Geht euch das auch manchmal so, dass ihr beim Überarbeiten oder eure Testleser bemerken, dass in euren Texten manchmal bestimmte Wörter in ungewöhnlicher Menge auftauchen?
Ich meine jetzt nicht die üblichen Verdächtigen wie “und”, “sagte”, usw. und auch keine direkten Wortwiederholungen, sondern eher etwas unübliche Wörter über die Kapitel verteilt:
Bei einem Fall ist mir aufgefallen, dass die Leute bei mir ständig in “Grüppchen” herumstanden, zum Mittagessen gingen, sich beim Warten zu Grüppchen zusammenfanden usw.
Das andere Mal habe ich meiner Testleserin, die schon einige Kapitel gelesen hatte, erzählt, dass ich momentan noch überlege, ob der Protagonist A oder B tun soll und sie meinte: “Ach, das ist egal. Bestimmt schnaubt er hinterher wieder”. Ich hab dann nachgefragt, wie sie das meint und bin dann Zuhause durchs Manuskript. Da ist es mir dann auch aufgefallen: Da wurde geschnaubt, weil die Nase zu war, es wurde abfällig geschnaubt, es wurden verärgerte Antworten geschnaubt, etc.
Merkwürdigerweise schleichen sich diese Worte nur in einem Text ein, im nächsten sind sie wieder in einer Häufigkeit, die nicht weiter auffällt - dafür entdecke ich dann andere.
Seitdem scrolle ich bei der Überarbeitung auch immer mal in der Dokumentenstatistik durch die “Worthäufigkeit”, um solche Kandidaten zu identifizieren.
Kennt ihr das auch und was waren eure unbeabsichtigten Lieblingswörter?
Ich habe den Eindruck, bei mit geht’s einigermaßen. Habe eben mal ein abeschlossenes Manuskript mit der Dokumentenstatistik für Wordhäufigkeit geprüft.
Auf den Rängen 1 bis 50 finden sich lediglich Namen und “Normalos” wie: und, sagte, wenn, nur, auch …
Ich habe natürlich auch stark verankerte Lieblingswörter. Inzwischen kenne ich die üblichen Verdächtigen und zwinge mich schon beim Schreiben diese zu ersetzen oder zu umgehen.
EDIT Nachtrag:
Doch noch eins erwischt: “Schaute”.
Bei mir wird viel geatmet; auf alle erdenklichen Arten. Es wird nach Luft geschnappt, Atem geholt, es werden hörbar die Lungen geleert, oder es wird ebenfalls geschnaubt. Immerhin abwechslungsreich genug - es taucht nicht in den Wiederholungen auf, aber beim Testlesen wurde es bemerkt … Ebenfalls beim Testlesen wurde „echoen“ entdeckt. Ich glaube, manches prägt sich bei der Lektüre auch irgendwie besonders ein und wird schneller als Wiederholung wahrgenommen.
Relativ weit oben bei den Wiederholungsstatistik ist bei mir „zog“. Man kann aber halt auch so Vieles auf viele Arten ziehen, oder von jemandem in mannigfaltige Richtungen gezogen werden. Und „rückte“. Selbes Problem.
Hm, und ich frage mich ob es normal ist, so viele Augen und Blicke, Hände und Finger in einem Text zu haben. Touchy-feely much…
Wie viel ist eigentlich “viel”? @RalfG ’s Faden hat mich erst aufmerksam gemacht. Im meinem aktuellen Manuskript “reibt sich jemand nachdenklich das Kinn” … 14 Mal auf 324 Seiten. Ist das viel? nachdenklichdasKinnreibend
Kommt darauf an. Wenn es immer der gleiche Charakter ist, der das macht, kann es ja auch Bestandteil der Charakterzeichnung sein. Ich habe einen Nebencharakter, der ständig an seiner Brille herumrückt, wenn er nervös ist oder sich unwohl fühlt. Da weiß der Leser auch ohne dass ich es groß beschreibe, was Sache ist (spart auch eine Menge Adverbien).
Wenn sich alle deine Figuren ständig am Kinn kratzen, solltest du vielleicht noch einmal drüber schauen. Andererseits sind 14 Vorkommnisse in ca. 75.000 Wörtern auch nicht so wahnsinnig viel und die Phrase besteht aus Wörtern die unter dem Radar bleiben, weil sie sehr gebräuchlich sind. Wenn deine Figuren 14 mal “Myriaden von Tränen” vergießen würden, würde ich sagen, das fällt sicher auf, aber Kinn kratzen? Wahrscheinlich wird es dem einen oder anderen auffallen, das allgemeine Risiko schätze ich aber gering ein.
Aber wie immer: Es ist deine Entscheidung
Als Arbeitsthese dürfte aber immer noch gelten: Was dir als Autor schon auffällt, wird dem Leser auch auffallen.
Nein, ich habe gerade mal geguckt: Es ist kein unentschlossenes Schulterzucken, sondern fast immer ein »Wen kümmert es?«-Schulterzucken, ein paar Mal auch ein »Keine Ahnung«.
Beim Ersteren sollte ich wirklich darauf achten, dass nur von bestimmten Charakteren kommt, Letzteres vielleicht ein paar Mal durch die entsprechenden Worte ersetzen.
Trotzdem – ich müsste es so oft verwenden, dass ich es oft ersetze; wenngleich, obschon, obgleich, obwohl. Mit diesen fünf komme ich dann bei hunderttausend Wörtern auf eine erträgliche Anzahl. Weil meine Figuren innerlich oft zerrissen sind, denken sie in diesen Strukturen und bringen das entsprechend häufig zum Ausdruck. Obschon er so denkt, will er das … Wenngleich es ihn ängstigt, muss sie ihm … und so weiter. Immer noch 42 trotzdem, vielleicht eine Hommage an Douglas Adams.
Mein Figuren nicken dauernd bekräftigend, wenn ich sie nicht daran hindere.
Außerdem winken sie laufend ab. Dabei kenne ich niemanden, der im wahren Leben „abwinkt“.
Kommt davon, dass ich knappe Dialogverbindungen suche, um klarzustellen, wer gerade etwas sagt.
Mittlerweile fällt es mir schon beim Schreiben auf - aber in Krimi 1 musste ich bei der Überarbeitung sicher so 30 Abwinker ersetzen.
Ha, das wäre einen weiteren Thread wert: Menschliche Handlungen, die im wahren Leben nicht vorkommen, aber in Büchern ständig. Auf Anhieb fällt mir noch ein: Sich die Haare raufen, die Hände überm Kopf zusammenschlagen, die Hände ringen, sich (meistens böse grinsend) die Hände reiben…
Genau das führt bei mir auch zum ständigen Schulterzucken…
Bislang hat es mich nicht sehr gestört, wenn meine Figur oft lässig abwinken oder ratlos mit den Schultern zucken. So sind sie nun mal. Jetzt, wo ich lese, dass eure das auch tun, gibt es mir doch zu denken … hm.
Stimmt, ich hab noch nie jemanden gesehen, der die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Ich stelle mir gerade eine Filmszene vor, in der der diese ganzen Beschreibungen umgesetzt werden. Dialoge, die mit Hände-über-den-Kopf-schlagen, dauerndem Abwinken, Händreiben etc. als Aktion versehen sind.
Sowas müsste man mal als Filmclip drehen, um die Absurdität klarzumachen.