Neues aus der Anstalt: Nachdem am Montag der Run mit 70000 Buchungen auf die Insel begonnen hat, sind für nächste Woche noch einmal 90000 Gäste angemeldet. 90 % meiner Kunden kommen - trotz echt penetranter Beschilderung - ohne Maske in den Laden. Die anderen 10 % kommen mit Maske rein, nehmen sie aber wieder ab, weil es “so heiß ist”, oder tragen sie so, daß die Nase frei ist. Ich kann mir das Desinfizieren der Fahrräder eigentlich sparen. Tu ich aber natürlich nicht. Alle sind - zumindest bei mir im Laden - freundlich, aber überfordert. Die Menschenschlangen vor den Bäckereien sind endlos. Das sind wir ja gewohnt, erst als Sechzigster ranzukommen. Durch das Social distancing von 2 Metern Abstand sind die Schlangen jetzt natürlich elend lang. Vor ALDI hat man eine Verkäuferin, die Masken und Einkaufswagen kontrollieren sollte, mit Prügel bedroht; vor REWE sind zwei Herren, wegen der Reihenfolge in der Warteschlange so aneinandergeraten, daß die Polizei eingreifen mußte. In der Freidrichstraße - die Flaniermeile schlechthin - ist es so knackenvoll, daß man theoretisch zwar sterben, aber nicht umfallen könnte. Das Ego des Sylturlaubers - Anwesende immer ausgenommen - ist ja generell schon in etwa so groß wie Lappland, aber es scheint noch eine Steigerung möglich zu sein. Die Polizei ist natürlich völlig überfordert. Sie patroullieren über die Insel, aber so richtig nicht. An den Hotspots (die natürlich jeder hier kennt) glänzen sie durch Abwesenheit. Man darf ja auch die Gäste nicht vergraulen. Alles in Allem - so wie immer, nur noch ein, zwei Schippen drauf. Ich weiß, das klingt nach endlosem Gejammer von mir, ist aber mehr eine nicht ganz - wie denn auch - objektive Betrachtung der Ereignisse. Und ja, wenn mich das so nervt, könnte ich ja auch woanders wohnen. Das ist natürlich richtig. Ich komme zurecht. Meine Frau ist auf der Insel geboren und aufgewachsen und will sie nicht verlassen, es ist ihre Heimat. Leider hat der Ausverkauf der Insel schon vor 20, 30 Jahren begonnen.
Dieser Standpunkt scheint mir mit Verlaub ein wenig in die Jahre gekommen und heute durchaus umstritten.
siehe z.B.
Orig Life Evol Biosph. 2010 Apr; 40(2): 151–160.
Published online 2010 Mar 3. doi: 10.1007/s11084-010-9194-1
Defining Life: The Virus Viewpoint
Abstrakt
Sind Viren am Leben? Bis vor kurzem war die Beantwortung dieser Frage oft negativ und Viren wurden in Diskussionen über den Ursprung und die Definition des Lebens nicht berücksichtigt. Diese Situation ändert sich schnell, nachdem mehrere Entdeckungen unsere Vision von Viren verändert haben. Es wurde erkannt, dass Viren eine wichtige innovative Rolle bei der Evolution zellulärer Organismen gespielt haben (und immer noch spielen). Neue Definitionen von Viren wurden vorgeschlagen und ihre Position im universellen Lebensbaum wird aktiv diskutiert. Viren werden nicht mehr mit ihren Virionen verwechselt, sondern können als komplexe Lebewesen angesehen werden, die die infizierte Zelle in einen neuartigen Organismus - das Virus - verwandeln, der Virionen produziert. Ich schlage hier vor, das Leben (einen historischen Prozess) als die Existenzweise von Ribosomen-kodierenden Organismen (Zellen) und Kapsid-kodierenden Organismen (Viren) und ihren Vorfahren zu definieren. Ich schlage vor, einen Organismus als ein Ensemble integrierter Organe (molekular oder zellulär) zu definieren, die Individuen produzieren, die sich durch natürliche Selektion entwickeln. Der Ursprung des Lebens auf unserem Planeten würde der Etablierung des ersten Organismus entsprechen, der dieser Definition entspricht.
