Heute Morgen im Bus

Eine junge Frau kommt mit einem Marmeladenglas und einem Esslöffel drin steckend als letztes angehechtet und setzt sich schmatzend einer älteren Dame gegenüber.
" Was haben sie denn da Schönes?"
„Joghurt, Kleie und mmmppf.“
„Was denn?“
„Joghurt, Kleie und Kokos.“
" Schmeckt’s?"
„Ist gesund.“
„Was denn?“
" Ich hätte mehr Joghurt rein machen sollen."
" Guten Appetit. Ich esse morgens immer ein Brötchen. "
" Ah, cool."
„Ja, heute nur ein halbes. Aber am Wochenende essen mein Mann und ich noch ein weichgekochtes Ei dazu.“
„Ah, cool.
Haben sie heute gut gefrühstückt?“
" Ja."
" Ah, cool."
" Schmeckt’s ?"
" Ich hätte mehr Joghurt rein machen sollen. Aber ich habe keine Zeit mehr, um zurück zu gehen. "
" Aber es ist doch erst kurz nach neun?"
" Ich habe einen Termin."
" Einen Arzttermin?"
" Nein, an der Uni."
" Ich habe einen Arzttermin. Aber nichts Schlimmes. Nur wegen Hautkrebs."
" Ah, cool."
" Ich bin Frühaufsteher. Wegen meiner Arbeit früher."
" Mega. Was haben sie gemacht? Im Büro?"
" Ich war technische Zeichnerin."
" Was macht man da? So zeichnen?"
" Na, das was der Ingenieur entworfen hat, abgezeichnet. Ich war bei Linde. Kühlhäuser haben wir gemacht. "
" Ah cool. So kalte Häuser?"
" Nein, Gefrierhäuser. Zwanzig Jahre habe ich das gemacht."
" Ah, cool. Haben in ihrer Generation alle Frauen gearbeitet?"
" In meinem Büro schon."
" Mega."
" Was arbeiten sie?"
" Ich studiere noch."
" Und was ?"
" Ich interessiere mich für Strömungstechnik."
" Ich muss hier raus."
" Ich auch"
" Ich wünsche ihnen einen schönen Tag."
" Denn wünsche ich ihnen auch."

Ich hätte mich schmeißen können. Zwei Welten prallen auf einander und haben trotzdem versucht den anderen respektvoll zu begegnen.
In echt war es lustiger. :joy: Alle Anwesenden haben geschmunzelt. Ich habe den Text eben nur kurz in der Bahn rekonstruiert, bevor meine Erinnerung verblasst.

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Das tägliche Bahnfahren - lange her für mich - was in dieser Beziehung wirklich nährstoffhaltig. Die Gespräche, die man dort (un)freiwillig mithören konnte (heute nicht mehr, weil kaum noch deutsch gesprochen wird) waren regelmäßig hoch unterhaltsam. Besonders interessant waren für mich die ständigen Unterhaltungen über Gesundheitsproblemchen, über Ärzte und ihre „Fehler“, über Mittelchen, die „viel besser wirken“ als die Tabletten vom Arzt usw. - ich hatte das Gefühl, einen nicht unwesentlichen Teil meines Medizinstudiums in der S-Bahn zu absolvieren.
Und dann die schlauen „Erklärungen“: „Womöglich drückt bei ihrem Enkel der Sehnerv auf den Intelligenznerv und er tut sich deshalb so schwer in der Schule - das ist nämlich bei meinem Enkel Kevin auch so!“ …
Es waren übrigens viele Linde-Mitarbeiter in meiner Bahn, das Werk Höllriegelskreuth lag an der Strecke. So hat man auch viele wichtigtuerische Unterhaltungen zwischen Anzugträgern - Linde, aber auch Siemens - mitbekommen und so einiges über Firmenkultur gelernt …

Heute wird ja nicht mehr geredet, jeder daddelt in sein Handy, und wenn ich mal gezwungenermaßen ein Stück Zug fahre, dann mit geräuschunterdrückenden Kopfhörern.

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Das stimmt, heute wird kaum miteinander in der Bahn gesprochen. Es sei denn lautstark am Telefon. Und meistens nicht in meiner Sprache. :wink:
Fremde Unterhaltungen gibt es so gut wie nie. Vielleicht ist es mir deshalb so aufgefallen.
Ältere Menschen sind das noch so gewohnt, denke ich. Die Dame war so Ende achtzig. Sie war auch diejenige, welche das Gespräch gesucht hat. Die junge Frau war empathisch genug das zu bemerken.

