Ihr Lieben, hier ein Auszug aus unserem aktuellen Papyrus-Team-Projekt, der dem einen oder anderen als Anregung dienen könnte. Bei mir funktioniert das immer. Ich habe keine Schreibblockaden.
Auszug:
Karl starrt auf seine beiden Post-it-Zettel mit den Worten Rat und Erziehung. Er erinnert sich wieder, wie er zu Studienzeiten seine Blackouts überwand. Justament lädt er mit jenem alten Trick für sein letztes Arbeitsprojekt die eine spezielle stichhaltige Idee zu sich ein. Er zieht von jedem Großbuchstaben einen Strich zu einer Sprechblase. In die schreibt er thematische Begriffe, die mit demselben Buchstaben beginnen.
R – Ratio
A – Agieren
T – Test, Trost? Ja, Trost, denn Trost ist eine Aufmunterung und Beruhigung in einem. Das brauchen Ratsuchende. Sie sollen testen, je nach ihrer Situation, in der sie Rat suchen, rational zu handeln und sich nicht wegen eines Fehlers oder der Ratlosigkeit selbst verrückt zu machen, gar herabwürdigen.
Luzifer schnurrt auf seinem Oberschenkel. Die Idee lässt sich nicht blicken. Karl macht mit dem zweiten Wort weiter:
E – Eltern
R – Rüge, Rage, Rache
Z – Züchtigung
I – Irritation, Intoleranz, infam
E – Ehrerbietung
H – Hass, Hunger
U – Unerbittlichkeit, Ungehorsam
N – Negieren, Natur des Erwachsenen, Neid, das Nichts und innere Leere
G – Genugtuung, Gehorsamkeit, Grausamkeit …
Der Kater buckelt auf und ist mit einem Satz aus dem Zimmer. Karl ist erschrocken. „Was ist, Luzifer? Was hast du? Ist da doch eine Ratte im Haus? Komm wieder her, mein Junge!“
Er lässt den Stift fallen und sucht nach dem Tier. Der hockt in Angriffsposition im Flur, sprungbereit, zu flüchten. Abpflücken lässt er sich nicht. Er faucht und funkelt Karl an. In dem bricht eine Welt zusammen, glaubte er bis eben, dass er und sein Kater nach den langen Monaten des Nebenherlebens ausgesöhnt seien. Nach dem Stand der Dinge jetzt hat er nichts mehr, kein erfülltes Privatleben, keinen Kuschelkater, keine Freude auf der Arbeit.
Mit hängenden Schultern schlurft er zurück an den Wohnzimmertisch und schaut auf den zweiten Post-it-Zettel. Sein kleiner Archivar schimpft ihn aus. Hier stehen nur Negativwörter, die ihm in den Sinn gekommen sind. Er hat seine eigene Erziehung reflektiert. Völlig ungeeignet, um seinen letzten Auftrag zu erfüllen. Was hätte die zauberhafte Diana Rotkraut in die Sprechblasen geschrieben? Er nimmt sich einen dritten Zettel und versucht es erneut.
E – Eltern, Ehrlichkeit
R – Ratschlag, Ruhe, Richtung geben
Z – Zuneigung, Zärtlichkeit
I – Ideal, Idee, Instinkt, intrinsisch
E – Erklärungen, Ethik
H – Hoffnung, Humor und Heiterkeit
U – Unterweisung
G – Glück, Geliebtsein, Gelassenheit, Geduld.
Die Worte sprudeln aus dem Stift. Er sieht vor seinem inneren Auge Diana lächeln. Luzifer springt auf seinen Schoß und lässt sich streicheln.
„Mein Lieber, du bist wunderlich. Es ist, als könntest du meine Gedanken lesen. Die schlechten vertreiben dich, die guten locken dich an. Ist das so?“
Die Idee ist eingetreten und setzt sich neben ihn. „Karl, bleib mal schön auf dem Teppich. Katzen können keine menschlichen Eingebungen widerspiegeln. Ich dagegen schon.“
„Ich soll Eltern einen Rat geben, nein, Schreibern von Ratgebern – das sind in aller Regel Eltern. Dabei sollen die so schreiben, dass Leser des Ratgebers glücklich, humorvoll und heiter ihre Kinder unterweisen, damit die sich geliebt fühlen. Die Eltern. Oder machen die mit Ratgebern eine Leidensgemeinschaft auf? Man tauscht sich über Enttäuschungen aus, die Kinder Eltern verpassen.“
„Jetzt bringst du selbst mich durcheinander. Karl, wir gehen jetzt mal kleinschrittig an deinen Auftrag. Wer steht im Mittelpunkt eines Erziehungsratgebers?“
„Die Eltern. Die erziehen unter dem Strich die Nachkommenschaft.“
„Und wie hätte ein Ratgeber für deine Mutter ausgesehen haben müssen?“
Schulterzucken. Kopfkratzen. Brille ab, Augenreiben, Brille auf.
Die Idee ist verschwunden.
Ich hoffe euch eine Anregung mit den Sprechblasen gegeben zu haben.
Liebe Grüße an euch in der Runde
Leah