**Schlüsselwörter: **Archaea, Evolution, Mimivirus, Ursprung des Lebens, Virus
mfg os|<ar
Das ist wohl war! Die Formulierung “gebräuchliche Definition” (nach meiner Rezeption ist sie das noch) war mit Bedacht gewählt
Das war nie anders … Zog sich bei mir durchs ganze Studium und länger. Die Argumente allerdings bleiben immer die gleichen, daher ist das „in die Jahre gekommen“ kaum treffend.
Ich meine viele Jahre …
Neues aus der Anstalt Nord:
Jetzt ist die Insel recht voll. Die Nachrichten, daß der gemeine Bürger sehr zögerlich in das Pfingstwochenende gestartet ist, kann ich nicht bestätigen. Buhne 16 ist in Kampen der Strandabschnitt, an dem sich die Promis und die, die gerne dazugehören, sowie der Geldadel ihr Unwesen treiben. Die „normalen“ Touristen sind dort immer auf der Hatz, in der Hoffnung, mal einen Blick auf den knittrigen, nackten Hintern von z. B. Alain Delon werfen zu dürfen. Hier - im Pfuhl der moralischen Verwerfungen und Dekadenz:footprints: - fliegen ja schon im Normalfall die Schampusflaschen durch die Luft. Vorgestern ist dann eine Fete von rund 3500 Menschen etwas ausgeartet und die Trachtengruppe ist ausgerückt, um dem Ganzen Einhalt zu gebieten. Es wurden keine Strafgelder verhängt. Aber hier auf der Insel mußt Du als Promi schon nackt und bis unter die Haarwurzel voll mit Koks auf dem Dach eines Maserati durch Westerland brausen. Es gibt dann einen Klaps und ein „Geh schon, kleiner Rabauke!“.
Whatever.
Derzeit haben wir 13 Infizierte auf der Insel, allerdings ist es sehr schwierig, an diese Info zu kommen. Eine Freundin von mir arbeitet im medizinischen Bereich und gab mir diese Zahl weiter. Alle Krankenschwestern und Pfleger und Ärzte scheinen zu Stillschweigen verdonnert zu sein.
Wieviele davon Touris oder Eingeborene sind, ist nicht bekannt. Es gibt Aussagen von Gästen in der Art „Ich bin auf Sylt, da muß ich keine Maske tragen!“, aber es gab auch vor Corona schon Variationen davon, die ähnlich dämlich waren. Der prozentuale Anteil der Deppen scheint also kaum verändert zu sein.
Meine Stammgäste sind durch die Bank gut drauf, relativ entspannt und genießen unser zur Zeit traumhaftes Wetter. Alle - im Ernst: Alle - fahren Fahrrad. Die Firma, in der ich arbeite verfügt über ca. 4000 Fahrräder und wir sind absolut ausgebucht und können nur noch das vermieten, was am Abend wieder abgegeben wird.
Die Prognose, daß uns spätestens zwei Wochen nach Pfingsten alles um die Ohren fliegt, macht mich unsicher. 13 Infizierte auf ca. 120000 Menchen erscheint mir sehr wenig. Schaun mer mal…
Ich drücke Dir die Daumen. Passt auf euch auf. Hat man die Leiche schon identifizieren können?
Welche meinst Du?
Hatte von einer toten Frau am Kampener Strand beim Campingplatz gelesen, finde den Artikel aber nicht mehr.
Da sieht man es mal…, ich stehe so unter Strom, daß ich sowas gar nicht mitbekomme.
Ich kann aber von 14 abgefackelten Strandkörben berichten, die man am Hauptstrand von Westerland angezündet hat.
Da ist wohl `ne Corona-Party aus dem Ruder gelaufen. Ich glaube nicht, dass das einheimische Kids waren, da kennt jeder jeden und wenn rauskommt, dass der Bengel von Jönne die Strandkörbe von Karl-Heinz auf dem Gesissen haben sollte, brennt hier die elterliche Pädagogenluft:rage:. Wie haben zwar auch reichlich einheimische Bagaluten, aber in diesem Fall vermute ich Touris. Die Trachtengruppe :sleep: kam - wie immer - zu spät, noch deutlich nach der Feuerwehr.
