Böse Frage, interessante Antwort

Ich bin ein Doktor, bin ein Dichter, war ein Kinderstar
meinem Vater g’hört der Prater und mir gehört die Bar
Ich sag dir alles, was du hören willst, Hauptsache du bleibst da
Ich würde lügen für dich, glaub mir, das ist alles wirklich wahr!
(Günther Brödl)

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Interessante Frage.

Ist es nicht so, dass wir Gefühle, die wir selbst erlebt haben, deutlich besser beschreiben können als erfundene?
Ich kann mir als Mann zwar vorstellen, wie sich die Gefühlswelt einer Frau anfühlen könnte – aber letztlich ist das reine Fiktion. Keine Erinnerung, kein inneres Echo.
Viele Teile meiner Texte basieren auf dem, was ich selbst erlebt oder empfunden habe – auch wenn es nicht 1:1 autobiografisch ist. Ich könnte nicht „steril“ schreiben.
Wenn ich an einen Wald denke, rieche ich ihn. Wenn ich daran denke, wie uns dort einmal eine Rotte Wildschweine verfolgt hat, kann ich die Panik von damals sehr genau abrufen – und genau diese Stimmung fließt dann in meine Texte.
Ob in der Geschichte wirklich ein Wildschwein vorkommt, oder jemand einfach vor einer anderen Bedrohung flieht, ist nebensächlich. Die Gefühle sind real, auch wenn die Handlung erfunden ist. Und weil ich sie noch einmal durchlebe – ohne Angst –, kann ich sie umso klarer beschreiben.

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Habe vor vielen Jahren biographisch begonnen - einfach weil es gut tat.
Hatte recht schnell Phantasie beigemischt, weil ich nach 70 Seiten gemerkt habe, dass es für andere interessant sein könnte und die reine Biographie unbekannter Personen - sei sie noch so abgefahren - allenfalls die Familie interessiert und Freunde. Damals dachte ich noch, ha, mach ich mal schnell einen Bestseller :wink:
Inzwischen fühle ich mich geerdeter und bin froh, dass mein erstes selber veröffentliches Buch zeigt, dass ich auch anderes kann/gelernt habe. Phantasie habe ich ohnehin jede Menge, weiß gar nicht wohin damit. Okay, Kurzgeschichten und so … YEAH
Denke, ein Selbst schwingt immer mit, wäre ja komisch, wenn nicht.
In Prozent kann ich es nicht ausdrücken :wink:
Doch je mehr Lebenserfahrung plus Handwerk - desto besser.
Inzw. mache ich beides: Biozeugs; rein Ausgedachtes; und weil’s nicht genug ist, eine Vermischung obendrauf.
Jetzt reicht mir meine Zeit wahrscheinlich nicht. Heißt ich fange im nächsten Leben wieder von vorne an :wink:
Vielleicht etwas früher und vielleicht bleibe ich dann dran. Ich bewundere die Leute, die das geschafft haben, weil Schreiben und Lesen an sich grooooßartig ist.
@Rey Ja, das ist ein großer Schritt. Unterhalten möchte ich in jedem Fall. Schon weil meine eigenen Texte beim selberlesen diese Funktion unbedingt erfüllen sollen.
@Silberliebe volle Zustimmung
@Tapio Ha, bei mir kommen alle möglichen „echten“ Personen vor. Weil sie mich inspirieren, geradezu herausfordern. Im besten Fall wird eine witzige Geschichte daraus, über die sie dann auch lachen, weil sie sie gerne lesen.
@Heather Genau. So in etwa :slight_smile:
@EffEss Stimmt. Das Genre spielt natürlich eine große Rolle.

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Ich glaube, das ist nicht möglich. Also unterhalten schon! Die Trennung der privaten Erlebnisse von den Gedanken, die du verschriftlichst, aber nicht. Wie soll das gehen? Du schnappst das Gespräch skurriler Leute im Restaurant auf („Du Wolfgang, die wollen für das Wiener Schnitzel hier 25 Euro, ohne Beilage. In der Tiefkühle bei Netto gibt es das für 3,50!“… „Ne Birte, wir nehmen einen Obstler.“), und vergisst es gleich wieder? Oder beeinflussen Herbert und Birte doch einmal dein Set?

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Das geht. Inspirieren lassen ist immer noch was anderes als eine Biographie reinzuschreiben.