Ich fand das Verhalten schon skurril. Sich mit seinem Frühstücksmampf in den Bus zu setzten. Mit Löffel usw. zwischen die Leute. ( " Schmeckt’s?" ) Eigentlich hatte ich erwartet, die ältere Frau beschwert sich deswegen. Und dann nahm das ganze eine putzige Wendung. Schade, dass nicht mehr miteinander gesprochen wird. Dann gäbe es den ein oder anderen Dialog auf"s Papier. So etwas kann sich ja keiner ausdenken. :joy:
Die Benimmregeln sind zerbröselt. Mal sehen, was noch so kommt.

Der Bus fuhr in HH. Keine Ahnung wo hier noch Linde ist. Mein Sohn programmiert für Linde…aber das läuft über seinen Arbeitgeber.

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… ich berichte aus den 70/80ern … in der Bahn, mit der ich regelmäßig zur Schule fuhr, gab es quasi feste Sitzplätze - die ganzen Stammfahrer wussten, wer wo sitzt. Und etliche gab es, die haben ihr Frühstück (am Abend ihren Flachmann … z.T. mit Strohhalm aus der Jackentasche :wink: ) im Zug zubereitet, Taschentuch auf den Schoß, dann Eier geschält … und der entsprechende Duft hat sich verbreitet.
Es wurde gelesen - Bücher, oft Zeitung, und es war sehr unbeliebt, den Nachbarn beim „Mitlesen“ zu ertappen …,
in Ermangelung von Handys wurden manchmal auch Gespräche geführt, meist von älteren Leuten. Einige Jüngere hatten einen Walkman dabei - die entsprechenden Warnhinweise an den Scheiben wurden allerdings oft ignoriert („Aus dem Walkman tönt es grell - den Nachbarn juckt im Trommelfell!“).
Und das Schwarzfahren hat 20 Mark gekostet.
Was für drollige Zeiten. In denen die Züge - egal, welche Witterung draußen herrschte - immer pünktlich gefahren sind - erst seit die normalen Fernzüge durch S-Bahnen ersetzt wurden (so um 1980) begannen die Probleme.

Heute: in den S-Bahnen riecht es sehr unangenehm, die Mitfahrenden entstammen oft fernen Kulturkreisen und telefonieren extrem lautstark, haben auch wenig Probleme mit Körperkontakt … jeder hat Angst vor dem anderen, manchmal rollen leere Bierflaschen durch den Waggon. Kein Schaffner mehr, den es interessiert, ob jemand seine dreckigen Schuhe auf den gegenüberliegenden Sitz drapiert (für so was wurden wir als Schüler aus dem Zug geworfen), und zur Oktoberfestzeit muss man sich zwischen Brechlachen und Pfützen undefinierbarer Herkunft (Bier vorher und nachher) seinen Weg bahnen.

Zwischen all dem gibt es immer noch … nette Leute, die freundlich miteinander umgehen. Ins Gespräch kommen. Oder sogar ihren Platz frei machen, wenn ein alter Mensch daherkommt. Früher die Regel. Heute die Ausnahme.

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Genau so ist es. Das erlebe ich jeden Tag. Neulich in der S bahn. Vater und Sohn, vielleicht vierzehn, machen sich beide breitbeinig auf zwei Sitzen breit. Jeder hört lautstark seine eigene Musik aus dem Handy. Ohne Kopfhörer!!! Doppelte Beschallung also. Völlig sinnlos.
Der Vater hat eine Plastiktüte mit ungeschälten Sonnenblumenkernen dabei. Die zieht er sich genüsslich rein und beschmeißt freudestrahlend seinen Sohn mit den Schalen. Das war deren Art der Kommunikation. Was macht der Sohn, wenn er mal Vater ist? :face_with_peeking_eye:

Hoffentlich nicht mit Granaten werfen oder mit Steinen auf Katzen.

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Bin ich froh, dass ich auf Bus und Bahn nicht angewiesen bin. Ihr seid wirklich nicht zu beneiden!
Danke für die bildhaften Eindrücke aus Eurem Alltagsleben. Ich werde weiterhin einen großen Bogen um diese Beförderungsart machen.

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Bei mir machen diese Beförderungsmittel einen Bogen um mich.