Eigentlich sollte der Strom der Gäste nach Pfingsten etwas abflachen, es scheint aber nicht der Fall zu sein, sie sind immer noch da und es werden stündlich neue Touristen auf die Insel gekarrt.
Ich muss noch einmal betonen, dass sich die meisten echt benehmen, höflich sind und - in ihrer urlaubsmäßigen, begrenzten - Wahrnehmung ertragbar sind. Es ist einfach die Masse. Ein Depp - wie der klassische Dorfidiot - ist in einer Gemeinschaft ja zu ertragen und kompensierbar. Das wird irgendwie aufgefangen. Hier ist das Verhältnis zueinander völlig verschoben. Ich habe mal ausgerechnet, daß in dem Wohnblock in dem ich in Kiel mal kurz wohnte, mindestens zwo Komma etwas Kinder mißbraucht und 4 Frauen verprügelt werden; dazu kam dann noch ein Achtel Mörder.
Aber was sind schon Zahlen…
Inzwischen flaut die zweite Welle (hoffentlich) langsam ab.
Ein Kollege von mir ist in der ersten Welle gestorben. Mehrere sind erkrankt, teilweise mit starken und, wie sie erzählen, sehr schmerzhaften Symptomen, andere nur mit leichten.
Auch jene, die nur leichte Symptome hatten, kämpfen noch nach Monaten mit Problemen: sie fühlen sich nicht fit, das Herz oder die Lunge macht bei der geringsten Belastung nicht mehr mit. Der Geruchs- und Geschmackssinn war bei einigen noch nach vier Monaten nicht in Ordnung.
Zufällig bin ich auf Youtube über ein Interview von Oprah Winfrey mit Dr. Michael Osterholm gestolpert. Der hat 2006 so ziemlich genau das vorhergesagt, was jetzt abgeht. Inklusive Hamsterkäufe und Probleme mit dem Gesundheitssystem. Ich dachte, ich sehe und höre nicht recht! Er warnte, dass alle 20, 30 bis 50 Jahre mit einer Pandemie zu rechnen ist. Wenn man AIDS auch als Pandemie zählt, was sie glaube ich auch ist, wären wir bei ca. 40 Jahren. Statistisch fällig, sozusagen. Mal abgesehen von den SARS-Wellen im asiatischen Raum.
Er hat 2005 ein Buch geschrieben “the deadliest enemy”, inzwischen in der 17. Auflage. Auch findet man Artikel von ihm in Fachzeitschriften mit dem Titel “Preparing for the next pandemic” - auch 2005.
Das Wissen war da, die Spezialisten haben seit Jahren gewarnt.
Das ist ja das Problem, verehrte Canidea. Oder eines. Die Politik engagiert Profis, aber wenn sie Expertise irgendwie nicht passt, sucht man sich einen anderen. Oder man entscheidet einfach mal so. Vor etwa fünfzehn Jahren ließ die EU eine Studie in Auftrag geben, wieviel Gülle denn so ein Hektar Land verknusen kann. Ein rennomierter Wissenschaftler kam auf den Wert 75 Liter. Die EU setzte den Grenzwert daraufhin auf 150 Liter fest. Wat sollste dazu sagen? Hier auf der Insel kamen sie vor vierzehn Tagen darauf, dass wir alle immer und überall Maske tragen müssen. Jetzt, wo die Gäste alle weg sind, vorher hat kein Schwein was gesagt. Es wurde dann nach ein paar Tagen zurückgenommen. Politische Entscheidungen unterliegen offenbar anderen Gesetzen, nicht einer irgendwie nachvollziehbaren Logik. Die Lockerungen zu Weihnachten werden uns wahrscheinlich ziemlich in die Scheiße reiten. Ich würde auch gern meine Töchter und meine Enkel sehen, das ist ja nur einmal im Jahr. Aber das fällt dann eben mal aus, wo ist das Problem? Schleswig-Holstein hat die niedrigsten Infektionsquoten und nichts ließe sich besser abschotten, wie eine Insel. Verdammt, ich schreibe doch noch den ultimativen, letzten Sylt-Thriller, erzählt vom letzten Sylter. Erster Satz: “Nennt mich Michael!”
