Ich habe es schon wieder getan. Gestern Abend kam mir die Idee für eine neue Geschichte - mal wieder, als ich bereits im Bett lag. Vielleicht sollte ich nur noch liegenbleiben.
Wie immer ist Kritik erwünscht.
Schöne neue Welt
Wir leben seit genau sechzehn Wochen auf unserem neuen Heimatplaneten. Man hatte uns nicht Zuviel versprochen. Hier sah es tatsächlich genauso aus wie auf der Erde. So, wie man es von Bildern und Filmen kannte, bevor die klimatischen Veränderungen für verheerende Katastrophen gesorgt hatten. Es gab Berge mit schneebedeckten Gipfeln, Wälder, Wiesen, Flüsse und Seen. Bis auf Insekten gab es keine Lebewesen. Uns drohte keine Gefahr durch große wilde Tiere. Allerdings gab es auch keine kleinen Tiere, die wir hätten jagen und essen können. Aber das wussten wir vorher, für die Ernährung musste die reichhaltige Flora ausreichen. Wir waren zehntausend Kolonisten, die die lange Reise auf sich genommen hatten. Zehntausend Männer und Frauen, die den Anfang machten. In zwei Monaten kommt das nächste Schiff mit weiteren Frauen, Kindern und Männern.
Ich kann mich genau an den Tag unserer Ankunft erinnern. Die Landung war hart, aber das hatte man uns vorher erklärt. Dies war ein One-Way-Ticket und das Schiff war nicht für ein sanftes Aufsetzen gebaut. Es sollte lediglich auf einer großen weiten Fläche heruntergehen und dabei einigermaßen unbeschadet bleiben. Als sich die riesigen Schleusentore öffneten, strömte der Duft von sauberer Luft herein. Eine lange schräge Rampe führte hinunter zum Boden. Ich betrat vorsichtig das satte grüne Gras. Die Halme kitzelten meine nackten Füße und ich bückte mich, um auch meine Hände dieses unbeschreibliche Gefühl erfahren zu lassen. Andere taten es mir nach. Manche rannten voller Lebensfreude auf den Waldrand zu, der einige hundert Meter entfernt war. Ich streckte meinen nackten Körper und atmete tief ein. Im Schiff hatte es ekelhaft gestunken. Die Filter der Luftreinigungsanlagen waren irgendwann nicht mehr in der Lage gewesen, die Gerüche zu neutralisieren. Hier draußen war die Luft so sauber, dass ich es regelrecht fühlen konnte, wie die Lungen den Sauerstoff aufnahmen.
Die Sonne erwärmte meine Haut. Es fühlte sich seltsam an, aber dieses Gefühl war äußerst angenehm. Mit meinen Händen strich ich über meine Arme, meinen Bauch und meine Beine. Wir alle waren nackt, Kleidung hatte man als unpraktisch angesehen. Für die Reinigung während des langen Fluges wäre unverhältnismäßig viel Wasser verbraucht worden.
Wir waren wie übermütige Kinder und erkundeten neugierig unsere neue Heimat. Vom Waldrand kamen aufgeregte Rufe. Ich lief zu ihnen und erfuhr, dass hinter dem schmalen Waldstreifen ein breiter Fluss strömte. Ungestüm sprang ich hinein zu den anderen, die bereits das kühle saubere Wasser genossen.
So verging unser erster Tag auf diesem herrlichen Planeten.
Am zweiten Tag begann die Arbeit. Die Biologen untersuchten die Pflanzen und analysierten, welche davon essbar waren. Geologen prüften, wo die besten Stellen für die Habitate waren. Vom Fluss wurde Wasser in Vorratstanks gepumpt. Solarmodule und Windräder wurden zur Energieerzeugung aufgebaut. Jeder von uns war ein Spezialist auf einem Fachgebiet. Als Bauingenieur half ich mit, die Behausungen aus vorgefertigten Bauteilen zu errichten. Unsere kleine Siedlung nahm Gestalt an.
Am vierten Tag bekamen die Mediziner unerwartet viele Patienten. Bisher waren es lediglich Arbeitsunfälle, die versorgt werden mussten. Plötzlich meldeten sich über einhundert Siedler mit Atemnot. Am nächsten Tag waren es schon mehr als eintausend Erkrankte mit den gleichen Symptomen. Die Ursache wurde schnell gefunden. Gegen Pollen, die von einer wunderschönen blauen Blume am Flussufer stammten, waren unsere Immunsysteme machtlos. Die von der Erde mitgebrachten Antihistamine zeigten keine Wirkung. Am Ende der ersten Woche hatten wir 862 Menschen verloren, sie waren qualvoll erstickt. Aus dem provisorisch angelegten Friedhof am Waldrand wurde ein Massengrab.
Nach zwei Wochen regnete es so heftig, dass es aussah, als hätten wir unsere Siedlung in einem See erbaut. Die Arbeiten mussten für drei Tage unterbrochen werden. Als die Sonne wieder kam, kamen auch die Mücken. Sie fielen über uns her und brachten unbekannte Krankheitserreger mit. Manche von uns blieben verschont, andere waren mit Stichen übersät. Wir hatten keine Kleidung, die den Körpern zumindest einen kleinen Schutz geboten hätte. Mehr als fünfhundert Frauen und Männer starben noch am gleichen Tag an einem anaphylaktischen Schock. In den kommenden Tagen erkrankten über sechstausend Menschen und bekamen hohes Fieber. Die wenigen Ärzte, die nicht selber betroffen waren, konnten nur die Leiden mindern. Von den Patienten überlebte nur eine Handvoll.
Wir waren erst vor vier Wochen hier gelandet und hatten schon drei Viertel der Kolonisten verloren. Hoffnungslosigkeit machte sich breit. Die Aufbauarbeiten gingen nur noch schleppend voran. Viele weigerten sich, weiter zu arbeiten. Manche begingen Selbstmord, weil sie die Ausweglosigkeit nicht mehr ertrugen. Die Energieversorgung wurde immer wieder unterbrochen, da wichtige Arbeiten nicht erledigt wurden. Die UV-Bestrahlung in den Wassertanks war nicht durchgehend gewährleistet, wodurch die Zerstörung der DNA von Bakterien und Viren nicht mehr funktionierte. Wegen der Verseuchung des Trinkwassers verloren wir weitere 2.000 Menschen.
Ich bin einer von 183 Überlebenden. Unser Immunsystem hat sich angepasst.
Wir können die Ankunft des zweiten Schiffes nicht vorbereiten. Eine Kommunikation mit deren Besatzung war nie vorgesehen. Wie viele von denen werden es schaffen? Sind wir genug, um den Fortbestand unserer Spezies zu gewährleisten? Ist der Genpool groß genug?
Diese Welt ist wunderschön. Aber es ist nicht unsere Welt. Vielleicht wird sie es irgendwann einmal sein.