Hallo Lamesch, deine Situation erinnert mich an meine eigene. Ein paar deiner aufgeführten Stichpunkte der Kurzfassung der Darkover-Saga treffen sogar auf mein Projekt zu, obwohl ich sie nie gelesen habe. Ähnlichkeiten in der Fantasy sind ja nicht unüblich. Rowling und Rothfuss sind meine Lieblingsautoren und ich strebe ebenfalls nach einem Werk, wie es Rothfuss mit Der Name des Windes gelungen ist und betreibe seit Jahren Weltenbau. Was man nicht vergessen darf: Ein Erfolg über Nacht braucht zehn Jahre Vorbereitung. (Dieses Zitat wird, wenn ich nicht irre, Tom Clancy zugeschrieben.) Aber Rothfuss geht es da auch nicht anders. Der dritte Band der Königsmörder-Chronik lässt seit Jahren auf sich warten. Ich tippe mal auf Schreibblockade.
Was den Weltenbau betrifft: bei mir ändern sich im Laufe der Zeit immer wieder kleinere Dinge wie Ortsnamen und die Geschichte und Beschreibung von Völkern, die ich untereinander austausche, wie artverwandte Wesen wie Elfen/Elben, Sidhe, Tuatha, Fae, aber das Grundprinzip der Welt bleibt erhalten: eine mittelalterliche Fantasywelt mit einem, selbst für das Genre, überdurchschnittlich großen Pulk an fiktiven Geschöpfen aus der klassischen Fantasy und Mythologie. Fantasy, in denen Magie nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt und hauptsächlich Menschen auftreten wie bei Das Lied von Eis und Feuer (dass ich sehr gut finde, besonders die Umsetzung als Game of Thrones) möchte ich nicht schreiben. Es entspricht nicht meiner Vorstellung von einer Fantasywelt, wie ich sie erschaffen möchte. Da nehme ich lieber weniger Leser in Kauf und schreibe was mir gefällt, als etwas zu schreiben, dass es der Allgemeinheit Recht macht. In dieser Welt steckt unheimlich viel Recherche, bezüglich des Mittelalters, der nordischen Mythologie und der allgemein verfügbaren Fantasywesen, auf die kein Autor einen Anspruch erhebt. (Notiz am Rande: Balrog z.B. ist rechtlich geschützt, nicht aber ein Feuerstier mit anderer Bezeichnung, auch der Hobbit ist geschützt, nicht aber der Halbling). Auch der Hauptprotagonist und der Roman, mit dem ich die Welt veröffentlichen will, hat sich bereits geändert, auch wenn die anderen Handlungsstränge weiter in der Welt existieren. Tatsächlich plane ich sogar noch weiter, nämlich nicht wie andere Fantasyautoren für jeden Roman eine neue Welt zu erschaffen, sondern möglichst alle meine künftigen Fantasy-Romane in dieser Welt spielen zu lassen und das auch teilweise in unterschiedlichen Epochen, was natürlich die Voraussetzung mit sich bringt, dass ich mir darüber klar werde, welchen Zeitraum das Mittelalter bei mir hat und wann Schießpulver eingeführt wird und das Zeitalter der Seeräuber mit Kanonen beginnt, und wann die Raumfahrt beginnt (vielleicht zum zweiten Mal, da es früher schon mal ein Weltensterben gab?). Ich gebe zu, dass ist eine Menge an Mehrarbeit, aber mich ärgert es auch ein wenig, wenn ich sehe, dass andere Autoren ständig neue Welten erfinden statt ihren vorigen treu zu bleiben und immer nur eine halbfertige Karte mitliefern. (Okay, auch Mittelerde scheint nicht völlig aufgedeckt, aber Tolkien hatte damals auch weniger Möglichkeiten als wir Inspiration zu sammeln und sich kreativ mit einem Karten-Programm auszutoben.)
