Vielleicht eine positive Geschichte aus meiner eigenen, leicht vernebelten Vergangenheit. Zur Vorbemerkung: Ich bin kein Buchhersteller und was dies betrifft, nicht einmal ein Laie.
Vor über dreißig Jahren hatte ich das Glück, bei der Produktion eines Dokumentarfilms über den Zweitausendeins-Verlag als Assistent dabei zu sein.
Im Nördlinger Ries, genauer in Nördlingen, trafen wir auf den damals schon legendären Buchhersteller Bernd Leberfinger, der zusammen mit seinem Kollegen Dieter Kohler für die Buchherstellung vieler Bücher im Zweitausendeins Verlag zuständig war.
Damals hatte der Computer bereits wesentlich Einzug in die Herstellung von Büchern gehalten.
Leberfinger war nur am ätzen über die neue Technik, da sie keine Seele habe. Er zeigte einige Beispiele von Buchsatz, die am Computer entstanden war. Die unharmonischen Abstände zwischen den Wörtern fielen mir direkt auf. Leberfinger betonte, dass er mittlerweile natürlich auch mit dem Computer arbeite, aber immer würde er bei der zweiten Durchsicht händisch nachbessern und dafür sorgen, dass ein harmonisches Schriftbild entstehen würde – das Auge des Lesers müsse über die Zeilen fliegen können, ohne in ein Loch zwischen den Wörtern und Sätzen zu fallen.
Dann zog er einen gerade in Arbeit befindlichen Gedichtband hervor und streichelte über den, wie er sagte echten Leineneinband mit richtiger Goldprägung am Buchrücken, selbstverständlich mit Lesebändchen. Auf lichtechtem, säurefreien Papier gedruckt, in Fadenheftung gebunden. So etwas vererbt man, das bleibt ewig.
Ja, die gute alte Zeit. Heute geht man in eine Buchhandlung und bekommt als „Buch“ einen am Buchrücken heißgeklebten Seitenstapel als Papierklotz in die Hand gedrückt, für achtzehnneunzig das Stück. Hergestellt in La Flèche mit mehreren Setzfehlern pro Seite. Bewahrt man ein solches „Buch“ auf, verfallen die nichtlichtechten Seiten nach einigen Jahren wie ein Vampir in der Sonne.
Zu meiner Schande greife ich daher, etwa seit 2011 (mein erster Kindle), verstärkt zum eBook. Da ärgert man sich wenigstens nicht darüber, dass beim Seitenwechsel schlecht geklebte Seiten aus dem Buch fallen.