Böse Frage, interessante Antwort

Am Sonntag waren wir bei einer Autorinnenlesung (Eva Lugbauer, Schwimmen im Glas). Meine Tochter, die Kunstfraufessor, begleitete mich und stellte in der Diskussion danach eine ihrer bösen Fragen: „Wieviel Autobiographie steckt in Ihrem Buch?“
Die Antwort: „Ich glaube, dass jeder Roman zu 90% autobiographisch und zu 90% (sic!) fiktiv ist.“

Hm. Was mich betrifft, stimmt das. Aber wie ist das bei euch? Wieviel Autobiographie steckt in euren Fiktionen, wieviel Fiktion in eurer Biographie? Wo beginnt und endet beides? Oder sind die Grenzen gar nicht mehr auszuloten? Vermischt, verwischt, verzischt sich das?
Und wenn, wie kriegt ihr das auf die Reihe? Oder brauche ich einen Termin bei Froid?

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Bei mir ganz klar 0. Ich trenne privates von der Arbeit ganz genau. Ich möchte nichts verarbeiten in den Büchern. Ich möchte unterhalten.

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Tja, nicht so einfach zu beantworten. Mein Erstling beginnt mit meiner eigenen Geschichte in jungen Jahren (um 1976 - ca. 1982). In der Zeitspanne ist es fast zu 100% autobiographisch.
Mir war klar, dass etwas Biographisches von einem unbekannten Niemand keine Sau interessiert, also habe ich nach der o. g. Zeitspanne einen Kriminalfall konstruiert und ihn mit meiner eigenen Geschichte verwoben.
In den folgenden Büchern habe ich drei Hauptpersonen, die im Erstling realen Personen entsprechen, tragende Rollen zugewiesen. Wobei ich mir gut vorstellen kann, dass zwei der Hauptpersonen (die mich und jemand anders darstellen) in der Realität durchaus so agiert haben könnten, wie sie es in den Romanen tun.

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Die Antwort hätte von mir sein können. Ich schreibe am Liebsten über etwas, das mir schon mal passiert ist, weil ich dann gesichert schreiben kann, was die Person dabei fühlt und denkt.
Dabei transponiere ich (wie in der Musik) mein Erlebtes in die Fiktion, die ich mir ausgedacht habe.

Irgendwann, in einem weiteren Verlauf des Stoffes, vermischt sich schließlich alles zu einem neuen Geschichtsbrei, der sich vermutlich - wie in der Küche gelegentlich auch - nicht einmal mehr zu seinen originalen Zutaten zurückverfolgen lässt, ohne ein Chemielabor damit zu beauftragen.

Das war ein schwieriger Satz, wiederholen se ma, Müller!

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In meinem Roman ist Fiktives und Wahres miteinander vermischt und verwoben und etwas Neues daraus entstanden. Ich schreibe einen christlichen Roman, in dem mein fiktiver, aber teilweise mit meinen eigenen Charakterzügen ausgestatteter männlicher Romanheld an den echten Gott glaubt. Ich schreibe einen heiteren Urlaubsroman, für den ich fast jedes lustige Urlaubserlebnis, das ich je hatte, „verwurstet“, überzogen und an die fiktive Gesamtgeschichte angepasst habe. Ja, ich denke, 90% fiktiv und 90% autobiographisch könnte passen. :upside_down_face:

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@Silberliebe & @nolimit : Sind wir Brüder oder was?

