Der Antagonist - Ein muss von Anfang an... oder?

Hallo Zusammen,

ich hoffe, es geht euch allen gut :slight_smile:
Mir ist in letzter Zeit aufgefallen, dass meine Geschichten oft eine Gemeinsamkeit haben und jedes Mal im Laufe des Schreibens stelle ich mir immer wieder die gleiche Frage:

Müsste mein Antagonist früher in Erscheinung treten?

Ein Antagonist ist ja für Fantasy wie Wasser für eine Blume - ohne ihn (oder sie) ist es schwierig für die Geschichte zu wachsen, Spannung zu kreieren.

Aber kann meine Geschichte auch ein Kaktus sein? Kann sie wachsen und gedeihen, wenn nur hin und wieder ein kleiner Tropfen hinzugegeben wird? Kann der Antagonist sich erst auf Hälfte der Story zu erkennen geben und den wahren Konflikt heraufbeschwören?

Im Fall meines aktuellen Projekts landet meine Prota in einer für sie recht neuen Umgebung, mit komplett neuen Gegebenheiten. Es gibt auch für sie Konflikte zu bewältigen, wobei sie auch den einen oder anderen „kleinen Antagonisten“ hat, die sich jedoch nach Beilegung des Konflikts als Freunde zu erkennen geben. Bis dahin sind alle Konflikte, die sie zu bewältigen hat eher … na ja, nicht gerade „alltäglich“, aber doch eher weniger von weltvernichtender Natur.

Nun frage ich mich jedoch, ob es einen Leser nicht doch langweilen könnte, wenn er schon 3-4 Kapitel gelesen hat und es noch keinen „großen, bösen Antagonisten“ gibt.

Wie haltet ihr das?

Um den Rahmen für mein Projekt einmal etwas genauer zu definieren: Es handelt sich um eine Art Urban-Fantasy. Eine moderne Welt, in der es jedoch bereits magische Aspekte gibt, mit der meine Prota anfangs wenig zu tun hat, dann jedoch hineingerät.

Liebe Grüße, ich freue mich auf den Austausch mit euch :slight_smile:

Ich gehöre vermutlich nicht zu deiner Leser-Zielgruppe, also überleg dir, wieviel Gewicht du meiner Meinung beilegen möchtest.

Für mich muss es in Büchern überhaupt keinen Antagonisten geben, und ich verzichte auch gerne auf große äußere Konflikte. Wenn es in jeder Szene einen neuen äußeren Konflikt gibt, dann fange ich an, mich zu langweilen. Diese Grundstimmung, dass man sich von einem Konflikt zum nächsten kämpft, dass nach jedem gelösten Problem ein neues auftritt, die nervt mich schon oft genug in meinem Alltag, das brauche ich in Büchern überhaupt nicht.

Vom Genre Fantasy wünsche ich mir, in interessante fremde Welten einzutauchen und mit echten Helden mehr Schönes zu erleben als Konflikte und Kämpfe.

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Ich bin vollkommen anders gestrickt als Corinna. Allerdings finde ich es auch maßlos übertrieben, dass jede Szene einen Konflikt braucht. Alle Schreibratgeberleser schlagen mich jetzt bitte nicht. :slight_smile:
Für meinen Geschmack ist es egal, mit wem es losgeht, wenn mich die Sätze packen und neugierieg machen.

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Hallo Corinna :slight_smile:

Danke, für deine Meinung. Es ist schön zu hören, dass es auch Leser gibt, die einfach gern in eine schöne andere Welt abtauchen und das genießen können.

Ich weiß genau, was du meinst mit dem „von einem Konflikt in den nächsten“ zu rutschen, das nervt mich bei Filmen teilweise. Oh sie haben es geschafft, den Countdown der Bombe zu stoppen, aber jetzt gibt es doch noch einen Fernzünder! Den haben wir aktiviert und oh nein, jetzt droht der Schrank umzukippen, auf dem die Bombe steht, wir müssen das verhindern!" (Schlechtes Beispiel, aber ich denke, du weißt, was ich meine).

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Also ein dauerhaft schwelender Konflikt ist eher besser, als eine Aneinanderreihung von neuen Konflikten?