Und in Schulen kann man sich nicht anstecken. Deshalb könntest Du, lieber @narratöör, Deine Kinder und Enkelkinder in den Weihnachtsferien bestimmt in einem Klassenzimmer einer Schule treffen. Das ist da ungefährlich. Bis zu 31 Personen gehen ohne Probleme. Ihr müsst halt nur immer schön lüften …
LG
Pamina
Seitdem eine gute Freundin im März schwer an Covid erkrankte und es gerade so geschafft hat, habe ich wirklich Sch*** vor dieser Krankheit. Meine Freundin kann jetzt noch nichts riechen. Sie sagt, neben ihr könnte es brennen und es wäre ihr egal. Das einzige, was sie schmecken kann, ist Kaffee und der schmeckt nicht nach Kaffee, sondern nach etwas völlig anderem. Aber nicht schlecht, sagt sie. Immerhin (<- falls man’s nicht sieht: trockener Humor).
Nein, ihre Erfahrungen stimmen mich nicht wirklich optimistisch. Und wenn ich diese Verweigerer oder „Freiheitskämpfer“ sehe, wird’s mir manchmal richtig schlecht, weswegen ich gar nicht mehr gerne Nachrichten sehe.
Genau. Und es ist dort auch egal, dass da 31 verschiedene Haushalte zusammenkommen…
Ich höre auch mit Sorge die Erzählungen meines 17-jährigen Sohnes, der in ein Gymnasium geht. Wohl ist der Wille da, alle 20 Minuten zu lüften, aber oft - eigentlich fast immer - wird’s vergessen. Er saß in der Pause neben einem Schüler, der sein Brot gegessen hat und dessen Vater an Covid erkrankt war. Aber dieser Schüler hat ihm das erst nach der Pause gesagt („Ach, übrigens…“). Super! Mein Sohn war ganz schön sauer. Alle Sitznachbarn des Schülers wurden dann mitsamt dem Schüler in Quarantäne geschickt. Mein Sohn nicht, denn er war ja kein Sitznachbar. Die Pause scheint nicht zu zählen. Wir haben dann eben in der Familie geschaut, dass wir irgendwie Abstand zu ihm halten. Aber das hat mir als Mutter erst recht weh getan. Zum Glück ist er nicht krank geworden und dieses Ereignis mittlerweile Geschichte.
Seine Schule hat nun entschieden, eine Stunde später als die anderen Schulen anzufangen, damit der Nahverkehr entlastet wird. Hehe, gute Idee! Erstens kommt Sohnemann dann noch später nach Hause (die Schule hat täglich Nachmittagsunterricht) und zweitens wäre die Idee ja super, wenn der Nahverkehr mitziehen würde. Denn vor 8 Uhr fahren mehrere Züge mit mehreren Waggons. Eine Stunde später - weil es ja nicht mehr so viele Schüler sind - nur noch ein Zug mit einem Waggon. Und da quetschen wir dann die ganzen Zugkinder von besagtem Gymnasium rein.
Mein Sohn sagt, dass dieser Zug voller ist als die Züge vor 8 Uhr. Ich frage mich wirklich, ob man sich da nicht absprechen könnte. Das Gymmi könnte doch auch mal ihre Schulkinder der einzelnen Zugverbindungen zusammenzählen und diese Anzahl dem Nahverkehr weitergeben. Der könnte dann seine Züge/Busse richtig dimensionieren. Ist das so ein großes Problem? Aber - ach ja, richtig - im Nahverkehr steckt man sich ja nicht an…
Ich selbst habe es mir mittlerweile im HomeOffice gemütlich gemacht. Der Ort, an dem ich arbeite, hat einen dreifach höheren Inzidenzwert als mein Heimatort. Da bleibe ich wirklich lieber zuhause. Und im IT-Bereich ist das zum Glück kein Problem. Wo ich meinen Code schreibe, ist letztendlich wurscht. Und dank schneller Internetleitung und einem tollen Sysadmin in der Firma läuft auch alles wie geschmiert. Viele meiner Kollegen arbeiten im Moment von zuhause aus.
In diesem Sinne: Bleibt alle gesund!
Liebe Grüße,
Vroni