Interaktive Romane

Habt ihr euch schon Gedanken über Romane mit interaktiven Elementen gemacht, oder in diesem Bereich - als Autor oder Konsument - schon Erfahrungen sammeln können?

Ich beschäftige mich schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken, eine Geschichte - in klassischer Buchform ebenso wie als E-Book - mit virtuellen Features zu ergänzen. Dabei denke ich nicht in erster Linie an Computerspiele wie das z. B. vermutlich bei “Lifeline: Das Experiment” der Fall ist.
Ich denke eher an eine Art “Add on”, die über einen QR-Code (Print) oder direkten Link (E-Book) zu einer oder mehreren storybezogenen Landingpage(s) führen. Auf diese Weise könnte das Leseerlebnis deutlich ausgeweitet werden.

Wenn ich nach bereits umgesetzten Beispielen suche, lande ich fast ausschließlich bei Text-Adventures, die Teil eines Games sind … oder umgekehrt.

Kennt jemand andere Beispiele, bei denen die geschriebene Story im Vordergrund steht?

3 „Gefällt mir“

Ich kenne eigentlich nur Bücher aus den Bereichen Jugend und Fantasy, die ähnlich wie in einer Pen&Paper-Vorgehensweise eine Szene beschreiben und zum Abschluss eine Entscheidung vom Leser verlangen, der dann die weitere Geschichte beeinflusst.
[INDENT]Vor dir tritt ein Wolf aus dem Wald. Greifst du ihn an, dann lies auf S. 76 weiter. Oder fliehst du lieber, dann schau auf S. 237, wie es weitergeht.[/INDENT]
Die zweite Art geht in Richtung Augmented Reality, d. h. irgendwelche Links bieten zusätzliche Informationen an, um der Story mehr Tiefe zu verleihen, aber sind für den Verlauf der Story nicht essentiell, z. B. Tatortfotos, Grundrisszeichnungen.
Ein paar Beispiele dazu findest du z. B. auf https://web.fhnw.ch/plattformen/ph-bibliotheken/interaktive-buecher oder auch https://ichi.pro/de/interaktive-bucher-fur-erwachsene-sind-eigentlich-eine-sache-276279302613777

Es gibt aber nur wenige davon und der Grund ist wie immer das liebe Geld. Für unbekannte Autoren, die so etwas per Self Publishing unters Volk bringen wollen, wären die Kosten für Erstellung und Unterhalt entsprechender Websites, etc. unrentabel, Verlage schätzen i. d. R. die mögliche Zielgruppe als zu gering ein (“Interaktiver Kram ist was für Jugendliche und wenn Jugendliche interaktive Fantasy wollen, greifen sie doch auf Computerspiele zu, die ‘Alten’ mögen es eher, in ihren Texten auf der Couch zu versinken und nicht alle paar Minuten noch am Handy herumzufummeln oder den Computer zu bemühen.” /Vorurteile off).

6 „Gefällt mir“

Also ich würde ein Buch, das QR-Codes enthält, wieder zurück legen.
Eben aus jenem Grund:

3 „Gefällt mir“

… das war auch mein erster Gedanke.
Inzwischen habe ich mich unter anderem durch einen wissenschaftlichen Aufsatz aus dem Jahr 1997 gekämpft. Der befasste sich damals schon mit Hypermedien im Allgemeinen und speziell mit Hyperfiktion.
Das Hauptproblem lag bislang meiner Meinung nach darin, dass entsprechende Werke entweder zu stark von der interaktiven Möglichkeiten geprägt waren (da blieb dann das Leseerlebnis auf der Strecke) oder geeignete Geschichten wurden mit - damals noch - unzureichenden interaktiven Elementen ergänzt (das enttäuschte dann die digitalen Zielgruppen).
Ich vermute momentan stark, dass das Thema durch die boomenden Möglichkeiten der digitalen Unterhaltung im Video- und Gamebreich zunächst an Interesse verloren hat.
Da sich aber nahezu alle Unterhaltungsmedien durch die Digitalisierung in Sachen Nutzerverhalten stark verändert haben, bin ich fest davon überzeugt, dass es in absehbarer Zukunft auch die Belletristik treffen wird - weit über das hinaus, was derzeit durch E-Books abgedeckt wird. Ich bin kein Hellseher: Aber so wie der Ton- den Stummfilm oder der Farb- den Schwarzweiß-Film verdrängt hat, wird sich der Buchmarkt verändern, sobald eine geeignete - gute! - Geschichte mit spannenden interaktiven Features für Aufsehen sorgt.