Wahrscheinlich macht es die Mischung. :smiley:

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Das liegt an Amerika und daran, dass alle nach denselben Plotschemata agieren. Wer solch ein Schema benutzt, muss sich im Klaren sein, dass es wie Malen nach Zahlen ist. Das Bild kann ganz nett werden, aber meistens sieht man die schwarzen Striche zwischen den Feldern noch. Und manchmal sogar die Zahlen.

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Ich kenne kein Gesetz, das das zwingend vorschreibt.
Wenn Dein Bösewicht erst später auftaucht, ist das halt so. Du könntest aber sein Auftauchen und ggf. seine Absichten schon vorher in den „kleineren“ Konflikten vorbereiten, indem du sie in Zusammenhang mit ihm stellst. Das muss der Leser nicht sofort merken, es kann sich auch später aufdröseln.

Gruß,
misc

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Ich muss hierbei auch gestehen, dass ich einen Antagonisten, aber auch einen „wahren“ Antagonisten habe.
Ersterer wurde bereits erwähnt, als eine Art Reliquie aus der Vergangenheit und was er damals verbrochen hat. Ein aufmerksamer Leser könnte bereits ahnen, wo er sich versteckt.

Nach seinem Erscheinen wird sich jedoch herausstellen, dass jemand anders der eigentliche Gegenspieler meiner Protas ist, hier kommt quasi ein Plottwist ins Spiel.

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Das kommt eben darauf an und kann ich pauschal nicht beantworten.

Als Konflikt gelten ja auch innere Konflikte, emotionale etc., und eine Szene sollte zumindest zur Geschichte etwas beitragen, das sich zu lesen lohnt. Weltenbau kann man nebenbei betreiben, gerade in Fantasy gibt es die Neigung, beim Einstieg einen Infodump zu erzeugen.
Aber irgendeinen Antagonisten gibt es doch quasi immer, und wenn es der/die Prota selbst ist, sonst ist es die Natur, das System etc.

Wenn deine Protagonistin in einer neuen Umgebung ist, wird sie zumindest Ziele haben und Gründe, warum sie dort ist. Möglicherweise will sie fliehen von dort oder sich zurechtfinden und einrichten in der neuen Umgebung, denkt an das, was jetzt vor ihr liegt etc. oder trifft erste Mitstreiter.
Ehrlich gesagt, ist es schwer pauschal zu sagen, wenn man deinen Einstieg nicht kennt.
Weil: Am fehlenden Antagonisten muss es nicht hängen, ob eine Geschichte interessant ist, es kann aber auch sein, dass du dich mit dem Anfang zu lang aufhältst und das eher ein Warmschreiben gewesen ist.

Hast du eine Inhaltsangabe geschrieben, und wenn ja, inwiefern bezieht sich der erste Teil auf das Zusammentreffen mit dem Antagonisten und ihren (vermutlich) Sieg über ihn, also auf die Kerngeschichte?
Oder wie sähe dein Klappentext dafür aus?

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Ich behaupte mal, es ist relativ schnurz, wann der Antagonist auftaucht, so lange deine Geschichte nur spannend und interessant ist.

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Im Fall meines Projektes ist es ein Zurechtfinden in der neuen Umgebung und das finden ihrer Mitstreiter - das trifft es tatsächlich ganz gut. Natürlich gibt es hierbei auch viele Konflikte, die gelöst werden müssen.

Ich habe den Plot fertig, dies aber eher als eine Aneinanderreihung von Notizen und nicht als Inhaltsangabe zusammengeschrieben.

Genau was du sagst ist auch ein bisschen meine Angst, dass ich mich quasi zu lange mit dem „Anfang“ aufhalte. Einen Klappentext habe ich durchaus auch schon einmal vorformuliert, dieser beschreibt durchaus den anfänglichen Teil, erwähnt jedoch auch schon den ersten „großen“ Konflikt, bei dem inhaltlich ich noch nicht angekommen bin.

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Es gibt halt neben dem Hauptplot (Protas vs. Antagonist) auch noch verschiedene Sideplots (Romanzen und Freundschaften, die entstehen; die neue Welt, in die sich meine Prota einfinden muss).

