Hundeklage

Mein lieber Herr, wär’ ich nur schön!
Ich kann doch nichts für meine Ringelrute.
Ich würde jederzeit für Dich durchs Feuer geh’n,
Doch momentan ist mir zum Heul’n zumute.

Ich weiß es.
Gestern habe ich es gesehen,
die Augen leuchteten Dir ganz verzückt,
als Du beim abendlichen Gassi-Gehen
Den jungen hübschen Collie hast erblickt.

Ich bin ein alter Hund, in meinem Fell sind kahle Stellen.
Aber auf Wache steh ich noch immer an der Pforte,
Und meine Zähne sind noch scharf,
und, wenn ich es so formulieren darf,
ich bin einer von jenen, die schneller beißen als sie bellen,
mein liebster Herr.
Harrr-wau!

Aber - wozu die Worte.
Ich seh’ mich trotzdem schon als Raubtierfutter enden.
Zehn Jahre sind es nun schon her,
Da hast Du mich ins Haus genommen.
Ich weiß es noch wie gestern, ganz genau.
Du setztest damals mich mit Deinen großen Händen,
mich kleinen Kerl, auf das glatte glänzende Parkett.
Ich rutschte aus, na ja, mit meinen dicken Pfoten
und lag dann da wie „eine dicke Wollhaarkröte“,
So sagtest Du und lachtest laut - ich fand das nicht so nett.

Nie tat ich etwas, was Du mir verboten.
Ach warum muss man in die späten Jahre kommen …
Du hast doch auch schon weiße Strähnen da im Bart,
und obenrum - ganz mit Verlaub -
bist Du doch auch schon kahl
und Dein Gebiss ist wahrlich schadhaft - mit Respekt.
Und trotzdem kennst Du nicht meine Herzensnöte.
Es ist ganz augenscheinlich nicht der Brauch,
bei Euch, der Menschenart,
dass man die Alten abmurkst
und dann in den Löwenkäfig steckt.

Ach Herrchen - überleg Dir’s doch,
ich bin noch ganz vital und ohne Grund -

Moment, was war das?
Was sagst Du da eben jetzt ins Telefon?
Ich glaub’, ich hab’s doch an den Ohren.
Ich hab vor lauter Gram und Seelenqual
den Hörsinn, wie es scheint, verloren.
Du suchst nach einem jungen Hund für …
Deinen Enkelsohn !!?
(1989)

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