Mich umtreibt gerade die Frage, wie ihr es wohl mit dem duzen und siezen der Figuren untereinander haltet. Ich schreibe ja hauptsächlich in einer vom Mittelalter angehauchten Fantasywelt. Dass der Adel gesiezt wird, diese aber den einfachen Bauern duzen, ist anzunehmen. Ebenso dass Lehrmeister gesiezt, die Zöglinge aber geduzt werden (wenn sie nicht adlig sind). Aber wie ist das mit dem Rest? Wenn ein Buchhändler und eine nicht-adlige Kriegerin sich unterhalten, wenn ein Kind mit einem Jägersmann zusammenstößt, wie redet man den Tavernenwirt an und wie redet dieser mit einem Fremden, von dem er nicht einschätzen kann, woher er stammt und was sich gebührt? Ich persönlich merke, dass ich dazu neige, automatisch beim schreiben zu siezen, wenn es sich nicht gerade um Familienangehörige handelt und beim drüberlesen gelegentlich aufs duzen umformuliere, aber die Entscheidung sollte man doch bereits zum Beginn eines Dialogs fällen und nicht erst, wenn man drüber liest. Wie seht ihr das? Alles eine Fall-zu-Fall Entscheidung oder kann man pauschal sagen, dass sich in Fantasywelten das duzen gehört oder nichts gegen etwas mehr Höflichkeit einzuwenden ist?
Im Alltag halte ich es persönlich so, dass ich junge Menschen duze oder ältere sieze, letztere auch wenn diese mir dass du bereits angeboten haben, weil es einfach so in Fleisch und Blut übergegangen ist, dass ich es immer wieder vergesse oder mir nocheinmal bewusst machen muss, bevor ich etwas sage.
Wenn du keine eigene Regel verwenden möchtest, sondern dich an die im Mittelalter üblichen Höflichkeitsanreden orientieren möchtest, solltest du auf das Siezen grundsätzlich verzichten. »Sie« kam erst im 18./19. Jahrhundert auf, vorher galt das »Ihrzen« und das Duzen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Höflichkeitsform)%22%20%5Cl%20%22-1).
Ich habe mich darüber mit einem Sprachwissenschaftler unterhalten. Folgende Regeln (für die es unzählige Ausnahmen gibt) hat er mir genannt:
Der Höhergestellte duzt den Niedriggestellten
Der Niedriggestellte »Ihrzt« den Höhergestellten
Gleichgestellte duzen einander, sofern sie nicht von Adel oder andere Würdenträger sind. Dann wird auch untereinander »geihrzt«, meistens mit Titel.
Punkt 3 kann sich nicht nur von Region zu Region, sondern sogar von Stadt zu Stadt (auch Nachbarstädte) unterscheiden. So duzten z.B. Nürnberger Handwerksmeister Angehörige derselben Zunft aus anderen Städten, während die Handwerker im benachbarten Erlangen diese »Ihrzten«.
Ich denke, wichtig ist die Einheitlichkeit in einem Text.
meine Figuren “Ihrzen” sich, wenn sie sich noch nicht so besonders gut kennen. Ab und an mache ich das aber sogar im echten Leben, wenn ich nicht so genau weiß, ob ich jemanden Siezen soll oder Duzen darf. Da ist das für mich ein prima Mittelweg.
Vielleicht wäre das ja auch noch eine Option für Deine Figuren?
würde mich meinen Vorrednern anschließen: Ich verwende für ein Mittelalter-Setting (das ich im Herr-der-Ringe-Rollenspiel ja bediene) als höfliche Anrede “Ihr” und “Euch”.
Und die Frage, wann man nun wen so anredet…
Da finde ich es auch eine tolle Möglichkeit, ein bisschen zu spielen und die Figur darüber zu charakterisieren: Ist die höflich und zurückhaltend und redet grundsätzlich erstmal alle mit “Ihr” an? Oder ist die ein unverschämter Kerl, der sich einen Spaß draus macht, selbst unverkennbar adlige Herrensöhnchen zu duzen und damit zur Weißglut zu treiben?
Gerade in einem Fantasy-Setting hat man da doch sehr viel mehr Spielraum, im echten Mittelalter würde man für eine solche Respektlosigkeit vermutlich eher ausgepeitscht oder so…
[Persönlich mag ich übrigens auch die Variante in der dritten Person Singular sehr gern, die wirkt heute so schön sperrig: “Möge Er sich bitte entfernen!” Passt aber meinem Gefühl nach eher für siebzehnhundertirgendwas…]
Diese Fragen sollte Dir für die grundlegenden Regeln zunächst Deine Welt beantworten: Wer ist darin höhergestellt, wer niedriger? Wer höhergestellt ist oder zu sein meint, weiß das - denke ich - sehr genau und wird auf dem “Ihr” bestehen (“Sie” als Anrede in MA-Fantasy geht nach meinem Empfinden gar nicht, haut mich total raus). Wer niedriger gestellt ist, weiß um etwaige negative Konsequenzen, wenn er den nötigen Respekt verweigert.