Diese Nebenplots sind mit sehr wichtig, weil sie den Hauptlot am Ende stark beeinflussen.

Ich lese deinen Eingangstext so, dass es erst um die Suche nach Gefährten geht und später dann um einen größeren Konflikt. Ich mag das. Das ist mir schon das eine oder andere mal begegnet und war für mich fast unterhaltsamer, wie das eigentliche Finale.

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Das ist ein bisschen, wie wenn man HP liest und sich über das Lesen von Quidditch-Turnieren, Weihnachtsgeschenken und die Wahrsagerei Hausaufgaben freut. Alles nicht zwingend nötig für den Hauptplot, aber dennoch, um die Welt und deren Atmosphäre zu begreifen.

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Ohne die Geschichte wirklich zu kennen, scheint mir das schon ganz in Ordnung so. Es ist ja quasi die Definition des Midpoints, dass die Hauptfigur hier erkennt, worum es wirklich geht in der ganzen Angelegenheit.

Edit: Ein paar eingestreute Hinweise auf den Antagonisten vorher sind aber sicher gut für einen „Hab ich doch geahnt!“-Effekt beim Lesen.

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Die gibt es auf jeden Fall. Für den Antagonisten und für den erfahrenen Leser auch für den „wahren“ Antagonisten :slight_smile:

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Mach dich nicht zu verrückt. Finde es gut, dass du dich damit auseinandersetzt und ein spannendes Buch schreiben willst.
Wenn du es mal von weiter außen betrachtest, hat ein Buch ja immer ein Hauptthema, das von Nebenthemen unterstützt wird, die im Idealfall untrennbar miteinander verbunden sind.
Nehmen wir mal an, eine Prota bekommt eine Chance für eine Prüfung an einer magischen Akademie in Berlin und später stellt sich heraus, dass der Leiter der Akademie ein Dämon und damit der Antagonist ist. Wenn sie an die Akademie kommt, muss sie neue Leute kennenlernen, darunter Konkurrenten etc. Spannend ist z.B. die Frage, ob sie die Prüfung schafft, ob sie ihren Mitstreitern vertrauen kann und ihrem großen Traum der Ausbildung näherkommt etc. Am besten passieren dann noch gefährliche oder merkwürdige Dinge (wegen des noch nicht in Erscheinung getretenen Dämons).
So z.B. ist genug spannendes Material vorhanden. Die Welt wird kennengelernt, die Leute, es gibt Konflikte und Hindernisse, auch wenn der Anatagonist erst später offenbart wird.

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Ein Antagonist muss ja nicht zwingend eine Person sein. Es reicht schon, wenn sich der Protagonist mit einem persönlichen Problem herumschlagen muss, dass ihn vom Erreichen seiner gewünschten Ziele abhält.

Nimm z.B. eine Geschichte über einen sehr talentierten Leistungsschwimmer, der die Weltmeisterschaft anstrebt, dann durch einen blöden Unfall beinahe ertrinkt und seitdem panische Angst vor Wasser hat. Da hätte man einen wunderschönen Konflikt und braucht keinen weiteren Antagonisten in Form von einer Person.

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Was du versuchen könntest ist, den wahren Antagonisten direkt vor den Augen des Lesers zu verstecken. Eine scheinbar unwichtiger Nebencharakter, der nur hin und wieder auftaucht. Oder, um die Suppe ein wenig zu versalzen, den Antagonist zu einer bedeutenden Person für den Protagonisten zu machen. Was den Verlauf des Konflikts natürlich ändert.

Als Beispiel führe ich mal Talia al’Ghul aus dem letzten Dark Knight-Teil an: Vorgestellt als eine Mitarbeiterin im Vorstand von Wayne Enterprises, in die sich Bruce Wayne sogar verliebt. Als sie „entführt“ wird, setzt er alles in Bewegung, um sie zu befreien. Nur um dann von ihr erstochen zu werden, weil er ihren Vater getötet hat.

Aus sowas lassen sich spannende Dramen entwickeln.

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