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Das ist schwer zu sagen. So ähnlich wie @Rey möchte ich unterhalten, daher kommen keine Nachbarn, Freunde oder ehemalige Chefs in meinen Büchern vor. In erster Linie schreibe ich fiktiv. Aber ich bin natürlich vom Leben inspiriert. Ich baue manchmal Dinge ein, die ich erlebt, oder gehört habe. Warum spielt mein erster Roman im historischen Japan? Weil ich eine japanische Jugendfreundin hatte und die Denkweise dieses alten, traditionellen Landes, in eine abenteuerliche Geschichte verpacken wollte. Einige Szenen sind von ihren Geschichten beeinflusst.
Wer meine Bücher liest, kann wahrscheinlich reserve Profiling einsetzen und weiß, was ich spannend finde, welchen Typ Frauen ich anziehend, und welche lebensphilosophische Fragen mich beschäftigen. Oder auch nicht. Letztens meinte ein Leser (Bekanntenkreis) von Hela und Korian - dass ihm auffiel, dass meine Protagonisten häufiger Tee angeboten bekommen, oder im Restaurant trinken. (ich trinke kein Kaffee) das ist sozusagen hineinduffundiert und mir gar nicht aufgefallen. Deswegen wird in dem dystopischen Roman Paladinsöldner 2, ein Kaffee auf leckere Weise durch den alten, halbwegs gereinigten Luftfilter eines Motorrads gegossen. Prost. :wink:

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Zumindest im Geiste. Das ist für mich klar, seit ich Dein zukünftiges Buch gelesen habe.
:smiling_face_with_three_hearts:

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Dann nimm dir mal für den Rest der Woche nichts vor, Bro. Du bekommst heute noch Arbeit!

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Ich habe eine Autobiografie geschrieben, deren ‚Handlung‘ (samt Emotionen) von mir oder über mich erzählt. Wenn ich fiktional schreibe, so greife ich dennoch auf meine, in der eigenen Biografie verankerten, Empfindungen und Gefühle oder auf mein Empathievermögen zu. Insofern sind nahezu alle Texte ein Mix – nur der prozentuale Anteil ist unterschiedlich (90:90 allerdings nicht! :rofl:).

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Ich denke die prozentuale Verteilung hängt vom Genre ab, in dem man schreibt.
Schreibt man High Fantasy ist der persönliche Anteil vielleicht geringer, schreibt man zeitgenössische Literatur sehr wahrscheinlich höher, weil man da dichter am eigenen Leben ist und eventuell einen anderen Antrieb zum Schreiben hat.
Aber wenn man Figuren erstellt, geschieht das unbewusst und man ist nicht frei davon irgendetwas aus seinem Leben miteinfließen zu lassen.
Bei mir ist es 50/50, würde ich sagen. Mein Genre: Surrealer Realismus
Aber @Rey, unterhalten wollen wir alle. Also … hoffe ich …:upside_down_face::slightly_smiling_face:

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@Gschichtldrucker - könnte zumindest altersmäßig passen :sweat_smile: :sweat_smile:

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Ich glaube, das ist überhaupt nicht möglich, das ganz genau zu trennen. Leider kann man das Unterbewusstsein nur schlecht beeinflussen und so landet immer irgendetwas Persönliches in einem fiktiven Buch. Schon allein durch die Wortwahl. Stil hat meiner Ansicht nach auch etwas mit dem eigenen Charakter zu tun.

Das ist wie mit Rezepten. Gibt man 10 Personen ein Rezept für einen Auflauf werden diese 10 Personen trotzdem jeder - bei gleichen Zutaten - eine eigene Note in den Auflauf einbringen. Dagegen kann man sich überhaupt nicht wehren. Das ist zumindest meine Überzeugung.

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Ich würde das so formulieren, am Anfang ist der Anteil der eigenen Anteile höher. Er so bei 60%. Aber je später im Prozess ich bin, desto geringer wird das, weil ich festgestellt habe, dass ich nicht gut schreiben kann, wenn die Figuren zu viel von mir haben.
Aber grundsätzliche Dinge, wie die Familienstruktur übernehme ich natürlich automatisch wieder und wieder. :wink: Ich glaube, am Ende, wenn die Geschichte fertig ist, sind bei mir nur noch so 10 - 15 % eigenes in der Geschichte.
Wobei ich @EffEss widersprechen würde, ich glaube gar nicht, dass es am Genre liegt, sondern eher an der Persönlichkeit des einzelnen Autors.