2 „Gefällt mir“

Ich kenne mich damit auch noch nicht aus. Mir sind natürlich auch diese interaktiven Geschichten bekannt, bei denen man je nach Entscheidung auf unterschiedlichen Seiten weiterliest, wie von RalfG bereits beschrieben.
Jedoch bin ich für den Plan erstmal sehr offen. Wenn jemand da wirklich was ordentliches auf die Beine stellt, kann das durchaus die Literaturlandschaft prägen. In jedem Fall wäre man am jetzigen Punkt noch ein Pionier. Hat es Erfolg, kann man da wirklich groß werden, solange der Markt noch klein ist.

1 „Gefällt mir“

@Neri: Was meinst du mit* interaktiv* genau? Einfach ausgelagerte Informationen wie RalfG oben genannt hat? Oder soll die Handlung über den Text hinaus virtuell weitergehen? Soll der Leser/User Einfluss nehmen können? Selbst Teil davon werden?

Ich könnte mir vorstellen, dass das bei erfolgreichen Werken, wie Harry Potter oder Herr der Ringe, mit einer riesigen Fanbase begeistert aufgenommen werden würde. Also wenn du ein Manuskript mit solchem Potential in der Schublade hast, dann los! :slight_smile:

@Sumsa
Ich versuche mal es zu erklären:

Interaktive Bereiche (ich spreche lieber von Online-Add-ons) können je nach Art der Geschichte ganz unterschiedliche Funktionen ausüben.

Würde sich ein Paar z. B. in einer Liebesgeschichte zum ersten Mal zum Candlelight-Diner bei ihm oder ihr treffen, dann könnte das Menü auf einer entsprechenden Landingpage alle dafür erforderlichen Rezepte sowie Zubereitungshinweise und Deko-Ideen aufweisen - nur als Beispiel.

Mein Ansatz:

Für eine Geschichte hatte ich vor vielen Jahren eine fiktive Region in Deutschland geschaffen, deren notwendige Besonderheiten keine mir bekannte Region bietet. Später zeigte sich, dass andere ähnliche Storys dort ebenfalls gut beheimatet sind. Allerdings brauchte diese fiktive Region einen zumindest real erscheinenden historischen Hintergrund, den ich dann notgedrungen auch noch erstellen musste. Dieser erstreckt sich inzwischen bis zur Zeit der Völkerwanderung und umfasst ganze Stammbäume an Vorfahren meiner Protas. Es gibt inzwischen sogar eine Landkarte, die allerdings nur dazu dient, meine Protas zuverlässig in diesem Fantasieland zu manövrieren.

Der historische Hintergrund wäre ideal, um auf einer Landingpage interessierten Leserinnen und Lesern zusätzliches Futter anzubieten. Der könnte hier und da sogar mit Kurzgeschichten angereichert werden. Das hat einerseits den Charakter einer Fanpage, könnte darüber hinaus zudem Noch-Nicht-Leser:innen ansprechen.

Interessant sind auch die Kurzgeschichten, die von Inhalt, Stil oder Genre nicht in die Haupthandlung passen und kein eigenes Buch füllen würden. Mit solchen Ergänzungen würde eine interaktive Seite auch eine gewisse Dynamik erhalten - bis hin zu einer Community, die über die sozialen Medien neue Leserkreise anzieht. Es hat ne Weile gedauert, bis ich geschnallt habe, dass der Handlungsort, die für sich eigenständigen Geschichten, zu einer Reihe vereinen könnte.

Je mehr ich mich mit dieser Idee beschäftige, desto mehr Einsatzbereiche tun sich auf, die auf so einer interaktiven Plattform den Leser:innen spontan oder als Background der Geschichten dienen können. Dazu reicht es natürlich nicht, hier und da im gedruckten Buch einen QR-Code reinzupflastern. Der könnte z. B. auf Schmuckseiten exponiert neben dem Lesetext erscheinen.

