Hallo @Ennui ,
Grundsätzlich, und das ist das Allerwichtigste, gefällt mir deine Geschichte richtig gut. Daran ändert auch die Rubrik „aber“ nichts, die weiter unten folgt. Du schreibst mit Tempo und lebendig in einer „jungen“ Sprache, vor allem in den Dialogen, und kannst Bilder bei mir als Leser erzeugen (sogar welche, die ich lieber nicht sehen will).
Nach Seite 6 etwa habe ich schon mal gescrollt, um zu sehen wie viele Seiten denn da wohl noch kommen. Dass es am Ende dreißig Seiten waren, hat mich dann doch erstmal schlucken lassen. Du hast verdammt viel in deine Geschichte hineingepackt. Nicht nur für eine Kurzgeschichte etwas zu viel, meiner Meinung nach. Ich, an deiner Stelle, würde kürzen! Das käme dem Tempo sehr entgegen. (Ja, ich weiß, wie schwer es fällt, manches über Bord zu werfen).
Ich lese natürlich als „Kollege“ und nicht als Leser. Deshalb habe ich das Gefühl, dass du an vielen deiner Formulierungen, Ideen und Szenarien hängst. Das macht dir auch das Kürzen so schwer. Deshalb solltest du gar nicht erst mit dem “Skalpell” anfangen, sondern gleich die “Axt” nehmen. Damit kommen deine formulierten Highlights auch besser zur Geltung. Wenn es nur noch blitzt, kneift man am besten die Augen zu.
Nur ein Beispiel: In der Phase es „Begreifens“ lässt du den Leser an Dominiks Verwirrung teilhaben und beschreibst auch die daraus resultieren Handlungen sehr bildhaft. Dann folgt ein toller Satz wie:
Zu dieser außerirdischen Situation nervös konstruierte Erklärungsversuche, schlugen Purzelbäume im Bällebad kognitiver Dissonanz.
Der ist klasse formuliert, erschien mir an dieser Stelle jedoch wie ein Fremdkörper. Eben noch Bilder im Kopf, musste ich als Leser die betreffenden Zeilen zweimal lesen, um den Satz in vollem Umfang zu entschlüsseln. Das bringt mich raus. Gerade in einer Geschichte mit fantastischen Einflüssen sehe ich das problematisch. Die Leser:innen müssen in der Gedankenwelt bleiben, um die fehlende Logik oder die Realitätsferne nicht zu hinterfragen. Wenn du sie rausreißt, werden sie skeptisch und folgen dem Text noch pingeliger als die Forenkolleg:innen. Du solltest die Geschichte noch mal auf solche Brüche in Erzählstil und Storyentwicklung prüfen. Vielleicht auch hier und da die Dialoge etwas straffen (i. S. v. verdichten). Kann mir vorstellen, das bringt richtig was.
Dein Handlungsentwurf ist wirklich klasse, bis hin zur Schlusslösung im Supermarkt und am Getränkeautomaten. Auch dein stilistischer Kniff mit der Formatierung als Kassenzettel ist top!
Handwerklich:
Den Einstieg in der anderen Zeitform würde ich durch eine Leerzeile stärker von der Erzhählung absetzen – oder anpassen.
Müssen Versalien sein? Für solche Ausrufe wurde das Ausrufezeichen erfunden. Richtig problematisch wirds, wenn Gedachtes auch noch kursiv erscheint. (Alte Regel des Schriftsatzes: Immer nur eine Auszeichnung! Entweder Groß oder Kursiv.)
So, das war jetzt vielleicht ein bisschen lang – aber wie du mir, so ich dir.