Deine Tipps, Figuren zu schreiben, mit denen du wenig gemeinsam hast?!

Das wäre doch eine Serienmördergeschichte, in die wir uns (fast) hineinversetzen könnten: Der Krimiautor, der endlich einen glaubwürdigen Bestseller schreiben will und von der theoretischen Recherche zu echten Morden übergeht… :face_with_open_eyes_and_hand_over_mouth:
[Nein, Morde sind nicht mein Tipp, um Figuren zu schreiben, mit denen ich wenig gemeinsam habe… :speak_no_evil:]

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Hallo Elisabeth,

Meistens habe ich da einige Schablonen im Kopf, die sich aus anderen Romanfiguren, realen Personen und auch vor allem aus Filmen und Serien zusammensetzen. Damit ist schon mal eine Vorlage vorhanden. Ansonsten mache ich ein schriftliches Figureninterview. Dabei stelle ich aber eher offene Fragen und lasse die Figuren plaudern, dann kommt auch die Stimme, der Inhalt und die Hintergrundgeschichte.
Wahrscheinlich funktioniert das ganz gut, weil man damit den Zensor im Kopf umgeht. Es gibt ja nichts zu bemängeln, wenn eine Figur einfach frei erzählt.
Normalerweise lasse ich Figuren einfach auf dem Papier entstehen und dann schaue ich mir an, wie klischeehaft die sind und durchbreche das wieder, entweder bei der einzelnen Person oder, wenn sie einer Gruppe angehört, durch andere Gruppenmitglieder, die sich anders verhalten und damit mehr Variabilität zeigen. Das bezieht sich aber im Wesentlichen auf Nebenfiguren.

Ich glaube, das ist auch eine ziemliche Herausforderung. An der Stelle hätte ich wohl versucht, mich mit Recherche zu nähern, also Bücher zu lesen, in denen echte Erfahrungen in eigenen Worten berichtet werden, Dokus auf Youtube, ein paar passende ähnliche Romane und Filme/Serien dazu - und aus dem Mischmasch die Figur entstehen lassen.
Manchmal passt es aber einfach nicht, und die Hauptfigur packt einen auch nicht, dann ist es besser, man lässt es, sonst quält man sich nur.

Lesetipp: Doris Lessing, Das Tagebuch der Jane Somers

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Ich werde der Empfehlung zwangsweise folgen, weil ich überhaupt nicht weiß, welche Bücher du geschrieben hast.

Finde ich auch.

dito

Ich werde vermutlich zukünftig die Finger davon lassen. Gefällt mir nicht.

Meine Figuren sind auch eigentlich immer fernab vom Superheldentum (eigentlich, weil es schwierig ist was man als heldenhaft bezeichnet oder eben nicht), wunderschön sind sie manchmal schon, andere Male nicht. Einzigartig sind sie fast immer. Bei dir nicht? Zitat: Normale Leute sind aus.

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Juhu! Genau dafür mache ich das! :fireworks:

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Hey Gwendy!

Das finde ich spannend. Welche Interviewfragen findest du besonders ergiebig? Sind es immer dieselben oder passt du sie an das an, was du über die Figur weißt?

Genau das habe ich getan, und normalerweise hilft mir das. Dann habe ich bemerkt, dass die alte Dame als widersprüchliches Enigma im Zentrum der Geschichte besser funktioniert. Man lernt sie gut kennen, aber über Interaktion mit anderen Figuren und niemals … ganz.

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Normale Leute sind einzigartig, oder? Man muss nur nah genug rangehen.

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Ja eben. Ich hatte ja bloß die Frafür1Freu zitiert und ich anderer Meinung bin.

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Und ich stimm dir zu.