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Ich glaube, da haben nicht die Kinder Schuld, sondern die Eltern. Wie kann man so verantwortungslos sein? (Ist aber nur meine Meinung).
Wäre ich das Kind mit der lauten Musik gewesen, da hätte ich mir was von meinem Vater anhören dürfen und das wäre keine Musik gewesen.

Ich habe mal erlebt, wie eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter (vielleicht 6 Jahre alt) aus dem Zug gestiegen ist. Die Kleine wollte sich am Handlauf festhalten, damit sie die steilen Stufen aus dem Zug besser bewältigen kann, aber dann hat die Mutter gesagt: „Fass das nicht an, da haben andere hingefasst!“. Die Kleine wäre fast aus dem Zug gefallen. Ich habe mir nur gedacht: „Aber das Wechselgeld vom Bäcker nimmst du bestimmt an, obwohl das auch andere Leute angefasst haben“.
Ich kann durchaus verstehen, wenn Eltern sensibel sind, was Hygiene und das Anfassen von Dingen in der Öffentlichkeit, bei ihren Kindern angeht, aber diese Reaktion fand ich doch etwas extrem. (Ist ebenfalls meine Meinung)

Besser sie umfahren dich, als dass sie dich umfahren. :rofl:
(Bitte entschuldige, aber das musste jetzt sein, bei dieser Steilvorlage konnte ich nicht anders)

Gruß

Helmut

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Du hast ja Recht. Umgefahren werden will ich nicht. Allerdings, welches öffentliche Verkehrsmittel, das nicht vorhanden ist, könnte mich denn umfahren?

Ja, ich kenne das und weiß wie es mit schlechter Bus- und Bahnanbindung ist. Bin ja froh, dass bei uns die Busse fünfmal am Tag fahren, an Feiertagen, oder Wochenende gar nicht (außer vielleicht Rufbus, ist glaube ich aber saisonbedingt).

Helmut

Wie soll ich es sagen? Es handelt sich nicht um eine schlechte Verbindung. Es gibt keine. Aber wir (bzw. ich) schweifen vom Thema ab. Ich bin in grauer Vorzeit mit dem Auto 3 Städte weiter gefahren, habe dort geparkt, bin ich den Zug gestiegen, dann 4 Stationen mit der S-Bahn gefahren und den Rest gelaufen. Was ich im Zug und in der S-Bahn 2 x täglich gehört habe, war ebenso interessant wie die Beobachtungen von EffEss und donald313.

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Also ganz ohne Anbindung ist ja wirklich sch…lecht. Was machen die Leute, die kein Auto fahren können? Ok, die wohnen vermutlich dort, wo die Anbindung besser ist. Ganz ohne Anbindung wäre ich wirklich aufgeschmissen.

Diese Gespräche in Bus und Bahn erleben nicht nur andere. Ich habe auch mal wirklich tolle Gespräche in der Bahn mit fremden Menschen gehabt. In meiner Bahnfahrer-Karriere ist das aber nur alle paar Jahre mal vorgekommen. An ein Gespräch erinnere ich mich, das war wirklich toll, aber leider kurz:

Ich kam an den Bahnhof und wartete wie immer auf meinen Zug. Da saß eine Dame mit einem Wellensittich und fragte mich, ob der Zug noch kommt, oder ob der schon weg ist, sie kenne sich nicht aus, fährt nur selten Zug, aber sie musste, weil sie sich den Wellensittich besorgt hatte. So kamen wir dann ins Gespräch und waren auch gleich beim Du.

Ich kann den kompletten Dialog leider nicht mehr wiedergeben, denn es ist zu lange her. Sie hatte mir erzählt, dass sie großer „Game of Thrones“-Fan ist und sowohl die Bücher, als auch die Serie regelrecht verschlungen hatte. Ich habe ihr gesagt, dass mir die Bücher zu viel Material wären, denn ich bin schon in einem Universum unterwegs - Perry Rhodan. „Oh ja, das glaube ich, dass dieses Universum mehr als genug ist“, hatte sie geantwortet. Ich war überrascht, dass ihr das was gesagt hatte, die meisten, die ich kenne, oder denen ich begegnet bin, können damit nichts anfangen.

Unser Zug kam und wir stiegen ein. Dann hat sie mir erzählt, dass sie gerade „Mieses Karma“ von David Safier liest und erzählt, wie lustig diese Bich ist. Ich muss das endlich auch mal nachholen, ich kenne das bis heute nicht.

