Nur mal die Kurzfassung:
Ein Krimi beginnt mit einem furchtbaren Ereignis (Mord) und lebt dann davon, dass ein Ermittler
herausfindet, wie und warum das passiert ist.
Ein Thriller lebt im Gegensatz dazu von der Erwartung eines furchtbaren Ereignisses und generiert
seine Spannung durch Hinhalten.
Wie Du Dein Werk einsortierst, kannst Du aber auch entscheiden, wenn es fertig ist. Es sei denn,
Du möchtest Dich von Anfang an an Regeln halten, dann mußt Du natürlich erst auswählen.
Was machen wir mit der zu erwartenden Mordserie und wir sind beim ersten Leichenfund? Thriller oder Krimi?
Ich tendiere dann zu Thriller. Aber sowas ist mein Grundproblem mit Schubladen. Und ja, wir brauchen sie dennoch.
Andreas hat das mal gut verdeutlicht: Die Regalbeschriftung, vor der dein Leser wohl in der Buchhandlung stehen wird um dein Buch zu finden, das ist dein Genre.
Das fand/finde ich sehr einprägsam. Und seitdem weiß ich, dass ich SF schreibe (SciFi).
Mein Grundproblem ist, dass es von diesen Schubladen mitlerweile viele tausend Stück gibt.
Natürlich sind die Übergänge fließend. Dein Beispiel ist in meinem Weltbild eher Krimi, weil
die Spannung durch die Lösung eines Falles generiert wird. Du weißt von Anfang an, dass es
um einen Mörder geht, nur dass der eben ein Serientäter ist.
Aber wenn ein Anfänger erst anfangen darf, wenn er sich für eine Schublade entschieden hat,
wird das nie was.
Es kann auch eine Hilfe sein. Wenn man sich für ein bestimmtes Genre entschieden hat, kann man sich an den geltenden Regeln orientieren. Oft ist das einfacher als alle Freiheiten zu haben.
“Alles” schreiben zu dürfen, überfordert das Gehirn häufig.
Hilf mir mal, wo finde ich denn die Bundesthrillerverordnung oder die Verwaltungsverfahrensvorschriften des Gesetzes zur Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Produktion fiktionaler Werke mit metaphysischen, paranormalen oder transzendentalen Inhalten (sog. Fantasy), kurz EUROFANT genannt?
Robert McKee schreibt, die Konventionen eines Genres einhalten, aber Klischees vermeiden. Er spricht auch von kreativer Beschränkung. Sich an Regeln zu halten, schränkt die Kreativität nicht ein, sondern regt sie erst an.
Die beiden Bücher *Story *und *Dialog *kann ich empfehlen.
Sich NICHT an die Regeln halten ist genauso ein Extrem, wie die Einhaltung von Konventionen. Aber, es fällt mir schwer zu sehen, wie eine Weiterentwicklung stattfinden kann, ohne Ausbruch aus Konventionen.
Da hast Du bestimmt Recht. Aber auch Genre-Regeln sind nur ein Werkzeug unter vielen. Da hängt viel von der
eigenen Persönlichkeit ab. Und natürlich (da sind wir wieder) davon, was/wen man erreichen will.
Manche möchten sich gar nicht einschränken lassen, Andere nur beim ersten Entwurf nicht.
Die Geschichte ist schon fast fertig. Wenn er sie überhaupt vermarkten will, kann er auch am Ende des
ersten Entwurfs schauen, wo sie am besten reinpaßt und dann in der Revision das Profil schärfen.
Und selbst dann ist es für einen Anfänger sicherlich einfacher, die Regalschilder von Andreas zu nehmen,
als die x-te Unterkategorie der x-ten Unterkategorie, …
Vergleich mit Architektur:
Architekten halten sich an Regeln der Statik. Sie halten sich an Konventionen, beispielsweise soll jedes Haus eine Toilette enthalten und jede Etage über eine Treppe zugänglich sein. Der Kunde erwartet, dass er am Ende jedes Zimmer durch eine Tür betreten kann.
Es gibt auch “Genres”: Lagerhalle, Hochhaus, Einfamilienhaus, …
Trotzdem findet in der Architektur selbstverständlich Weiterentwicklung statt: Bauweise und Aussehen von Gebäuden werden weiterentwickelt.
Die Gestaltung von Fassaden und Raumaufteilungen ist kreativ, kann sich dem Kundengeschmack anpassen oder nicht.
Auch der einzelne Architekt kann sich weiterentwickeln, erstmal einen Wintergarten planen und später das Opernhaus.
P.S.: Ich wohne in einem Fertighaus, das meine Eltern damals - innerhalb enger Grenzen - selbst konfigurieren konnten. Das Ergebnis gefällt mir.
Ich lese sehr gerne Buchreihen, deren Bände sich vom Aufbau ähneln. (Schon als Kind habe ich sämtliche Enid-Blyton-Bücher und TKKG-Bücher verschlungen.)
Wahrscheinlich bin ich der Typ “Fertighaus-Leser”
Ja, und jetzt stell dir vor, wie beleidigt ein Architekt wäre, wenn man ihn nicht als kreativ bezeichnen würde …
Aber er kann sich nicht leisten, das Gebäude einkrachen zu lassen!
Man kann natürlich auch einzelne Räume willkürlich auf der Wiese hochziehen, hier das Badezimmer, fünf Schritte weiter das Schlafzimmer und die Küche steht hinter dem Rhododendronbusch. Geht alles. Aber wer will im Winter nachts durch den kalten Garten rennen, wenn er aufs Klo muss. Moment, das gab es doch schon mal? Hat sich auf Dauer aber nicht durchgesetzt. Warum nur?