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Doris Lessing? Das kann ja nur gut werden. Danke!

spielt sicher auch ne Rolle, ansonsten würde ich sagen, ist Recherche und ganz stark die eigene Vorstellungskraft gefragt. Aus diesem Konglomerat muss man eine logische und zumindest einigermaßen nachvollziehbar klingende Figur erschaffen. Ob sich das dann in der Realität tatsächlich so oder völlig anders verhält, ist nicht so wichtig, wir schreiben kein Fachbuch sondern Belletristik. Da muss es sich unterhaltsam und spannend lesen, und solange ein bestimmtes Verhalten oder ein Wesenszug auch nur einigermaßen glaubhaft rüberkommt und der Leser die Logik nachvollziehen kann, ist alles ok.

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:sweat_smile: „Erzähl mir von dir!“ ist eine besonders ergiebige „Frage“.
Für die Geschwätzigen, die dir nur zu gern über alles berichten wollen.
Ansonsten habe ich so getan, als würde ich sie an bestimmten Zeitpunkten im Roman erneut interviewen, und konnte somit ihre Meinung zum Geschehen erfahren.

Manche Figuren interagieren auch …

„Schön, dass ich dich heute interviewen kann.“
F: „Hab gehört, du hattest ein bisschen Angst davor.“
:face_with_peeking_eye: „Hm …“ :fearful:

Wenn man sich da so ganz frei auf alles einlässt, bekommt man schon eine Menge heraus. Man kann auch den Plot mit denen diskutieren. Im Grunde einfach ganz ungezwungen und offen herangehen.
Im Grunde klingt das natürlich alles ein bisschen irre, aber es erfüllt seinen Zweck. :grin:

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Ich mache auch Figureninterviews. Allerdings muss ich bei meinem Antagonisten oft aufpassen, dass er nicht handgreiflich wird oder wenigstens aus Wut die Zimmereinrichtung demoliert. Ganz ungefährlich ist das nicht mit ihm. Er ist halt skrupellos.

Im Internet findet man auch immer wieder 100 Fragen an deine Charaktere. Die nutze ich, um meine Figuren auszufragen, wobei die Fragen nach der Lieblingsfernsehserie bei Fantasy natürlich oft nicht so sinnvoll sind.
Es ist aber schon länger her, seit ich zuletzt solche Interviews gemacht habe, denn ich habe ja schon seit Jahren mit denselben Figuren zu tun. Ich lerne sie immer besser kennen, aber dazu muss ich sie jetzt nicht mehr befragen.

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Spannend wird es, wenn der Antagonist irrational handeln soll. Zum Bleistift jemand, der an der Welt „zerbrochen“ ist und dem es im Grunde genommen egal ist, was mit ihm oder der Welt geschieht.

Klassische Figurenkonstellationen, wie der Frauenmörder, der natürlich auf der Suche nach Frauen ist und diese sich dann erwehren müssen, wären wohl mit der Zeit leicht nachzuvollziehen.

Antihelden sind da schon etwas interessanter. Wenn sie trotz ihrer Befindlichkeiten und vielleicht einer Abscheu gegenüber anderen Menschen das „Richtige“ tun, oder gar etwas, woran sogar der Protagonist scheitert, weil diesem sich Moral und Ethik in den Weg stellen.

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Und der Übergang zwischen Held und Antiheld kann ja durchaus auch fließend sein.