Ein solch ambitioniertes Projekt artet zum Lebenswerk aus, dass Jahrzehnte in Anspruch nehmen kann (und in meinem Fall wird). Nur möchte ich eigentlich möglichst bald auch ein Buch verkaufen.
Was ich dir daher empfehlen möchte und was mein eigener Plan ist:
- Bringe einen Roman zum Abschluss, ob dieser nun am Anfang der Geschichte deiner Welt spielt, mitten drin oder am Ende, spielt keine Rolle, er kann auch der Auftakt deiner Haupt- oder einer Nebenreihe sein, hauptsache, er ist in sich vollendet und schlüssig. Und achte sehr streng darauf, dass du alles, was du in diesem Roman in Bezug auf deine Welt erwähnst, in künftigen Werken über diese Welt auch beibehalten willst, nicht dass du Gefahr läufst, etwas ändern zu wollen, es aber nicht mehr kannst, weil die Welt bereits erfahren hat, dass das Königreich im Norden Buxdehude und nicht Arschkalt heißt. Gleiches gilt für die Regeln der Magie in deiner Welt. Entwickel ein Konzept, dass du beibehalten kannst und erfinde nicht wie Brandon Sanderson, was er meines Wissens nach tut, immer wieder ein neues. Und wenn doch, erkläre plausibel, warum sich das System der Magie gewandelt hat. Falls dir doch Fehler unterlaufen, versuche die Änderung immer zu begründen. Königreich Buxdehude ist gefallen und der neue Herrscher stammt aus dem Geschlecht Kalt und hat es daher in Arschkalt umbenannt, du verstehst schon, was ich meine. Wenn du Weltenbau betreibst erfindest du eine Welt mit zigtausend Jahren Geschichte und diese haben bei allen großen Weltenbauern, ob nun Tolkien oder Videospielmacher, großzügige Lücken. Zwischen dem zweiten und dritten Ringkrieg liegen rund tausend Jahre. Gollum trug den Ring allein 500 Jahre, wer weiß, was der noch alles erlebt hat und welche Ort er besucht hat, die nie erwähnt wurden? Dadurch konnten Vidoespielmacher in Schatten des Krieges einiges hinzufügen, in dem sie das mangelnde Wissen mit neuem füllten und mit dem alten verknüften, dass Tolkien hinterließ. So entstanden Geschichten, die Tolkien nie selbst erdacht hat, so ähnlich ist es teils auch bei den Hobbitfilmen gelaufen, wenn es sich dabei auch um eine Interpretation vorhandenen Stoffs handelt z.b. die Liebschaft zwischen dem Zwerg und der Elbe, kommt im Buch nicht vor.
- Wenn der vorige Vorschlag nicht klappt, schreibe einen Einzelroman, vielleicht in einem anderen Fantasy Untergenre (z.B. Urban Fantasy, dass in der modernen Welt angesiedelt ist) oder einem ganz anderen Genre, eine Geschichte, die dir Spaß macht, aber keine 10 Jahre Weltenbau voraussetzt und die sich baldmöglichst publizieren lässt. Vielleicht einen Sciencefiction-Roman, der auf breites Fachwisssen verzichtet und einfach eine Reise durchs All schildert, wie bei Die lange Reise zu einem kleinen zornigen Planeten von Becky Chambers. Fantasy und Scienceficiton sind eng miteinander verzahnt. Damit kannst du vielleicht etwas Geld verdienen, um dich weitere Jahre dem Weltenbau zu widmen.
Ein weiterer Tipp: Falls du es noch nicht getan hast, setzte dich in Puncto Plotten mit dem Monomythos/der Heldenreise auseinander:
Die Odyssee der Drehbuchschreiber, Romanautoren und Dramatiker: Mythologische Grundmuster für Schriftsteller
Vogler, Christopher
Alternativ dessen Inspirationsquelle:
Der Heros in tausend Gestalten (insel taschenbuch)
Campbell, Joseph
Das hilft zwar nicht eine Hintergrundgeschichte für eine Welt zu entwerfen, aber für die Roman(reihen) die darin spielen.