Wichtig ist dabei, dass die Geschichte auch ohne die Online-Add-ons als lesenswert und in sich geschlossen wahrgenommen wird. Es gibt Bücher - und Filme - da tut es mir sehr leid, wenn sie zu Ende sind und ich würde gerne noch einmal eintauchen. Im Grunde geht es also darum, eine Geschichte mit einem digitalen Zusatznutzen auszustatten. Dazu muss aber die Geschichte was taugen. Nutzt die an sich schon nichts, ist auch der Zusatznutzen für die Katz.

4 „Gefällt mir“

So geht es, glaube ich, vielen Lesern.
Das hört sich nach einer schon sehr weit entwickelten Sache an, und ich kann mir gut vorstellen, dass das funktioniert. Vor allem, wenn

Hält sich der Aufwand zeitlich und finanziell im Rahmen? Ist ja auch nicht unwichtig.

1 „Gefällt mir“

Ich bin wahnsinnig beeindruckt von deinem Ansatz, Neri. Das klingt alles so, als ob du da schon viel Schweiß und Herzblut rein gesetzt hast. Allein der Gedanke, eine Welt zu schaffen, die dann auch funktioniert, ist schon eine hohe Kunst des Schreibens. Wenn du sie dann noch unabhängig von deinen Geschichten per digital addons zugänglich machst, kann das durchaus ein Erfolgskonzept darstellen. Finde auch gut, dass das Marketing dann teilautomatisiert erfolgt, wenn erstmal die ersten begeisterten Leser gefunden sind und die Informationen à la Social Network schnell einsehbar sind. Ich kann mir gut vorstellen, dass es zum Selbstläufer werden könnte.

1 „Gefällt mir“

Ich nähere mich gerade dem Ende von Spiel der Götter, habe noch zwei Bände. Aber was kommt dann? Habe Angst vor der Leere. Ja ich gebe es zu ich bin wieder voll drin im Geschehen. Besser voll druff. Noch nie sowas erlebt und gelesen. Ich habe echt Angst vor dem Ende.

Ich glaube da wäre ich für Digitalen Content dankbar, und seien es nur visuelle Verknüpfungen. Welche man im Nachhinein durchleben kann. Klar das geht mir auch beim Herrn der Ringe ähnlich. Aber das Spiel der Götter

1 „Gefällt mir“

:scream:

2 „Gefällt mir“

Marvel Universe hat das für seine Kinofilme und Serien gut umgesetzt. So zum Beispiel im New York Bulletin

2 „Gefällt mir“

Bin gespannt auf Deine Meinung.

Na, ob das hohe Kunst ist, wage ich zu bezweifeln - in meinem Fall zumindest.

Für mich war das eher eine Notlösung. Ich habe ein Faible für schräge Charaktere. In der normalen Welt wirken die aber unpassend, wie Fremdkörper. Deshalb habe ich denen eine eigene Bühne errichtet, die genauso schräg ist wie sie. Und so, wie schräge Charaktere eine plausible Vita benötigen, musste ich deren Welt eben auch irgendwie begründen.
Das schöne ist: Die so entstandene Bühne bietet Raum für ganz unterschiedliche „Aufführungen“. Mal Krimi, mal Liebesgeschichte, mal ein bisschen Fantasy und mal purer Unfug und auch mal alles durcheinander. Klappt - zumindest beim Schreiben - fast immer :wink:

Beim Gedanken an virtuelle Add ons lasse ich mich von David Ogilvys Werbeweisheit leiten: „The more you tell, the more you sell.“
Je besser sich die Leserinnen und Leser in der Welt zurecht finden, desto heimischer fühlen sie sich mit der Zeit in der Umgebung.
Es erscheint mir also naheliegend, dass ich die „Bühne“ auch noch für andere Aufgaben nutzen sollte.

2 „Gefällt mir“

Das ist wirklich cool! … ich könnte den Geschichten eine virtuelle „Kreiszeitung“ spendieren. Super Hinweis. Danke!

1 „Gefällt mir“

In einem tosenden Zornesausbruch hatte Zeus die Götter zusammengerufen. Er deutete auf einen winzigen Fleck auf der Welt.

„WER WAR DAS?“

Die Götter sahen sich fragend an. Ein schwarzer Fleck. Sowas kommt vor. Sterbliche produzierten viele schwarze Flecken, hier und da eine Ölpest oder ein Heavy Metall Konzert.