Das ist das, was Deine Charaktere innerhalb der Regeln ausmacht. Um beim Buchhändler zu bleiben: Ist er ein, wie wir heute sagen würden, Pazifist, der Krieger als, nun ja, Kriegstreiber verabscheut und auf sie herabblickt, sie womöglich für ungebildete Tiere hält? Dann wäre ein verächtliches Du angebracht. Oder lebt er in einer Gesellschaft, in der Krieger hoch angesehen sind, er selber diese Ansicht entweder teilt oder Angst vor ihnen hat? Dann würde er vermutlich das respektvolle Ihr benutzen.
Was die Frage der Einschätzung betrifft: Das werden Deine Figuren vermutlich von ihrem Gegenüber und dessen Erscheinungsbild abhängig machen: Läßt die Kleidung auf Reichtum schließen, oder ist sie abgewetzt? Ist die Haltung des Gegenübers arrogant oder eher unterwürfig? Bestellt der Tavernengast das billigste Essen oder ein Festmahl, womöglich in einem abgeteilten Raum? In ersterem Falle würde ich mich für Ihr entscheiden, in zweiterem für Du. Falls es zum Charakter paßt.
Du mußt also, schätze ich, zum einen für alle Berufs- oder sonstigen Gruppen wissen, wo sie in der Hierarchie Deiner Welt oder zumindest gegenüber anderen Gruppen dieser Welt stehen. Zum anderen mußt Du Deine Charaktere so gut kennen, daß Du weißt, ob und bei wem sie diese Hierarchieregeln respektieren und anwenden.
Mit so vielen konstruktiven Beiträgen hatte ich zu so früher Stunde nicht gerechnet. Mein Lob und Dank an euch alle. Der Konsens scheint auf eine Fall-zu-Fall-Entscheidung hinauszulaufen und das ein Dialogpartner höflich ist, der andere eher nicht.
Dass Ihrzen hab ich gestern Nacht beim Eröffnen dieses Threads mit Siezen gleichgesetzt bzw. verwechselt. Meine Figuren sagen so Dinge wie: "Wie geht es Euch? Seid Ihr Euch dessen gewiss? Ihr seid ein Aufschneider. Was macht Ihr da? Darf ich Euch einen Tee anbieten?’
Siezen müsste es heißen: “Wie geht es Ihnen? Sind Sie sich dessen gewiss? Sie sind ein Aufschneider. Was machen Sie da? Darf ich Ihnen einen Tee anbieten.” Passt in der Tat schlechter zum Fantasy und zum Mittelalter, Ich würde aber darauf wetten, dass mir durchaus ein “Darf ich Ihnen einen Tee anbieten” in den Text miteinfließt. Das wäre formal gesehen wohl nicht falsch, oder?
Was ich nicht so toll finde ist dieses plural, wenn man von sich selbst redet bzw. den anderen als “er” zu bezeichnen. “Möge er sich bitte entfernen und Uns in Ruhe lassen.” Wenn meine Figuren, die geihrzt werden antworten, sprechen sie eher von sich im Singular als im Plural. “Mir einen Tee anbieten? Gerne.” Uns würde an dieser Stelle jedoch sehr gut zu einem verwöhnten Adligen passen, dass räume ich ein. Dass er den Untergebenen als er bezeichnet “er möge den Tee bringen” geht mir mit der Unhöflichkeit aber zu weit. Und es klingt in der heutigen Zeit einfach befremdlich. Sie Ihrzen zurück oder duzen.
Beim Siezen, Ihrzen und Duzen muss man aufpassen, dass nicht durcheinander gerät. Vor allem das Ihrzen verleitet einen dazu, Dialoge gestelzter zu schreiben als sie sind. Nur weil jemand verwöhnt ist, muss er sich nicht wie ein Schnösel ausdrücken.
Das Plural beim Ihrzen ist in sofern schwierig, als dass man als Autor beim Schreiben nun “Ihr” mit direkter Anrede groß schreibt oder “ihr” mit der Pluralnennung klein. In meinem Roman wird auch geihrzt und ich habe zudem noch eine Figur, die sich weder als männlich noch als weiblich sieht und mit der Mehrzahl angesprochen wird, gleich dem Pluralis Majestatis. Da wirds dann happig.
Dennoch spricht jemand, der das Pluralis Majestatis benutzt immer vom “uns”, aber jemand der geihrzt wird immer noch von “sich” und “mich”.
Grundsätzlich gehe ich mit den Vorredner aber d’accord: Es ist deine Welt, mache es wie es dir am besten gefällt. Man muss bloß konsistent dabei bleiben und sich nicht verhaspeln oder sich zu zu hochtrabenden Dialogen verleiten lassen.