Um auf deine Anfänge zu sprechen zu kommen: Ich habe mehrere Versionen entworfen, wie der Beginn der Menschheit in meiner Welt aussah, wie die Magie in die Welt kam, etc. Wenn du dich nicht festlegen kannst, lass den Anfang erst einmal weg. Beginne nicht im Jahr 0, sondern im Jahr 3500. Bis dahin können ganze Imperien gefallen und Völker ausgerottet worden, religiöse Kulte entstanden und in Vergessenheit geraten sein, die Geschichte, die sich die Menschen, über die Entstehung der Welt erzählten, kann sich durch neue (z.B. kirchliche) Institutionen geändert haben. Tolkien hat im Silmarillion die Reise der Elben nach Mittelerde beschrieben und auch die Götter auftreten lassen, das ist okay, kann man lesen, aber im Buch der verschollenen Geschichten 1 und 2 geht er auf die Entstehung der Welt durch den Obergott (glaub er wird so ähnlich wie im Nordischen der Gott Odin als Allvater bezeichnet, hab es vor Jahrzehnten gelesen) und dass ist dermaßen langweilig, anödend, und zutiefst unlesbar, wie es Tolkien nicht würdig war, dass man es vielleicht gar nicht hätte veröffentlichen sollen, vielleicht auch deshalb, weil sie von seinem Sohn veröffentlicht wurden… Aber es zeigt auf, dass eine Fantasywelt für sehr viele Leser und Zuschauer funktionert, die keine Ahnung von den Valar haben, die nicht wissen, dass Gandalf nicht nur ein Zauberer, sondern eine Art Gesandter der Götter ist. Es funktioniert. Schlicht und einfach.
Man kann es auch kryptisch angehen. In der Videospielwelt Thedas von Dragon Age weiß man, dass am Anfang die Magier etwas gemacht haben, durch das der Vorhang zwischen dem Nichts und der Welt zerriss und Gott die Dämonen über die Welt brachte, weil die Magier zu arrogant waren oder so ähnlich, zumindest dachte man am Anfang der Reihe so, mittlerweile hat es sich so entwickelt, dass das Nichts von Magiern erschaffen wurde. Jedenfalls hat die Kirche die Magier bereits vor Jahrhunderten vor der Haupthandlung der Spiele für unzurechnungsfähig erklärt und versucht sie weltweit einzusperren und zu bewachen, was den zentralen Konflikt in der Videospielreihe ausmacht. Dass es nicht nur den einen Gott „den Erbauer“ (der vielleicht doch nicht existiert, weil er nicht als Figur auftritt?) und dessen Kirche, sondern auch noch andere alte Götter gibt, wusste man bereits durch Statuen und Myhten, dass diese aber unter den Menschen bzw. Elfen wandeln, erfährt man erst im dritten Spiel bzw. dessen Addon.
Mach dir also keinen Kopf, wenn es mit dem Urknall nicht klappt. Wir Menschen wissen bis heute nicht ob die Theorie vom Urknall stimmt und was außerhalb des Raumes liegt, und welchen Sinn unsere Existenz hat oder das überhaupt etwas existiert, sei es ein Tier, ein Stein oder mathematische Gesetze. Und zu meinem Leidwesen ist auch Gott nicht restlos widerlegt. Alle Möglichkeiten sind offen. Wir könnten auch nur in einer Simulation existieren oder unser Bewusstsein nicht mehr als das Betriebssystem eines biologischen Roboters sein. Die Menschen, die in deiner Welt leben, wissen das mit großer Sicherheit auch nicht. Also lass sie darüber spekulieren und auch Götterstatuen aus Stein hauen, aber gieß selbst nicht alles in Stein.
Hoffe, diese Tipps helfen dir bei deinem Weltenbau weiter.