Liebes SuperGirl,
da oute ich mich doch mal als historischer Romanautor und kann sagen, wie ich es als Leser mag und als Autor versuche.
Ich empfinde Infodump in historischen Romanen als noch störender als in anderen Romanen, weil ich merke, dass beim Infodump der Gegenwartsautor zu mir spricht. Ein Textausschnitt mit Negativbeispiel, der mich vor ein paar Tagen aufgrund eines Details aus dem Anfang eines historischen Romans rausgerissen hat, ist der folgende aus dem Roman „Schatten über Colonia – Ermittlungen am Rand des Römischen Reichs“. Die Szene behandelt eine ältere Aristokratin (Salvia), die auf ihrem Landgut von Barbaren überfallen wird:
Sie [eine Sklavin von Salvia] schaute nach links den Korridor hinab und bemerkte etwas, das ihre Herrin noch nicht sehen konnte. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, und sie rannte davon, bevor Salvia überhaupt reagieren konnte. Schwere Schritte näherten sich, und das Wolfsgeheul, von einer tiefen Männerstimme erzeugt, klang nun ganz nah. Salvia stellten sich die Nackenhaare auf. Sie wusste, dass es zu spät war, um zu fliehen. In ihren jungen Jahren hatte sie nicht nur die Bacchanalien durchtanzen können, sondern wäre auch leicht jedem Verfolger davongesprungen, doch heute … Sie verfluchte ihre altersmüden Beine. Sie sah sich um. Ihr Schlafgemach war klein, kaum neun mal neun Fuß groß, und hatte kein Fenster, damit es im Winter leichter zu heizen war. Sie saß in der Falle.
Dass die Bacchanalien hier erwähnt werden, ohne dass sie erklärt werden, finde ich positiv. Man kann sich anhand des Kontextes etwas darunter vorstellen. Dass Slavia anscheinend gerne getanzt hat und früher mal fitter war, ist für mich in Ordnung, wenngleich ich mir jetzt beim drüber Nachdenke die Frage gestellt habe, ob jemand, dessen Leben bedroht ist, wirklich denkt: früher habe ich die ganze Nacht durchgetanzt. Aber gut, die Geschichte ist ja auch nicht aus der ersten Person geschrieben. Wirklich negativ fiel mir dann der letzte Nebensatz auf, „damit es im Winter leichter zu heizen war.“ Dass es kein Fenster gibt und wie groß die Raum ist, sind wichtige Informationen, weil es um Flucht oder sich verstecken geht. Aber dieser Nebensatz schreit für mich nach: Siehe her Leser, dies ist ein Kuriosum der Antike, das ich dir nicht vorenthalten will. So etwas mag ich nicht (und bestimmt passiert mir das auch, weil die Geschichte nun einfach mal so viele spannende Dinge zu bieten hat.)
Das ist aber auch nur eine persönliche Meinung, die in vielen Romanen nicht so streng umgesetzt wird. Manche Leserinnen und Leser mögen ein bisschen Infodump wahrscheinlich auch deshalb, weil sie etwas über die Geschichte lernen. Katastrophal (im Sinne von ich lese nicht weiter) war der eine Nebensatz auch nicht. Mir gefiel der Einstieg in den Roman insgesamt trotzdem und ich werde das Buch weiterlesen, aber ich hoffe, dieses Detail im Text zeigt ein bisschen, was ich meine.
Und was ist die Lösung des Problems? Eine Lösung besteht meines Erachtens in der Wahl der Figurenkonstellation. Wenn die Protagonisten in der Umgebung, in der sie sich befinden, fremd sind, ist es logisch, dass sie viele Dinge ebenso wenig wie der Leser kennen. Es ist dann möglich, Lebensweisen und andere Besonderheiten gemeinsam mit den Figuren zu entdecken. Wie @Frøken schreibt, können Informationen, auch die historisch interessanten, dann in die Erzählung und Gespräche eingebettet werden. Dein Ansatz bietet eine hervorragende Grundlage, weil deine Protagonisten ja für sie neue Welten erkunden.
Eine andere Möglichkeit ist ein geschwätziger Ich-Erzähler, dem verzeihe ich mehr, aber auch hier ist es eine Gratwanderung, auch hier sollten sich eingestreute historische Fakten nicht wie das Mitteilungsbedürfnis des Autors anfühlen.
So, ich habe mich warmgeschrieben, jetzt geht es zurück ins alte Rom. Schreibend natürlich und anders als die alten Römer auf einem aufklappbaren Laptop, statt einem Diptychon. Diptychen nannten die Römer Wachstafeln, die aus paarweise zusammenhängenden Schreibtafeln aus Holz oder Metall bestanden, deren vertiefte Innenflächen mit einer Wachsschicht bedeckt und mit einem Metallstift zu beschreiben waren. Mit Riemen oder Ringen zusammengehalten, wurde der Inhalt durch Zusammenklappen geschützt. Man konnte durch glattziehen den Text sogar wieder löschen! Klassiche Entf-Taste sozusagen. (Wo war ich?) Ach ja, ich schreibe dann jetzt mal an meinem Roman weiter.