ecos Anspruch war es auch nicht, einen Roman zu schreiben, der die Massen anspricht. Er war in erster Linie Semiotiker und Philosoph und nicht Romanautor. Ein Wissenschaftler eben.
Ich habe ihn mal in Berlin getroffen und einen italienischen Vortrag von ihm angehört.

Auch im 19. Jahrhundert gab es eine Menge Romane, die solche langwierigen Beschreibungen drinhatten, z.B. Die Elenden von Victor Hugo. Das liegt daran, dass die Leute damals nach Seitenzahl bezahlt wurden.
Und Eco hatte sich schon mit Der Name der Rose einen Namen gemacht. In dem Roman berücksichtigt er m.E. die Regeln für spannendes Schreiben mit am besten. Wahrscheinlich war der Roman deshalb auch so erfolgreich.
Aber seit der Veröffentlichung von Der Name der Rose sind auch schon wieder über 40 Jahre vergangen. Das Lesepublikum hat sich wieder verändert. (Leider hat es zahlenmäßig auch abgenommen.) Und es hat eine noch geringere Aufmerksamkeitsspanne. Dem ist mit Konflikten besser zu begegnen.

Du kannst beim Schreiben alles machen, was du willst. Aber nicht alles wird gleich gut bei einem breiteren Publikum ankommen.
Genauso kannst du auch beim Klavier wild in die Tasten hauen und die schrägsten Akkorde produzieren. Manche Künstler machen das auch. (Andere würden sagen: Der kann gar nicht spielen.) Aber ein breites Publikum wirst du damit eher nicht erreichen.

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Darin sehe ich den Knackpunkt.
Als Leseempfehlung kämen von mir die Bücher von Joachim Meyerhoff „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ und „Alle Toten fliegen hoch Teil 1: Amerika“. Dort gibt es keine weltbewegenden Konflikte, sondern die Coming-of-Age Erlebnisse eines Jungen in den 1970/1980er Jahren im Westen.

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Also scheint es ja doch zu funktionieren.

Das Aufwachsen innerhalb einer psychiatrischen Einrichtung hebt sich vom Alltag der meisten Jugendlichen ab …

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Ich bin ehrlich, das schicke ich voraus, und hoffe, du nimmst mir das nicht übel.
Das ist eigentlich genau mein Thema, ich war 1984 in der 10. einer POS, dennoch bin ich schon nach wenigen Absätzen ausgestiegen.
Größtes Manko für mich: der Schreibstil. Beinahe jeder Satz beginnt mit dem Subjekt, jedenfalls sehr viele.
Die erste Person wird empfohlen, um Gefühle und Innenansichten zu vertiefen. Aber dieser Text liest sich extrem schwerfällig, das Flair dieser Zeit will bei mir einfach nicht aufkommen.
Es gibt viele Wortwiederholungen, du dir Papyrus anzeigt. Die Sprache passt auch nicht zu einem Jugendlichen: „einer gewissen Arbeit bedurfte“, „beherrschten die Küche und den Speiseplan“, dagegen steht dann wieder extreme Umgangssprache: „Da tat einem total der Rücken weh“ …
Vielleicht hätte es dazu doch eines Stern-Kassettenrecorders aus der DDR bedurft? (Die DDR-Teile wurden auch im Westen verkauft.) Nein, Spaß beiseite.
Für eine Szene aus einer Geschichte erscheint mir das zu langatmig, und ich denke, wer nicht in der DDR aufgewachsen ist, wird damit gar nichts anfangen können.
Mein Rat, extrem kürzen. Versetzt dich in die Zeit zurück und erlebe sie, und dann schreib, aber bitte mit Konflikt und Gefühl.
Versuch, die Sprache nicht zu sehr in Umgangssprech abgleiten zu lassen, aber auch nicht wie ein Erwachsener zu klingen. Und schau mal nach den Hilfsverben, manche sind überflüssig und lassen sich problemlos ersetzen. Auch hier hilft Papyrus.
Viel Erfolg. Kurzgeschichten sind eine gute Idee, um das Handwerk zu lernen, beteilige dich an Wettbewerben, dann bekommst du, wenn es gut läuft, kostenfreie Lektorate.

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Mir hat das Buch gefallen, weil ich mir das Schiff in allen Einzelheiten ganz genau vorstellen konnte. Vielleicht bin ich auch zu altmodisch.

Anhänger von modernem Jazz werden das anders sehen. Und ja, da hast du wohl recht: Roland Kaiser hat mehr Anhänger. Ich finde weder Roland Kaiser noch modernen Jazz gut.
Die Frage ist doch: Wollte @ixylon überhaupt unbedingt die Massen erreichen? Meiner Ansicht nach ist dieses Ziel sowieso nicht das A und O der Schriftstellerei.

Hallo zusammen,
ich klinke mich spät im die Diskussion ein. Ich habe den Text von dir ixylon aufmerksam gelesen.
Und auch die Beiträge dazu.
Viele interessante Ideen und Tipps.

Nun mein Tipp für @ixylon: Lass diesen letzten Satz erst mal weg!
Und wenn du in der Ich-Perspektive bleiben willst, dann musst du auch klingen, wie ein junger Mensch aus dieser Zeit. Nicht zu viel Betrachtungen, nicht zu viele Beschreibungen, sondern einfach - machen.
Nicht erklären, warum der Rührkuchen mit Milch so gut ist zum Frühstück - er ist es einfach für dich!
Dieser Text hat potential. Wenn du weißt, wovon du erzählen willst, und einen Jugendlichen auf seiner Reise durch die 80 er Jahre in der DDR begleitest, schau durch seine Augen auf die Geschichte.
Dass der Jugendliche keine richtige Lust zu irgendwas hat, ist übrigens die stärkste Aussage in diesem Text - für mich. Da passiert vielleicht erst mal nicht viel - aber das finde ich gut!
Das macht die Stimmung für mich aus. Was danach noch kommen mag, ist ja noch offen (zumindest für uns Leser).
Also - nicht aufhören - nicht aufgeben! im Gegenteil! Bleib dran, und lass die Geschichte erst mal fließen. Für mich ist da noch alles offen. Und für dich?
Viele Grüße,
Pütchen