Seid ihr Hobbyautoren, habt gerade erst mit eurem Manuskript begonnen oder steht euer Debüt vielleicht schon kurz vor der Fertigstellung? Dann ist euch sicher auch schon einmal die Frage untergekommen: Selfpublishing oder Verlag/Literaturagentur?
Meines Erachtens ist das die falsche Frage. Das wäre so, als würde man einen Laiendarsteller fragen, ob er lieber eine gut bezahlte Sprechrolle in einem Hollywoodfilm annehmen oder gegen eine Aufwandsentschädigung das örtliche Open-Air-Theater unterstützen würde.
Niemand, der nicht wenigstens ein paar Bücher erfolgreich verlegt - oder wahnsinnig gute Kontakte - hat, entscheidet sich aktiv für einen Verlag. Mit ganz viel Glück entscheidet sich der Verlag unter tausenden Einsendungen für genau Dein Erstlingswerk. Dafür muss aber der Praktikant, der den Posteingang sichtet einen verdammt guten Tag haben oder aus Versehen auf die „Weiterleiten“-Taste gekommen sein. Wenn man sein eigenes Werk zu Lebzeiten veröffentlicht sehen möchte, dann hat die Wette auf einen Verlagsvertrag die denkbar ungünstigsten Quoten. Große Verlage bekommen bis zu 6.000 Manuskripte pro Jahr und nehmen häufig nur 1-2 neue Autoren ins Programm auf. Die Chance für ein Debüt liegt also im 0,irgendwas Prozentbereich. Und das hat erstmal gaaar nichts mit der Qualität des Manuskripts zu tun. Rein rechnerisch müssen sehr viele Leute täglich sehr viele Manuskripte durchackern, um alles zu lesen, was reinkommt. Da bleibt nicht viel Zeit für eine ausführliche Analyse und Bewertung. Bei Literaturagenturen sind es wohl nicht ganz so viele Einreichungen, aber die Quote ist nicht viel besser. Und der erzwungene Leerlauf in den letzten Jahren hat die Situation auf dem Buchmarkt nicht verbessert.
Die eigentliche Frage lautet also nicht: „Verlag oder Selfpublishing?“ Das suggeriert nämlich, dass man da als Autor ein Wörtchen mitzureden hätte.
Bei vielen Auflistungen der Vor- und Nachteile von Verlagen vs. Selfpublishing wird ein Aspekt häufig gar nicht oder kaum erwähnt: Zeit. Die Zeit, die man investiert, während man um die Aufmerksamkeit eines Verlages buhlt, könnte man also auch nutzen, um das erste Buch selbst unter die Leute zu bringen. [FONT=-apple-system]Daher ist die eigentliche Frage, wenn es um die Wahl des Vertriebswegs geht: „Wie wichtig ist mir die Veröffentlichung?“
Bin ich bereit, im Zweifelsfall noch Jahre zu warten, bis irgendjemand außer meiner besten Freundin, das zu Lesen bekommt, was ich mit viel Blut, Schweiß und Tränen in zahllosen Nachtschichten zu Papier gebracht habe? Schreibe ich wirklich „nur für mich“ und kann damit leben, die nächsten Jahre auf eine Rückmeldung von einem Verlag zu warten oder möchte ich möglichst bald Feedback von echten Lesern bekommen (die mich nicht kennen) und bin bereit, dafür ein bisschen mehr zu tun, als „nur“ zu schreiben?
Als ich gefragt wurde, warum ich mich fürs Selfpublishing entschieden habe, musste ich eine Weile überlegen. Ich kannte ja die Argumente dafür: mehr Freiheit, alle Rechte liegen bei mir, keiner redet mir rein, Flexibilität, höhere prozentuale Tantiemen, usw. Aber das traf auf mich alles nicht zu. Ich gehe nicht davon aus, dass ich genau weiß, welche Geschichte mein Cover braucht, ob die Höhepunkte an der richtigen Stelle gesetzt sind und wie man die beste Zielgruppe für meine Geschichte findet. Ich hätte jede Hilfe in dieser Hinsicht dankend angenommen - auch und gerade durch einen Verlag, dessen täglich Brot es ist, gute Geschichten zu veröffentlichen. Das einzige Argument, weshalb ich letztendlich den Weg übers Selfpublishing gegangen bin, war daher: Mangel an Geduld!
Ich habe ein Manuskript geschrieben und ich wollte, dass es gelesen wird… von 200 Menschen, die ich nicht persönlich kenne. Mit einem Verlag im Rücken wäre die Chance sicher recht gut gewesen, aber auch da ist es als Newcomer mit der Einreichung des Manuskripts nicht getan. Auch als Verlagsautor muss man sich mit dem Thema Marketing beschäftigen, wenn man nicht schon 1-2 Bestseller geliefert hat. Insofern habe ich mich entschieden, selbst mein Schicksal (und ein bisschen Geld) in die Hand zu nehmen, und mich auf den steinigen aber sehr lehrreichen Weg des Selfpublishings begeben.
Ich weiß, ich bin bei weitem nicht der einzige hier im Forum der sein Buch im Selbstverlag herausgebracht hat. Andere haben sehr viel mehr Erfahrung als ich. Es gibt hier zahlreiche Wiederholungstäter, die ihr Wissen seit Jahren immer freigiebig teilen. Ich habe viel davon profitiert und mir deshalb vorgenommen, ein bisschen darüber zu berichten, was ich im letzten Jahr gelernt habe. Es ist sicher nicht so, dass wir alle 1-zu-1 das gleiche erlebt haben und vielleicht können meine Erkenntnisse den großartigen Wissensschatz zum Thema Selfpublishing hier im Forum ein wenig ergänzen. Spannende Themen gibt es genug: Print-on-Demand, Lektorat, Covergestaltung, Verbände, Bookstagram, Marketing, Leserunden, Tantiemen, Impressum usw.
Ich werde das nicht alles auf einmal runterschreiben, aber immer mal ein bisschen. Gerne nach Bedarf. Also wenn es etwas gibt, was euch besonders interessiert, sagt einfach bescheid. Sharing is caring