Immer kürzen oder auch mal stehen lassen?

Sehr treffend ausgedrückt, Sentinel!

Ich finde auch, dass der „langweilige Alltag“ ein guter Eingang zu der Seele des Protagonisten sein kann. Man braucht nur ein gewisses Händchen, um den Alltag natürlich in die Handlung einfließen zu lassen. Dabei kann es helfen, dass Neugier ein Urinstinkt der Menschheit ist.
Wenn der Leser nach und nach Intimes erfährt, kann das schnell zu einer gewissen Beziehung zu der Figur entstehen lassen … dann braucht es nur noch eine gezielt gesetzte affektive Szene, um zusätzlich Empathie beim Leser auszulösen. Noch besser: Die Szene ist so eindringlich, dass sie eine anhaltende und von Loyalität geprägte Bindung zu der Figur entstehen lässt.

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Sehr schön zusammengefasst! Das ist ja eine sehr typische und, wie ich finde, immer wieder tolle Möglichkeit, eine Figur einzuführen. Man zeigt sie in ihrem Alltag und charakterisiert sie dadurch auch ein Stück weit. Und dann, peng, schlägt der Konflikt ein, und die eigentliche Handlung beginnt.

Was sich mit dem Kürzen wiederum nicht ausschließt. Wenn man auf zwanzig Seiten beschreibt, wie die Figur aufsteht, Zähne putzt, aufs Klo geht, sich anzieht, einen Kaffee kocht, die Katze füttert, die Zeitung liest, frühstückt, das Haus verlässt, in die Straßenbahn steigt… Dann sagt das ja auch noch nicht sooo viel über die Figur aus.
Da würde ich unbedingt kürzen, bis z.B. nur noch das hier übrig bleibt:
Die Figur sitzt am Frühstückstisch und liest die Zeitung, aber nur den Sportteil. Verein XY schon wieder abgestiegen. Mist. Die Katze nervt die ganze Zeit, dabei hat die längst Futter bekommen. Ist halt der fette Kater von der Ex, und den hat die Figur jetzt an der Backe. Blick auf die Uhr: Ach verdammt, die Straßenbahn ist schon weg. Das gibt wieder einen Anschiss in der Arbeit. Aber dafür ist noch Zeit, in Ruhe den Kaffee auszutrinken. Und das macht die Figur auch ganz genüsslich. Wenn schon, denn schon. Ende der Szene, weiter gehts dann in der Arbeit. Oder abends.

Straffen heißt ja nicht automatisch, dass alles peng-peng-peng passieren muss. Selbst in langsamen, geruhsamen Szenen kann man ja viel Information vermitteln, die für den Leser später wichtig wird. Nur um eines wird man nicht drum herum kommen: Sortieren, was wichtig ist und was nicht. :coffee:

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Unterschreibe ich komplett. Eine Einführung dieser Art lohnt sich vor allem bei exzentrischen Charakteren oder Charakteren, die einen “besonderen” Alltag haben oder einem bestimmten Beruf nachgehen. Da ist die Kunst - und schon sind wir wieder beim Kürzen -, den Alltag so vielsagend wie möglich zu beschreiben. Dein Beispiel beschreibt das perfekt. Man könnte den Post quasi irgendwo anpinnen, denn das ist ein Paradebeispiel. :slight_smile:

Vollkommen richtig. Wenn ich eine ruhige Szene der Ruhe willen einbaue, aber keine Informationen damit portiere **oder **eine bestimmte Stimmung erreichen will, ist sie überflüssig. Es mag ja sein, dass zum Beispiel die berühmte Ruhe vor dem Sturm herrscht und man möchte eine witzige Szene mit seinen Charakteren haben, um die Stimmung aufzulockern, bevor es in den Kampf geht, dann kann man das durchaus machen, ohne irgendwas bestimmtes erreichen zu wollen. Wobei, wenn die Szene witzig ist, spielt sie vermutlich auch mit den Marotten der Charaktere, was ja auch wieder zweckdienlich ist. :smiley:

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