Fun Fact am Rande, weil du sagtest, dein Werk ist mittelalterlich: Tee kam erst nach dem Mittelalter mit der Ostindien-Kompanie im 17. Jahrhundert nach Europa
Mutmaßlich dürfte es bereits gewisse Kräuteraufgüsse zu medizinischen Zwecken gegeben haben, aber das ist vermutlich nichts, was man mit “Darf ich Euch einen Tee anbieten” meinen würde
So genau nimmt man es als Fantasyautor nicht. Ich könnte schwören, dass in der Königsmörder-Chronik von Patrick Rothfuss Tee konsumiert wird und diese spielt in einer mittelalterlichen Fantasy-Welt. Bin aber gerade zu bequem um nachzulesen.
Aber ich hab eben gegoogelt. Die Chinesen kannten Tee schon 4.700 vor Christus, also lange Zeit vor dem Mittelalter. Zwischen dem Ende des Spätmittelalters und der Einführung des Tees in Europa liegen gerade Mal hundert Jahre.
Spielt sie immer noch in einer anderen Welt und nicht der damaligen Zeit. Sie ähnelt dem Mittelalter (vor allem in Bezug auf Waffen, Rüstungen, Monarchie), aber ist nicht mit unserem Mittelalter identisch. Diese Unsitte so zu sprechen könnte also in meiner Welt verpönt sein, vielleicht weil ein größenwahnsinniger Herrscher so sprach, der reichlich unter den Adelsfamilien morden ließ, mit dem sich niemand in den Folgejahren identifizieren will?
Das ist natürlich klar. Deswegen sagte ich ja auch, dass es erst nach dem Mittelalter nach Europa kam, nicht, dass Tee grundsätzlich erst nach dem Mittelalter von der Menschheit entdeckt wurde
Ich wollte dir damit auch nicht absprechen, in deiner Fantasy-Welt Tee benutzen zu dürfen, sondern lediglich einen kleinen Fun Fact am Rande erwähnen. Also fühl dich doch bitte nicht angegriffen
Tabak wurde auch erst mit der Entdeckung der neuen Welt in Europa bekannt und dennoch rauchen die Protagonisten in Herr der Ringe und anderen Fantasy-Werken recht schamlos Pfeife. Ebenso wie die Kartoffel - und trotzdem gibt es auf jedem Mittelaltermarkt in Deutschland diverse Kartoffelspezialitäten zu kaufen (im englischsprachigen Raum werden Mittelaltermärkte übrigens - deutlich passender - als Renaissance fair bezeichnet).
So, genug Fun Facts für heute - oder genug Klugscheißerei
Das hat mich auch schon immer gestört!
Aber stellte sich raus, das haben die Númenorer nach Mittelerde gebracht, und ihrerseits vermutlich von den Valar geschenkt bekommen… Valinor liegt ja bekanntlich in Amerika*
Noch mal zur Anrede, da es vorhin angesprochen wurde: Der Pluralis Majestatis ist natürlich auch eine schöne Möglichkeit, einen Fürsten/König/sich wichtigmachenden Fuzzi reden zu lassen…
*Nur ein Scherz! Bevor ich noch (zu Recht) von Tolkien-Experten gesteinigt werde. Der wollte seine Weltaufteilung (das Böse im Osten, das Gute im Westen etc.) soweit ich weiß ja nicht als Anspielung auf reale Verhältnisse verstanden wissen…
Sorry, aber es wird doch niemand ernsthaft den Herr der Ringe in einer irdischen Zeitepoche verorten wollen. Das ist ja kein historischer Roman, sondern reine Fiktion. Unter Tolkiens “Pfeifenkraut” haben die Hippies - und die haben dieses Werk überhaupt erst berühmt gemacht - in den sechziger Jahren etwas ganz anderes als Tabak verstanden. Eine Kulturpflanze, die seit 5000 Jahren in Verwendung steht.
Ach na ja, du glaubst gar nicht, was ich schon alles für lustige Theorien gehört habe, wie Tolkien dieses oder jenes gemeint habe. Da werden noch die kleinsten Briefschnipsel auf Hinweise analysiert und sich gegenseitig die jeweiligen Auslegungen um die Ohren gehauen… Das ist ne Wissenschaft für sich.
Natürlich könnte man das Pfeifenkraut auch als Hanf interpretieren. Sagt aber mehr über die Hippies aus als über Tolkien. Ich hab im Text bislang noch kein Indiz dafür gefunden, dass das Pfeifenkraut wirklich eine berauschende Wirkung hat, die über die von Tabak hinaus geht. Vielleicht auch der/den Übersetzung/en geschuldet. Ist im Grunde aber auch egal, denn: Es bleiben immer noch die Kartoffeln
Will hier aber gar nicht den Rahmen sprengen. Tolkien triggert halt fies bei mir
Anscheinend schon. Fiktion gewiss, aber es heißt ja nicht von ungefähr “Mittelerde”: eine Welt, die von unserer Welt nicht räumlich, aber zeitlich weit, weit entfernt ist:
[INDENT]"Middle-earth is the main continent of [Earth (Arda)[/URL] in an imaginary period of the Earth’s past with the end of the [/INDENT]
Stimmt, Hinweise findet man ja heute noch in bestimmten Wörtern, wie z. B. mediterran, von englisch medium, Mitte und lateinisch terra, Erde, also Mittelerde …