„WER IST DAFÜR VERANTWORTLICH?“

Es war etwas unklar, worum es Zeus ging. Es fehlten ein paar Rahmeninformationen, fanden die Götter. Nur Hermes hatte einen Verdacht. Er fühlte sich unbehaglich. Sollte er das Thema ansprechen oder abwarten bis sich der Zorn von Zeus legte? Allerdings war es nie vorgekommen, dass Zeus sich einfach abregte. Hermes kapitulierte vor seinem Verdacht.

„Ist das das Forschungslabor der Firma Global Electrics and Mood?“

Zeus blickte wortlos zu Hermes.

„Also wenn das Global Electrics and Mood ist, dann könnte ich was dazu sagen.“

Die geballte Aufmerksamkeit der Anwesenden richtete sich auf Hermes. Man wich ein paar Schritte zurück, nicht nur in kollegialer Absicht, damit jeder einen guten Blick auf ihn hatte, sondern auch um eventuellen Blitzen von Zeus aus dem Weg zu gehen. Andererseits war es zu spannend, um sich zu weit zu entfernen.

Zeus war nicht der Gott, der sich Argumente anhörte, nach seiner Prämisse hatte er immer Recht. Leider fehlte ihm die rhetorische Brillanz, um Wörter wie einen Hagel von Donnerkeilen auf Hermes niederprasseln zu lassen. Er ließ Cato holen, instruierte ihn kurz und lehnte sich genüsslich zurück. Cato war wirklich ein außerordentlicher Redner. An den richtigen Stellen gab es Pausen, damit die Zuhörer ihre angestaute Anspannung in Ahs und Ohs abbauen konnten. Cato hatte zur Sicherheit einen Chor mitgebracht, der seine Rede verbal untermalte, denn auf die Götter konnte man sich in der Hinsicht nicht verlassen. Satzkaskaden sprudelten wie in der Villa d’Este (das nur zur Demonstration der breiten Bildung des Verfassenden), singuläre Ausdrücke schossen empor wie die Fontäne im Genfersee. Insgesamt war es unglaublich langweilig Cato zu lauschen. Cäsar war viel amüsanter gewesen. Götter reichten Streichhölzer durch, um die Augenlider offen zu halten. Endlich kam Cato zum Ende. Wenn Sie einen Hauch der Ewigkeit erfahren wollen, hören Sie Cato zu.
Hermes* erwachte aus seiner schützenden Apathie.

„Darf ich auch was sagen?“

„NEIN!“

„Interessanter Einwurf, Zeus. Die Sterblichen haben einen Beamer entwickelt. Wie in Raumschiff Enterprise. Nur mit besserer Auflösung. Ich habe ihn ausprobiert.“

Den Göttern entwich ein chorunabhängiges „Oh“.

„Hat jemand eine Vorstellung, was das für die Logistikbranche bedeutet? Ist das irgendjemandem klar?“

Hermes war fertig. Die Köpfe der Götter schwenkten auf Zeus.

„Okay. Das ist ein Argument.“

Fassungslosigkeit zeichnete sich auf den Gesichtern der Götter ab. Zeus hatte eingelenkt. Und darum verwenden die Sterblichen weiterhin antiquierte Technik wie Räder und Flügel.

*Um die Relevanz der Logistikbranche für Hermes zu erläutern, sei hier darauf hingewiesen, dass er der Gott des Verkehrs, der Reisenden und der Kaufleute ist. Wer schon mit Hermes Kontakt hatte, möge die Anmerkung bitte als überflüssig einordnen.

2 „Gefällt mir“

@Huselkuv - anderer Thread?

1 „Gefällt mir“

Oh, man zu hektisch unterwegs gewesen! Ich lasse es hier stehen und kopiere den Text noch in den anderen Treahd rein. Danke an Alex Sassland!

1 „Gefällt mir“

Ein schönes Beispiel für interaktive Romane :smiley:

3 „Gefällt mir“

Wenn der Zusatznutzen darin besteht, dass die Informationen im Buch unterschlagen werden, halte ich das für eine schlechte Idee. Im Buch sollte alles als Text vorhanden sein. Auslagern kann man Bilder, Filme und Musik.

3 „Gefällt mir“