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Huhu!
Da ich mit Juri Pavlovic genau zu diesem Thema einen Workshop mache (10.-12.3. in Thurnau) habe ich mich mit diesem Thema sehr intensiv auseinandergesetzt. Jede menschliche Handlung lässt sich auf Bedürfnisse zurückführen. Und die sind universell, also alle Menschen auf der ganzen Welt haben dieselben Bedürfnisse. Grundbedürfnisse wie Lebensmittel, ein Zuhause, Geborgenheit über soziale und Sicherheitsbedürfnisse bis hin zu den Individualbedürfnissen, z. B. Erfolg, Selbstverwirklichung, Autonomie, Macht usw. Diese Bedürfnisse sind weder gut noch schlecht. Um sie sich zu erfüllen, greifen Menschen auf Strategien zurück, die konfliktarm oder konfliktreicher sein können. Also der Serienmörder z. B. hat als größtes Bedürfnis, Macht zu fühlen. Das Bedürfnis an sich ist nicht negativ, aber die Strategie, die er wählt, Menschen zu töten, ist sehr konfliktreich. Wie Menschen die Strategien wählen, um sich ihre Bedürfnisse zu erfüllen, hängt mit ihrer Persönlichkeit, ihren Erfahrungen, ihrer Herkunft und ihrer Sozialisation zusammen. Wenn ein Mensch von klein auf keine sozialisierenden Erfahrungen im Umgang mit sich und seiner Umwelt gemacht hat, wird er später eher konfliktreichere Strategien wählen, weil er keine anderen gelernt hat.
Zum Beispiel wissen wir, dass es gut tut, in die Natur zu gehen, in den Wald, spazieren, raus, damit wir uns erholen können, wenn wir gestresst sind. Trotzdem machen wir es meist viel zu selten, sondern setzen uns lieber aufs Sofa und schauen oder so etwas. Ein Mensch mit einem großen Bewegeungsbewegungsbedürfnis geht aber eher raus.
Es ist also nütlzlich, die Bedürfnisse der Figuren genau zu kennen und die Strategien, die sie zur Erfüllung anwenden. Diese mit der Persönlichkeit verbinden und es kommt ganz natürlich eine Handlung raus.
Was meint ihr dazu?

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Ich bin da grundsätzlich bei Dir, würde den Antrieb, „das Bedürfnis“, für Romane nur noch schärfer formulieren. Mit Menschen und ihren Bedürfnissen haben wir es ja jeden Tag zu tun, im Roman erwartet man mehr: Die Personen müssen für ihr Ziel brennen, alles in die Waagschale werfen, um es zu befriedigen. Also, überspitzt, einen Wald anpflanzen, statt hindurchzuwandern, wenn sie Naturliebhaber sind. Für einen glaubwürdigen Charakter ist die Triebfeder dann wichtig, wie Du es ja über Sozialisation etc. beschreibst. Für Romanfiguren müssen die Hintergründe dann extremer als im wahren Leben sein, denke ich. Also: der Naturliebhaber ist kein Liebhaber, er ist vernarrt in Grün. Er durfte in seiner Kindheit nur im Hinterhof spielen, sein Vater hat jeden Grashalm im Hof mit Unkrautvernichter den Garaus gemacht, nur seine Mutter hat ihm heimlich ab und zu eine einzelne Rose geschenkt und wenn die verblühte, hat er ihr einen Sarg gebastelt, den er unter seinem Bett versteckte. Kurz: statt „Bedürfnis“ würde ich es „grenzenlosen Willen“ nennen. Übertreibe ich?

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Ich würde da noch zwischen Land- und Stadtbevölkerung differenzieren, da es für die Stadtbevölkerung viel aufwändiger ist, überhaupt erst in die Natur zu gelangen, um dort spazieren zu gehen als für jemanden, der auf dem Land wohnt. Denn derjenige wird seine Faulheit deutlich einfacher überwinden können. Oder die Trägheit ist eben größer.
Stadt - keine Lust, zum Parkplatz / zur Garage zu laufen, 30 bis 45 min. „raus“ zu fahren, um im Anschluss zu Hause keinen Parkplatz mehr zu finden oder von der Garage / dem gemieteten Stellplatz zur Wohnung zurück zu laufen.
Land - Die Natur liegt direkt vor der Haustür, aber man muss erst die Pantoffeln ausziehen, die Jacke anziehen, die Schlüssel suchen …
Stadtmensch und Landmensch hängen also aufgrund unterschiedlicher „Motivationen“ rum.

Ja. Vielleicht. Andere nennen die Übertreibung möglicherweise Spannung. Es kommt eben ganz darauf an.

Ist es von Anfang an so geschrieben, dann würde ich es lesen und mich amüsieren, als Groteske oder so… Aber im Normalfall, wäre das für mich übertreiben. Aber das bin halt ich. :slight_smile:

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