Danke schon mal für eure Tipps, auf jeden Fall muss ich meine Figuren noch besser ausarbeiten und mir den Plot genauer überlegen.
Hier eine kleine Kostprobe:
Fabian sprang schnellen Schritts die Treppe der U-Bahn-Station Rathenauplatz hinauf. Empor, empor, immer vorwärts! Er steuerte an einem kleinen Park vorbei, wo das Laub der Bäume eine rote Farbe angenommen hatte, auf sein Ziel zu, ein nicht weit entferntes Parteibüro, in dem er ein Interview führen sollte. Selbst in Nürnberg hatte die Nachricht hohe Wellen geschlagen, die im September über alle Nachrichtenkanäle gelaufen war: „Koalitionsverhandlungen erfolgreich: Christ- und Nationalpartei bilden Regierung“ oder „Neue Regierung: Rechts und national, was ändert sich jetzt?“ Es gab keine Zweifel, diese Koalition würde Veränderung bringen, nicht wie die vorherige, die für Stillstand sorgte. Doch würde sich etwas zum Guten verändern? Fabian stellte die richtigen Fragen stellen, er beobachtete, ohne zu urteilen oder die Welt verbessern zu wollen. Seine Weltverbesserungswünsche hatte er vor langer Zeit hinter sich gelassen, es waren nichts mehr als jugendliche Spinnereien, die mit der Realität kaum zu vereinbaren waren.
Nur manchmal hatte er Anflüge von Idealismus, etwa wenn Hock sprach, der Parteichef der Nationalpartei, der sich im Lauf der Zeit immer mehr ins Extreme geflüchtet hatte, wo er doch die Flucht ablehnte. Seine Worte, die er im Anschluss an den Wahlsieg siegessicher und triumphierend vor versammelnder Presse verkündet hatte, hallten in Fabians Kopf jetzt manchmal nach: „Wir haben gesiegt, und uns war der Sieg gewiss, denn es ist die Zeit gekommen, dass man die Übel, die unsere Epoche zu einer verdorbenen verkommen lassen, mit der Wurzel ausmerzt. Die Nationalpartei will eine bessere Welt, ein besseres Deutschland, ohne Fremdheit.“ Fabian hatte diese Worte im Fernsehen verfolgt, zusammen mit seinen Kollegen, und sich zunächst gefragt, ob er falsch gehört hatte. Alle saßen sie im Büro vor dem Bildschirm und schrieben parallel zur Liveberichterstattung im TV die ersten Artikel, die in derselben Nacht in den Druck gegeben wurden.
Die Worte von Hock waren an jenem Abend ein Schock für alle, von dem sich manche früher, andere später erholten. Doch offenbar hielten sie die Konservativen nicht länger davon ab, in Koalitionsverhandlungen mit der nationalen Partei zu treten. Jung, der Chef der Konservativen, trat nach dem Wahlsieg - 30 % für die Christpartei, 23 % für die Neurechten – sofort an die Mikrofone. Er verkündete vor versammelter Presse, dass man in Gespräche mit dem natürlichen Koalitionspartner eintrete, und das sei an diesem Wahlabend die Partei von Hock, der sie zur zweitstärksten Kraft in Deutschland werden habe lassen. Was für ein Abend! Die Folgen des politischen Erdbebens aus dem September waren selbst zwei Monate später, wo die Koalition fast fertig geschmiedet war, nicht abzusehen. Es hatte sich einiges verändert in der deutschen Öffentlichkeit: Die linken Parteien nahmen einen immer geringeren Raum in den Medien ein, während das Interesse an den Zielen und Projekten der bald an die Arbeit gehenden Machthaber ungebremst war.