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Das stimmt natürlich. Hinter jeder Geschichte steht eine eigene Persönlichkeit, egal in welchem Genre geschrieben wird.

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Alles, was ich erzähle hat in irgendeiner Weise Bezug auf mein Leben. Immer. Autobiographisch war es jedoch nie und wird es auch nicht sein.

Zum einen, weil es nichts überragendes, außergewöhnliches, erzählenswertes über mein Normalo Dasein zu erzählen gibt. Zum Anderen, weil die wirklich wunden Punkte so schwer zu ertragen sind, dass ich sie nicht teilen möchte, schon gar nicht in einem persönlichen Bezug. (also in der ich- Perspektive)

Dennoch ist beides in jedem Text von mir vorhanden, weil sie zum Thema eines fiktiven Charakters oder Plot werden.

Vermischt sich das? Und wie! Jedesmal, wenn wir eine Erinnerung „heraufbeschwören“ verändert sie sich. Wir erkennen darin, was wir just in dem Moment erkennen wollen. (Deshalb ist es manchmal auch recht überraschend, was bei einem "Weißt du noch, damals als wir … herauskommt)

90% 90% … klingt witzig. Aber anders kann es nicht sein. Mit ein bisschen Phantasie kann man Millionen Welten, Dinge, Figuren erschaffen. Doch was wäre all das, wenn du es nicht mit Leben füllst? Jede Beschreibung eines Gefühls oder Sinneseindrucks borgst du aus dem eigenen Erleben.

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Verdammt gute Frage!
Vom Setting her ist bei mir wenig bis gar nichts Autobiographisches, dafür entdecke ich immer wieder diese ‚Kleinigkeiten‘ wie z.B. eine Vorliebe oder Abneigung, die ich mit einer Figur teile, oder, sehr bezeichnend, meine weiblichen Figuren haben gerne mal eine problematische Beziehung zu ihren Müttern. (Froid, Tür zu! Von außen! :wink: )

Bei Un-Sympathieträgern stelle ich mir gerne jemanden vor, den ich nicht mag oder der mir auf die Nerven geht, und lasse seinen Charakter mit einfließen.
Figuren, die positiv besetzt sind, haben eigentlich immer auch Eigenschaften, die ich an meinen Mitmenschen schätze.

Und so weiter, ich denke auch, das lässt sich lange nicht so scharf abgrenzen wie man vielleicht meint oder möchte. Wir haben alle unseren Stil, und der ist ein Konglomerat aus unseren Erfahrungen, Wünschen, Träumen, Hintergründen, unserer Bildung, dem Elternhaus uns sicher noch einer halben Million weiteren Punkten.

Finde ich ne geniale Idee für einen dystopischen Roman. Improvisation ist alles. :laughing:

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Und da sind wir schon wieder beim Persönlichen, von dem man sich überhaupt nicht freimachen kann. Ob wann nun will oder nicht.
Ich mache es übrigens genauso.

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In meiner Autobiografischen Erzählung „Mein Leben ist anders“ kommen viele Fakten aus meinem Leben vor. Natürlich sind die Namen aller Personen geändert, damit es rechtlich keine Probleme gibt. Ich habe sogar meinen Fantasiefreunden extra für dieses Buch neue Namen gegeben. Damit wirklich alle Namen fiktiv sind. Die Handlungen sind aber fast alle aus dem realen Alltag von mir gegriffen.

Gruß

Super Girl

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Ein interessantes Thema.
Ich behaupte einmal, dass meine aktuelle Erzählung 100% fiktiv mit Prägungen meines Lebens durch erlebte Begegnungen, Hoffnungen, Alpträume etc sind. Dennoch vordergründig sind alle Charaktere fiktiv und nicht bewusst an Personen angelehnt. Im Subtext hingegen geht es um unverselles (Verlust, Familie, Konflikte, Lösung).

Ich weiß aber, sollte ich jemals eine Autobiographie schreiben: sie begänne mit einer Lüge.
(einfach, weil ich das von Heinrich Heine damals so unendlich cool fand)

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