@Pamina22:
Bei dir las es sich eher so, als ob es ein festes Korsett von Regeln für jedes Genre gibt, und wer gegen Regel 37.1.4 verstößt, darf sein Werk folglich auch nicht Krimi nennen. Dieser durchschimmernde Dogmatismus stört mich.
@Corinna:
Um bei deinem Architekturvergleich mit den Genres zu bleiben: Für dich gibt es also nur einheitliche und triste Thriller-Plattenbausiedlungen und zum Erbrechen idyllische Liebesromanzen-Vorort-Einfamilienhäuserparadiese mit Golfrasenschnitt?
Wäre mir zu öde.
@Sumsa:
Um einen Vergleich zu bemühen, der sich auf ähnlichem Niveau wie dein Beitrag bewegt:
Hätte nicht irgendwann einmal ein unkonventioneller und wagemutiger Höhlenmensch gesagt: “So, Leute, ihr könnt ja machen, was ihr wollt, aber ich nehme jetzt mal das weiße Ding, dass dem komischen Federvieh gerade aus dem Hintern gefallen ist, leg es ins Feuer und probiere es dann”, würden wir heute noch Wurzeln und Beeren essen und keine Eiersoufflés.
Architekten sind in erster Linie Ästheten. Die können einem Designs auf ein Blatt Papier aufmalen, dass dir die Augen übergehen, haben aber erschreckend wenig Ahnung von Statik. Der Leidtragende ist dann der Tragwerkplaner (Statiker), der das Ganze am schmalen Grat physikalischer Gesetzte entlang realisierbar machen soll. Der Vergleich hinkt schon deswegen.
Wenn schon ein Vergleich mit der Architektur dann dieser: Die Sprache und ihre Regeln im geschriebenen Wort sind die Statik. Da gibt es wenig zu rütteln. (Auch wenn Sprache (augenscheinlich) erstmal keiner physikalischen Gesetzmässigkeit folgt).
Provokant gesagt: Die „Konventionen“ sind eine reine Kategorisierung für die einfachere Verwertung des Produktes auf dem Markt. Daran haben wir uns gewöhnt. Willst du Erfolg? Halte dich an die Konventionen. Bist du Künstler? Siehe zu wo du bleibst.
Hört sich an, als würde für sowas ein geplagte Städter teures Geld hergeben wollen, um seinem „Einheitsbrei“ wenigsten am Wochenende zu entkommen.
Beim Einhalten der Konventionen geht es darum, die Erwartungen des Lesers zu erfüllen. Ein Krimi funktioniert nach dem Schema Tat-Ermittlung-Festnahme. Darin kannst du dich austoben. Du kannst erst am Schluss enthüllen, wer der Täter ist oder du zeigst ihn schon am Anfang. Morde kannst du auf x-tausend Arten begehen, ohne Mord gibts Raub, Überfall etc., von plump bis raffiniert. Soviele Krimis können gar nicht geschrieben werden, wie es Möglichkeiten gibt. Wenn der Täter am Schluss straffrei ausgehen soll, brauchst es dazu einen sehr guten Grund. Wenn der nicht vorhanden ist, werden die Erwartungen des Lesers nicht erfüllt. Er wird kein zweites Buch vom Autor kaufen.
Weiterentwicklung findet statt, wenn Genres gemischt werden und mit der Zeit ein neues entsteht, dass auch wieder seine Konventionen hat. Seltener kommt es vor, dass ein Autor ein wirklich neues erschafft.
Blake Snyder, der Katzenretter, sagt: Das Gleiche machen, nur anders. Die Serie CSI ist ein gutes Beispiel. Es gibt die Geschmacksrichtungen Las Vegas, Miami und New York. Dreimal das Gleiche, dreimals anders.
Also, die Erwartung des Leser erfüllen und ihn überraschen.
Das stimmt pauschal nicht. Es gibt Architekten, die schon im Entwurf Statik und Baustoffe berücksichtigen, sie sogar zur Grundlage des Entwurfs machen.
Das Niveau hängt von der Interpretation ab, oder, um es auf Deinem Niveau zu sagen, vom Interpretierer.
Ich kann mein Anliegen aber auch anders formulieren:
Warum soll ich rund 2500 Jahre (oder auch mehr) Erfahrungen des Geschichtenerzählens ignorieren und den Aufbau einer Geschichte völlig neu erfinden, einschließlich aller Fehlschläge, Sackgassen und Misserfolge, die das sicher bedeutet? Kann man/frau machen, muss man/frau aber nicht. Ich habe dazu auf jeden Fall keine Lust, weil mich das nämlich davon abhält, das zu tun, was ich wirklich machen will, gute Geschichten zu erzählen, die ich selbst gerne lesen würde.
Aber nur zu, überrasch mich mit einer Geschichte, die alle bekannten Regeln missachtet und mich trotzdem begeistert!
Sowas nennt man dann wohl Campingurlaub. Aber das ist ja bisher nicht für seine Hochpreisigkeit bekannt.
Dann sei auch konsequent, wenn schon brechen, dann aber auch alles: Geschichtsaufbau, Satzbau, Rechtschreibung, Schrift. Manche nennen das Kunst, andere - verstehen es nicht.
Ah, “Ham wa schon immer so gemacht” gepaart mit “Wo kämen wir denn hin, wenn das jeder machen würde”, bekannt als Mantren der Innovation. Dann viel Spaß beim Schreiben deiner Geschichte, die so oder ähnlich schon tausende Mal erzählt wurde. Ausgelatschte Pantoffeln sind schließlich bequem.