Fabian sprach heute mit seinem Interviewpartner ebenfalls über die neue Regierung. Er trat, ausgestattet mit Aufnahmegerät, Stift, Block und Aktentasche, in die Büroräume des Abgeordneten, der an diesem Wochenende in Nürnberg war. Der Journalist wurde von einer Assistentin empfangen, die ihn fragte, ob er etwas zu trinken haben wolle. „Ein Wasser, bitte“, antwortete unser Reporter, der sich vor allem auf seine Arbeit konzentrieren musste. Lächelnd führte ihn die Angestellte, das Wasserglas jonglierend, ins Büro des Bundestagsabgeordneten Schneider, der dort hinter dem Schreibtisch saß und am Computer beschäftigt war. Der Abgeordnete sah etwas blass um die Nase aus, unter den Augen nahmen sich deutlich erkennbare Augenringe ihren Raum und es roch im Büro ein wenig nach abgestandenem Rauch.
„Guten Tag, wie geht es Ihnen?“, stieg der Journalist in das Gespräch ein. „Machen Sie sich um mich keine Sorgen, mir geht es gut“, antwortete der Mann hinterm Büro, „oder vielmehr: den aktuellen politischen Umständen entsprechend.“
„Ich verstehe“, gab Fabian zurück, der erkannte, dass der linke MdB offenbar an der neuen Realität in Berlin knabberte und sein Leiden ihm auf die Nerven schlug.
„Sollen wir unser Gespräch verschieben?“, hakte der nunmehr etwas besorgte Journalist nach, doch der Gesprächspartner bestand darauf, das Interview ohne Verzögerung zu führen. Er ließ Fabian keine andere Wahl, der sodann, dem Interviewpartner gegenübersitzend, sein Aufnahmegerät einschaltete.
„Wie schätzen Sie die aktuelle Lage als Nürnberger Abgeordneter ein?“
„Ich hege große Sorgen um die Zukunft für die deutsche Demokratie, wenn die Nationalpartei an die Regierung kommt. Die Menschen in dieser Partei, allen voran Hock, haben nie verhehlt, dass sie unsere Werte verachten. So werden sie Politik gestalten und versuchen, möglichst viel von dem umzusetzen, was sie für richtig halten. Man kann nur hoffen, dass ihr Koalitionspartei sie einhegen wird.“
„Was halten sie denn für richtig?“
„Ich muss Ihnen kein Geheimnis verraten, wenn ich sage, dass die Nationalpartei von Anfang an die Verachtung von Minderheiten, vor allem Migranten, in ihrer DNA hatte. Sie werden Migration nach Deutschland stoppen, Flüchtlinge ausweisen, Flüchtlingsheime schließen. Außerdem wird es einen sozialen Kahlschlag geben, bei dem sie von der Christpartei Unterstützung bekommen. Wir als Sozialisten können das nur harsch verurteilen.“
„Haben Sie andere Möglichkeiten des Handelns?“
„Wir können im Notfall auf die Verfassung zurückgreifen, die unverändert Gültigkeit besitzt. Genau für solch kritische, brandgefährliche Zeiten ist sie geschaffen worden. Wenn die neue Koalition verfassungswidrige Gesetze verabschiedet, werden wir das Verfassungsgericht anrufen und klagen. Da gibt es keine Diskussion.“
Dem Journalisten brummte nach diesem Interview der Kopf. Die Kritik an den neuen Umständen hatte ihn trübsinnig werden lassen. In Nürnberg bekam man von den Berliner Verhältnissen als Lokalreporter wenig mit, wenn man nicht wie Fabian ab und zu in die Hauptstadt fuhr. Er machte diese Ausflüge in die Metropole, weil ihm die große Stadt fehlte. Die Hektik, die Vielfalt, die Buntheit der Menschen, all das gab es in Nürnberg nicht. Wie schön wäre es, wenn er weiter in einer Großstadt wohnen würde, doch hier hatte er Arbeit … Und so stieg Fabian wieder in die U-Bahn-Station Rathenauplatz, nachdem er durch den frühwinterlichen Park geschlendert war, um die trübsinnigen Gedanken zu vertreiben, und fuhr daraufhin zum Verlagshaus zurück.