Grammatikfrage: sein oder seien

Tut mir leid, eigentlich sollte mein „Warum überhaupt diese Zweifel?“ mehr eine rhetorische Frage sein und nicht direkt nur auf dich gemünzt sein .

Denn außer dir gab es ja noch weitere Schreibkolleginnen und -kollegen, die auf deine Frage ebenfalls keine schlüssige Antwort wussten.

Zweifel beim Schreiben tauchen - was mich angeht - ständig auf. Darum komme ich auch ohne Hilfsmittel nicht aus. (Duden, Pons, usw.) Auch Papyrus kann da oft nur den Finger auf meine Schwachstellen im Text legen, aber mir keine individuelle Lösung bieten.

Wenn ich aber auf die vielen Kommentare schaue, so glaube ich zu erkennen, dass wir beide nicht die Einzigen mit diesen Problemen sind.

Außerdem profitiere ich selbst ja auch ungemein viel aus den meisten Fragen und Schreibunsicherheiten, die unsere Themen der Papyrus-Community füllen und dafür bin ich allen dankbar.

Ich wünsche dir erneut viel Freude und Erfolg beim Schreiben. Ww

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Kein Stress. Ich habs nicht persönlich genommen. Ich fand nur, das war die richtige Stelle für einen abschließenden Kommentar :wink:

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Ich lasse mich da sehr gerne belehren.

Allerdings ändert eine Kopula nichts an der Tatsache, dass „sein“ im vorliegenden Fall als Vollverb und nicht als Hilfverb Verwendung findet.

Modalverben präzisieren die Absicht oder Stimmung, mit der eine Handlung, ein Zustand oder ein Vorgang im Vollverb ausgedrückt wird. Deshalb ist das Vollverb als Prädikat eines Satzes wichtiger als das Modalverb. Letzteres könnte durchaus weggelassen werden, ohne das reine Satzverständnis zu verändern. Das Vollverb darf aber nicht fehlen. (Das Modalverb kann allerdings auch nur Vollverb sein, dann ist es ebenfalls nicht überflüssig. Das ist aber eine ganz andere Sache.)

Auch dir wünsche ich weiterhin viel Erfolg. Ww

Um nicht missverstanden zu werden: Ein Verb kann nicht zugleich Kopulaverb und Vollverb sein.

Richtig, aber das Verb sein drückt im gegebenen Fall („… die Persönlichkeit, die er sein wollte“) weder eine bestimmte Handlung noch einen Zustand oder einen Vorgang aus, kann daher kein Vollverb sein.

Anders ist es etwa bei dem Spruch Ich denke, also bin ich: Hier steht das Prädikat bin als Beugungsform von sein für (den Zustand der) ‚Existenz‘, wird also als Vollverb verwendet.

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Uff Uff…
Ich muss wohl nochmal Deutsch lernen. :wink:

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Ist halt ein ziemlicher Spezialfall. – Für die Ursprungsfrage ist eigentlich nur wichtig, dass beim Modalverb die Infinitivform stehen muss und keine finite Konjunktivform stehen kann … :wink:

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Hätte ich das „sein“ gehabt, und demzufolge von „seien“ nur das „e“ genommen, wäre das Kopulativverb zu einer finiten Konjunktivform mutiert. :upside_down_face: :upside_down_face:
Da ich jetzt selbst nicht mehr weiß, was ich damit meine, schließe ich mich hiermit definitiv für eine weiterführende Fachdiskussion in diesem Komplex selbst aus. :innocent:

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Danke für die Anregung, mich wieder einmal etwas mehr mit unserer deutschen Grammatik zu befassen und im Besonderen mit den Kopulaverben.

Viel Erfolg für deine Publikationen. Ww

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Bei solchen Fragen bekommt man einen sehr guten Eindruck, wie es Fremdsprachlern ergeht, die Deutsch lernen wollen oder müssen. Puh!

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Sein oder nicht Sein: Das seien hier die Frage😉

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Manchmal erscheint mir unsere Sprache trotz der vielen Wörter sehr unpräzise. Das ist nicht ungedingt tragisch, aber manchmal bereitet es mir Kopfzerbrechen. Selbe Wörter, ganz anderer Sinn:

„Sein oder nicht sein“, zum Beispiel
„Er suchte sein Auto.“

Dagagen erscheint Englisch oder amerikanisches Englisch fast simpel. Dennoch lässt sich ein scheinbar einfacher Satz wie der berühmte: „Rose is a rose is a rose is a rose“ kaum ins Deutsche übersetzen.

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Englisch gilt ja als sehr einfach, ist es im Großen und Ganzen auch. Aber wenns da dann um feine Nuancen geht, haben sie angeblich so viele und so feine Abstufungen, dass die für einen nicht-native-speaker fast unmöglich zu verstehen, zu lernen und anzuwenden sind.

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Wer eine Fremdsprache lernt, kennt sich theoretisch in der deutschen Grammatik oft besser aus als viele Deutsche. Aber im praktischen Sprachgebrauch sind wir Deutschen natürlich besser. (Meistens jedenfalls.) Ww

Mich treibt in dem Kontext schon länger die folgende Frage um: Wenn Sprache sich mit der Zeit immer mehr „verschleift“ und simplifiziert (und so sieht es mir ganz deutlich aus), wie konnte es dann passieren, dass in der Antike mit Griechisch und Latein scheinbar „plötzlich“ zwei hochkomplexe und fein ausdifferenzierte Sprachen auftreten, die weit elaborierter sind, als es beispielsweise Deutsch, Englisch oder Französisch jemals waren? Wie haben die Menschen das damals geschafft? Was hat sie umgetrieben, dass sie solche Sprachen etablieren konnten? Oder kurz gesagt: was machen wir falsch?

