Ok… jetzt tue ich es doch. Wollte mich nicht gleich wieder unter den Watschenbaum stellen. Aber bevor weitere Missverständnisse aufkommen, hier die erste Szene… in der Erstfassung.
Der 24. Dezember 2019 ist ein Scheißtag, genau wie gestern, vorgestern … und überhaupt alle Tage der letzten Zeit.
Ein Wagen rauscht vorbei. Die Karre wummert aus offenen Fenstern … »Guten Morgen Berlin du kannst so hässlich sein …«, Haschischluft.
Mein Telefon …
»Hey, ich bin’s …«
»Wer spricht?«
»Komm … lass den Quatsch. Wo bist du?«
»Unterwegs …«, ich zögere, »… und du?«
»In Athen. Über Weihnachten und Neujahr bin ich bei meinen Eltern.«
»Ah …«
Vor meinen Augen tauchen die Bilder der Stadt auf. Der Flohmarkt in Monastiraki, wo wir alles Mögliche mitgeschleppt haben, um es im Haus von Annas Eltern zwischenzulagern. Abgeholt haben wir die Sachen bis heute nicht. Das Hotel Grande Bretagne, wo einem selbst der Cappuccino präsentiert wird, als gehöre man dem Onassis Clan an. Edel, teuer und alles in Gold.
In Plaka und der römischen Agora habe ich mich sofort wie zuhause gefühlt. Die Erinnerung an die Nächte mit Anna im Hotel, lässt Wehmut und Sehnsucht aufkommen.
»Sie grüßen dich.« Meine Eingeweide krampfen.
»Ja, Gruß … auch von mir … herzlich, und ein schönes Fest.«
Mein Zwerchfell bebt, ich unterdrücke ein Seufzen. Weitere Erinnerungen blitzen auf.
»Danke, das wünsche ich dir auch.« Es war ihre Stimme, gleich von Anfang an, in die ich mich verliebt habe.
»Alles ok bei dir? Was machst du die Tage?«
»Ähm … wollte eigentlich ein Fest schmeißen.«
»Echt?«
»Ja, die Gästeliste umfasst dreiundsechzig Leute, dich eingeschlossen, ohne Max.«
»Du, also …«
»Dann aber hat mein Agent Druck gemacht, wegen des Romans. Hat wohl nen Verlag am Haken und macht auf Dringend.«
»Das klingt super …«
»Ja und deshalb schreibe ich während der nächsten Tage. Heißt, ich schotte mich ab. Kein Fest.«
»Verstehe. Sehen wir uns mal, wenn ich zurück bin?«
»Ja, klar. Melde dich einfach. Ok?«
»Ok. Na dann mach’s gut. Bis bald …«
Ich beende das Gespräch und der Impuls, das Handy auf der Straße zerschellen zu lassen, lässt sich nur schwer zurückhalten.
Eine Drehung um die eigene Achse bringt mich wieder ins Atmen. Verdammt, Anna … warum?
Ausgerechnet Max, dieser glatzköpfige, speichelleckende Emporkömmling, Riskmanager und Sesselfurzer bei der Deutschen Bank. Nein, tut mir echt leid. Ich bin nicht durch damit. Ich spucke aus … verflucht, und jetzt?
Umkehren, und zurück ins Bett? Ich schalte das Ding auf Flugmodus. Über mir die kreischende S-Bahn und ein Schwarm Krähen. Der Himmel, kaum hell, vermittelt schon vormittags das Gefühl von Dämmerung. Das Schneetreiben nimmt zu und ich zieh die Mütze tiefer ins Gesicht, stülpe die Kapuze drüber und stapfe weiter, meinem Vorhaben entgegen.
Verlag … Fest. Bin ich total bekloppt? Jetzt fang ich schon das Lügen an. Nur um zu zeigen, dass ich klarkomme. Dabei ist mein Leben Müll. Mir ist nach Heulen. Ich fühle mich wie Sperrgut, das die Leute hier tagtäglich auf die Straße stellen und davon ausgehen, dass jemand kommt, der den Kram mitnimmt. Aber wer braucht das ganze kaputte Zeug – Fernseher, Trockenhauben, Matratzen … und mich?