Wir redeten dann über Bücher und wer welche Bücher liest (in meinem Fall, welche Hörbücher ich höre) und kamen dann beide zu dem Schluss, dass Thriller-Autoren die wahren Psychopathen auf dieser Welt sind.
Insgesamt war es ziemlich lustig und am Ende haben wir uns nur noch doof angegrinst. Leider musste ich dann nach knapp 20 Minuten Zugfahrt aussteigen. Hätte der Zug Verspätung gehabt, hätte ich das sogar begrüßt.

Wir haben keine Adressen, oder Nummern ausgetauscht, aber diese tolle Unterhaltung, werde ich nicht vergessen. Ich denke oft und gerne daran.

Gruß

Helmut

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Ich hatte eben ein bisschen Gänsehaut. Das klingt, wie der Anfang einer Geschichte. Wenn es dich nicht loslässt, mach doch eine daraus? Geschichten, die das Leben schreibt.
Ich verbringe ( leider ) viel Zeit in den Öffies und da kommen mir manchmal viele verrückte Ideen. Da ich einen Hang zu verdrehten Geschichten habe, trainiert das ungemein. Es kommt selten dazu, dass die Idee es bis auf’s Papier schafft. Aber Übung :brain: macht den Meister. ( Das ist auch eine Art mich mit dem Schreiben zu beschäftigen. Thema: Wie und wann schreibt ihr…)
Es sitzen also, nehmen wir mal an vier Leute zusammen in einer " Sitzgruppe". Vielleicht ein schmaler Inder mit Einkaufstüte auf den nackten Füßen, eine Kaugummi kauende Blondine mit bauchfreiem Top, eine kleine türkische Omi und ein riesiger Bikertyp…die hab ich mir gerade ausgedacht…in echt sind es oft sehr lustige Konstellationen… Dann stelle ich mir vor, wenn jetzt eine Situationen eintrifft, in der die vier miteinander agieren müssen. Vielleicht sind sie plötzlich die letzten Menschen auf Erden. Oder, oder. Was würden sie machen oder wie würden sie miteinander umgehen. Was bringt jeder mit, um zusammen weiter zu kommen? Ich stelle mir das Leben der einzelnen Personen vor. Namen, die Wohnung ect pp.:blush:

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@EffEss Ja, an eine kleine Geschichte habe ich auch gedacht, als ich das gestern geschrieben habe. Ich denke, das mache ich, ist vielleicht auch so ein Kandidat für Seitenwind, wenn es sich ergeben sollte.

Mir geht es ähnlich wie dir, was das Fahren mit den Öffis angeht. Man bekommt da ziemlich viel mit. Ich nehme dann das Gehörte und baue es entweder zu einer Geschichte aus, oder baue es in eine Geschichte, die ich mir bereits ausgedacht hatte, ein.
Zu Papier habe ich meine Kopfkino-Geschichten aber noch nicht gebracht, aber vielleicht wird es mal Zeit.

Helmut

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Nein, jedenfalls nicht alle. Ich wohne auf dem Land. Die ältere Generation auf den Höfen bzw. Leute mit Mobilitätseinschränkungen muss einfach damit leben, dass sie von den Familienmitgliedern umherkutschiert und/oder versorgt werden. Es gibt einen Bürgerbus. Der fährt allerdings nur zur Kirche und zum Krankenhaus.

Das ist schade, ich hoffe, das ändert sich bei euch und der ÖPNV wird ausgebaut.

:slight_smile: Man soll die Hoffnung nie aufgeben.

Dieses Arrangement (mit der türkischen Omi et al.) erinnert mich an den Kurzfilm
Schwarzfaher

Apropos Öffies
Meine mitgehörte Lieblingsunterhaltung im Bus (da gabs die Amis in Hessen noch, und den Eisernen Vorhang und Berlin West):
„… the atomic bomb?“
„Yes.“
„Hm, have you ever heard about a mouse that built a mouse-trap?“

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Ohja, die belauschten Gespräche in den Öffis! Hier eines aus Wien:

Eine Frau, wohl Mitte 50, steigt in die berüchtigte U6. Ein junger Mann lümmelt mit weit gespreizten Beinen herum und blockiert so den einzigen freien Sitzplatz.
„Was ist, Burli?“, sagt die Dame, „hast einen Abszess auf den Eiern?“

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