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Beim Latein weiß niemand, wie die gesprochene Umgangssprache klang, oder? Wir kennen nur die schriftlichen Texte, die erhalten geblieben sind. Und Lesen und Schreiben war damals der gebildeten Oberschicht, für wichtige Anlässe, vorbehalten, oder?

… Wenn in tausend Jahren von unserem Deutsch nur noch Gesetzestexte (z.B. irgendwelche EU-Richtlinien) überliefert wären, würde sich die Nachwelt über unsere komplizierte Sprache wundern.

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Auf Latein gibt es nicht nur Gesetztestexte, sondern eine Menge Briefe und normale Bücher aus der Zeit und sogar Graffiti, die intellektueller ist, als mach TikTok Beitrag … Zur Aussprache gibt es Kommentare von zeitgenössischen Autoren, etwa damals schon zur Veränderung von Sprache, zu schwer auszusprechenden oder zu unterscheidenden Wörter, u.a, du kannst einiges aus der Metrik in poetischen Texten ableiten und nicht zuletzt können Linguisten auch aus Folgesprachen Dinge ableiten. Was die soziale Herkunft und Sprache angeht: allein schon die Graffiti in Pompeji zeigen, dass Schreiben eben nicht nur dem Adel vorbehalten war. Ebenso die gut organisierte Administration, die ohne Schriftkenntnis undenkbar gewesen wäre. In Städten war die Fähigkeit wahrscheinlich weit verbreitet. Ein Merkmal der Oberschicht war es eher, auch noch (Alt-)Griechisch sprechen und schreiben zu können. Das Vorherrschen von Analphabetismus ist eben genau kein Antikes Merkmal, sondern eines des Mittelalters und der Zukunft.

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Mir scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein. Unser Weltbild ist seit der Antike immer komplexer geworden. Eine Sprache, die dieses Weltbild transportiert, muss daher auch immer komplexer werden. Neben dem Inhalt spielt auch der Kontext eine Rolle. Zum Beispiel der Kulturraum. Hans-Peter Dürr hat zu Einsteins 100. Geburtstag eine Vortragsreise in den Fernen Osten gemacht. Einmal hat er seinem Dolmetscher über die Schulter geschaut und gesehen, dass kurze Texte seines Vortrags auf Chinesisch viel länger waren. Das machte ihn sehr misstrauisch, weil seine Texte auf Englisch meist nur kürzer wurden. Dass sie länger wurden, hatte er noch nie erlebt. Sein Dolmetscher hat ihm erklärt, dass das mit der Denkweise der Chinesen zu tun hat. Dort haben die Beziehungen zwischen den Objekten eine größere Bedeutung als die Objekte selbst. Um eine Beziehung zu vermitteln, reichen den Chinesen drei Zeichen. Wenn sie etwas Gegenständliches erklären müssen, brauchen sie viele und sehr spezielle Zeichen. Vielleicht ist unsere Sprache so kompliziert, weil wir so kompliziert denken.

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Wenn du Chinesisch als komplexere Sprache anführst, unterstreichst du ja nur meinen Punkt, dass jüngere Sprachen vergleichsweise simpel sind, denn Chinesich ist ja viel älter als Deutsch - älter als Latein. So einfach vergleichbar ist sie aber nicht, denn es ist eine Logogramm-Sprache, ähnlich wie das Sumerische oder Akkadische oder unser Neuwelt-Sprech, in dem „Ich liebe Bücher“ zu " :heart::open_book:" wird. Auch das Chinesische 我爱书 leitet sich aus bildlichen Logogrammen her, die mit der Zeit abstahiert wurden. Natürlich ist es mit Logogrammen schwer einen Satz wie „Die Einsteinische allgemeine Relativitätstheorie setzt die vierdimensionale Raumzeit ins Verhältnis zur Gravitation.“ einfach und trotzdem korrekt auszudrücken. Nicht umsonst arbeitet Chinesisch sehr mit Determinativen an Zeichen zur Bedeutungserläuterung - übrigens genau wie die erste Indogermanische Sprache und damit auch die Urmutter des Deutschen, nämlich die hethitische Sprache, die sich neben eigenen Silbenzeichen auch noch die Sumerischen Logogramme entlehnte.
Zur allgemeinen Frage der Komplexität der Welt: sicher, technisch wird die Welt immer komplexer, aber Wissenschaftler und Techniker spezialisieren sich auch immer stärker auf immer kleinere Teile davon und schaffen sich eine Fachsprache, deren Rückwirkung auf unsere allgemeine Sprache gering ist. Ob die Gedankengänge eines Römischen Senators unterkomplex waren im Vergleich zu denen eines deutschen Politikers des 21. Jahrhunderts ziehe ich in Zweifel. Ob seine Sprache im Verhältnis unterkomplex war, halte ich für nicht einmal diskutabel mit Blick auf Reden im Senat vs. im Bundestag.

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Vielleicht ist es deshalb eine so große Herausfordrung, mit unserer abstrakten Schrift Texte „bildlich“ zu gestalten.

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