Ja, gut, das Restaurant-Beispiel war banal. Liebe, Verluste, Erfolge, Scham graben sich doch in dich ein. @Gschichtldrucker kann es vermutlich besser formulieren. Auch wenn du es willst, du wirst diese Eindrücke, die dich ausmachen, nicht löschen können. Schon ein Mindmapping zum Thema „Kuss“ wird nicht ohne deine Historie zu Verzweigungen führen. Wäre zumindest schade :face_with_diagonal_mouth:

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Okay, dann werfe ich mal den guten alten Carl Rogers in die Diskussion. Der meinte, dass die Grundlage zu jeglicher Kommunikation (und das Erzählen bzw. Schreiben von Geschichten zähle ich zu dieser) Empathie sei. Unter Empathie meint er das Verstehen des Verhaltens eines Menschen aus dessen Emotionen heraus. Dies gelinge aber nur, wenn ich mich an Situationen meines eigenen Lebens erinnere, die mit ähnlich heftigen Emotionen behaftet waren. Ein authentisches Schreiben über starke Gefühle (Liebe, Hass, Freude, Trauer, Zorn, Stolz) wird mir also dann am besten gelingen, wenn ich mich an Situationen aus meinem eigenen Leben erinnere, die eben diese Gefühle (aber nicht unbedingt auch das fiktive Verhalten einer Romanfigur) provoziert haben.

Die Protagonistin meines Romans ist ein sexuell traumatisiertes vierzehnjähriges Mädchen. Ich bin das nicht. Aber ich erinnere mich sehr gut an die Gefühle, die mit Gewalttätigkeiten, Ausgrenzung und Diskriminierung in meinem Leben verbunden waren. Das kann ich nun - erzählerisches Talent und schriftstellerisches Know-How vorausgesetzt - in die Romanfigur projizieren und fiktive, aber in sich logische Verhaltensweisen beschreiben. Meine Biographie spielt also sehr wohl eine große Rolle, wenn es um einen möglichst authentischen Erzählstil geht.

Ich weiß, dass ich mich da sehr weit aus dem Fenster lehne, aber ich denke, wir machen das in irgendeiner Form alle. Ob es uns immer bewusst ist, steht freilich auf einem anderen Blatt. Inspiration hingegen, finde ich, ist was ganz anders - nämlich das, was uns zum Schreiben anregt.

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Ich bin und bleibe meiner Meinung treu.

Dem Stimme ich zu. Ein bisschen Persönlichkeit fließt meiner Meinung nach in unsere Geschichten mit hinein, ob wir es wollen, oder nicht.

Ich will es eigentlich nicht, daher ist der autobiographische Anteil meines Buches denkbar gering. Kühne These: wenn man mein Buch liest, weiß man hinterher eigentlich nichts über mich. Nicht welchen Typ Mensch ich sympathisch finde, nicht was ich in meiner Freizeit gerne mache, nicht welche Charakterzüge ich persönlich ganz schrecklich finde und auch nicht, was ich persönlich als attraktiv empfinde. Vielleicht glaubt man diese Informationen herauszulesen, aber ich bin mir recht sicher, dass das nicht möglich ist.

Meinen Beruf, oder zumindest die Branche, könnte man eventuell herauslesen, denn Ärzte, Pflegekräfte, MFAs, Medizintechniker und -technologen verhalten sich wahrscheinlich überdurchschnittlich realistisch und unterhalten sich in ihrem Fachjargon und ihrer eigenen geläufigen Umgangssprache. Ob ein Außenstehender das so schreiben würde, weiß ich nicht, jedenfalls habe ich bisher in Büchern oft erkannt, wenn der Autor aus dem Medizinsektor kam und im Krimi oder Thriller in irgendeiner Weise Mediziner eine Rolle spielten.

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Ich muss gestehen, ich musste überlegen :rofl:
Doch bei meinem Manuskript sind die ersten Kap. der Schulzeit noch auf meine autobiographischem Hintergrund entstanden. Der Rest, der danach kommt ist Fiktion und ausgedacht. Wobei mein Genre eh aus dem Urban/Romance/Dark Fantasy stammt und ich reale Orte verwende :sweat_smile:

Hauptcharakteren und ein paar andere Charakteren sind hierbei aber auf Reale Personen bezogen, von denen ich die Erlaubnisse habe sie zu benutzen :smiley:

Ich kann die Frage ganz klar mit „Null“ beantworten. Ich schreibe im Fantasy - Genre und das genau aus dem Grund, dass ich hier meiner Phantasie den meisten Freiraum einräumen kann. Dass natürlich auch meine Persönlichkeit durch Sprache, Charaktere und Handlung abgebildet wird, halte ich für selbstverständlich, sonst könnte man ja auch einen Schreibbot bemühen. Und so kommt ja auch der eigene Stil zustande. Wer kennt das nicht, eigentlich wäre ein Buch ganz nett, aber der Stil liest sich grauenvoll, während andere ihn ganz toll finden. Autobiographisch zu schreiben kommt mir nicht in den Sinn, schon den Gedanken daran empfinde ich für mich als abwegig. Nicht, dass ich mein Leben als langweilig oder uninteressant empfände, aber ich möchte es einfach nicht mit wildfremden Leuten teilen, die sich dann womöglich noch in irgendeiner Form von Kritik ergehen.